TE OGH 1992/9/24 6Ob567/92

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Veröffentlicht am 24.09.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Redl, Dr. Kellner, Dr. Schiemer und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Michael L*****, Notarsubstitut, ***** als Verlassenschaftskurator in der Verlassenschaft nach Wolf Willy S*****, vertreten durch Dr. Peter FICHTENBAUER und Dr. Klaus KREBS, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei S*****, Bankaktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Peter KISLER und DDr. Karl PISTOTNIK, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 445.760 sA, infolge der Rekurse beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15.4.1992, GZ 17 R 34/92-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 14.11.1991, GZ 4 Cg 222/90-9, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt und beschlossen:

1) Beiden Rekursen wird teilweise Folge gegeben und in der Sache selbst erkannt:

Spruch

1. Zwischenurteil

Der auf Zahlung von S 445.760,-- sA gerichtete Klagsanspruch besteht dem Grunde nach mit einem Drittel zu Recht und mit zwei Dritteln nicht zu Recht.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

2) Im übrigen wird beiden Rekursen keine Folge gegeben.

Insoweit sind die Kosten des Rekursverfahrens weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Wolf Willy S***** ist am 6.3.1985 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung und ohne bekannte gesetzliche Erben verstorben. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien als Verlassenschaftsgericht vom 4.6.1985 wurde der Kläger zum Verlassenschaftskurator bestellt. Mit der Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung wurde Notar Dr. Othmar R***** beauftragt. Im Zuge von Anfragen an eine ganze Reihe von Banken zur Ausforschung von Vermögenswerten des Verstorbenen richtete der Gerichtskommissär unter anderem am 3.7.1985 auch eine Anfrage an die beklagte Bank. Diese übersandte am 8.7.1985 ein Antwortschreiben mit folgendem Wortlaut: "In Beantwortung Ihrer Anfrage teilen wir Ihnen höflich mit, daß wir für den (die) im Rubrum angeführte(n) Erblasser(in) in unseren Büchern folgende Vermögenswerte führen:

Konto-Nr. 30668509 Habensaldo   S  47.266,--

Konto-Nr. 101-30/668507

DM-Festgeldkonto Habensaldo     S 328.127,81

Depot-Nr. 200-30/668509

Kurswert der Effekten           S  37.513,13

Sparbuch-Nr.: entfällt

Safe-Nr.: entfällt

Alle Abrechnungen erfolgten zum Todestag".

In der Anlage zu diesem Schreiben übersandte die Beklagte ferner zwei Pro Forma-Abschlußrechnungen, beide mit Abschluß und Valuta zum 6.3.1985. Eine dieser Abschlußrechnungen ist überschrieben mit "WRG 012 Konto-Nr. 101-30-668507 DM-Festgeldkonto und weist neben angeführten Zinszahlen Zinsen von 4 3/8, 4 5/8 und 4 3/4 % und eine Zwischensumme von S 2.666,60 auf. Mit Valuta zum 6.3.1985 wird sohin auf dem Konto 101-30/668507 ein Saldo von 328.127,81 ohne Währungsangabe, die auf dem Formular an keiner Stelle vorgedruckt ist, ausgewiesen. Beide Pro Forma-Abschlüsse enthalten die Aufforderung, den Abschluß zu prüfen, den Hinweis auf Punkt 10 der AGB und den Vermerk "Irrtum vorbehalten!".

Am 28.4.1986 legte der Gerichtskommissär dem Verlassenschaftsgericht das im Beisein des Kurators verfaßte Nachlaßinventar vor. Mit (Rotsiegel-)Beschluß vom 12.5.1986 ermächtigte das Verlassenschaftsgericht den Gerichtskommissär, über die Konten und Wertpapierdepots des Verstorbenen (unter anderem) bei der Beklagten frei zu verfügen. Mit gleichem Beschluß wurde der Akt der Finanzprokuratur übermittelt, die am 5.11.1986 eine erste Stellungnahme erstattete. In der Folge erklärte das Verlassenschaftsgericht den Nachlaß mit Beschluß vom 14.11.1986 für heimfällig. Mit diesem Beschluß wurden dem Verlassenschaftskurator Aufträge hinsichtlich der erblasserischen Eigentumswohnung, div. Münzen und Grabgestaltungsmaßnahmen erteilt. Den Bericht über die Abwicklung dieser Aufträge erstattete der Verlassenschaftskurator im März 1987.

Am 15.10.1986 richtete der Gerichtskommissär eine neuerliche Anfrage an die Beklagte über die Vermögenswerte des Verstorbenen, welche von dieser am 24.10.1986 unter anderem dahin beantwortet wurde, daß das Konto-Nr. 101-30/668507 DM-Festgeldkonto einen Habensaldo von DM 338.905,37 und den Vermerk aufweist, daß alle Abrechnungen zum Todestag erfolgten. Überdies ist ein bisher nicht erfaßtes Sparbuch mit einem Guthabensstand von mehr als S 190.000 angeführt.

Am 20.5.1988 legte der Gerichtskommissär dem Verlassenschaftsgericht eine Berichtigung des Nachlaßinventares auf Grund dieser neuerlichen Auskunft der Beklagten vor und legte am 15.7.1988 Schlußrechnung. Der Verlassenschaftsakt wurde im August 1988 der Finanzprokuratur neuerlich zur Stellungnahme übersandt.

In der Folge wurde dem Gerichtskommissär aufgetragen, eine Ergänzung des Inventares vorzunehmen und bezüglich der Realisierung der Werte bei der Beklagten weitere Erhebungen durchzuführen. Diesem Auftrag entsprechend richtete der Gerichtskommissär im Oktober 1988 weitere Anfragen an die beklagte Partei, die nun auch eine Kontoaufstellung übermittelte, aus welcher der Kontostand auf dem DM-Festgeldkonto zu den verschiedenen Zeitpunkten festgestellt werden konnte.

Die Beklagte hatte mit dem Verstorbenen über die Verzinsung des DM-Festgeldkontos in regelmäßigen Abständen Absprachen getroffen, die letzte Absprache erfolgte bis zum 30.6.1985. Ab diesem Zeitpunkt hielt die Beklagte das Guthaben als täglich fällige Fremdwährung und daher unverzinst. Die Finanzprokuratur wies in einer Stellungnahme vom 13.2.1989 darauf hin, daß die Abhandlung auf Grund der nicht erfolgten Verzinsung noch nicht abgeschlossen werden möge. Mit Beschluß vom 10.3.1989 erteilte daher das Verlassenschaftsgericht dem Kläger den Auftrag, mit der Beklagten Verhandlungen über die Verzinsung des Festgeldkontos zu führen und daraufhin Bericht zu erstatten. Da die Verhandlungen ergebnislos blieben, brachte der Verlassenschaftskurator am 4.12.1990 die vorliegende verlassenschaftsbehördlich genehmigte Klage ein.

Vor dem gerichtlichen Auftrag vom 10.3.1989 hat sich der Kläger mit der Beklagten nicht in Verbindung gesetzt und keinerlei Verhandlungen über eine Verzinsung des Guthabens auf dem Festgeldkonto geführt. Er hatte keine Zweifel über den Guthabensbetrag, wie er in der ersten Auskunft der Beklagten vom 8.7.1985 (in öS) ausgewiesen war, er hat auch keine nähere Aufklärung versucht. Es steht fest, daß sich der Kläger als Kurator erstmals nach der Stellungnahme der Finanzprokuratur und auf Grund des Gerichtsauftrages vom März 1989 um das gegenständliche Konto gekümmert hat.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger als Kurator der Verlassenschaft an Schadenersatz S 445.760 mit dem Vorbringen, die Beklagte habe durch ihre unrichtige Auskunft im Verlassenschaftsverfahren, daß das DM-Festgeldkonto einen Habensaldo von öS 328.127,81 aufweise und im Pro Forma-Abschluß eine Verzinsung zwischen 4 3/8 und 4 3/4 % angegeben gewesen sei, ihre Aufklärungspflicht verletzt, weil sie verschwiegen habe, daß die Verzinsung bereits am 30.6.1985 geendet habe. Bei Kenntnis der richtigen Sachlage hätte der Kläger den DM-Betrag jedenfalls zu einer Verzinsung von mindestens 6,75 % angelegt. Für die Zeit bis zur Abberufung der Gelder ergebe sich daher der Klagsbetrag als Schaden.

Die beklagte Bank wandte ein, der unrichtigen Währungsangabe in der ersten Auskunft sei lediglich ein offenkundiger Schreibfehler zugrundegelegen, welcher dem Kläger auf Grund der Kontobezeichnung und der beigelegten Pro Forma-Abschlüsse hätte auffallen müssen. Der Kläger habe bei der Beklagten weder Auskünfte eingeholt noch Dispositionen über das Konto des Erblassers getroffen. Erst im Oktober 1988 habe sich der Gerichtskommissär nach der Verzinsung des Guthabens erkundigt. Es sei Aufgabe des Klägers gewesen, von sich aus für eine fruchtbringende Anlegung der Verlassenschaftsgelder Sorge zu tragen. Der Beklagten seien die wirtschaftlichen Erwägungen unbekannt; hiefür treffe sie auch keine Aufklärungspflicht. Vorsichtshalber wurde auch Verjährung eingewendet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es führte rechtlich aus, entgangene Zinsen seien als Schaden im Sinne des § 1293 ABGB zu qualifizieren, für welche der Schädiger bei Vorliegen eines Verschuldens Ersatz zu leisten habe. Im vorliegenden Falle träfen beide Streitteile erhöhte Sorgfaltspflichten iSd § 1299 ABGB. Ein meßbares Verschulden der beklagten Bank sei nicht gegeben, denn es wäre dem Verlassenschaftskurator oblegen, bei Unklarheiten entsprechende Nachforschungen anzustellen. Zweifel seien bei der ersten erteilten Auskunft jedenfalls angebracht gewesen. Da es zu den Aufgaben des Verlassenschaftskurators gehöre, das Nachlaßvermögen bestmöglich zu verwalten und er aus grober Unachtsamkeit gegen diese Verpflichtung verstoßen habe, wiege das Versehen der Beklagten dagegen so gering, daß es vernachlässigt werden könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Rechtlich führte es aus, das Verschulden der beklagten Bank könne nicht zur Gänze vernachlässigt werden. Dem Verlassenschaftskurator sei zwar ein erhebliches Fehlverhalten anzulasten, weil er die ihm übertragenen Aufgaben in besonders nachlässiger Weise wahrgenommen habe und seiner Verpflichtung zur Wahrung und Erhaltung des Nachlasses äußerst mangelhaft nachgekommen sei. Die Rechtsbeziehung zwischen einer Bank und ihren Kunden stelle aber ein besonderes Vertrauensverhältnis dar und verpflichte die Bank im Rahmen der Geschäftsbeziehung, den Vertragspartner auf Umstände hinzuweisen, die einen erkennbaren Vermögensnachteil für den Kunden bilden könnten. Zu den vertraglichen Neben- und Sorgfaltspflichten der Bank hätte es auch gehört, den Kläger über wichtige, von diesem nicht erwartete Veränderungen, wie über das Auslaufen der Verzinsung, zu verständigen. Es wäre daher ein Hinweis geboten gewesen, daß die Verzinsung auf dem Festgeldkonto mit 30.6.1985 beendet sei. Wenn auch der Schreibfehler in der Auskunft vom 8.5.1985 einem aufmerksamen Empfänger hätte auffallen können, so sei doch nicht auszuschließen, daß bei Kenntnis der wahren Höhe des Habensaldos der Gerichtskommissär oder der Kläger dies zum Anlaß genommen hätten, bei der beklagten Partei nachzufragen. Der Schreibfehler erweise sich daher im Zusammenhang mit der unterlassenen Aufklärung über die Unverzinslichkeit des Guthabens durchaus als Mitursache des Schadens.

Bei Abwägung des Verschuldens beider Streitteile wiege das sorgfaltswidrige Verhalten des Klägers schwerer, sodaß von einer Schadensteilung im Verhältnis 2 : 1 zu Lasten des Klägers auszugehen sein werde.

Eine Verjährung der Schadenersatzforderung sei noch nicht eingetreten, weil die Frist erst zu laufen beginne, wenn dem Geschädigten der gesamte den Schadenersatzanspruch begründende Sachverhalt, insbesondere auch das Verschulden des Schädigers, bekannt geworden sei. Die bloße Möglichkeit der Kenntnis der Person des Schädigers sei noch nicht ausreichend.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil zu den hier relevanten Rechtsfragen des Zusammentreffens eines Verschuldens des Verlassenschaftskurators und von Aufklärungspflichtverletzungen einer Bank, soweit ersichtlich, höchstgerichtliche Judikatur fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse beider Streitteile sind zulässig, weil der hier zu lösenden Rechtsfrage über den Anlaßfall hinaus Bedeutung zukommt; sie sind aber nicht berechtigt.

Nach § 23 Abs 1 KWG dürfen die Banken Geheimnisse, die ihnen ausschließlich auf Grund der Geschäftsverbindungen mit dem Kunden ...

anvertraut sind, nicht offenbaren oder verwerten. Abs 2 dieser

Vorschrift bestimmt die Ausnahmen von der Wahrung des

Bankgeheimnisses, darunter in Z 2 im Falle einer

Verlassenschaftsabhandlung gegenüber dem Abhandlungsgericht und dem

Notar als Gerichtskommissär. Diese Bestimmung verweist ausdrücklich

auf § 98 AußStrG, nach welchem das Verlassenschaftsgericht sich "über

den Zustand des Vermögens durch Untersuchungen der

Verlassenschaftsschriften und der vorhandenen Urkunden, durch eigene

Besichtigung der Güter und Fahrnisse, Vernehmung der Erben,

Verwandten und Hausgenossen, Benützung der öffentlichen Bücher und

Gerichtsakten und durch andere schickliche Mittel vollständige

Aufklärung zu verschaffen hat". Der Anwendungsbereich ergibt sich aus

dem Zusammenhalt mit den übrigen Bestimmungen des 5. Abschnittes des

Außerstreitgesetzes über das Inventar und das eidesstättige

Vermögensbekenntnis. § 97 AußStrG bestimmt, daß das Inventar ein

genaues und vollständiges Verzeichnis alles beweglichen und

unbeweglichen Vermögens, in dessen Besitz sich der Erblasser zur Zeit

des Todes befunden hat, enthalten muß. Um sich über den Zustand

dieses Vermögens zum Todeszeitpunkt vollständig Aufklärung zu

verschaffen, aber auch nur soweit es dieser Zweck erfordert, steht dem Verlassenschaftsgericht die Bestimmung des § 98 AußStrG zur Verfügung. Die Erhebungen sollen der Klärung der Verlassenschaftszugehörigkeit oder des Wertes einer Sache dienen (vgl Avancini, Auskünfte über Sparbücher im Verlassenschaftsverfahren, NZ 1985, 21 mwN). Aufgabe des Verlassenschaftsgerichtes ist daher nur die Feststellung des Vermögens eines Erblassers, nicht auch dessen weitere Verwaltung und Vermehrung. Hiezu sind die Erben, denen die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen wurde oder, falls solche wie im vorliegenden Fall unbekannt sind oder ungeachtet einer erfolgten Verständigung von ihrem Erbrecht keinen Gebrauch machen, ein nach § 78 AußStrG zu bestellender Kurator berufen. Diesem obliegt die Verwaltung und Vertretung des Nachlasses mit allen hiezu erforderlichen Maßnahmen, die in bestimmten besonders wichtigen Fällen der Genehmigung (nicht aber eines besonderen Auftrages) des Verlassenschaftsgerichtes bedürfen (§ 129 AußStrG).

Von der nach § 23 KWG iVm § 98 AußStrG von der Bank über Anfrage des Gerichtes oder des Gerichtskommissärs zu erteilenden Auskunft (nur) über den Zustand des Vermögens zum Todestag, welcher das Schreiben der beklagten Partei vom 8.7.1985 - selbstverständlich mit Ausnahme der irrtümlich falsch angegebenen Währung - umfänglich nach dem Gesetz genügte, weil sie nur eine ihr gesetzlich aufgetragene Auskunft an einen Dritten betraf, muß das Verhältnis zwischen der Bank und ihrem Kunden unterschieden werden. § 23 KWG ist nur im Verhältnis zu einem Dritten anwendbar, weil die Offenbarung eines Bankgeheimnisses schon begrifflich nur gegenüber Dritten möglich ist. Dem Kunden gegenüber ist die Bank jederzeit zur Auskunft über den Stand der Konten und die Einzelheiten der Geschäftsbeziehung nach bürgerlichem Recht verpflichtet. Es unterliegt keinem Zweifel und entspricht der einheitlichen Rechtsprechung, daß dem ruhenden Nachlaß des verstorbenen Kunden eines Kreditunternehmens die Eigenschaft eines Kunden ebenso zukommt wie dem Verstorbenen selbst (NZ 1986, 35 mwN), der Bank gegenüber dem Nachlaß somit dieselben Rechte und Pflichten zukommen wie gegenüber dem Verstorbenen.

Aus der Geschäftsverbindung, die schon nach den AGB ein besonderes Vertrauensverhältnis darstellt, entspringen auch besondere Schutz- und Sorgfaltspflichten. Zwar ergibt sich aus Punkt 21 AGB, daß die Kreditinstitute keine generelle Pflicht zur Beratung und Aufklärung übernehmen wollen und daß diese über die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit von Geschäften oder über die mit ihnen verbundenen wirtschaftlichen Risken, die jeder Kunde selbst vorzunehmen hat, weil sie von vielerlei Umständen abhängig sein können, in der Regel nicht aufklären müssen, doch ergibt sich im Rahmen der Geschäftsverbindung aus der Treuepflicht die Verpflichtung, den Vertragspartner nach der Beurteilung im Einzelfall auf Umstände hinzuweisen, die einen erkennbaren Vermögensnachteil für den Kunden bilden können.

Im vorliegenden Fall hatte der Verstorbene bei der Beklagten - unter anderem - einen DM-Betrag im Gegenwert von mehr als 2,3 Millionen Schilling als Festgeld veranlagt, dessen Verlängerung und Verzinsung jeweils nach Ablauf der Bindungsfrist, zuletzt bis 30.6.1985, neu vereinbart wurde (wie sich aus den Zinszahlen in dem dem Gerichtskommissär übermittelten Pro Forma-Abschluß ergibt, erfolgten diese Vereinbarungen offenbar jeweils vierteljährlich). Hätte nun der Kunde der Bank aus welchen Gründen immer übersehen, nach Ablauf der Bindungsfrist eine neue Festgeldvereinbarung mit der Beklagten zu treffen oder über das Guthaben anderweitig zu disponieren, so kann es nicht zweifelhaft sein, daß ein gewissenhafter Bankier seinen Kunden daran erinnert hätte, daß eine neue Disposition erforderlich sei, weil der Betrag in Millionenhöhe nicht mehr verzinst werde. Viel mehr noch muß eine solche Aufklärungspflicht gegenüber der Verlassenschaft des verstorbenen Kunden bejaht werden, denn schon aus der Anfrage des Gerichtskommissärs über allenfalls bestehende Guthaben des Verstorbenen ging klar hervor, daß nicht einmal das Bestehen eines Guthabens, viel weniger noch die vertraglichen Einzelheiten der Geschäftsbeziehungen bekannt sein konnten. Zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung am 8.7.1985 war die letzte Bindungsfrist bereits abgelaufen. Bei dieser Sachlage durfte die Beklagte sich nicht darauf beschränken, dem Gerichtskommissär einen Pro Forma-Abschluß zu übermitteln, aus welchem jedenfalls eine Verzinsung des Guthabens hervorging, sie wäre vielmehr verpflichtet gewesen, den Vertreter der Verlassenschaft nach ihrem Kunden darüber aufzuklären, daß die Verzinsung bereits am 30.6.1985, also schon vor der Erteilung ihrer Auskunft, abgelaufen sei und das Guthaben im Gegenwert von mehr als 2,3 Millionen Schilling (die falsche Währungsangabe beruhte ja auf einem der Beklagten unterlaufenen Irrtum) überhaupt nicht mehr verzinst werde, um ihren nunmehrigen Vertragspartner, dem der Vertragsinhalt nicht bekannt war, vor einem erkennbaren Vermögensnachteil zu bewahren. Die Unterlassung einer solchen zumutbaren und gebotenen Aufklärung (nicht auch der Beratung über die weitere Disposition, denn hiezu konnte die beklagte Partei davon ausgehen, daß ein als Verlassenschaftskurator bestellter Notarsubstitut die erforderlichen Kenntnisse aufweise) ist der Beklagten daher als Verschulden anzulasten und kann nicht damit abgetan werden, es handle sich hier nur um eine Frage der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit, für die sie keine Hinweispflicht treffe.

Das Berufungsgericht hat auch zutreffend darauf verwiesen, daß dem Verlassenschaftskurator ein erhebliches Fehlverhalten anzulasten ist. Seine Bestellung erfolgte ja gerade zu dem Zweck, die ordnungsgemäße Verwaltung und Vertretung des Nachlasses sicherzustellen und dazu zählt insbesondere auch eine gründliche Erforschung, Sicherstellung und Veranlagung dieser Werte, sie ist somit Hauptaufgabe des Verlassenschaftskurators. Wenn man auch noch entschuldigen kann, daß der Kläger sich trotz des Hinweises in der Auskunft der Beklagten, daß es sich um ein DM-Festgeldkonto handle, darauf verlassen hat, der ausgewiesene Schillingbetrag sei durch Umrechnung in die österreichische Währung ermittelt worden und werde noch verzinst, so durfte er jedenfalls nicht mehr damit rechnen, daß eine Festgeldvereinbarung, die ja immer über einen größeren Barbetrag auf eine bestimmte zeitlich begrenzte Laufzeit abgeschlossen wird, ohne sein Zutun durch Jahre hindurch einseitig von der Bank verlängert werde, ohne daß er sich auch nur um den - bei jeder Veranlagung je nach der Dauer der zeitlichen Bindung in unterschiedlicher Höhe zu vereinbarenden - Zinssatz bei den jeweiligen Veranlagungen kümmerte, dies um so weniger, als die beklagte Bank die Dauer des Verlassenschaftsverfahrens und den Zeitpunkt der möglichen Abberufung des Guthabens nicht abzuschätzen vermochte. Vom Kläger muß aber im Sinne des § 1299 ABGB verlangt werden, daß ihm vertraut ist, was unter einer Festgeldveranlagung zu verstehen ist, sich zumindest aber darüber zu informieren, wenn ihm ausreichende Kenntnisse gefehlt haben sollten. Die langjährige Untätigkeit des Klägers, der sich auf die Maßnahmen des Gerichtskommissärs verlassen hat und selbständig überhaupt nur im Rahmen ihm vom Gericht über Antrag der Finanzprokuratur erteilter Aufträge zugunsten der Verlassenschaft tätig wurde, muß ihm als besondere Nachlässigkeit angelastet werden, die bei Abwägung auch des Verschuldensanteiles der beklagten Partei - zutreffend hat das Berufungsgericht die Unterlassung der Aufklärung in Verbindung mit der falschen Währungsangabe als Mitursache für den Schaden gewertet - wesentlich überwiegt. Eine Schadensteilung im Verhältnis 2 : 1 zu Lasten des Klägers erscheint daher durchaus gerechtfertigt.

Zutreffend hat das Berufungsgericht auch verneint, daß die Klagsforderung bereits verjährt sei. Der Kläger erlangte erst durch das Schreiben der beklagten Bank vom 3.11.1988 positive Kenntnis, daß das Guthaben auf dem DM-Festgeldkonto ab 1.7.1985 nicht verzinst wurde. Die bloße Möglichkeit der Ermittlung einschlägiger Tatsachen vermag ihr Bekanntsein nicht zu ersetzen; bloßes Kennenmüssen reicht nicht aus (JBl 1956, 505; SZ 30/40 ua).

Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO konnte unter diesen Umständen über den Grund des Anspruches mit Zwischenurteil in der Sache selbst erkannt werden; darüber hinaus mußte den Rekursen beider Streitteile ein Erfolg versagt bleiben.

Beiden Rekursen war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenausspruch beruht auf den § 50 ZPO.

Anmerkung

E33091

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0060OB00567.92.0924.000

Dokumentnummer

JJT_19920924_OGH0002_0060OB00567_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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