TE OGH 1992/9/29 10ObS228/92

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Veröffentlicht am 29.09.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Friedrich Weinke (AG) und Mag.Wilhelm Patzold (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Milenko J*****, vertreten durch DDr.Karl Pistotnik, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauerlände 3, 1092 Wien, wegen Invaliditätspension, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21.Februar 1992, GZ 33 Rs 15/91-28, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 21.Juni 1991, GZ 24 Cgs 323/90-19, zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und die Sache an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

B e g r ü n d u n g:

Nach Zustellung des sein Begehren auf Gewährung einer Invaliditätspension abweisenden Urteiles des Erstgerichtes an den Kläger am 6.7.1991 langte beim Erstgericht am 19.7.1991 ein Schriftsatz ein, der nicht von einem österreichischen Rechtsanwalt und auch nicht von einer der gemäß § 40 Abs 1 Z 2 ASGG qualifizierten Person unterfertigt war. In dieser Eingabe führte der Kläger aus, gegen das Urteil Berufung zu erheben.

Das Erstgericht stellte dem Kläger diesen Schriftsatz mit dem Auftrag zur Verbesserung durch Unterfertigung durch einen österreichischen Rechtsanwalt oder eines zur Vertretung vor den Arbeits- und Sozialgerichten befugten Funktionärs oder Arbeitnehmers einer gesetzlichen Interessenvertretung oder freiwilligen Berufsvereinigung, die nach ihrem Wirkungsbereich für ihn in Betracht käme, wenn er noch berufstätig wäre oder seinen Aufenthalt im Inland hätte zurück. Auch über die Möglichkeit der Gewährung der Verfahrenshilfe wurde der Kläger belehrt.

Beim Erstgericht langte hierauf ein von einem jugoslawischen Rechtsanwalt unterfertigter Schriftsatz ein, in dem vorgebracht wurde, daß der Kläger die Ansicht vertrete, daß er im Hinblick auf seine in Österreich zurückgelegten Versicherungszeiten Anspruch auf eine Leistung aus der Pensionsversicherung habe. Der Kläger sei jedoch wegen seines schlechten Gesundheitszustandes nicht in der Lage, nach Österreich zu kommen und zufolge seiner schlechten finanziellen Situation sei es ihm auch nicht möglich einen österreichischen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung zu beauftragen.

Das Berufungsgericht wies die Berufung zurück. Die Berufung weise einen Formmangel auf, der trotz entsprechenden Verbesserungsauftrages nicht behoben worden sei

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Vorinstanzen die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Der Rekurswerber vertritt den Standpunkt, die Vorinstanzen wären verpflichtet gewesen, ein neuerliches Verbesserungsverfahren einzuleiten, weil sich aus dem vom jugoslawischen Anwalt des Klägers eingebrachten Schriftsatz ergebe, daß der Kläger bzw sein Rechtsanwalt den in deutscher Sprache erteilten Verbesserungsauftrag offenbar mißverstanden hätten und davon ausgegangen seien, daß auch ein jugoslawischer Rechtsanwalt befugt sei, die Berufung zu fertigen.

Gemäß § 84 Abs 1 ZPO hat das Gericht, die Beseitigung von Formgebrechen, die die ordnungsgemäße geschäftliche Behandlung eines überreichten Schriftsatzes zu hindern geeignet sind, von amtswegen anzuordnen. War bei Überreichung des Schriftsatzes eine Frist einzuhalten, so ist gemäß § 85 Abs 2 ZPO für die Wiederanbringung eine neuerliche Frist festzusetzen, bei deren Einhaltung der Schriftsatz als am Tage seines ersten Einlangens überreicht anzusehen ist. Hat eine die Verfahrenshilfe genießende oder beantragende Partei innerhalb der gesetzten Frist die Beigebung eines Rechtsanwaltes beantragt, so beginnt diese Frist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung eines Rechtsanwaltes beziehungsweise mit dem Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses, womit die Beigebung eines Rechtsanwaltes versagt wird, zu laufen. § 66 ZPO bestimmt, daß zugleich mit dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ein nicht mehr als 4 Wochen altes Vermögensbekenntnis vorzulegen ist, für das das vom Bundesminister für Justiz aufzulegende Formblatt zu verwenden ist. Ist dem Antrag kein solches Vermögensbekenntnis angeschlossen, so ist nach den §§ 84 und 85 vorzugehen, wobei in allen Fällen nach § 85 Abs 2 ZPO eine Frist zu setzen ist; gleichzeitig ist der Partei das Formblatt zuzustellen.

In der Eingabe, die der Kläger als Reaktion auf den Verbesserungsauftrag an das Erstgericht richtete, wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er zufolge seiner schlechten finanziellen Verhältnisse nicht in der Lage sei, entsprechend dem ihm erteilten Auftrag einen österreichischen Rechtsanwalt zu bestellen. Wenn der Kläger auch nicht ausdrücklich die Bewilligung der Verfahrenshilfe unter Beigabe eines Rechtsanwaltes beantragte, kann doch der Inhalt der Eingabe, insbesondere unter Berücksichtigung der sprachlichen Schwierigkeiten, die sich für den Kläger ergaben, dahin ausgelegt werden, daß der Kläger damit zum Ausdruck brachte, die Verfahrenshilfe in Anspruch nehmen zu wollen und die Beigabe eines Rechtsanwaltes zu beantragen. Ausgehend hievon ist die Verbesserungsfrist, die im Falle der Stellung eines solchen Antrages erst mit der Bestellung eines Rechtsanwaltes bzw mit der Abweisung des hierauf gerichteten Antrages in Lauf gesetzt wird noch nicht abgelaufen. Der vom Berufungsgericht herangezogene Zurückweisungsgrund liegt daher nicht vor.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E30338

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:010OBS00228.92.0929.000

Dokumentnummer

JJT_19920929_OGH0002_010OBS00228_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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