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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art7 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des A in M, vertreten durch Dr. Peter Hallas, Rechtsanwalt in 2340 Mödling, Brühler Straße 75/C/5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 10. Mai 2004, Zl. GS8-SV-145-2003, betreffend Feststellung von Beitragsgrundlagen nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde in dem für das Beschwerdeverfahren noch bedeutsamen Spruchpunkt I. dem Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt, mit dem diese gemäß § 25 Abs. 7 GSVG iVm § 25 Abs. 1 und Abs. 2 GSVG festgestellt hat, dass die endgültige monatliche Beitragsgrundlage für den Beschwerdeführer im Jahr 2001 3.155,13 EUR betrage, keine Folge.
Begründend ging sie von folgendem Sachverhalt aus:
"Der (Beschwerdeführer) war vom 9.8.1994 bis 30.6.2002 als wirtschaftskammerzugehöriger Inhaber der Gewerbeberechtigung 'Handelsgewerbe gemäß § 124 Z. 11 Gewerbeordnung 1994' in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG pflichtversichert. Weiters bezieht er seit 1.7.2002 (= Stichtag gemäß § 113 Abs. 2 GSVG) eine vorzeitige Alterspension nach dem GSVG. Zum Stichtag für die Ermittlung der endgültigen Beitragsgrundlage 2001 (1.7.2002) war die vorläufige monatliche Beitragsgrundlage des (Beschwerdeführers) für das Jahr 2001 noch nicht nachbemessen, weshalb der Einkommensteuerbescheid 1998 vom 3.3.2000 herangezogen wurde, der Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb in der Höhe von ATS 273.605,-- (EUR 19.883,65) auswies. Der Einkommensteuerbescheid für 2001 wurde (erst) am 14.11.2002 erlassen. Die endgültige monatliche Beitragsgrundlage für das Jahr 2001 wurde von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft auf der Grundlage der Einkommensteuerbescheid-Daten des Einkommensteuerbescheides 1998 erlassen."
Nach Darstellung der von ihr angewendeten Rechtslage führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht aus, dass die endgültige monatliche Beitragsgrundlage für das Jahr 2001 auf der Grundlage der Daten des Einkommensteuerbescheides 1998 festzustellen gewesen sei, weil zum Stichtag 1. Juli 2002 die dafür notwendigen Nachweise (Einkommensteuerbescheid 2001) noch nicht vorgelegen seien. Der erst am 14. November 2002 erlassene Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 habe somit nicht berücksichtigt werden können.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 13. Oktober 2004, B 820/04, abgelehnt hat. Über nachträglichen Antrag des Beschwerdeführers wurde die Beschwerde mit Beschluss vom 24. November 2004 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die belangte Behörde wegen des Fehlens eines Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2001 der Bemessung der monatlichen Beiträge für dieses Jahr zu Recht das Einkommen des Beschwerdeführers auf Grund des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1998 zu Grunde gelegt hat.
Die Beitragsgrundlage nach § 25 GSVG sowie die vorläufige Beitragsgrundlage gemäß § 25a GSVG sind grundsätzlich nach der Rechtslage zu ermitteln, die in dem Zeitraum in Geltung stand, für den die Beitragsgrundlage zu ermitteln ist (vgl. das Erkenntnis vom 23. Februar 2000, Zl. 99/08/0152).
Im Beschwerdefall war die Beitragsgrundlage bzw. die vorläufige Beitragsgrundlage für das Jahr 2001 zu ermitteln. Für diesen Zeitraum standen § 25 GSVG in den Fassungen BGBl. I Nr. 101/2000 (1. Jänner bis 17. April 2001), BGBl. I Nr. 33/2001 (18. April bis 31. Juli 2001) und BGBl. I Nr. 100/2001 (1. August bis 31. Dezember 2001) sowie § 25a GSVG in den Fassungen BGBl. I Nr. 139/1998 (1. Jänner bis 31. Juli 2001) und BGBl. I Nr. 100/2001 (1. August bis 31. Dezember 2001) in Geltung.
Die für den Beschwerdefall maßgebenden Auszüge aus den genannten Bestimmungen, alle in der Fassung BGBl. I Nr. 139/1998 (23. Novelle), lauten:
"§ 25. (1) Für die Ermittlung der Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte gemäß § 2 Abs. 1 sind, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, die im jeweiligen Kalenderjahr auf einen Kalendermonat der Erwerbstätigkeit im Durchschnitt entfallenden Einkünfte aus einer oder mehreren Erwerbstätigkeiten, die der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz, unbeschadet einer Ausnahme gemäß § 4 Abs. 1 Z. 5 und 6, unterliegen, heranzuziehen; als Einkünfte gelten die Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988. Als Einkünfte aus einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit gelten auch die Einkünfte als Geschäftsführer und die Einkünfte des zu einem Geschäftsführer bestellten Gesellschafters der Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
(2) Beitragsgrundlage ist der gemäß Abs. 1 ermittelte Betrag,
...
(6) Die endgültige Beitragsgrundlage tritt an die Stelle der vorläufigen Beitragsgrundlage, sobald die hiefür notwendigen Nachweise vorliegen.
(7) Vorläufige Beitragsgrundlagen gemäß § 25a, die gemäß Abs. 6 zum Stichtag (§ 113 Abs. 2) noch nicht nachbemessen sind, gelten als Beitragsgrundlagen gemäß Abs. 2."
und
"§ 25a. (1) Die vorläufige monatliche Beitragsgrundlage ist
1. wenn eine Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz im drittvorangegangenen Kalenderjahr nicht bestanden hat, ...
2. in allen anderen Fällen die Summe der gemäß § 25 Abs. 2 für das drittvorangegangene Kalenderjahr festgestellten Beitragsgrundlagen, geteilt durch die Zahl der Beitragsmonate der Pflichtversicherung in diesem Kalenderjahr, vervielfacht mit dem Produkt aus der Aufwertungszahl (§ 47) des Kalenderjahres, in das der Beitragsmonat (§ 25 Abs. 10) fällt, und aus den Aufwertungszahlen der beiden vorangegangenen Kalenderjahre. Dieser Betrag ist auf volle Schilling zu runden. Konnte die Beitragsgrundlage gemäß § 25 für das drittvorangegangene Kalenderjahr noch nicht festgestellt werden, weil der für die Beitragsbemessung maßgebende Einkommensteuerbescheid oder Einkommensnachweis noch nicht vorliegt, sind die Beitragsgrundlagen des Kalenderjahres heranzuziehen, in dem die Beitragsbemessung gemäß § 25 Abs. 6 erfolgt ist. Bei der Vervielfachung ist das Produkt der Aufwertungszahlen entsprechend zu ergänzen."
Gemäß § 113 Abs. 2 GSVG in der Fassung BGBl. I Nr. 139/1998 ist der Stichtag für die Feststellung, ob der Versicherungsfall eingetreten ist und auch die anderen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, sowie in welchem Ausmaß eine Leistung gebührt, bei Anträgen auf eine Leistung aus den Versicherungsfällen des Alters der Tag der Antragstellung, wenn dies auf einen Monatsersten fällt, sonst der dem Tag der Antragstellung folgende Monatserste.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass der im Beschwerdefall von der belangten Behörde gemäß § 113 Abs. 2 GSVG zu Grunde gelegte Stichtag 1. Juli 2002 rechtlich zutreffend herangezogen wurde. Seit diesem Tag bezieht der Beschwerdeführer eine vorzeitige Alterspension nach GSVG. Es ist auch unstrittig, dass zu diesem Zeitpunkt noch kein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 vorgelegen ist und dass der Einkommensteuerbescheid 1998 Einkünfte des Beschwerdeführers aus Gewerbebetrieb in der Höhe von EUR 19.883,65 ausgewiesen hat.
Die belangte Behörde ist auf Grund dieses Sachverhalts davon ausgegangen, dass eine vorläufige Beitragsgrundlage gemäß § 25a GSVG auf Grund des Einkommensteuerbescheides des drittvorangegangenen Kalenderjahres, das war das Jahr 1998, zu bilden ist. Damit ist die belangte Behörde im Recht, weil eine endgültige Beitragsgrundlage für das Jahr 2001 zum Stichtag 1. Juli 2002 wegen des Fehlens des Einkommensteuerbescheides 2001 nicht gebildet werden konnte.
Ausgehend vom Fehlen der Möglichkeit einer Nachbemessung zum Stichtag war die belangte Behörde nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut gehalten, die vorläufige Beitragsgrundlage gemäß § 25a GSVG nach der Anordnung des § 25 Abs. 7 GSVG als endgültige Beitragsgrundlage heranzuziehen (vgl. das Erkenntnis vom 18. Dezember 2003, Zl. 2000/08/0189).
Diese Rechtsprechung steht der vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeergänzung zum Beleg der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vertretenen - zusammengefassten - Auffassung entgegen, die Gesetzesauslegung der belangten Behörde widerspräche den Absichten des Gesetzgebers jener Novelle, nach der nach Feststellung einer vorläufigen Beitragsgrundlage immer eine Nachbemessung zu erfolgen habe (ASRÄG 1997).
In seiner Verfahrensrüge nimmt der Beschwerdeführer keinen konkreten Bezug auf den angefochtenen Bescheid oder das diesem zu Grunde liegende Verwaltungsverfahren, weshalb auf die dort vorgetragenen Argumente nicht näher eingegangen werden konnte.
Die Bestimmung des § 25 Abs. 7 GSVG ist auch nicht unsachlich, weil der Umstand, dass eine Regelung in einzelnen Fällen zu unbefriedigenden Ergebnissen und Härten führt, nicht die Sachlichkeit der Regelung berührt; nicht jede Unbilligkeit, die eine einheitliche Regelung mit sich bringt, kann als unsachlich gewertet werden; es muss dem Gesetzgeber gestattet sein, eine einfache und leicht handhabbare Regelung zu treffen (vgl. VfSlg. 9645 und die dort angeführte Vorjudikatur). Der Verwaltungsgerichtshof kann daher dem Beschwerdeführer nicht folgen, wenn dieser die genannte Norm für verfassungswidrig erachtet.
Die Beschwerde war nach dem Gesagten gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Beschwerdefall in Rede stehende Anspruch als "civil right" im Sinne der MRK zu beurteilen ist, weil im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus folgenden Gründen jedenfalls nicht erforderlich war:
Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Artikel 6 Abs. 1 MRK dem entgegen steht.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der MRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in dem Umstand, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgend eine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 10. August 2000, Zl. 2000/07/0083).
Dieser Fall liegt aber hier vor, weil die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind. Es wurden in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung verlangt hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 15. Februar 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2004080251.X00Im RIS seit
13.03.2006Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009