Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.Prof.Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Mag. Strieder als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Held als Schriftführer, in der Strafsache gegen Miroljub J***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 30. Juni 1992, AZ 9 U 274/92, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Bassler, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Beschluß des Bezirksgerichts Innsbruck vom 30. Juni 1992, GZ 9 U 274/92-8, mit dem vom Widerruf der zu AZ 35 Vr 3073/88 des Landesgerichtes Innsbruck gewährten teilbedingten Strafnachsicht unter Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre abgesehen wurde, verletzt das Gesetz in dem sich aus §§ 494 a Abs 4, 498 StPO iVm dem XX. Hauptstück der Strafprozeßordnung abzuleitenden Grundsatz der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen.
Der Beschluß wird aufgehoben; der ihm zugrundeliegende Antrag der Staatsanwaltschaft wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem im Spruch bezeichneten Beschluß hat das Bezirksgericht Innsbruck (gemäß § 494 a Abs 4 StPO gemeinsam mit einer Verurteilung) gemäß § 53 Abs 2 StGB (§ 494 a Abs 1 Z 2 und Abs 7 StPO) vom Widerruf der Miroljub J***** im Verfahren 35 Vr 3073/88 des Landesgerichtes Innsbruck gewährten (teil-)bedingten Strafnachsicht abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert. Diese Entscheidung erging, obwohl sich aus dem vom Bezirksgericht eingesehenen Akt des Landesgerichtes ergab, daß dieses schon vorher mit Beschluß vom 31. März 1992 die bedingte Nachsicht gemäß § 48 Abs 3 StGB für endgültig erklärt hat.
Zwar war im Zeitpunkt der Entscheidung des Bezirksgerichtes jene des Landesgerichts noch nicht rechtskräftig, dennoch aber einer Behebung oder Abänderung nur im Rechtsmittelweg zugänglich (§ 498 StPO, SSt. 56/18). Der Beschluß auf endgültige Nachsicht entfaltete (auch schon vor Eintritt der Rechtskraft) eine Bindungswirkung, derzufolge kein Gericht ohne vorangegangene Aufhebung des Beschlusses berechtigt gewesen ist, über den Entscheidungsgegenstand neuerlich abzusprechen. Das Bezirksgericht Innsbruck hat daher durch seine Beschlußfassung vom 30. Juni 1992 eine Entscheidungskompetenz rechtswidrig in Anspruch genommen (s. EvBl 1989/64).
Es war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes der Generalprokuratur spruchgemäß zu entscheiden.
Die Verständigung des Strafregisteramtes von dieser Entscheidung wird das Bezirksgericht Innsbruck vorzunehmen haben.
Anmerkung
E35131European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0140OS00128.9200008.1013.000Dokumentnummer
JJT_19921013_OGH0002_0140OS00128_9200008_000