Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 1992 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Rzeszut, Dr. Hager und Dr. Schindler als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hadler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Stjepan B***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 15. Juni 1992, GZ 29 Vr 131/92-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Stjepan B***** zu A./ des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs 1 StGB, zu B./ des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach dem § 212 Abs 1 StGB und zu C./ des Vergehens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft nur die Schuldsprüche wegen Unzucht mit Unmündigen (Punkt A des Urteilssatzes) und wegen gefährlicher Drohung (C) mit einer auf die Ziffern 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Das sich zunächst nur auf einen "Vorfall im Kaiserwald" Ende Mai 1983 und einen Vorfall vom 29. Juli 1983 beziehende einleitende Vorbringen in der Mängel- und in der Tatsachenrüge gegen den Schuldspruch laut Punkt A des Urteilssatzes geht schon deswegen ins Leere, weil der Beschwerdeführer dabei von einem schuldspruchfremden Sachverhalt ausgeht. Die beiden relevierten, in den erstgerichtlichen Entscheidungsgründen angeführten "Vorfälle" waren weder Gegenstand der Anklage noch des Schuldspruches, weil insoweit lediglich spätere, und zwar Tathandlungen "cirka von Herbst 1983 bis 8. Juni 1989" erfaßt wurden. Zu den zeitlich früheren Geschehnissen stellte das Erstgericht in der Entscheidungsbegründung klar, daß das diesbezügliche beim Kreisgeicht St. Pölten zum AZ 37 Vr 1044/83 eingeleitete Strafverfahren am 28. November 1983 eingestellt wurde (US 6).
Demgemäß beruht auch der Vorwurf, der Angeklagte sei "bezüglich des Faktums A überhaupt nicht befragt" worden, auf einem Mißverständnis über Anklage und Schuldspruch, die sich - wie erwähnt - nur auf Vorgänge nach der Verfahrensbeendigung im Jahr 1983 beziehen. Eine gerichtliche Befragung des Angeklagten über den sexuellen Mißbrauch der Irena B***** seit Herbst 1983 wurde aber entgegen der Beschwerde vorgenommen (S 111) und das Ergebnis dieser Befragung bei der Urteilsfällung auch berücksichtigt (US 14 f).
Ein auf den Schuldspruch laut Punkt A des Urteilssatzes in seinem tatsächlichen Umfang beziehbares Beschwerdeargument stellt nur der Hinweis in der Tatsachenrüge dar, daß die Zeugin Marija B***** sinngemäß verneinte, seit 1983 sexuelle Belästigungen ihrer Tochter durch den Angeklagten wahrgenommen zu haben. Bei Prüfung dieses vom Erstgericht gewürdigten Verfahrensergebnisses (US 13 f) anhand der gesamten Aktenlage, insbesondere der Angaben der Irena B*****, ergeben sich jedoch keine, geschweige denn erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen.
Auch die unter Heranziehung der Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Einwände gegen den Schuldspruch wegen gefährlicher Drohung (C) versagen.
Das Erstgericht stellte über die betreffende Tathandlung fest, daß der Angeklagte ein Messer gegen den Körper des Jürgen F***** richtete und dabei zu Jürgen F***** und Andreas K***** sagte: "Ich steche Euch ab". Diesen Sachverhalt leitete das Erstgericht aus den Aussagen der Zeugen F*****, K***** und Irena B***** ab, wobei es den Standpunkt einnahm, daß deren Schilderungen vor der Bundepolizeidirektion St. Pölten und in der Hauptverhandlung in den entscheidungswesentlichen Punkten gleichlautend waren (US 15). Es fügte hinzu, daß der Angeklagte den verwerteten Beweismitteln zufolge die Äußerung "Ich steche Euch ab" oder eine inhaltlich "gleichwertige" Äußerung gemacht habe (US 16).
Gegen die Entscheidungsgründe erhob der Beschwerdeführer zunächst den Vorwurf der Undeutlichkeit, weil die betreffende drohende Äußerung nicht ihrem genauen Wortlaut nach feststellbar gewesen sei. Dies jedoch zu Unrecht:
Ein Ausspruch über eine entscheidende Tatsache ist nur dann undeutlich, wenn den Urteilsfeststellungen nicht entnommen werden kann, welche Handlungen mit welchem Willen der Angeklagte nach Ansicht des Gerichtes begangen hat. Aus dem bloßen Offenbleiben von Handlungselementen, die weder für die Beweisfrage, noch für die rechtliche Beurteilung Belang haben - wie etwa dem genauen Wortlaut einer sinngemäß eindeutig erfaßten Äußerung - kann sich ein solcher Mangel nicht ergeben. Demgemäß ist dem Beschwerdevorbringen auch gar nicht entnehmbar, aus welchem Grund die wortgetreue Wiedergabe der in Frage stehenden Äußerung einen entscheidenden Umstand bilden soll.
Die weiteren Einwände des Beschwerdeführers erschöpfen sich darin, unter Wiedergabe von Verfahrensergebnissen Widersprüche in den Angaben der Zeugen Jürgen F*****, Andreas K***** und Irena B***** zu behaupten und das Unterbleiben diesbezüglicher Urteilserörterungen zu bemängeln. Alle diese Darlegungen halten einer Überprüfung gleichfalls nicht stand:
Die Angaben des Zeugen K***** darüber, ob sich die Drohung überhaupt auf ihn bezogen habe, wurden vom Erstgericht den - diesbezüglich ohne Berücksichtigung des inhaltlichen Zusammenhanges der zitierten Aussageteile erstatteten - Beschwerdeausführungen zuwider ohnehin erwogen und bei der Entscheidungsbegründung berücksichtigt (US 16). Die Behauptung, daß der Zeuge K***** vor der Polizei von einem aufklappbaren, nicht aber von einem aufgeklappten Messer gesprochen habe, ist nicht aktengetreu (S 39).
Das Schöffengericht sah eine mit einer drohenden Äußerung verbundene Handhabung des Messers durch den Angeklagten als entscheidungswesentlichen und durch die im wesentlichen gleichlautenden Schilderungen der Zeugen bestätigten Sachverhalt an, weshalb der diesbezügliche Ausspruch keineswegs dadurch in Frage gestellt werden kann, daß Abweichungen in den Zeugenaussagen über andere Phasen des Geschehens ins Treffen geführt werden. Hinsichtlich der Schilderungen über die an die drohende Äußerung anschließenden Vorgänge sind die vom Beschwerdeführer angenommenen Divergenzen zudem gar nicht ersichtlich, weil die Charakterisierung einer Tätlichkeit durch den Zeugen K***** bei einer Gelegenheit als Schlag und bei einer anderen Gelegenheit als Stoß keineswegs einen unvereinbaren Gegensatz bildet und die Zeugin Irena B***** sehr wohl auch ein damaliges Wegstoßen des Angeklagten durch den Zeugen F***** bekundete (S 121). Damit stimmten entgegen der Beschwerde die Angaben des Zeugen F***** überein (S 114 f iVm S 37). Irena B***** bestätigte über Fragen des Verteidigers auch ausdrücklich das Herausziehen des Messers durch den Angeklagten und die (festgestellte) drohende Äußerung gegen ihre beiden "Beschützer" als Reaktion auf ihre Weigerung, mit Stjepan B***** mitzugehen (S 122, 123).
Der in der Hautpverhandlung erörterte Widerspruch (S 117) zwischen den Angaben des Zeugen K***** vor der Polizei und in der Hauptverhandlung darüber, ob der Angeklagte mit dem Messer vor dem Gesicht des Jürgen F***** "herumfuchtelte", betraf ebenso wie die unbestätigt gebliebene Behauptung des Zeugen F***** über einen vom Angeklagten gegen Andreas K***** geführten Schlag unwesentliche Einzelheiten eines komplexen Tatgeschehens, weshalb das Schöffengericht bei Begründung der hiedurch nicht in Frage gestellten Annahme der Richtigkeit der maßgebenden Zeugenaussagen nicht gesondert darauf eingehen mußte; die gerichtliche Begründungspflicht ist auf eine gedrängte Darstellung der Erwägungen beschränkt (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO).
Somit vermögen die Beschwerdedarlegungen keine "völlig konträren Aussagen der Zeugen" über den Tathergang aufzuzeigen, weshalb auch die ins Treffen geführten Begründungsmängel nicht vorliegen.
Letztlich ist auch ein Verständnis der Beschwerdeeinwände als Tatsachenrüge (Z 5a) nicht geeignet, die Überzeugungskraft der erstgerichtlichen Beweisführung in Zweifel zu setzen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Zur Entscheidung über die Berufung ist das Oberlandesgericht Wien zuständig (§ 285 i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E34493European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0110OS00103.92.1001.000Dokumentnummer
JJT_19921001_OGH0002_0110OS00103_9200000_000