Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Verlassenschaftsache nach der am 30.Juli 1989 verstorbenen Hildegard K*****, infolge Revisionsrekurses der Clara H**********, vertreten durch Dr.Werner Klement, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 5.Juni 1992, GZ 3 R 160/92-108, womit der Antrag der Clara H***** auf Beschlußberichtigung abgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Das Erstgericht wies den auf Schadenersatz- und Mietzinsforderungen gegen die Verlassenschaft von insgesamt S 87.154,02 gestützten Antrag der Rechtsmittelwerberin auf Absonderung der Verlassenschaft nach § 812 ABGB ab (ON 98). Der Beschluß wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter der Absonderungsgläubigerin am 24.3.1992 zugestellt. Der gegen den erstgerichtlichen Beschluß erhobene Rekurs wurde nach der Aktenlage am 8.4.1992 beim Erstgericht überreicht. Das Rekursgericht wies daher den Rekurs als verspätet zurück (ON 104). Die Rechtsmittelwerberin beantragte die Berichtigung des Zurückweisungsbeschlusses mit der Behauptung, den Rekurs am 7.4.1992 zur Post gegeben zu haben. Durch ein Versehen des Gerichtes sei das Kuvert mit dem Postaufgabedatum in Verstoß geraten und das Rechtsmittel daher mit der Stampiglie "Überreicht" versehen worden.
Das Rekursgericht wies den Berichtigungsantrag mit der Begründung ab, daß nach den §§ 419, 430 ZPO nur Schreib- und Rechnungsfehler oder andere offenbare Unrichtigkeiten einer gerichtlichen Entscheidung berichtigt werden könnten. Eine Berichtigung sei demnach nur zulässig, wenn die zu berichtigende Entscheidung offensichtlich dem Willen des Gerichtes nicht entsprochen habe.
Entscheidungsberichtigungen dienten aber nicht dem Zweck, meritorische Unrichtigkeiten zu beseitigen. Die Entscheidung, deren Berichtigung begehrt werde, habe dem Willen des Gerichtes entsprochen und sei durch die Aktenlage gedeckt gewesen.
Der gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs der Absonderungsgläubigerin ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat die Frage, ob ein von ihm gefaßter Beschluß, mit dem ein Rechtsmittel - durch die Aktenlage gedeckt, aber materiell unrichtig - als verspätet zurückgewiesen wurde, aufgrund eines Berichtigungsantrages aufgehoben werden kann, bisher überwiegend verneint (JBl. 1979, 38; EvBl. 1971/40; 1 Ob 122/71 ua), in der Entscheidung SZ 60/192 jedoch ausgesprochen, daß diese Ansicht infolge Änderung des § 530 ZPO durch das KSchG nicht mehr aufrecht erhalten werden könne. Durch diese Änderung sei nunmehr auch eine Wiederaufnahme bei Entscheidungen zulässig, die über einen Rechtsschutzanspruch nicht meritorisch absprechen, somit auch bei Zurückweisungsbeschlüssen. Damit sei das Argument, auf das sich die ältere Rechtsprechung gestützt habe, daß für eine Berichtigung, die ihrem Wesen nach eine Wiederaufnahme des Verfahrens sei, eine gesetzliche Grundlage fehle, weggefallen. Könne ein verfahrensrechtlicher Fehler aber ohne förmliches Beweisverfahren geklärt werden, könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, daß die Korrektur von der Einbringung einer Klage abhängig sein soll. Dieser Entscheidung lag jedoch ein in einem Zivilprozeß gefaßter Zurückweisungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes zugrunde. Im vorliegenden Fall wird die Berichtigung eines im Außerstreitverfahren ergangenen Beschlusses des Rekursgerichtes angestrebt. Nach ständiger Rechtsprechung sind die Bestimmungen des § 530 ZPO im Außerstreitverfahren nicht analog anzuwenden (JBl. 1989, 186; NZ 1983, 105 uva). Diese Rechtsprechung wird zwar in der Lehre abgelehnt und die Wiederaufnahmsmöglichkeit im Außerstreitverfahren bejaht, soweit dies nicht in besonderen Teilgebieten ausgeschlossen ist (Fasching ZPR2 Rz 2042 mwN). Selbst wenn man in dieser Frage der Lehre folgt, kann der auf die Entscheidung SZ 60/192 gestützte Standpunkt der Rechtsmittelwerberin nicht geteilt werden. Der Rechtssatz dieser Entscheidung, daß der Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs.1 Z 7 ZPO sinngemäß anzuwenden ist, wenn ein Rechtsmittel infolge eines unrichtigen Aufgabe- oder Eingangsvermerkes vom Obersten Gerichtshof als verspätet zurückgewiesen wurde, kann auf Zurückweisungsbeschlüsse der zweiten Instanz nicht angewendet werden. Die Wiederaufnahmsklage ist nicht Selbstzweck und ein außerordentlicher Rechtsbehelf. Ihr Schutzzweck ist verfahrensrechtlicher Art. Nach § 530 Abs.2 ZPO ist die Wiederaufnahme wegen der in Abs.1 Z 7 angegebenen Umstände auch nur zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, die neuen Tatsachen oder Beweismittel rechtzeitig geltend zu machen. Weist ein Gericht zweiter Instanz ein Rechtsmittel wegen Verspätung zurück, kann die Partei regelmäßig durch Rekurs an den Obersten Gerichtshof geltend machen, daß die Zurückweisung auf der unrichtigen Annahme der Verspätung beruht. Trifft letzteres nach den Erhebungsergebnissen zu, trägt der Oberste Gerichtshof eine Sachentscheidung auf (7 Ob 584/91; 1 Ob 725/85; 6 Ob 792/83 uva). Da die Rechtsmittelwerberin auch im vorliegenden Fall die von ihr behauptete unrichtige Annahme der Verspätung durch das Rekursgericht im Rekursverfahren gegen den Zurückweisungsbeschluß hätte geltend machen können, käme nach dem Zweck des außerordentlichen Rechtsbehelfes eine Wiederaufnahme nicht in Betracht. Es ist daher auch eine Berichtigung entsprechend den Grundsätzen der SZ 60/192 nicht möglich.
Demgemäß ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E33214European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00593.92.0917.000Dokumentnummer
JJT_19920917_OGH0002_0070OB00593_9200000_000