TE OGH 1992/10/1 7Ob605/92

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Veröffentlicht am 01.10.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Thomas S*****, Schlosserlehrling, ***** infolge Revisionsrekurses des Vaters Erich S*****, selbständiger Handelsvertreter, ***** gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 26.Juni 1992, GZ 2 b R 93/92-38, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Schwaz vom 3.Juni 1992, GZ P 131/86-35, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird in seinem Punkt 1) dahin abgeändert, daß der Unterhaltsvorschuß von S 2.000,-- auf S 1.600,-- monatlich herabgesetzt wird.

Text

Begründung:

Mit gerichtlichem Vergleich vom 12.12.1986 verpflichtete sich der Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung für den Minderjährigen von S 2.000,--. Das Erstgericht wies den am 13.2.1992 von der Bezirkshauptmannschaft Schwaz namens des Minderjährigen gestellten Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach den §§ 3, 4 Z 1 UVG ab. Nach seinen Erhebungsergebnissen wird der Minderjährige im Haushalt der Mutter, der auch die Obsorge zukommt, betreut. Eine Exekutionsführung zur Hereinbringung des Unterhaltes war bisher ohne Erfolg. Der Minderjährige steht seit 2.9.1991 in Lehrausbildung und erhält unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen eine Nettolehrlingsentschädigung von monatlich S 4.247,--.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß nach § 6 Abs.1 UVG die Vorschüsse den Richtsatz für pensionsberechtigte Halbwaisen (im Jahre 1992 S 4.312,--) nicht übersteigen dürfen. Da der Richtsatzbetrag hier durch die Lehrlingsentschädigung gedeckt sei, bestehe kein Anspruch auf Vorschußgewährung.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es dem Minderjährigen für die Zeit vom 1.2.1992 bis 30.9.1992 einen Unterhaltsvorschuß von monatlich S 2.000,--, höchstens jedoch in der Höhe des jeweiligen Richtsatzes für pensionsberechtigte Halbwaisen gewährte. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist.

Nach der Auffassung des Rekursgerichtes sei der Richtsatz des § 6 Abs.1 UVG nicht als Unterhaltsgrenze, sondern bloß als fiskalische Auszahlungsgrenze zu verstehen. Bei eigenen Einkünften des Kindes sei daher zu ermitteln, mit welchem Betrag die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht unter Bedachtnahme auf die eigenen Einkünfte des Kindes noch bestehe. Eigene Einkünfte des Kindes minderten seinen konkreten Bedarf. Befinde sich das Kind im Haushalt des ihn betreuenden Elternteiles, seien eigene Einkünfte auf die von beiden Elternteilen gemeinsam geschuldete Unterhaltsleistung und daher auch auf die vom obsorgenden Elternteil erbrachten Betreuungsleistungen anzurechnen. Welches Einkommen zur Deckung aller Bedürfnisse eines Kindes - einschließlich der finanziellen Abgeltung der Betreuungsleistungen - erforderlich sei, lasse sich nicht allgemein beantworten; für einfache Lebensverhältnisse biete jedoch der Richtsatz für die Gewährung der Ausgleichszulage nach § 293 Abs.1 lit.a/bb ASVG (im Jahre 1992 im Monatsdurchschnitt rund S 7.500,--) eine Richtschnur. In Anwendung dieser Grundsätze ergebe sich hier, daß ungeachet des eigenen Einkommens des Minderjährigen von monatlich S 4.247,-- kein Grund bestehe, die begehrten Unterhaltsvorschüsse zu versagen. Selbst bei Hinzurechnung des festgesetzten Unterhaltes von monatlich S 2.000,-- zu den eigenen Einkünften des Minderjährigen werde der Richtsatz für die Gewährung von Ausgleichszulagen nicht erreicht. Es könne daher weder von der Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes noch davon ausgegangen werden, daß der geschuldete Unterhalt in der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht mehr gedeckt sei. Die Vorschußgewährung sei jedoch mit 30.9.1992 zu befristen, weil der Minderjährige im September 1991 das erste Lehrjahr angetreten habe und es im Hinblick auf die zu erwartende höhere Lehrlingsentschädigung im zweiten Lehrjahr nicht angebracht sei, die Vorschüsse für einen längeren Zeitraum zu gewähren.

Den Zulässigkeitsausspruch begründete das Rekursgericht damit, daß die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in der Frage der Auslegung des § 6 Abs.1 UVG uneinheitlich sei.

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Mit der Frage, ob das auf die Geldunterhaltsverpflichtung eines Elternteiles anrechenbare Einkommen des Minderjährigen einfach vom Richtsatzbetrag (§ 6 Abs.1 UVG) abzuziehen oder ob vorerst festzustellen ist, in welcher Höhe die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltsverpflichtung mit Rücksicht auf die Einkünfte des Minderjährigen noch fortbesteht, und der Vorschuß diesem Ergebnis anzupassen ist, sofern er nur im Richtsatzbetrag Deckung findet, hat sich der Oberste Gerichtshof am 26.8.1992 (1 Ob 560/92) in einem verstärkten Senat befaßt. Er trat hiebei der bereits in der Entscheidung EvBl. 1992/16 begründeten Auffassung bei, daß der Richtsatzbetrag nur eine fiskalische Auszahlungsgrenze ist. Selbst wenn dem minderjährigen Unterhaltsberechtigten aus anderen Quellen Mittel zur Deckung seines Unterhaltsbedarfs in Richtsatzhöhe zur Verfügung stehen, kann doch auch der restliche Unterhaltsanspruch gegen den Geldunterhaltsschuldner durch Bevorschussung bis zum Richtsatzbetrag gesichert werden. In solchen Fällen - insbesondere also bei eigenen Einkünften des Minderjährigen - hat das Gericht gemäß § 7 Abs.1 Z 1 UVG zu prüfen, ob und bejahendenfalls in welcher Höhe die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltsverpflichtung unter Bedachtnahme auf die geänderten Verhältnisse noch fortbesteht; nur soweit danach der Unterhaltsanspruch herabzusetzen wäre, sind auch die Vorschüsse teilweise zu versagen bzw. gemäß § 19 Abs.1 UVG entsprechend herabzusetzen. Gänzlich zu versagen bzw. gemäß § 20 Abs.1 Z 4 lit.b UVG einzustellen sind die Unterhaltsvorschüsse dagegen nur, wenn der Minderjährige infolge der geänderten Verhältnisse selbsterhaltungsfähig geworden ist.

Es ist daher auch hier zu prüfen, ob und bejahendenfalls inwieweit der Bezug der festgestellten Lehrlingsentschädigung Bestand und Höhe des bisher für die Vorschüsse bestimmenden Unterhaltsanspruches des Minderjährigen gegen seinen Vater beeinflußt. Die Lehrlingsentschädigung fällt nach Rechtsprechung und Lehre unter die bei der Unterhaltsbemessung bzw. bei der Beurteilung der Frage, ob das Kind bereits selbsterhaltungsfähig ist, nach § 140 Abs.3 ABGB zu berücksichtigenden Einkünfte, soweit sie nicht zur Deckung berufsbedingter Mehraufwendungen dient (SZ 63/101; ÖA 1991, 53; 1 Ob 560/92 ua; Pichler in Rummel2 Rz 11a zu § 140; Schwimann-Schlemmer ABGB § 140 Rz 104). Für einfache Lebensverhältnisse - also vor allem in Fällen, in welchen der geschuldete Unterhaltsbeitrag wegen des Einkommens des Unterhaltsschuldners verhältnismäßig gering ist - kann nach der Rechtsprechung, wie das Rekursgericht bereits zutreffend dargelegt hat, der Richtsatz für die Gewährung einer Ausgleichszulage im Sinne des § 293 Abs.1 lit.a bb und lit.b ASVG (für die fragliche Zeit 14mal jährlich S 6.500,--) als Richtschnur für die Beurteilung gelten, ob Selbsterhaltungsfähigkeit anzunehmen ist. Davon ausgehend hat das Rekursgericht zu Recht die Selbsterhaltungsfähigkeit des Minderjährigen verneint.

Daß das von einem Minderjährigen erzielte Einkommen auf die von beiden Eltern gemeinsam geschuldeten Unterhaltsleistungen anzurechnen ist, hat der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen. Überwiegend wurde hiebei für den Regelfall eine gleichteilige Aufteilung vorgenommen, zum Teil wurde aber auch von einer Aufteilung im Verhältnis von 2 : 1 zugunsten des Geldunterhaltspflichtigen ausgegangen (EvBl. 1991/177 ua; 5 Ob 513/91 ua). In der bereits erwähnten Entscheidung des verstärkten Senates hat der Oberste Gerichtshof es als angemessen angesehen, bei einfachen Lebensverhältnissen - wie hier - das Eigeneinkommen des Minderjährigen auf die Leistungen des geldunterhaltspflichtigen und des betreuenden Elternteils im Verhältnis zwischen dem Durchschnittsbedarf der Altersgruppe, der der Minderjährige angehört, und dessen Differenz zur Mindestpensionshöhe anzurechnen.

Da der Durchschnittsbedarf für Minderjährige in der hier bedeutsamen Altersgruppe von 15 bis 19 Jahren bis 30.6.1992 S 3.690,-- und ab 1.7.1992 S 3.850,-- und somit etwa die Hälfte des Richtsatzes nach § 293 Abs.1 lit.a bb und lit.b ASVG beträgt, ist die Anrechnung der Lehrlingsentschädigung des Minderjährigen auf die Unterhaltsleistungen der Eltern zu gleichen Teilen gerechtfertigt. Da der Minderjährige eine Lehrlingsentschädigung von S 4.247,-- bezieht, reduziert sich sein Unterhaltsanspruch auf rund S 3.200,-- und damit, soweit er auf Geldzahlung durch seinen Vater gerichtet ist - bei gleichteiliger Anrechnung seiner Einkünfte - auf S 1.600,--.

In teilweiser Stattgebung des Revisionsrekurses ist daher der Unterhaltsvorschuß mit monatlich S 1.600,-- festzusetzen.

Anmerkung

E30444

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00605.92.1001.000

Dokumentnummer

JJT_19921001_OGH0002_0070OB00605_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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