TE OGH 1992/9/29 10ObS229/92

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.09.1992
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Friedrich Weinke und Werner Jeitschko (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Peter A***** selbst. Säger, ***** vertreten durch Dr.Saxinger, Baumann & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr.Kremslehner, Dr.Milchram und Dr.Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11.Juni 1992, GZ 12 Rs 24/92-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 30.Dezember 1991, GZ 13 Cgs 134/91-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 26.6.1991 hat die beklagte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt den Unfall, den der Kläger am 24.1.1990 im eigenen Betrieb als selbständiger Säger erlitt, gemäß § 175 ASVG als Arbeitsunfall anerkannt und ihm gemäß §§ 203 bis 205 ASVG ab 25.3.1990, dem Tag nach Beginn des dritten Monates nach Eintritt des Versicherungsfalles, bis 31.12.1990 eine Versehrtenrente von 20 vH der Vollrente gewährt; ein Rentenanspruch über diesen Zeitraum hinaus wurde abgelehnt.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger für den Zeitraum vom 24.3. bis 10.5.1990 die Vollrente samt Zusatzrente und ab 11.5.1990 eine vorläufige Versehrtenrente von 20 vH der Vollrente zu zahlen; das Mehrbegehren auf Leistung der Rente für den Zeitraum 24.1. bis 23.3.1990 wies das Erstgericht ab, weil bei den in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG teilversicherten selbständigen Erwerbstätigen die Versehrtenrente nach der ausdrücklichen Anordnung des § 204 Abs 3 ASVG mit dem Beginn des dritten Monates nach dem Eintritt des Versicherungsfalles anfalle.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Die Ansicht des Klägers, wonach die Bestimmung des § 204 Abs 3 ASVG dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche, weil danach lediglich bei den in § 192 ASVG angeführten Versicherten die Versehrtenrente erst mit dem Beginn des dritten Monates nach dem Eintritt des Versicherungsfalles anfalle, werde nicht geteilt. Die Differenzierung erfolge nach objektiven Unterscheidungsmerkmalen, nämlich nach Berufsgruppen; an gleiche Tatbestände (die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe) aber würden gleiche Rechtsfolgen geknüpft. Die unterschiedliche Regelung bezüglich verschiedener Berufsgruppen sei zum Großteil historisch gewachsen und für das österreichische Pensionsrecht charakteristisch. Weiters sei zu berücksichtigen, daß § 204 Abs 3 ASVG auch eine Härteklausel enthalte, wonach die Satzung bestimmen könne, daß die Versehrtenrente bei Gefährdung des Lebensunterhaltes auch zu einem früheren Zeitpunkt nach dem Eintritt des Versicherungsfalles anfalle. Von dieser Möglichkeit habe § 22 der Satzung der beklagten Partei Gebrauch gemacht. Danach falle die Versehrtenrente bereits ab dem 29.Tag nach Eintritt des Versicherungsfalles an, wenn der Lebensunterhalt des Versehrten gefährdet sei. Andererseits bestehe für die nach dem GSVG Versicherten gemäß § 9 Abs 1 GSVG auch die Möglichkeit einer Zusatzversicherung auf Krankengeld nach § 106 GSVG und Taggeld nach § 108 GSVG. Eine unsachliche Schlechterstellung der im § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG genannten selbständig Erwerbstätigen betreffend des Anfalles der Versehrtenrente sei nicht gegeben, weshalb kein Anlaß bestehe, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung des § 204 Abs 3 ASVG zu stellen. Im übrigen sei die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes zutreffend.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Daß der Rentenanspruch des Klägers für die Zeit vom 24.1. bis 23.3.1990 nach der geltenden Gesetzeslage nicht zu Recht bestehen kann, wird in der Revision nicht angezweifelt. Nach § 204 Abs 3 ASVG (1.Satz) fällt die Versehrtenrente bei den im § 192 ASVG angeführten Versicherten (erst) mit dem Beginn des dritten Monates nach dem Eintritt des Versicherungsfalles an, während sie bei anderen Versicherten mit dem Tag nach dem Wegfall des Krankengeldes, spätestens mit der 27.Woche nach dem Eintritt des Versicherungsfalles (§ 204 Abs 1 ASVG), vom Tage nach dem Wegfall der durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit verursachten Arbeitsunfähigkeit, wenn aber der Gehaltsbezug früher eingestellt wird, vom Tage nach dessen Einstellung (§ 204 Abs 2 ASVG), oder mit dem Tage nach dem Eintritt des Versicherungsfalles anfällt (§ 204 Abs 5 ASVG). Der Kläger war im Unfallszeitpunkt nach § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG in der Unfallversicherung teilversichert und gehörte demnach dem Personenkreis des § 192 ASVG an; die dort genannten Versicherten erhalten auch die Heilbehandlung gemäß § 191 ASVG durch den Träger der Unfallversicherung erst vom Beginn des dritten Monats nach dem Eintritt des Versicherungsfalles an.

Der Revisionswerber hält an seiner Meinung fest, daß die Bestimmung des § 204 Abs 3 ASVG gleichheitswidrig sei; er regt neuerlich einen Gesetzesprüfungsantrag an. Durch die Härteklausel des § 22 der Satzung der beklagten Partei werde für den Großteil der selbständig Erwerbstätigen keine Gleichbehandlung erreicht, weil einerseits vorausgesetzt werde, daß der Lebensunterhalt des Versehrten gefährdet sei, was in der Praxis nur in seltenen Fällen vorkomme, andererseits

auch nach dieser Bestimmung die Rente erst ab dem 29.Tag nach dem Eintritt des Versicherungsfalles gewährt werde. Was die Zusatzversicherung auf Kranken- und Taggeld betreffe, so seien Personen nach Vollendung des 60.Lebensjahres vom Abschluß einer solchen Zusatzversicherung ausgeschlossen; im übrigen verursache der Abschluß einer Zusatzversicherung Kosten, sodaß auch damit eine Gleichstellung nicht erzielt werden könne, vor allem wenn man berücksichtige, daß Gewerbetreibende ohnedies einen höheren Krankenversicherungsbeitrag zu entrichten hätten als beispielsweise Angestellte. Die Wartezeit von zwei Monaten könne jedenfalls nicht damit begründet werden, daß sich die im § 192 ASVG genannten Personen allgemein in einer besseren wirtschaftlichen Lage befänden als alle anderen Versehrten, dies vor allem in Hinblick auf die klein- und mittelständische Struktur der gewerblichen Wirtschaft in Österreich.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des § 204 Abs 3 ASVG zu erwecken und den erkennenden Senat zu einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof zu veranlassen. Sie berücksichtigen nämlich zu wenig, daß die Sicherungsform in der österreichischen Sozialversicherung in der Zusammenfassung der Angehörigen eines Berufsstandes zu einer Risikogemeinschaft als Solidaritätsgemeinschaft besteht, deren Mitglieder sich nach generellen objektiven Kriterien bestimmen. Die Abgrenzung dieses Personenkreises im einzelnen ist eine rechtspolitische Aufgabe des Gesetzgebers, die nur den Gleichheitssatz nicht verletzen darf, d.h. die Einbeziehung oder der Ausschluß bestimmter Personengruppen darf nicht willkürlich erfolgen. Anknüpfungspunkt der Versicherungspflicht ist die Erwerbstätigkeit (Judikaturnachweise bei Tomandl, SV-System 5. ErgLfg 4 f, FN 7-12). Die unterschiedliche Behandlung von selbständig Erwerbstätigen und etwa Arbeitern und Angestellten in bezug auf den Leistungsanfall in der gesetzlichen Unfallversicherung ist offensichtlich in tatsächlichen Unterschieden der Erwerbssituation dieser Personengruppen begründet und damit nicht willkürlich. So hat der Verfassungsgerichtshof in dem auch vom Revisionswerber zitierten Erkenntnis vom 10.10.1991, G 204/90 ua, mit dem der Antrag des Obersten Gerichtshofes auf Aufhebung des § 192 ASVG teils ab-, teils zurückgewiesen wurde, dargelegt, daß ein Vergleich der Lage der nach dem ASVG Unfallversicherten mit jener der nach dem BSVG Unfallversicherten in bezug auf einzelne Rechtsfolgen nur unter besonderen Umständen zulässig sei; solche besonderen Umstände seien nicht aufgezeigt worden. Auch der Hinweis auf den verzögerten Anfall der Versehrtenrente nach § 204 Abs 3 ASVG könne die Verfassungswidrigkeit des § 192 ASVG nicht dartun. Dieser Gedanke muß auch beim Vergleich der Lage der in der Unfallversicherung teilversicherten selbständig Erwerbstätigen mit jener etwa von unfallversicherten Unselbständigen dazu führen, daß mangels Geltendmachung und Ersichtlichkeit besonderer Umstände der unterschiedliche Anfall der Versehrtenrente bei den Angehörigen verschiedener Berufsstände nicht als gleichheitswidrig beurteilt werden muß. Ob die gesetzliche Regelung in Einzelfällen zu Härten führen kann, denen § 204 Abs 3 Satz 2 ASVG iVm § 22 der zitierten Satzung nur unzureichend begegnet, ist bei Prüfung der Gleichheitswidrigkeit ohne Belang.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenersatz nach Billigkeit wurden nicht dargetan und sind nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.

Anmerkung

E32284

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:010OBS00229.92.0929.000

Dokumentnummer

JJT_19920929_OGH0002_010OBS00229_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten