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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der P in K, vertreten durch Dr. Elisabeth Hrastnik, Rechtsanwältin in 7400 Oberwart, Hauptplatz 11, Top 16 A, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Burgenland vom 31. März 2004, Zl. LGS-Bgld./IV/1241-2/2004, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die 1969 geborene Beschwerdeführerin, eine AHS-Absolventin, war in der Zeit vom 27. Dezember 1988 bis 30. Juni 2001 mit einer kurzen Unterbrechung als Vertragsbedienstete bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland beschäftigt. Seit 6. Juli 2001 bezieht sie mit Unterbrechungen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, seit dem 8. Februar 2002 Notstandshilfe.
Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde in Abweisung der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung aus, dass die Beschwerdeführerin den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 AlVG für die Zeit vom 10. November 2003 bis 21. Dezember 2003 verloren habe, weil sie eine angebotene Beschäftigung nicht angenommen habe. Anlässlich ihrer Arbeitslosenmeldung habe sie mitgeteilt, dass sie sich im Gesundheitswesen, nämlich in den Bereichen "Vollwerternährung für Schulkinder oder Morgengymnastik für Jugendliche" selbständig machen wolle. Diesen Plan habe sie bisher nicht realisiert. In dem von der Beschwerdeführerin erlernten bzw. bisher jahrelang ausgeübten Beruf bestünden - aus näher ausgeführten Gründen - keine Vermittlungschancen.
Bereits im Februar 2003 sei sie im Hinblick auf eine mögliche Beschäftigung beim Verein "Mama's Küche" über die Art der Beschäftigung und über die Ziele des Vereins informiert worden. Es handle sich um ein vom Arbeitsmarktservice unterstütztes Projekt, welches das Ziel habe, langzeitarbeitslose Personen wieder "jobready" zu machen. Diese Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt erfolge in Form eines Dienstverhältnisses. Die Arbeitskräfte würden in ein auf ein Jahr befristetes Dienstverhältnis treten und in den Bereichen "Küche, Organisation, Zustellung, etc." tätig sein. Daneben erfolge auch eine "sozialpädagogische Betreuung", sodass zumindest nach der Beendigung dieses Arbeitsjahres die Vermittlungschancen dermaßen steigen würden, dass die Erlangung eines Arbeitsverhältnisses auf dem freien Arbeitsmarkt erleichtert werde. Weiteres Ziel dieser "Maßnahme" sei die Steigerung der Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme und die "Erarbeitung neuer Berufsmöglichkeiten und einer neuen Betrachtungsweise des freien Arbeitsmarktes, sodass die Erfolgschancen, nach langer Abwesenheit am Arbeitsmarkt neuerlich in der Berufswelt Fuß zu fassen, gesteigert werden". Durch die Mitarbeit beim Verein "Mama's Küche" werde ein Wiedereinstieg in den von der Beschwerdeführerin bisher ausgeübten Beruf nicht erschwert. Sie habe ihre Tätigkeit für die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland beendet, um im Gesundheits- und Ernährungsbereich selbständig zu arbeiten. Dieser Bereich sei auch Thema des Vereins, bei dem ihr die Möglichkeit geboten werde, ihr Wissen über eine gesunde Ernährungsweise weiterzugeben. Ihrem Einwand, sie sei strikte Vegetarierin und könne mit Fleisch nicht umgehen, sei zu entgegnen, dass Fleisch "bei ganzheitlicher Sicht der Ernährungsformen" als wichtiger Bestandteil der Nahrungsmittelkette anzusehen und für viele Menschen auch aus gesundheitlicher Sicht aus der täglichen Ernährung nicht wegzudenken sei. Dies sei auch bei der Ernährungsberatung in Betracht zu ziehen. Die Beschwerdeführerin hätte durch Beistellung ihres Wissens einen wesentlichen Beitrag in die Richtung "gesunder Ernährung" liefern können. Mit der Handhabung von Fleisch für die Zubereitung von Mahlzeiten wäre "kein Verstoß gegen die Sittlichkeit oder Ethik entstanden", zumal die Beschwerdeführerin nicht genötigt gewesen wäre, ihre eigenen Anschauungsweisen zu ändern. Die Beschwerdeführerin sei von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberwart (AMS) über ihre künftige Tätigkeit unterrichtet worden. Ihr sei mitgeteilt worden, dass es sich um eine längstens für ein Jahr befristete Arbeit handeln würde und eine Aufnahme dieser Beschäftigung erfolgen könne, sobald dort eine Mitarbeiterin ausscheide. Auf Grund einer schriftlichen Einladung des AMS habe sich die Beschwerdeführerin am 5. November 2003 beim Verein "Mama's Küche" beworben. Die Beschwerdeführerin habe an der angebotenen Stelle kein Interesse gezeigt. Sie habe zu verstehen gegeben, dass sie für die Tätigkeit überqualifiziert wäre und die Stelle nicht annehmen würde. Sie würde ihr Haus renovieren und auf einer Baustelle leben.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin könne in eine andere Sparte vermittelt werden, weil durch die Ausübung der berufsfremden Tätigkeit eine Rückkehr in den erlernten oder jahrelang ausgeübten Bereich nicht wesentlich erschwert oder unmöglich gemacht werde. Das Verhalten der Beschwerdeführerin sei als Arbeitsverweigerung im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen zu qualifizieren.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Dem angefochtenen Bescheid haftet eine im Rahmen des Beschwerdepunktes von Amts wegen aufzugreifende Rechtswidrigkeit an:
Die belangte Behörde hat ihren Bescheid damit begründet, dass die Beschwerdeführerin eine ihr angebotene, zumutbare Beschäftigung nicht angenommen habe. Auf Grund der Feststellungen des angefochtenen Bescheides kann jedoch nicht abschließend beurteilt werden, ob die regionale Geschäftsstelle der Beschwerdeführerin eine Beschäftigung (§ 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG) oder die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt (§ 10 Abs. 1 Z. 3 AlVG) zugewiesen hat. Die Voraussetzungen für die Zuweisung zu einer zulässigen Maßnahme sind andere als die für eine Zuweisung zu einer Beschäftigung.
Bei der im vorliegenden Fall zugewiesenen "Beschäftigung" soll es sich um ein vom Arbeitsmarktservice unterstütztes Projekt handeln, welches das Ziel habe, langzeitarbeitslose Personen wieder "jobready" zu machen. Die Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt erfolge "in Form eines Dienstverhältnisses". Die Arbeitskräfte würden in den Bereichen "Küche, Organisation, Zustellung, etc."
tätig sein. Daneben erfolge auch eine "sozialpädagogische Betreuung". Ziel dieser "Maßnahme" sei die Steigerung der Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme und die "Erarbeitung neuer Berufsmöglichkeiten und einer neuen Betrachtungsweise des freien Arbeitsmarktes, sodass die Erfolgschancen, nach langer Abwesenheit am Arbeitsmarkt neuerlich in der Berufswelt Fuß zu fassen, gesteigert werden".
Voraussetzung für eine Qualifikation als "Beschäftigung" wäre insbesondere die intendierte Leistungserbringung für einen Dienstgeber (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 2004, Zl. 2003/08/0200). Eine zusätzliche "sozialpädagogische Betreuung" - deren genauer Inhalt noch festgestellt werden müsste - wäre im Rahmen eines echten Beschäftigungsverhältnisses nur in den engen Grenzen der in § 9 Abs. 2 AlVG normierten Zumutbarkeit möglich. Im Fall des Vorliegens entsprechender Hinweise (wovon bei der bloßen Bekanntgabe, Vegetarierin zu sein, in Bezug auf die Tätigkeit einer Küchengehilfin keine Rede sein kann) wäre es Aufgabe der Behörde, die körperlichen Anforderungen einer zugewiesenen Beschäftigung mit den (verbliebenen) körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen zu vergleichen und danach zu beurteilen, ob dem Arbeitslosen die zugewiesene Beschäftigung gesundheitlich zugemutet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2005, Zl. 2002/08/0119). Im Übrigen überlässt es das Gesetz bei der Zuweisung einer Beschäftigung der arbeitslosen Person selbst, vorerst die näheren Bedingungen der ihr von der regionalen Geschäftsstelle bekannt gegebenen Beschäftigungsmöglichkeit (wie Inhalt der Arbeitsverpflichtung, Arbeitszeit, Entlohnung u.ä.) mit dem potenziellen Arbeitgeber zu besprechen, und verpflichtet sie sodann, dessen Angebot - wenn dies nach den gesetzlichen Kriterien zumutbar ist - anzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2005, Zl. 2003/08/0039).
Hingegen handelt es sich um Schulungs-, Umschulungs- oder Widereingliederungsmaßnahmen, wenn "(Arbeits)Training", "Spielen", "Orientierungen", "Betreuungen" oder "Schulungen" mit dem Ziel zur Rede stehen, einem Arbeitslosen die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Es wäre unzulässig, eine Schulungs-, Umschulungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahme in das rechtliche Kleid eines Arbeitsverhältnisses zu jener Einrichtung zu hüllen, welche die Maßnahme durchzuführen hat. Bei solchen Nach(Um)schulungen bzw. Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 2 und 3 AlVG könnte von einer ungerechtfertigten Weigerung zur Teilnahme im Übrigen nur dann gesprochen werden, wenn sich die Zuweisung auf eine zulässige Maßnahme bezieht (also dazu dient, die nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes für die Erlangung bzw. Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nicht ausreichenden Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitslosen zu verbessern) und die Weigerung in objektiver Kenntnis des Inhaltes, der Zumutbarkeit und der Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme erfolgt. Dazu müsste die Behörde die Voraussetzungen für eine solche Zuweisung ermittelt und das Ergebnis ihres Ermittlungsverfahrens der Beschwerdeführerin - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung - zur Kenntnis gebracht haben. Ein Arbeitsloser, dem Maßnahmen im Sinne des § 9 Abs. 1 AlVG ohne nähere Spezifikation und ohne Vorhalt jener Umstände zugewiesen werden, aus denen sich das Arbeitsamt zur Zuweisung berechtigt erachtet, könnte im Falle der Weigerung, einer solchen Zuweisung Folge zu leisten, nicht vom Bezug der Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG ausgeschlossen werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. April 2004, Zlen. 2002/08/0262, und - bereits zitiert - 2003/08/0200, mwN).
Da unklar geblieben ist, ob die Beschwerdeführerin zu einer Beschäftigung oder einer (Wiedereingliederungs-)Maßnahme zugewiesen worden ist, kann der Verwaltungsgerichtshof beim derzeitigen Verfahrensstand die materielle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht prüfen, sodass der von der belangten Behörde angenommene Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf (vgl. das hg Erkenntnis vom 20. Oktober 2004, Zl. 2002/08/0278).
Der angefochtene Bescheid ist daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und b VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II. Nr. 333/2003.
Wien, am 15. Februar 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2004080148.X00Im RIS seit
15.03.2006Zuletzt aktualisiert am
13.04.2012