TE OGH 1992/9/30 9ObA233/92

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Veröffentlicht am 30.09.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Franz Zörner und Anton Hartmann als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** H*****, Angestellter, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei M*****-M*****, H***** M********** & Cie Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wegen S 911.299,98 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3.Juni 1992, GZ 7 Ra 28/92-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 12.November 1991, GZ 34 Cga 126/91-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 20.203,20 (darin S 3.367,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der geltend gemachte Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Mit ihren Ausführungen, die Vorinstanzen hätten nicht klargestellt, wann die vertretungsbefugten Geschäftsführer der Beklagten vom Verhalten des Klägers Kenntnis erlangt haben, ist die Revisionswerberin auf ihr eigenes Vorbringen zu verweisen. Sie hat in erster Instanz zu dem vom Kläger erhobenen Einwand der Verspätung der Entlassung selbst vorgebracht, daß es im Hinblick auf die Freizügigkeit der Dienstzeiten des Klägers für die "beklagte Partei" erst am Freitag der 25.Kalenderwoche (= 21.6.1991) erkennbar gewesen sei, daß der Kläger die von ihm selbst vorgegebenen Zeiten hinsichtlich der "Konkurrenzbeobachtung" nicht eingehalten habe. Da dieses Vorbringen von einem qualifizierten Vertreter im Sinne des § 40 Abs 1 Z 1 ASGG erstattet wurde, kann es nicht zweifelhaft sein, daß er diese Kenntnisnahme (und ihm folgend die Vorinstanzen) nicht sinnloserweise auf eine "abstrakte juristische Person", sondern mangels näherer Differenzierung auf die maßgeblichen vertretungsbefugten Geschäftsführer bezogen hat.

Im übrigen hat das Berufungsgericht die Frage, ob die Entlassung des Klägers verspätet erfolgte, zutreffend bejaht. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin, ihre Organisationsform und die Betriebsverhältnisse hätten eine längere Überlegungsfrist erfordert, entgegenzuhalten, daß es bei Beurteilung der Frage, ob eine Entlassung als rechtzeitig anzusehen ist (vgl Kuderna, Das Entlassungsrecht 15 ff), in erster Linie auf die Umstände des einzelnen Falls ankommt.

Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen war der Kläger seit dem Jahre 1988 Prokurist und Geschäftsführer der Beklagten. Er war ausschließlich der Hauptgesellschafterin unterstellt und arbeitete völlig selbständig; so hatte er insbesondere keine festen Dienstzeiten einzuhalten. Die anfallenden Arbeiten erledigte er häufig auch am Abend oder zu Hause am Wochenende. Als die Hauptgesellschafterin mit 30.12.1990 ihre 75 %-Anteile verkaufte und aus dem Unternehmen ausschied, wurden dem Kläger von der neuen Geschäftsführung wesentliche Teile seiner ursprünglichen Aufgaben entzogen, sein Büro verlegt und ihm keine eigene Sekretärin mehr zur Verfügung gestellt. Damit war der Kläger nicht einverstanden. Die Beklagte stellte den Kläger mit Schreiben vom 19.3.1991 vorerst dienstfrei. Mit Schreiben vom 26.4.1991 erhielt er den Auftrag, Marktforschung, Imageanalyse und Konkurrenzanalyse zu betreiben sowie ein neues Vertriebskonzept zu erstellen. Die dafür erforderliche Literatur besorgte er sich unter anderem am Vormittag des 29.5.1991 und 30.5.1991, wofür er mit Schreiben vom 29.5.1991 und 3.6.1991 verwarnt wurde, weil er die "Dienstzeit" nicht eingehalten habe.

Am 11.6.1991 erhielt der Kläger den Auftrag, in der Woche vom 17.6. bis 21.6.1991 Konkurrenzbetriebe aufzusuchen, um dort Beobachtungen zu machen und die Werbegestaltung zu erheben. Zugleich beauftragte die Beklagte einen Detektiv zur Observierung des Klägers, da Zweifel darüber bestanden, ob der Kläger die ihm aufgetragenen Beobachtungen tatsächlich durchführen werde. Über Weisung der Beklagten verfaßte der Kläger ein Konzept, aus dem ersichtlich war, zu welchen Zeiten er in welchen Geschäften diese Beobachtungen durchführen werde. Nach dem Besuch einer Konkurrenzfiliale gab der Kläger die aufgetragenen Beobachtungen auf, da er eine Konkurrenzanalyse in dieser Form für sinnlos hielt. Statt dessen sammelte er in dieser Woche Hintergrundinformationen und erstellte in der Folge eine schriftliche Zusammenfassung dieser Arbeit inklusive einer Printmedienanalyse.

Nachdem die Beklagte am 24.6.1991 vom Detektiv über das Ergebnis der Observierung in Kenntnis gesetzt worden war, erfolgte am 27.6.1991 die Entlassung.

Bei diesem Sachverhalt ist den Vorinstanzen beizupflichten, daß es der Beklagten vor allem darum gegangen ist, das bis 31.12.1993 befristete Dienstverhältnis des Klägers vorzeitig zu lösen. Dem Kläger wurden dazu Aufträge erteilt, die nach Meinung der ausgeschiedenen Hauptgesellschafterin von einem Lehrmädchen im dritten Lehrjahr hätten durchgeführt werden können (S 49). Die Beauftragung eines Detektivs zur Observierung des Klägers zeigt deutlich, daß die Geschäftsführer der Beklagten nur darauf warteten, daß der Kläger die (dienstvertragswidrigen) Erkundungen der Preis- und Werbegestaltung in den Konkurrenzläden nicht durchführen werde. Nach den Feststellungen befand sich der Kläger am 19.6.1991 im Betrieb und nicht im Lokal eines Konkurrenzunternehmens. Nach dem Beklagtenvorbringen hatten die Geschäftsführer zumindest seit dem 21.6.1991 Kenntnis von der mangelnden Befolgung des erteilten Auftrags. Es hätte sohin keines Zuwartens auf den Observierungsbericht mehr bedurft, um die auf diesen Grund gestützte Entlassung unverzüglich aussprechen zu können. Ein Zögern war in der ohnehin von der Beklagten herbeigeführten und schon erwarteten Sachlage nicht begründet. Soweit die Revisionswerberin auf eine "Geschäftsordnung" für Geschäftsführer verweist, handelt es sich um unbeachtliche Neuerungen. Da die Entlassung des Klägers sohin schon verspätet erfolgte (vgl Arb 9856, 9564 uva), ist nicht weiter zu prüfen, ob die Entlassung überhaupt gerechtfertigt gewesen wäre.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E32118

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:009OBA00233.92.0930.000

Dokumentnummer

JJT_19920930_OGH0002_009OBA00233_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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