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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §12 Abs3 litf;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Ing. W in T, vertreten durch Mag. Johannes Zach, Rechtsanwalt in 2483 Ebreichsdorf, Wiener Straße 3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 18. Dezember 2003, Zl. LGS NÖ/RAG/1281/2003, betreffend Einstellung des Arbeitslosengeldes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der 1980 geborene Beschwerdeführer war im Zeitraum vom 1. Jänner 2001 bis 28. Februar 2002 bei der G. Handelsgesellschaft m.b.H. angestellt. Nach dem Bezug einer Beihilfe und von Krankengeld erhielt der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis zum 22. September 2002 Arbeitslosengeld.
Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde in Abweisung der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung die Einstellung des Arbeitslosengeldes ab dem 23. September 2002 aus. Der Beschwerdeführer habe am 25. August 2002 bekannt gegeben, dass er sich ab 23. September 2002 vom Arbeitslosengeldbezug abmelden würde, weil er ab diesem Tag den Fachhochschul-Studiengang "Informations- und Kommunikations- Systemlösungen/ICS" in Eisenstadt belegt hätte. Der vorgelegten Inskriptionsbestätigung vom 17. September 2003 zufolge habe der an der Fachhochschule immatrikulierte Beschwerdeführer den genannten Fachhochschul-Studiengang seit dem 23. September 2002 im ersten Semester besucht. Die Studiendauer betrage acht Semester. Die Inskription bzw. Immatrikulation des Beschwerdeführers reiche aus, um die Arbeitslosigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG auszuschließen. Da die vom Beschwerdeführer gewählte Ausbildung "Schultypizität" vorsehe, gelte die gesetzliche Vermutung, dass der jeweilige Teilnehmer nicht an einer neuen Beschäftigung, sondern nur an der Erreichung des Ausbildungszieles interessiert sei. Gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG sei Arbeitslosigkeit als Anspruchsvoraussetzung für das Arbeitslosengeld nicht mehr gegeben. Die Voraussetzung für eine Ausnahmegenehmigung nach § 12 Abs. 4 AlVG sei nicht gegeben, weil Parallelzeiten von Ausbildung und Beschäftigung im Falle des Beschwerdeführers nicht vorlägen. Die Ausbildung sei auch nicht im Auftrag des Arbeitsmarktservice gemäß § 12 Abs. 5 AlVG erfolgt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 12 Abs. 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat. Als arbeitslos gilt gemäß § 12 Abs. 3 lit. f leg. cit. insbesondere nicht, wer in einer Schule oder in einem geregelten Lehrgang - so als ordentlicher Hörer einer Hochschule, als Schüler einer Fachschule oder einer mittleren Lehranstalt - ausgebildet wird oder, ohne dass ein Dienstverhältnis vorliegt, sich einer praktischen Ausbildung unterzieht.
Die Ausbildung in einer Schule oder in einem schulähnlichen geregelten Lehrgang begründet kraft Gesetzes die unwiderlegliche Vermutung, dass der Betreffende so lange nicht an einer neuen Beschäftigung, sondern an der Erreichung seines Ausbildungszieles interessiert (und daher nicht arbeitslos) ist, als er in der Schule oder in einem geregelten Lehrgang ausgebildet wird bzw. sich der praktischen Ausbildung unterzieht. Seine allfällige bestehende Arbeitswilligkeit kann ein solcher Anspruchswerber daher nicht durch die bloße Erklärung, arbeitswillig zu sein, sondern nur durch die Beendigung der Ausbildung wirksam dokumentieren. Der Grund (und zugleich die Rechtfertigung) für diese unwiderlegliche Vermutung liegt darin, dass die übliche Arbeitszeit desjenigen, der sich - entsprechend dem Lehrplan (Studienplan) - einer solchen Ausbildung unterzieht, wegen der in Schulform organisierten Ausbildung vollständig oder doch überwiegend in Anspruch genommen wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 96/08/0258).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter einem Studium eine den Studierenden voll in Anspruch nehmende, auf Erreichung eines bestimmten Lernabschlusses abzielende Ausbildung in einer Schule, Hochschule, Fachschule oder einer mittleren Lehranstalt zu verstehen. Die Frage, ob eine umfassende Inanspruchnahme vorliegt, ist durch die Ausbildung, so wie sie nach den jeweiligen Ausbildungsvorschriften üblicherweise erfolgt, und nicht nach der konkret-individuellen Art, wie der Auszubildende der Ausbildung obliegt, zu beantworten. Dabei ist davon auszugehen, dass die in einem Lehrplan vorgesehenen Semesterstunden auch besucht werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. März 1999, Zl. 97/08/0011, mwN). In dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Informationsblatt über den Fachhochschul- (Diplom)Studiengang "Informations- und Kommunikations-Systemlösungen" wird der Studiengang als acht Semester dauerndes "Vollzeitstudium" (mit den entsprechenden Semesterwochenstunden) deklariert, das mit dem akademischen Grad "Dipl.-Ing.(FH)" abschließt. Diese Angaben wurden vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht bestritten. Es handelt sich bei der Ausbildung des Beschwerdeführers um einen alternativen nichtuniversitären Studiengang (im Sinn des § 11 Abs. 3 Z. 7 Universitäts-Studiengesetz) auf Grund des Bundesgesetzes über Fachhochschul-Studiengänge (FHStG), BGBl. Nr. 340/1993. Nach § 3 Abs. 2 Z. 2, 4 und 5 FHStG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 58/2002 hat die Studienzeit in Fachhochschul-Diplomstudiengängen acht bis zehn Semester zu betragen, wobei die Jahresarbeitsleistung eines Studierenden 1500 Stunden nicht überschreiten darf und Art sowie Umfang der einzelnen Lehrveranstaltungen im Studienplan und in den Prüfungsordnungen festzulegen ist. Nach dem derzeit gültigen und veröffentlichten Studienplan des gegenständlichen Fachhochschul-Diplomstudienganges sind z.B. im ersten Semester 29 Semesterwochenstunden vorgesehen, die mit 30 ECTS-Punkten (European Credit Transfer System - Punkten) bewertet sind. Der im Verwaltungsakt erliegende Studienerfolgsnachweis vom 30. Juni 2003 bestätigt, dass der Beschwerdeführer im zweiten Semester Lehrveranstaltungen im Ausmaß von 26 Semesterwochenstunden positiv abgeschlossen hat. Bei dem gegenständlichen Fachhochschul-Studiengang handelt es sich somit zusammenfassend um ein Studium im Sinn der oben dargestellten Rechtsprechung. Mit der Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe nicht geprüft, ob es sich bei dem von ihm besuchten Lehrgang um einen Abendlehrgang handle, welcher mit einer etwaigen Berufstätigkeit vereinbar wäre, machte er keinen relevanten Verfahrensmangel geltend, weil er Derartiges im Verwaltungsverfahren nicht behauptet hat. Soweit der genannten Rüge eine solche Behauptung zu entnehmen ist, steht ihr das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot entgegen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ferner davon auszugehen, dass ein Studierender, der einer Universität durch die Inskription (nunmehr "Fortsetzung der Zulassung") nach seiner Aufnahme als ordentlicher Studierender in der Form der Immatrikulation (nunmehr "Zulassung") meldet, dass er das gewählte ordentliche Studium im betreffenden Semester beginnen oder fortsetzen werde, so lange nicht als arbeitslos gilt, als er nicht in der nach den studienrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Form (z.B. durch Exmatrikulation) die Beendigung seiner Studien wirksam dokumentiert.
Zufolge der formalen Anknüpfung des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG kommt es auf das Fehlen einer Anwesenheitspflicht nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 2004, Zl. 2001/08/0163, mwN). Nichts anderes kann für die Aufnahme eines Studenten in einen Fachhochschul-Studiengang gelten. Die im Verwaltungsakt erliegende Inskriptionsbestätigung des Fachhochschul-Studienganges vom 17. September 2003 bestätigt, dass der Beschwerdeführer seit dem 23. September 2002 am "Fachhochschul-Studiengang Informations- und Kommunikations-Systemlösungen/ICS" immatrikuliert ist und ab dem 23. September 2002 "das 1. Semester besucht". Die Erklärung des Beschwerdeführers, im relevanten Zeitraum trotz Aufnahme in den genannten Studiengang (Zulassung) bzw. trotz der Belegung des Besuchs von Lehrveranstaltungen (Fortsetzung der Zulassung) nicht "aktiv" ("tatsächlich") studiert zu haben bzw. erst seine Fähigkeiten für eine Hochschule "ausgetestet" zu haben, ist daher unmaßgeblich (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. Jänner 1994, Zl. 93/08/0269, und vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/08/0154). Es kommt auch nicht darauf an, ab welchem Zeitpunkt der Beschwerdeführer erstmals eine Studienbeihilfe erhalten hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2002, Zl. 99/08/0109).
Aus diesen Gründen erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 15. Februar 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2004080062.X00Im RIS seit
04.05.2006