Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerin Katharina S*****, Angestellte, ***** vertreten durch Mag.Max Klöckl und Dr.Ingeborg Stadlbauer, Angestellte der Mietervereinigung Österreichs, Landesorganisation Steiermark, Südtirolerplatz 13, 8020 Graz, wider den Antragsgegner Johann K*****, Finanzbeamter, ***** vertreten durch Dr.Anton Heinrich, Rechtsanwalt in Judenburg, wegen Überprüfung, Feststellung und Rückzahlung, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 23.März 1992, GZ R 208/92-11, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Judenburg vom 14.November 1991, GZ Msch 17/91-7, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird insoweit abgeändert, als der erstrichterliche Beschluß in seinem Punkt 4. ersatzlos behoben und dem Erstgericht auch insoweit aufgetragen wurde, unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund das gesetzmäßige Verfahren fortzusetzen. In diesem Umfang wird die Zurückweisung des Antrages auf Verhängung einer Geldstrafe im Sinne des § 27 Abs 4 MRG durch das Erstgericht wiederhergestellt.
Im übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben und der rekursgerichtliche Beschluß bestätigt.
Der Antragsgegner hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Parteien vereinbarten, daß die Antragstellerin dem Antragsgegner als dem bisherigen Mieter der Wohnung in ***** J*****, für den Fall, daß die Wohnung von der Finanzlandesdirektion an sie vergeben wird, für Wohnungsverbesserungen S 75.000,- innerhalb einer Woche nach Wohnungszusage bezahlt. In der schriftlich am 1.Dezember 1990 getroffenen Vereinbarung waren die abzugeltenden Leistungen im einzelnen aufgelistet. Die Finanzlandesdirektion für Steiermark teilte dem Antragsgegner mit, daß seine ehemalige Wohnung mit Schreiben vom 5.Feber 1991 der Antragstellerin zugewiesen wurde.
Am 14.Mai 1991 wandte sich die Antragstellerin an das Erstgericht und begehrte mit der Behauptung, der Betrag von S 75.000,- sei zu hoch und stelle eine (zumindest zum Teil) nach § 27 MRG verbotene Zahlung dar,
1. die Überprüfung, ob eine verbotene Vereinbarung iSd § 27 Abs 1 Z 1 MRG im Maße des die gleichwertige Gegenleistung übersteigenden Betrages besteht,
2. die Feststellung, wieviel die Investitionen tatsächlich wert sind,
3. die Rückzahlung des Überschreitungsbetrages und
4. die Verhängung einer Geldstrafe nach § 27 Abs 4 MRG.
Der Gegner beantragte, den Antrag wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges zurückzuweisen. Die Antragstellerin habe von der zulässig vereinbarten Abgeltung seiner beträchtlichen Investitionen zur Wohnungsverbesserung nur S 40.000,- bezahlt. Er habe daher Klage auf Zahlung der restlichen S 35.000,- erhoben. Da seine Ablöseforderung am 19.Feber 1991 fällig wurde und es sich um die Feststellung des Ersatzes von Aufwendungen iSd § 10 MRG handle, gehöre die Sache ins streitige Verfahren.
Das Erstgericht wies mit Beschluß die gestellten Anträge "wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens" ab, weil die Forderung des scheidenden Mieters gegen die Nachmieterin vor dem 1.März 1991 fällig wurde und einen vereinbarten Ablöseanspruch nach § 10 MRG begründe. Das 2.WÄG sei nach seinen Übergangsregelungen nicht anwendbar. Nach altem Recht sei für solche Ansprüche das Außerstreitverfahren nicht vorgesehen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge. Es hob den Beschluß des Erstgerichtes zur Gänze auf und trug diesem die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt und daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Anspruch der Antragstellerin sei im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen, weil nach dem 2.WÄG nur dann der streitige Rechtsweg offen bleibe, wenn die Sache am 1.März 1991 bereits gerichtsanhängig war.
Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes mangels einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der zu beurteilenden Rechtsfrage zulässig und teilweise auch berechtigt.
Die freigestellte Revisionsrekursbeantwortung wurde nich erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Wenn das Erstgericht die Anträge wegen Unzulässigkeit des Außerstreitverfahrens "abwies", hat es sich im Ausdruck vergriffen und in Wahrheit die Anträge zurückgewiesen.
Es handelt sich dabei nicht um einen Sachbeschluß, sondern um einen verfahrensrechtlichen Beschluß, für den nach § 37 Abs 3 Z 16 MRG der Dritte Abschnitt des Vierten Teiles der ZPO gilt, ohne daß die Sondervorschriften für Sachbeschlüsse nach dem § 37 Abs 3 Z 17 und Z 18 idF des Art II RRAG anzuwenden wären. Ein Revisionsrekurs wäre danach jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichtes an Geldeswert S 50.000,- nicht überstiege (§ 528 Abs 2 Z 1 ZPO) oder wenn es sich um einen Aufhebungsbeschluß handelte, ohne daß das Rekursgericht ausgesprochen hätte, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist (§ 527 Abs 2 ZPO). Bei dem die Zurückweisung behebenden Beschluß des Rekursgerichtes handelt es sich jedoch um eine abändernde Entscheidung iSd § 521 a Abs 1 Z 3 ZPO, so daß Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens besteht und die Rekursfrist vier Wochen beträgt (§ 521 Abs 1 ZPO).
Das Rekursgericht hat ausgesprochen, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt. Die Antragstellerin strebt die Überprüfung an, ob - und inwieweit - die Vereinbarung über die Zahlung von S 75.000,- nach § 27 Abs 1 Z 1 MRG ungültig und verboten ist. Die Antragstellerin hat in ihrem Antrag nicht erwähnt, ob sie den vereinbarten Ablösebetrag bezahlt hat. Erst durch die unstrittige Behauptung des Antragsgegners ergab sich, daß ihm erst ein Teilbetrag von S 40.000,- zugekommen ist. Bis zur Entscheidung des Rekursgerichtes war aber nicht klargestellt, ob sich der "Überprüfungs- und Feststellungsantrag" auf den vereinbarten Betrag von S 75.000,- oder nur auf den Betrag bezieht, der allein Gegenstand des Rückzahlungsbegehrens sein kann. Überdies entschied das Rekursgericht ohne gesonderte Erwähnung in seiner Begründung auch über den Antrag auf Verhängung einer Geldstrafe nach § 27 Abs 4 MRG, der nur in Zusammenhang mit dem Verlangen auf Feststellung gestellt wurde, daß die Vereinbarung (teilweise) ungültig und verboten iSd § 27 Abs 1 Z 1 MRG ist. Gegen den Ausspruch bestehen daher keine Bedenken, weil es bei der Bewertung des im Rekursverfahren aktuellen Anspruches nicht darauf ankommen kann, ob dieser Anspruch berechtigt ist.
Dennoch muß auch noch die Voraussetzung für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nach § 528 Abs 1 ZPO idF WGN 1989 vorliegen. Dies ist der Fall, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des Verfahrensrechtes abhängt, zu der eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bisher fehlt und weil die Übergangsregelung nach dem 2.WÄG nicht so klar verständlich ist, daß es einer Rechtsprechung dazu nicht bedürfte, wie schon das Mißverstehen durch den Antragsgegner und durch das Erstgericht zeigt.
Das Rekursgericht hat aber im Wesentlichen die Frage zutreffend beantwortet.
Bei dem von der neuen Mieterin gegen den früheren Mieter verfolgten Begehren (Anträge 1.-3.) handelt es sich um eine Angelegenheit der Rückzahlung verbotener Leistungen und Entgelte nach § 27 MRG, die erst durch Art II Z 16 des 2.WÄG BGBl 1991/68 in die Aufzählung der im Außerstreitverfahren nach § 37 Abs 3 MRG zu entscheidenden Rechtsschutzbegehren als Z 14 des § 37 Abs 1 MRG eingefügt und damit in dieses Verfahren verwiesen wurde. Nach Art V Abs 1 des 2.WÄG trat dieses Bundesgesetz am 1.März 1991 in Kraft. Am 1.März 1991 bei Gericht (der Gemeinde) anhängige Verfahren sind aber nach den bisherigen Vorschriften durchzuführen (Übergangsbestimmung Art V Abs 3 Z 3 des 2.WÄG). Es ist daher die Geltendmachung der Ansprüche auf Rückzahlung nach § 27 Abs 1 MRG verbotener Leistungen und Entgelte ab dem Inkrafttreten des 2.WÄG in das besondere Außerstreitverfahren verwiesen. Mangels einer Art V Abs 3 Z 2 iVm Art V Abs 3 Z 1 lit a des 2.WÄG entsprechenden Übergangsregelung kommt es bei den Rückforderungsansprüchen nicht auf deren Fälligkeit, sondern ausschließlich darauf an, ob das (Streit-)Verfahren am 1.März 1991 schon bei Gericht anhängig war (so auch Würth-Zingher, WohnR'91, MSA 20a, 76, Anm.3 zu § 37 MRG). Da das Verfahren von der Antragstellerin erst nach dem 1.März 1991 bei Gericht anhängig gemacht wurde, ist die Durchsetzung des Rückforderungsanspruches in das besondere außerstreitige Verfahren nach § 37 MRG verwiesen. Zutreffend hat das Rekursgericht insoweit den Zurückweisungsbeschluß behoben und dem Erstgericht aufgetragen, das Verfahren abzuführen.
Um eine Angelegenheit der Feststellung der Höhe und des Ersatzes von Aufwendungen auf eine Wohnung nach § 37 Abs 1 Z 6 MRG iVm § 10 MRG jeweils idF nach Art II des 2.WÄG handelt es sich schon deshalb nicht, weil dieser Anspruch des Hauptmieters nur gegen den Vermieter, nicht aber gegen einen neuen Mieter durchgesetzt werden kann (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, 91, Rz 5 zu § 10 MRG), mag auch die Befriedigung dieses Anspruches durch den neuen Mieter zulässig sein und nach der Vorschrift des § 10 Abs 6 Z 1 MRG idF nach Art II des 2.WÄG Rechtsfolgen nach sich ziehen.
Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht auf Klarstellung zu dringen haben, ob die Antragstellerin auch insoweit eine Entscheidung des Außerstreitrichters anstrebt, als sie bisher die Zahlung der vereinbarten Ablöse verweigerte, oder ob sich ihre Anträge zu 1 und 2 auf den rückzufordernden Betrag beziehen, weil unzweifelhaft schlüssig nur die Durchsetzung des Anspruches auf Rückforderung nach § 27 Abs 1 MRG auf Grund ungültiger und verbotener Vereinbarungen geleisteter Zahlungen, hier also einer Vereinbarung, wonach der neue Mieter dem früheren Mieter ohne gleichwertige Gegenleistung etwas zu leisten hat, in das besondere Außerstreitverfahren verwiesen ist, darüber hinausgehende Ansprüche jedoch nicht. Es bestehen allerdings wegen der Besonderheiten des Außerstreitverfahrens keine Bedenken, wenn die Antragstellerin den Betrag, den sie rückfordert, vorerst nicht beziffert, sondern sich das Rückforderungsbegehren auf den Betrag bezog, der die gleichwertige Gegenleistung des früheren Mieters übersteigt.
Übersehen haben die Antragstellerin und das Rekursgericht jedoch, daß die Verhängung einer im § 27 Abs 4 MRG vorgesehenen Geldstrafe wegen einer Verwaltungsübertretung der Bezirksverwaltungsbehörde zukommt und daher abgesehen davon, daß darauf kein Antrag gerichtet werden kann, weil die Verwaltungsübertretung amtswegig zu verfolgen ist, darüber jedenfalls nicht das Gericht befinden kann. Der ausdrücklich bei Gericht gestellte Antrag zu 4. auf Verhängung einer Geldstrafe nach § 27 Abs 4 MRG wurde daher im Ergebnis vom Erstgericht zutreffend zurückgewiesen. Das Rekursgericht hat spruchmäßig jedoch dem Rekurs, der sich gegen den ganzen erstrichterlichen Beschluß wandte und also auch die Zurückweisung dieses Antrages bekämpfte, ohne ausdrücklich darauf Bezug zu nehmen, zur Gänze Folge gegeben. Der Antragsgegner bekämpft die Entscheidung des Rekurgerichtes ausdrücklich auch deshalb, weil das Rekursgericht auch die Verfahrensfortsetzung über den Antrag auf Verhängung der Geldstrafe auftrug. Nur mit diesem Einwand ist er im Recht und daher die Zurückweisung des Antrages zu 4. auf Geldstrafenverhängung wiederherzustellen.
Die verzeichneten Kosten rechtsfreundlicher Vertretung hat der Antragsgegner selbst zu tragen (§ 37 Abs 3 Z 19 MRG). Mutwilligkeit wegen der rechtsirrtümlichen Antragstellung zu 4. ist der Antragstellerin nicht vorwerfbar.
Anmerkung
E30611European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB00139.92.0929.000Dokumentnummer
JJT_19920929_OGH0002_0050OB00139_9200000_000