TE OGH 1992/10/13 5Ob141/92

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Veröffentlicht am 13.10.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Schwarz, Dr.Jelinek und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragsteller 1. Aloisia K*****, Pensionistin, ***** K***** Nr. 26,

2. Doris K*****, Angestellte, ***** K***** Nr. 26, und 3. Gerald K*****, Werkzeugmaschineur, ***** K***** Nr. 26, alle vertreten durch Dr.Peter Semlitsch und Dr.Wolfgang Klobassa, Rechtsanwälte in Voitsberg, wegen Grundbuchseintragungen in der EZ ***** des Grundbuches ***** K***** infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 2. Juni 1992, R 129/92, TZ 1064/92, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Knittelfeld vom 22.Jänner 1992, TZ 28/92, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß aufgrund des Übergabsvertrages vom 4.September 1991 im Lastenblatt der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches ***** K***** auch die Einverleibung der Reallast des Ausgedinges für Aloisia K*****, gemäß Punkt 3 lit b bis d des angeführten Vertrages bewilligt wird.

Das Erstgericht hat die dadurch notwendigen Grundbuchseintragungen zu vollziehen und die im Beschluß des Rekursgerichtes vom 2.Juni 1992 angeführten Personen und Ämter zu verständigen.

Text

Begründung:

Die am ***** geborene Aloisia K***** war Hälfteeigentümerin der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches ***** K*****; beim zweiten Hälfteanteil war und ist das Eigentumsrecht für ihren am ***** geborenen Enkelsohn Gerald K***** eingetragen.

Auf Grund des Übergabsvertrages vom 4.September 1991 ist mittlerweile die am ***** geborene Doris K*****, die Ehefrau des Gerald K*****, grundbücherliche Eigentümerin des Hälfteanteils der Aloisia K***** geworden. Ein ehemals auf dem Hälfteanteil des Gerald K***** zugunsten der Aloisia K***** eingetragenes Belastungs- und Veräußerungsverbot wurde gelöscht und schließlich noch auf der ganzen Liegenschaft die Dienstbarkeit der Wohnung für Aloisia K***** gemäß Punkt 3 des Übergabsvertrages einverleibt.

Abgewiesen haben beide Vorinstanzen das Begehren der Antragsteller, nach Maßgabe des Punktes 3 des Übergabsvertrages vom 4.September 1991 auf der ganzen Liegenschaft auch die Reallast des Ausgedinges für Aloisia K***** einzuverleiben. Dieser Vertragspunkt lautet wie folgt:

"Für die Übergabe bzw. Übernahme verpflichtet sich die Übernehmerin mit Wirkung für sich und ihre Rechtsnachfolger im Besitze des Vertragsgegenstandes der Übergeberin auf deren weitere Lebenszeit im Hause K***** Nr. 26, gemeinsam mit ihrem Ehegatten Herrn Gerald K*****, der mit Unterfertigung dieser Vereinbarung diesem Vertrage beitritt, zu erbringen nachstehende

L E I S T U N G E N :

a) Die für die Übergeberin ausschließliche Wohnung in der Küche im Parterre links vom Eingang sowie dem darin anschließenden Wohnzimmer im Parterre, somit in den beiden im Parterre gelegenen südseitigen Zimmern des Hauses K***** Nr. 26, die Mitbenützung des WC's im Parterre, des Badezimmers im 1. Stock, der Kellermitbenützung anteilig samt den notwendigen Zugängen, der anteiligen Gartenbenützung, des Holzlagers und der Laube bei freiem Zugang zu sämtlichen Liegenschaftsteilen, ausgenommen der privaten Wohnräumlichkeiten der Ehegatten Gerald und Doris K*****.

b) Die Beheizung des gesamten Hauses K***** Nr. 26, wobei 2/5 der gesamten mit der Heizung verbundenen Kosten, entsprechend der Aufteilung der Räumlichkeiten, von der Übergeberin bezahlt werden, und zwar spätestens binnen 14 Tagen nach schriftlicher Bekanntgabe der Gesamtheizkosten unter Vorlage der Belege für den Einkauf von Heizmaterial und Kehrgebühren.

c) Die ordentliche Wartung und Pflege in gesunden und kranken Tagen mit der Verpflichtung im Falle der persönlichen Verhinderung für die Beistellung einer Pflegeperson auf Kosten der Ehegatten Gerald und Doris K***** Sorge zu tragen.

d) Die dem Alter und den Gesundheitszustand der Übergeberin jeweils entsprechende ordentlich zubereitete und ausreichende Verpflegung zu den Mahl- und Jausenzeiten am gemeinsamen Tisch, oder über Verlangen der Übergeberin auf deren Zimmer gestellt, wobei der Ankauf der Lebensmittel aus Mitteln der Übergeberin bezahlt wird und diese Leistungen zusätzlich erst dann zu erbringen sind, wenn die Übergeberin dazu nicht mehr selbst in der Lage sein sollte und soweit diese Leistungen nicht von der Tochter der Übergeberin, der Mutter des Herrn Gerald K*****, erbracht werden.

e) Die Wohnungs- und Ausgedingsrechte sind bei der Übergabsliegenschaft und auch bei der Herrn Gerald K***** gehörigen Liegenschaftshälfte zugunsten der Übergeberin sicherzustellen.

f) Die Übernehmerin verpflichtet sich, die ihr aufgrund dieses Vertrages gehörige Liegenschaftshälfte der EZ ***** des Grundbuches ***** K***** ohne Zustimmung der Übergeberin weder zu belasten noch zu veräußern und nimmt die Übergeberin dieses Recht vertragsgemäß an."

Während das Erstgericht die Eintragung des Ausgedinges mit der Begründung verweigerte, Punkt 3 des Übergabsvertrages vom 4.September 1991 verschaffe der Übergeberin lediglich ein vom Eintritt verschiedener Bedingungen abhängiges Anwartschaftsrecht auf Pflegeleistungen, das nicht verdinglicht werden könne, erblickte das Rekursgericht ein Eintragungshindernis in der von den Vertragsparteien beabsichtigten Verselbständigung des Wohnrechtes einerseits und des Rechtes auf Pflegeleistungen andererseits. Es führte aus:

Das typische, im bäuerlichen Rechtskreis entstandene Ausgedinge beinhalte durchaus verschiedene Verpflichtungen zu Natural-, Geld- und Arbeitsleistungen, die durch den ihnen gemeinsamen Versorgungszweck zur Einheit eines Rechtes höherer Ordnung verbunden werden. Das bedeute, daß die Einzelrechte ihre Selbständigkeit einbüßen und nur in ihrer Gesamtheit als Ausgedinge verbüchert werden können (vgl. Klang in Klang II2, 625; EvBl 1965/214).

Inhalt der Reallast des Ausgedinges könnten unter anderem Wohnrechte und Dienstleistungen sein (Krejci in Rummel II, Rz 53 und 58 zu §§ 1284-1286 ABGB). Im vorliegenden Fall hätten die Antragsteller nicht verlangt, die in Punkt 3 des Übergabsvertrages vereinbarten (Gegen-)Leistungen - einheitlich - als Reallast des Ausgedinges zu verbüchern, sie hätten vielmehr beantragt, das der Aloisia K***** im Sinne des § 521 ABGB eingeräumte Wohnrecht als "Dienstbarkeit der Wohnung" und die vereinbarten Betreuungsleistungen als "Reallast des Ausgedinges" einzuverleiben. Während der Antrag auf Einverleibung der Dienstbarkeit der Wohnung durch die vorgelegte Vertragsurkunde gedeckt sei, treffe dies für den zweiten Teil des Begehrens nicht zu.

Für die Zulässigkeit einer Reallast ließen sich keine bestimmten Regeln geben; Zweck und Bedürfnis, Gefahr und Vorteil seien vielmehr in jedem Einzelfall vom Richter zu untersuchen (RPflSlgG 1156). Im gegenständlichen Fall gehe es ausschließlich um persönliche Dienstleistungen der Übernehmerin und ihres Ehegatten, die mit dem übergebenen Gut nur insofern in Verbindung stünden, als sie auf der Liegenschaft zu erbringen sind. Diese bloß äußerliche Verbindung reiche jedoch für sich allein nicht aus, um die Begründung einer Sachhaftung für die bedungenen Dienstleistungen wirtschaftlich und sachlich zu rechtfertigen. Die von der Übernehmerin und ihrem Ehegatten gegenüber Aloisia K***** übernommene Verpflichtung zur Pflege könne unter diesem Gesichtspunkt nicht als bloß inhaltlich beschränktes Ausgedingsrecht bzw. Anwartschaftsrecht angesehen werden. Sie müsse vielmehr - mangels jeglicher sachlicher Beziehung zum verhafteten Gut und seinem Ertrag - als vollkommen selbständiges Recht auf Pflegeleistungen eingestuft werden, das nicht Gegenstand einer Reallast sein könne (RPflSlgG 1850; RPflSlgG 1066).

Der Beschluß des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt, der ordentliche Revisionsrekurs jedoch nicht zulässig sei. Letzteres wurde lediglich damit begründet, daß die in § 14 Abs 1 AußStrG angeführten Voraussetzungen einer Anrufung des Obersten Gerichtshofes nicht vorlägen.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes haben die Antragsteller fristgerecht ao. Revisionsrekurs mit dem Antrag erhoben, auch die Einverleibung der Reallast des Ausgedinges (des Versorgungsrechtes) für Aloisia K***** nach Maßgabe des Übergabsvertrages vom 4.September 1991 zu bewilligen. Aus den geltend gemachten Anfechtungsgründen ist hervorzuheben, daß die Rechtsmittelwerber meinen, schon die bloße Haftung des jeweiligen Eigentümers der Übergabsliegenschaft für die ausbedungenen Pflegeleistungen stelle eine für die Reallast typische Form der Sachhaftung dar. Eine Loslösung der Pflegeleistungen vom Eigentum der dienenden Liegenschaft sei weder beabsichtigt noch vereinbart worden; allenfalls hätte man statt der Reallast des Ausgedinges ein Versorgungsrecht der Übergeberin verbüchern können.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil in der Lehre strittig ist, ob neben der Reallast des Ausgedinges auch ein zugleich vorbehaltenes Wohnrecht des Übergebers einer Liegenschaft verbüchert werden kann (vgl. Petrasch in Rummel I2, Rz 5 zu § 530 ABGB). Tatsächlich ist das Abänderungsbegehren der Rechtsmittelwerber auch berechtigt.

Begriff und Inhalt der Reallasten, die § 12 Abs 1 GBG als verbücherungsfähig anerkennt, haben sich historisch entwickelt. Zu ihnen zählt nach der Rechtstradition auch das Ausgedinge (Bartsch, GBG7, 211 f). Darunter ist die auf einem Bauerngut (nach neuerem Rechtsverständnis auch auf sonstigen Liegenschaften) ruhende dingliche Verpflichtung zu Natural-, Geld- und Arbeitsleistungen zum Zwecke des Unterhalts des früheren Eigentümers zu verstehen (Klang in Klang II2, 624 f). Dazu gehört häufig auch das Wohnrecht des Übergebers (Klang aaO; SZ 50/61 ua). Es ist aber durchaus zulässig, nur einzelne Ausgedingsleistungen zu vereinbaren (3 Ob 39/84).

Zum Wesen der Reallast gehört die Verknüpfung der Schuldnerschaft mit dem Eigentum am belasteten Grundstück (SZ 45/45). Es ist also keinesweges erforderlich, daß die Ausgedingsleistungen mit den Erträgnissen der belasteten Liegenschaft korrelieren oder gar übereinstimmen; die typische Sachhaftung besteht vielmehr darin, daß der Leistungspflichtige durch das Eigentum am dienenden Grundstück bestimmt wird (Bartsch aaO; SZ 45/45; 3 Ob 39/84).

Eine weitere historisch entstandene Eigenheit der Reallast des Ausgedinges besteht darin, daß der Grundstückseigentümer die ihm auferlegten regelmäßig wiederkehrenden Leistungen auf zeitlich begrenzte Dauer, etwa auf Lebenszeit oder auf die Dauer des Bedürfnisses des Berechtigten zu erbringen hat (Bartsch aaO). Es ist also keineswegs außergewöhnlich, daß sich der Übergeber einer Liegenschaft - so wie im gegenständlichen Fall - Versorgungsleistungen nur für den Fall des eigenen Unvermögens oder des Ausfalls einer anderen Pflegeperson (etwa eines Kindes oder des Ehegatten) ausbedingt. Derartige Reallasten sind eintragungsfähig, weil sie als spezifisches Institut des Privatrechts seit jeher als wirksam und rechtsbeständig anerkannt wurden (vgl. Bartsch aaO, 213).

Damit ist zunächst klargestellt, daß weder die konditionale Verknüpfung des Versorgungsanspruches der Übergeberin mit dem Eintritt besonderer Bedarfsfälle noch die nach Ansicht des Rekursgerichtes zu lose Sachhaftung ein Eintragungshindernis bildet. Es ist aber auch der Ansicht des Rekursgerichtes nicht zu folgen, daß ein zugleich mit typischen Ausgedingsleistungen vereinbartes Wohnrecht des Übergebers einer Liegenschaft nicht gesondert eintragungsfähig wäre.

Schon aus dem Umstand, daß es durchaus zulässig ist, nur einzelne Ausgedingsleistungen - etwa die persönliche Betreuung im Krankheitsfall sowie die Versorgung mit Speisen und Getränken - zu vereinbaren, folgt, daß neben dem Ausgedinge auch ein Wohnrecht verbüchert werden kann. Daß das Wohnrecht Teil umfassender Versorgungsleistungen ist, die sich der Übergeber einer Liegenschaft ausbedungen hat, mag die Praxis rechtfertigen, sämtliche Ansprüche des Übergebers durch die bloße Verbücherung der Reallast des Ausgedinges zu verdinglichen, steht jedoch der gesonderten Eintragung der Dienstbarkeit des Wohnrechtes neben der Reallast des Ausgedinges (für die sonstigen Versorgungsleistungen) nicht entgegen (vgl. Bartsch aaO, 216 Nr. 36). Dafür sprechen zumindest Zweckmäßigkeitserwägungen (Petrasch aaO); ob der Wesensunterschied von Dienstbarkeiten und Reallasten nicht generell die getrennte Eintragung des Wohnungsrechtes und des Ausgedinges erfordert (vgl. Hofmeister, Notariatszeitung 1984, 202), kann hier dahingestellt bleiben.

Aus allen diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Anmerkung

E30613

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB00141.92.1013.000

Dokumentnummer

JJT_19921013_OGH0002_0050OB00141_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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