TE OGH 1992/10/1 6Ob593/92

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Veröffentlicht am 01.10.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter S*****, vertreten durch Dr.Reinhard Ratschiller, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Isabella K*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ C 605/91s des Bezirksgerichtes Wildshut (Streitwert 53.110 S sA), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Rekursgerichtes vom 2.Juni 1992, GZ R 220/92-6, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wildshut vom 24. April 1992, GZ C 242/92k-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Im (Haupt)Verfahren AZ C 605/91s des Erstgerichtes wurde mit Urteil vom 16.Dezember 1991 das Begehren des Klägers gegenüber der Beklagten auf Zahlung (eines Benützungsentgelts) von 15.992,22 S sA, auf Herausgabe verschiedener Möbel, in eventu auf Zahlung von 55.992,22 S, abgewiesen, weil keine Feststellungen darüber getroffen werden konnten, von wem die Möbel tatsächlich bezahlt wurden. Das Kreisgericht Ried im Innkreis als Berufungsgericht änderte mit seinem Urteil vom 2.Juni 1992, AZ R 186/92, dieses Urteil beim Zahlungsbegehren in Ansehung eines Betrages von 6.242,22 S sA im klagsstattgebenden Sinn ab und bestätigte es im übrigen. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige, die Revision aber nicht zulässig sei.

Der Kläger begehrt mit seiner am 18.März 1992 eingebrachten Klage die Wiederaufnahme dieses Verfahrens mit der Behauptung, er habe nun nach mehrfachem Bemühen von der Raiffeisenkasse St. P***** Kopien zweier Schecks erhalten, womit er den im Vorprozeß nicht gelungenen Nachweis einer Zahlung der (seinerzeit bei der Firma MT***** Gesellschaft mbH & Co KG gekauften) Möbel durch ihn, jedenfalls aus seinen Geldmitteln (insgesamt 108.240 S), erbringen könne. Dabei handle es sich um neue Beweismittel iS des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO. Dem Kläger sei bei seiner bereits vor dem Hauptprozeß bei der genannten Raiffeisenkasse durchgeführten Anfrage zunächst mitgeteilt worden, es sei alles mikroverfilmt, weshalb nur eine Aufstellung über die Kontobewegungen zur Verfügung gestellt werden könne. Aufgrund einer neuerlichen Anfrage im Februar 1992 sei es dem Kläger schließlich doch gelungen, halbwegs leserliche Scheckkopien zu erhalten, welche ihm am 25. Februar 1992 übermittelt worden seien. Er sei daher ohne sein Verschulden (§ 530 Abs 2 ZPO) außer Stande gewesen, die neuen Beweismittel vor Schluß der mündlichen Verhandlung des wiederaufzunehmenden Verfahrens geltend zu machen. Die Klage sei auch rechtzeitig erstattet worden.

Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage a limine zurück, weil der Kläger im Stande gewesen sei, die neuen Beweismittel vor Schluß der mündlichen Verhandlung des wiederaufzunehmenden Verfahrens geltend zu machen. Denn er hätte sich bei gehöriger Sorgfalt bereits im Hauptprozeß um entsprechende Scheckkopien bemühen können bzw. müssen. Die vorgelegten neuen Beweismittel seien auch inhaltlich nicht geeignet, eine für den Kläger günstigere Entscheidung herbeizuführen, weil sich aus den Urkunden kein ausreichender Nachweis dafür ergebe, daß der Kläger ein Titelgeschäft als Käufer in Ansehung der von seinem Herausgabebegehren umfaßten Möbel abgeschlossen habe.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung erster Instanz im wesentlichen aus deren Gründen; den Revisionsrekurs ließ es nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig und gerechtfertigt.

Gemäß § 538 Abs 1 ZPO hat das Gericht vor Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung (hier: über die Wiederaufnahmsklage) zu prüfen, ob die Klage auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe (§§ 529 bis 531 ZPO) gestützt und in der gesetzlichen Frist erhoben worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse oder ist die Klage wegen eines der im § 230 Abs 2 ZPO angeführten Gründe unzulässig, so ist sie als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet zurückzuweisen. Diese Prüfung vereinigt in sich die Funktion der Zulässigkeitsprüfung nach § 230 ZPO mit Elementen der Vorprüfung im Rechtsmittelverfahren iS des § 471 ZPO (EvBl. 1992/77; Fasching IV 540 und Lehrbuch2 Rz 2084).

Nach § 538 Abs 1 ZPO kommt dem Gericht bei der Prüfung des Wiederaufnahmsgrundes im sogenannten Vorprüfungsverfahren nur ein eingeschränktes Prüfungsrecht zu. Die Zurückweisung der Klage ist dann gerechtfertigt, wenn sich der geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund überhaupt unter keinen der im Gesetz angeführten Wiederaufnahmsgründe einordnen läßt oder in keinem rechtlich beachtlichen Zusammenhang mit der angefochtenen Entscheidung steht, der Wiederaufnahmswerber also auch bei Zutreffen der behaupteten Wiederaufnahmsgründe eine Aufhebung oder Abänderung der Entscheidung nicht erreichen könnte. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das neue Beweisthema in keinem rechtlich beachtlichen Zusammenhang mit dem wiederaufzunehmenden Verfahren steht (EvBl. 1992/77 mwN; RZ 1990/71 u.a.). Eine solche Schlüssigkeitsprüfung ist bei dem hier behaupteten Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO deshalb geboten, weil danach vorausgesetzt wird, daß die vorgebrachten Tatsachen oder Beweismittel im Hauptverfahren eine der Partei günstige Entscheidung herbeigeführt hätten. Die neuen Tatsachen oder Beweismittel, auf die ein solches Wiederaufnahmsbegehren gestützt wird, müssen sich nicht unmittelbar auf die rechtliche Beurteilung auswirken; es genügt, wenn sie geeignet sind, eine wesentliche Änderung der Beweiswürdigung herbeizuführen (EvBl. 1992/77; EvBl. 1989/68 = EFSlg. 57.857; SZ 54/191; JBl. 1979, 268 = RZ 1978/97 u.a.; Fasching IV 514). Im Vorprüfungsverfahren ist die Frage, ob die als Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geltend gemachten Umstände ersichtlich von vornherein keinen Einfluß auf die Entscheidung in der Hauptsache haben können, nur abstrakt zu prüfen; ob jedoch die behaupteten Tatsachen oder Beweismittel im Hinblick auf ihren faktischen Gehalt geeignet sind, eine andere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen, somit bezogen auf den vorliegenden Fall konkret geeigent sind, eine andere Würdigung der vorliegenden Beweise zu bewirken, darf im Vorprüfungsverfahren nicht entschieden werden (EvBl. 1992/77; JBl. 1979, 268; JBl. 1976, 439 u.a.; Fasching IV 541). Stützen sich die entscheidungswesentlichen - auch negativen - Feststellungen im wiederaufzunehmenden Prozeß nur auf einen Indizienbeweis, so muß es genügen, wenn in der Wiederaufnahmsklage jene Indizien angegriffen werden, welche für diese Feststellungen maßgebend waren. Erst im Wiederaufnahmsverfahren sind die neuen Beweismittel über ihre abstrakte Eignung hinaus zur Herbeiführung einer Änderung der im Hauptprozeß ergangenen Entscheidung hinaus im Wege einer eingeschränkten Beweiswürdigung dahin zu prüfen, ob die Nichtberücksichtigung dieser Tatsachen oder Beweismittel im Vorprozeß gegen die materielle Wahrheitsfindung und die Vollständigkeit der Urteilsgrundlage verstößt (EvBl. 1992/77; SZ 59/14 = EvBl. 1986/122 = RdW 1986, 145; SZ 54/191 uva; Fasching IV 551 und Lehrbuch2 Rz 2068). Im vorliegenden Fall kann nicht fraglich sein, daß die Vorlage von Beweismitteln (Urkunden) über zwei Zahlungen des Klägers mittels Schecks abstrakt geeignet ist, in einem Rechtsstreit, in dem strittig ist, wer Eigentümer von Möbeln wurde, durch eine andere Beweiswürdigung eine andere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen.

Nach § 530 Abs 2 ZPO ist eine auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützte Wiederaufnahmsklage nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, die neuen Tatsachen oder Beweismittel vor Schluß der mündlichen Verhandlung, auf welche das Urteil erster Instanz erging, geltend zu machen. Die Wiederaufnahmsklage ist nicht dazu bestimmt, von den Parteien begangene Fehler ihrer Prozeßführung zu beheben (SZ 59/14; JBl. 1976, 439 u.a.; Fasching, Lehrbuch2 Rz 2067). Im sogenannten Vorprüfungsverfahren ist aber in aller Regel nicht darüber zu entscheiden, ob der Wiederaufnahmskläger ohne sein Verschulden außerstande war, Beweismittel im Vorprozeß zu verwenden (EvBl. 1992/77; SZ 51/165; JBl. 1979, 268; Fasching IV 541); nur ausnahmsweise wäre dies dann möglich, wenn sich das Verschulden an der Verspätung schon aus den - als richtig angenommenen - Klageangaben ergibt (EvBl. 1992/77; JBl. 1979, 268; IndS 1976 H 3/988 u. a.) oder wenn - anders als hier - in der Klage jede Behauptung fehlt, daß die Verwendung des als Wiederaufnahmsgrund angeführten Beweismittels im Vorprozeß ohne Verschulden unmöglich war (JBl. 1979, 268; IndS 1976 H 3/988; EvBl. 1973/163; 1 Ob 512/92 u.a.; Fasching IV 520).

Die von den Vorinstanzen herangezogenen Gründe für eine a-limine Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage liegen demnach nicht vor. Dem außerordentlichen Revisionsrekurs ist Folge zu geben. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E33082

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0060OB00593.92.1001.000

Dokumentnummer

JJT_19921001_OGH0002_0060OB00593_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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