TE OGH 1992/10/13 11Os90/92

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Veröffentlicht am 13.10.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Oktober 1992 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Piska als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta, Dr.Rzeszut, Dr.Hager und Dr.Schindler als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Hadler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karl P***** wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 28.April 1992, GZ 10 Vr 807/91-31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Der am 2.Februar 1956 geborene Karl P***** wurde der Verbrechen (1) des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und (2) der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB sowie der Vergehen (3) der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 StGB, (4) der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB und (5) des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in den Jahren 1982 bis 1991 an im einzelnen nicht mehr feststellbaren Tagen in L***** (1) mit seiner unmündigen Tochter Sandra P*****, geboren am 11.Oktober 1979, den außerehelichen Beischlaf "unternommen"; (2) seine unmündige Tochter Sandra P***** auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem er sie am Geschlechtsteil und an den Brüsten betastete, an ihrem Geschlechtsteil leckte und sie veranlaßte, sein Glied in den Mund zu nehmen bzw zu betasten; (3) in Gegenwart seiner unmündigen Tochter Sandra P***** onaniert und dadurch vor ihr Handlungen vorgenommen, die geeignet waren, die sittliche und seelische Entwicklung unmündiger Personen zu gefährden, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen; (4) durch die zu 1 angeführte Handlung mit seiner Tochter Sandra P*****, sohin mit einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf "vollzogen";

(5) durch die zu 1 und 2 angeführten Handlungen seine minderjährige Tochter Sandra P***** zur Unzucht mißbraucht.

Die diese Schuldsprüche tragenden tatrichterlichen Feststellungen stützen sich im wesentlichen auf die Angaben des tatbetroffenen Mädchens, welche der (wegen Sittlichkeitsdelikten bisher nicht vorbestrafte) leugnende Angeklagte als Ergebnis einer - von Scheidungstendenzen geleiteten - Beeinflussung durch seine von ihm getrennt lebende Gattin (und Kindesmutter) Anita P***** zu erklären suchte. Das Erstgericht beurteilte die (teils auch zeichnerisch wiedergegebenen) Anschuldigungen der Sandra P***** gegen den Angeklagten als glaubwürdig, weil dem Mädchen sowohl von der Jugendpsychologin Dr.Z***** als auch von der Gynäkologin Dr.M***** deutliche (mit sexuellem Mißbrauch erklärbare) Verhaltensirritationen bescheinigt wurden und insbesondere die Zeichnungen zu den behaupteten Tathandlungen mit einer Täterschaft des Angeklagten konforme Details (zB Haar- und Barttracht) aufwiesen, mag auch die gynäkologische Untersuchung des Kindes weder eine Defloration noch andere körperliche Anhaltspunkte für sittliche Übergriffe der inkriminierten Art ergeben haben.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft seine Schuldsprüche mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 5 a, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, überdies den Strafausspruch mit Berufung.

Der Mängelrüge (Z 5) kommt schon Berechtigung zu, soweit in der Nichterörterung der Aussage des Zeugen Horst P*****, des Sohnes des Angeklagten, eine Unvollständigkeit des bekämpften Urteils erblickt wird. Trifft es doch zu, daß die Angaben dieses Zeugen der den Angeklagten belastenden Aussage der Anita P***** in wesentlichen Punkten widersprachen. Während nämlich Anita P*****, nachdem sie im Mai 1991 den ehelichen Haushalt verlassen und wegen der hier in Rede stehenden Vorfälle mit der Bezirkshauptmannschaft L*****Kontakt aufgenommen hatte, von Anfang an angab, bereits im Jahre 1990 von ihrem Sohn Horst P***** erfahren zu haben, daß der Angeklagte während ihres damaligen Krankenhausaufenthaltes darauf bedacht gewesen sei, mit Sandra ungestört allein im Bett zu liegen, stellte Horst P***** sowohl die Wahrnehmung eines derartigen Verhaltens des Angeklagten als auch eine dementsprechende Mitteilung an seine - wie dargelegt die Trennung vom Angeklagten anstrebende - Mutter in Abrede (210 f). Gerade bei der konkreten Fallkonstellation, der Anschuldigungen wegen zeitlich weit zurückreichender, dessenungeachtet jedoch im Familienverband bis zuletzt nicht aufgefallener und zum Teil mit dem objektiven gynäkologischen Befund nicht vereinbarer Verfehlungen zugrunde liegen, hätte es umso mehr einer erschöpfenden Erörterung sämtlicher zur Schuldfrage aussagekräftiger Verfahrensergebnisse bedurft, als Sandra P***** in einem Schreiben an das Erstgericht einen inneren Konflikt sinngemäß dahin bekundet hat, daß im Fall einer den Angeklagten entlastenden Aussage ihre Mutter "gekränkt" wäre (Beilage III zum Hauptverhandlungsprotokoll ON 19).

Da sich sohin zeigt, daß schon aufgrund des erörterten Beschwerdevorbringens die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war über die Nichtigkeitsbeschwerde in nichtöffentlicher Sitzung spruchgemäß zu erkennen.

Im zweiten Rechtsgang werden - schon wegen des Gewichtes der dem Angeklagten zur Last gelegten Tathandlungen unverzichtbar - in die entscheidungstragenden Erwägungen auch Beweisdetails einzufließen haben, die eine differenzierte Beurteilung der bisher verwerteten Beweisquellen nahelegen. Dies gilt für das mit einer (die partielle Zufluchtnahme zu schriftlichen Aussagepassagen auslösenden) schüchternen Zurückhaltung unvereinbare Aussageverhalten der Sandra P***** vor dem Untersuchungsrichter (S 82, erster Absatz) ebenso wie für die eine umfassende Verdachtsbeurteilung mitbeeinflussenden Fragen nach den behördlichen Beweggründen für die Überantwortung der weiteren ehelichen Kinder in die Pflege und Erziehung des Angeklagten statt in jene der Kindesmutter und deren Motive für das Verlassen ihrer Familie (vgl S 215).

In materiellrechtlicher Hinsicht ist vollständigkeitshalber hinzuzufügen, daß vollendete Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB Vereinigung der Geschlechtsteile voraussetzt, welchem Erfordernis der Schuldspruch 4 in seiner Verweisung auf den zum Urteilsfaktum 1 (bloß) unternommenen Beischlaf nicht gesetzeskonform Rechnung trägt.

Mit seiner zufolge Kassierung auch des Strafausspruches gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E34480

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0110OS00090.9200007.1013.000

Dokumentnummer

JJT_19921013_OGH0002_0110OS00090_9200007_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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