Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22.September 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer, Dr.Massauer, Dr.Schindler und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Schneider als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dragoslav B***** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 11.März 1992, GZ 20 y Vr 11.309/91-50, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr.Raunig, des Angeklagten Dragoslav B***** und der Verteidigerin Dr.Vera Schreiber, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 30.April 1968 geborene jugoslawische Staatsbürger Dragoslav B***** wurde auf Grund des Wahrspruches der Geschworenen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er am 31.Oktober 1988 in G***** (Steiermark) im einverständlichen Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Dusan T*****, Novica S***** (alias S*****) und Dragisa S***** dem Adolf D***** mit Gewalt gegen dessen Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe 225.000,-- S mit dem Vorsatz wegzunehmen oder abzunötigen versucht, sich durch Zueignung des Geldes unrechtmäßig zu bereichern, indem er sich mit Dusan T***** und Dragisa S***** an die Lenkerkabine eines LKW (in der sich Adolf D***** damals aufhielt) heranschlich und sich bemühte, die - jedoch versperrte - Beifahrertür zu öffnen, während Dusan T***** die Fahrertür aufriß, worauf Dragisa S***** auf Adolf D***** eine Gaspistole richtete und ihm zurief "Das ist ein Überfall! Geld her oder ich schieße!", während Novica S***** (alias S*****) Aufpasserdienste leistete und auf einen als Fluchtfahrzeug bestimmten PKW acht gab, wobei die (Raub-)Tat nur deshalb nicht vollendet werden konnte, weil sich Adolf D***** zur Wehr setzte und mit dem LKW die Flucht ergriff.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil wird von B***** mit einer auf § 345 Abs. 1 Z 6, 10 a, 11 lit a und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.
Eine Verletzung der Vorschrift des § 314 Abs. 1 StPO und damit den Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO erblickt der Beschwerdeführer darin, daß die Aufnahme einer Eventualfrage nach Beitragstäterschaft (im Sinne des § 12 dritter Fall StGB) unterblieben ist. Er beruft sich in diesem Zusammenhang auf die Aussage des Zeugen Dorde St***** in der Hauptverhandlung am 11.März 1992, die seiner Meinung nach eine solche weitere Fragestellung erforderlich gemacht hätte.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers läßt sich aber den Angaben dieses Zeugen ein - die angestrebte Eventualfrage nach Beitragstäterschaft zum Raub indizierendes - Tatsachenvorbringen nicht entnehmen. Hat doch dieser Zeuge, der sich zur Tatzeit als Beifahrer des Adolf D***** im LKW befand, zu Beginn des Raubüberfalles geschlafen und den Beschwerdeführer an der Beifahrertüre gar nicht wahrgenommen (vgl Bd IV, S 80 dA). Da der Zeuge demnach überhaupt keine Wahrnehmungen über ein Tatverhalten des Beschwerdeführers gemacht hatte, stellt seine Aussage kein Vorbringen zu einer Beitragstäterschaft dar. Aber auch aus den Aussagen seiner beiden Raubgenossen T***** und S***** in der Hauptverhandlung ergibt sich kein Tatsachensubstrat für die begehrte Eventualfrage.
Aber auch die Tatsachenrüge (Z 10 a) ist nicht berechtigt. Aus der Aussage des Zeugen Dorde S***** auf die sich der Beschwerdeführer beruft, ist für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen. Auch der Umstand, daß dieser Zeuge nachträglich von der Tatbeteiligung des Beschwerdeführers nichts erfahren hat (vgl Bd IV S 82 dA), stützt nicht die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers. Hingegen wird der Beschwerdeführer durch die Aussagen seiner Komplizen Novica St***** und Dusan T***** eindeutig belastet (vgl Bd IV, S 82, 83, 86, 92 und 93 dA) und ist das Vorbringen dieser Belastungszeugen nicht mit den in der Nichtigkeitsbeschwerde behaupteten Widersprüchen behaftet:
Der Zeuge Novica St***** hat nämlich schon vor dem Untersuchungsrichter davon gesprochen, daß der Beschwerdeführer an der Raubtat beteiligt war (vgl Bd III, ON 8, S 129 dA). Dem Beschwerdevorbringen zuwider haben Novica St***** und Dusan T***** auch übereinstimmend angegeben, daß sich der Beschwerdeführer in Ausführung des gemeinsam gefaßten Tatplanes bereits zu der - wie sich dann allerdings herausstellte, verschlossenen - Türe beim Beifahrersitz hinbegeben hatte, nach deren Öffnung er vereinbarungsgemäß den Beifahrer Dorde S***** festhalten sollte (Bd IV, S 85, 86, 92 und 93 dA). Wenngleich diese Zeugen in der Folge von der weiteren Beobachtung des Beschwerdeführers durch das Tatgeschehen im Bereich der Lenkertüre des LKWs gehindert waren, bestehen keine erheblichen Bedenken gegen die Feststellung des tatplankonformen Verhaltens des Beschwerdeführers.
Das gleiche gilt auch - ungeachtet von Divergenzen in belanglosen Einzelheiten - für das weitere Vorbringen dieser beiden Zeugen, demzufolge der Beschwerdeführer schon vor der Tat in den auch von ihm gebilligten Tatplan eingeweiht worden ist (vgl Bd IV, S 83, 84, 92 und 95 dA) und in Kenntnis der für alle Beteiligten deutlich sichtbaren Gaspistole, die einer der anderen Täter bei sich hatte, am Raubüberfall mitgewirkt hat (Bd IV, S 87, 92, 96 und 97 dA). Das der Sache nach insgesamt lediglich den Beweiswert der Aussagen dieser Zeugen erörternde Beschwerdevorbringen erschöpft sich somit nach Inhalt und Zielrichtung darin, einer für den Beschwerdeführer entsprechend seiner leugnenden Verantwortung günstigeren Tatversion zum Durchbruch zu verhelfen; es bietet nach der Aktenlage jedoch keine Hinweise, die geeignet wären, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des dem Wahrspruch der Geschworenen zugrunde gelegten Tatsachensubstrates zu erwecken.
Mit der Behauptung, der Wahrspruch der Geschworenen sei mit dem materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund der Z 11 lit a des § 345 Abs. 1 StPO behaftet, weil daraus nicht sein für die rechtliche Beurteilung erforderliches (konkretes) Tatverhalten zu entnehmen sei, übergeht der Beschwerdeführer den Inhalt des gesamten Wahrspruches. Die von der Beschwerde verlangte Wertung des Verhaltens des Angeklagten als (straflose) versuchte Beihilfe, geht einerseits nicht von den Feststellungen des Wahrspruches aus, wonach dieser als unmittelbarer Täter seinen Entschluß zur Tat durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung, nämlich durch ein Heranschleichen an die Lenkerkabine des Lastkraftwagens und durch das (vergebliche) Bemühen, die Beifahrertür zu öffnen, betätigt hat und releviert andrerseits abermals die Stellung einer Eventualfrage in Richtung der Beitragstäterschaft, die schon bei Erledigung des Nichtigkeitsgrundes nach § 345 Abs. 1 Z 6 StPO verneint wurde.
Mit seiner auf den Nichtigkeitsgrund der Z 12 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Rechtsrüge wendet sich der Beschwerdeführer gegen die ihm angelastete Tatqualifikation des § 143 zweiter Fall StGB (Verübung des Raubes unter Verwendung einer Waffe).
Er setzt sich mit seinem Beschwerdevorbringen zunächst abermals über den Inhalt des Wahrspruchs hinweg, aus dem unmißverständlich hervorgeht, daß der an der vorliegenden Raubtat als Mittäter des Beschwerdeführers beteiligte Dragisa S***** auf das Raubopfer Adolf D***** eine Gaspistole gerichtet und damit unter dem Zuruf: "Das ist ein Überfall! Geld her oder ich schieße!" gedroht hatte.
Soweit der Beschwerdeführer den Rechtsstandpunkt einnimmt, daß die Raubqualifikation nach dem § 143 zweiter Fall StGB jenem von mehreren Tätern, der die Waffe bei Verübung der Raubtat nicht selbst getragen hat, nicht angelastet werden dürfe, irrt er. Denn alle Mittäter an einer Raubtat, die nicht selbst die Waffe verwenden, haften dennoch für diese Qualifikation, wenn sie bei der Tatbegehung von der Existenz der Waffe und deren Verwendung durch einen anderen Beteiligten Kenntnis hatten und sich damit abfanden (Leukauf-Steininger, StGB3, RN 15 zu § 143 StGB). Eben dies haben die Geschwornen im Wahrspruch festgestellt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als unbegründet zu verwerfen.
Der Angeklagte wurde nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Anwendung des § 41 StGB zu einer Feiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Das Geschworenengericht wertete als erschwerend die Verletzung des Opfers, mildernd hingegen die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten, sein Alter unter 21 Jahren sowie den Umstand, daß die Tat beim Versuch geblieben ist.
Die Berufung des Angeklagten wendet sich zunächst dagegen, daß ihm die Verletzung des Opfers, die er nicht in seinen Vorsatz aufgenommen hätte, als erschwerend angelastet werde. Die Verletzung des Tatopfers mit der mitgeführten Waffe lag aber keineswegs außerhalb des Tatplanes, weshalb sie zu Recht, als (auch) vom Angeklagten (mit-)verschuldet (Fahrlässigkeit genügt, § 7 Abs. 2 StGB) und damit erschwerend (§ 32 Abs. 3 StGB) gewertet wurde. Soweit der Berufungswerber aber jegliches aktive Tun bei der Tatausführung und seine Kenntnis der hiebei verwendeten Waffe bestreitet, entfernt er sich unzulässig vom Schuldspruch, der dem Strafausspruch zugrunde zu legen ist.
Daß der Angeklagte nach Begehung zahlreicher Diebstähle und deren Aburteilung durch den Jugendgerichtshof Wien aus Österreich abgeschoben, dennoch hierher zurückkehrte, weil er sich dem Militärdienst in seinem Heimatland entziehen wollte, und daß er nach Ablehnung seines Asylantrages unter falschem Namen in Österreich blieb (S 74 ff/IV), zeigt keinen als mildernd zu wertenden Umstand auf. Eine "drückende Notlage" lag auch deshalb nicht vor, weil der Angeklagte bei seiner Freundin wohnte, von den Eltern unterstützt wurde und überdies auch Gelegenheitsarbeiten verrichtete. Der Umstand, daß sich der Beschwerdeführer seit der Tat im Oktober 1988 wohlverhalten hat (§ 34 Z 18 StGB), ist schon deshalb nicht mildernd, weil sich der Angeklagte von den annähernd vier, seither verstrichenen Jahren fast zwei Jahre in Haft befunden hat.
Erschwerend war vielmehr noch, daß die Tat sowohl mit Gewalt als auch mit gefährlicher Drohung und überdies in Gesellschaft von zwei weiteren Mittätern begangen wurde. Damit besteht auch unter Berücksichtigung (§ 31 StGB), daß der Angeklagte vom Landesgericht für Strafsachen Wien zur GZ 2 c Vr 1740/92-41, wegen des (teils sogar mit denselben Mittätern begangenen) Verbrechens des Einbruchsdiebstahls nach den §§ 127, 129 Z 1 StGB zu einer neunmonatigen Strafe verurteilt wurde, wobei diese Taten vor der nunmehrigen Aburteilung begangen wurden, kein Anlaß, die ohnehin unter Anwendung außerordentlicher Strafmilderung geschöpfte Strafe noch weiter herabzusetzen.
Der Berufung des Angeklagten war daher gleichfalls ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E31449European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0140OS00099.9200008.0922.000Dokumentnummer
JJT_19920922_OGH0002_0140OS00099_9200008_000