TE OGH 1992/10/20 4Ob84/92

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Veröffentlicht am 20.10.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl in der Rechtssache des Klägers Prof. h.c. C***** R*****, vertreten durch Dr. Herwig Grosch und andere Rechtsanwälte in Kitzbühel, wider die beklagte Partei M***** Verlag Gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Walter Schuppich und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Leistung einer Entschädigung, Feststellung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 500.000) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 24. 7. 1992, GZ 11 R 137/92-15, womit infolge Rekurses des Klägers der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 12. 5. 1992, GZ 29 Cg 79/92-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird in den Punkten a) und b) bestätigt. Punkt c) des Beschlusses wird dahin teilweise abgeändert, dass der Sicherungsantrag bezüglich der Behauptungen, die Gläser des Klägers seien sündteure Kelche, sie seien für den ganz normalen Gebrauch jedenfalls ungeeignet, zu empfindlich und zu teuer, abgewiesen wird. Im Umfang der Behauptung, dass den Gläsern des Klägers zuweilen sogar Sollbruchstellen nachgesagt werden, bleibt hingegen das Verbot aufrecht.

Der Kläger hat die Kosten des Provisorialverfahrens und des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen. Die Beklagte hat die Kosten des Provisorialverfahrens und des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

Begründung:

Text

Der Kläger ist Begründer und Gesellschafter der C***** R***** Gesellschaft mbH in Kufstein und der C***** R***** Gesellschaft mbH in Schneegattern. Diese Unternehmen beschäftigen sich ua mit der Erzeugung und den Verkauf von Trinkgläsern.

Die Beklagte ist Medieninhaberin und Verlegerin der Zeitschrift "FM", Fachmagazin für Touristik, Gastronomie/Hotellerie und Großverbrauch/Industrie.

In der Ausgabe 11-12/1991 dieser Zeitschrift berichtete die Beklagte unter der Überschrift "Glück und Glas...... wie leicht das bricht, wissen Gastwirte nur allzu gut. Eine Story über glasige Marketing-Schmähs, die die Spitzengastronomie alljährlich zu Monsterausgaben verleiten." über den Kläger und die von ihm begründeten Unternehmen. Dieser Artikel enthält folgende Passagen:

"Die Thesen des weit gereisten Geschäftemachers in Sachen Glas, die er sich seinerzeit in Kooperation mit seinem Tiroler Hausarzt ausschnapste und 'in vieltägigen Besäufnissen' vertiefte (R*****s Gattin *****), gehen aber noch weiter: Ein gut konstruiertes Glas, sagt er sinngemäß, überliste die Nase und Geschmackspapillen der Zunge. Die Form des Glases bestimme, welcher Teil der Zunge beim Trinken zuerst mit der Flüssigkeit in Berührung komme..... Für FM ist's pure Scharlatanerie:"

"Trotz des offensichtlichen Marketingschmähs mit der wissenschaftlich fundierten Glastheorie........fand sich bis heute niemand, der ernstlich Zweifel angemeldet hätte."

"Folgend auf diese R*****-Inserate" (vorher wird von R*****-Inseraten im Gault-Millau berichtet) finden sich jeweils - für die ganz Dummen offenbar - doppelseitige Erläuterungen, welche Gläser zu welchem Getränk passen."

"Viele Gastwirte glaubten der niemals bewiesenen Theorie des Tiroler Einwanderers böhmischer Provenienz so sehr, daß......Und legten sich eine Grundausstattung der sündteuren Kelche zu, denen zuweilen sogar Sollbruchstellen nachgesagt werden......

"Für den normalen Gebrauch seien sie" (hier wird die Äußerung eines prominenten Gastronomen über die R*****-Gläser zitiert) zu empfindlich und zu teuer: Es gehen zu viele kaputt!". Am Ende des Artikels wurde der zweite der Teil der Reportage zum Thema "wie man mit glasigen Augen Geschäfte macht" angekündigt und im Heft 1-2/92 veröffentlicht.

Der Kläger behauptet, dass die Beklagte durch diese unwahren Tatsachenbehauptungen seinen wirtschaftlichen Ruf schädige und in die Ehre seiner Person durch Kränkung und gesellschaftliche Herabsetzung eingreife. Er begehrt zur Sicherung seines gleichlautenden Unterlassungsanspruchs, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung die folgende Berichterstattung über ihn zu verbieten:

a) Der Kläger habe seine Thesen, ein gut konstruiertes Glas überliste die Nase und Geschmackspapillen der Zunge, die Form des Glases bestimme, welcher Teil der Zunge beim Trinken zuerst mit der Flüssigkeit in Berührung kommt, ausgeschnapst und in vieltägigen Besäufnissen vertieft; es handle sich hiebei um pure Scharlatanerie und um einen offensichtlichen Marketing-Schmäh;

b) die Inserate des Klägers und seiner Unternehmungen mit Erläuterungen, welche Gläser zu welchen Getränken passen, seien für die ganz Dummen bestimmt;

c) die Gläser des Klägers seien sündteure Kelche, denen zuweilen sogar Sollbruchstellen nachgesagt werden, sie seien für den ganz normalen Gebrauch jedenfalls ungeeignet, zu empfindlich und zu teuer.

Da der Kläger durch den Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte einen unwiederbringlichen Schaden erleide, bedürfe es keiner Gefahrenbescheinigung. Im übrigen habe die Beklagte in der Ausgabe 1-2/92 im zweiten Teil des Artikels "Glück und Glas" weitere herabsetzende Behauptungen über den Kläger aufgestellt und einen dritten Teil des Artikels angekündigt.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrages. Die Behauptung, dass der Kläger seine Thesen in Kooperation mit seinem Tiroler Hausarzt "ausgeschnapst" und "in vieltägigen Besäufnissen vertieft" habe, beruhe auf einem Interview, das die Ehefrau des Klägers dem Wirtschaftsmagazin "Trend" gegeben hat. Der Verfasser des nunmehr beanstandeten Artikels habe diese Aussage mit Recht für wahr halten dürfen. Die Formulierungen "Scharlatanerie" und "Marketing-Schmäh" seien geschäftsübliche marktschreierische Übertreibungen und keine Tatsachen im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB, sondern unüberprüfbare Werturteile. Die Behauptung, dass ein Inserat "für die ganz Dummen" bestimmt sei, sei weder beleidigend noch kreditschädigend; im Übrigen habe sich diese Behauptung nicht auf das Inserat der Firma R*****, sondern auf die folgenden doppelseitigen Erläuterungen bezogen. Die Eigenschaften "sündteuer", "ungeeignet für den normalen Gebrauch", "zu empfindlich" und "zu teuer" seien ebenfalls Werturteile und keine Tatsachenbehauptungen im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB. Der Kläger habe nicht behauptet, in welchen Punkten die beanstandeten Äußerungen unrichtig seien. Soweit sie als Tatsachenbehauptungen anzusehen seien, seien sie erweislich wahr.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Der Kläger sei als Gesellschafter der C***** R***** Gesellschaft mbH nur mittelbar Geschädigter; eine Gefährdung habe er nicht bescheinigt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers (teilweise) Folge und änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass es die beantragte einstweilige Verfügung erließ; das Mehrbegehren, im Fall eines Zuwiderhandelns werde auf Antrag des Klägers eine Geldstrafe von S 100.000 verhängt, wies es (unbekämpft) zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Der Kläger sei aktiv legitimiert. Die beanstandeten Artikel richteten sich gegen ihn persönlich, gegen seine Unternehmen, gegen seine Inserate und seine Erzeugnisse. Er sei Begründer der gleichnamigen Gesellschaften und auch deren Gesellschafter. In der Vorstellung eines durchschnittlichen Lesers der beanstandeten Artikel werde aber zwischen der Person des Klägers und den Gesellschaftern nicht unterschieden.

Die beanstandeten Textstellen enthielten Tatsachenbehauptungen, die offenbar unrichtig und überdies ehrenrührig seien. Die Behauptung der Beklagten gemäß Punkt a) bringe zum Ausdruck, dass die These des Klägers, wonach die Form des Trinkglases den Geschmack des Getränks beeinflusse, eine "Scharlatanerie" und ein "Marketing-Schmäh" sei. Es sei jedoch gerichtsbekannt, dass nach den Erfordernissen einer gehobenen Trinkkultur verschiedene Getränke auch in verschieden gestalteten Gläsern zu servieren seien. Die Form des Trinkglases beeinflusse nicht nur die Temperatur des Getränkes, sondern habe auch für die Entfaltung der Geruchs- und Geschmacksstoffe Bedeutung. Ein Weinkenner, der das Bouquet des Weines genießen wolle, werde dies auch von der äußeren Form des Glases abhängig machen. Die Inserate des Klägers, in denen er darauf hinweise, welche Gläser zu welchen Getränken passen, seien eine objektive Information für Interessenten und damit keineswegs "für die ganz Dummen" bestimmt. Sehr teure Trinkgläser seien auch nicht für "den ganz normalen Gebrauch" ungeeignet; es bestimme immer der Benützer, für welche Art des Gebrauches er die Gläser verwenden wolle.

Die von der Beklagten aufgestellten Tatsachenbehauptungen seien geeignet, den Kredit, den Erwerb und das Fortkommen des Klägers zu beeinträchtigen; sie seien überdies ehrenrührig ("Scharlatanerie", "für die Dummen", "Sollbruchstellen"). Die Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechtes der Ehre sei ein drohender unwiederbringlicher Schaden im Sinne des § 381 Z 2 EO. Die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung sei daher zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig. Da die Beklagte einen weiteren Artikel über den Kläger angekündigt habe, liege auch Wiederholungsgefahr vor.

Der Sachverhalt sei auch dem § 7 UWG zu unterstellen, da die Beklagte die Zeitschrift für Touristik, Gastronomie und Hotellerie in Wettbewerbsabsicht veröffentliche. Sie sei zwar keine Mitbewerberin des Klägers, doch handle auch der, der fremden Wettbewerb fördert, zu Zwecken des Wettbewerbs. Die beanstandeten Artikel seien geeignet, den Warenabsatz des Klägers zu schmälern und den seiner Mitbewerber zu fördern. Die beantragte einstweilige Verfügung sei daher auch gemäß § 24 UWG zu erlassen.

Diese Entscheidung bekämpft die Beklagte im stattgebenden Teil mit Revisionsrekurs; sie beantragt, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist teilweise berechtigt.

Die Beklagte macht geltend, dass die beanstandeten Behauptungen nur nach § 1330 ABGB, nicht aber nach § 7 UWG zu prüfen seien; nach § 1330 ABGB müsse aber der Kläger die Unrichtigkeit der Tatsachenbehauptungen beweisen. Der überwiegende Teil der beanstandeten Äußerungen enthalte im Übrigen Werturteile und keine Tatsachenbehauptungen. Die meisten beanstandeten Wendungen seien auch nicht ehrenrührig. Wirtschaftlich direkt davon betroffen seien die R*****-Unternehmen, nicht aber der Kläger. Die von der Beklagten bezweifelte Theorie von der "Überlistung" des Geschmackssinns durch die besondere Form der Gläser sei nicht gerichtsbekannt. Was die zweite Instanz als gerichtsbekannt annehme, sei aber für die Entscheidung nicht wesentlich. Dass die Inserate der R*****-Unternehmen "für die ganz Dummen bestimmt seien" sei dem beanstandeten Artikel nicht zu entnehmen.

Dieses Vorbringen ist teilweise berechtigt, führt aber nur im geringen Umfang zu einem Rechtsmittelerfolg.

Der Kläger sieht sich durch die beanstandeten Äußerungen in seiner Ehre und in seinem wirtschaftlichen Ruf verletzt. Aus §§ 16 und 1330 ABGB sowie aus §§ 111 ff StGB ist abzuleiten, dass auch das Recht auf Ehre und auf Wahrung des wirtschaftlichen Rufes, der im Kredit, im Erwerb und im Fortkommen des Betroffenen zum Ausdruck kommt (SZ 56/124), den Schutz absoluter Rechte genießen. Dieser Schutz ist umfassend und keineswegs bloß auf die strafgesetzlichen Tatbestände oder die konkretisierenden Bestimmungen des § 1330 ABGB beschränkt (SZ 56/63 = EvBl 1983/91; SZ 56/124 = ÖBl 1984,18 = EvBl 1984/60 = JBl 1984, 492; NR 1988, 158; EvBl 1991/61 = MR 1991, 20; Koziol, Haftpflichtrecht2 II 172 f; ähnlich Reischauer in Rummel, ABGB, Rz zu § 1294 und Rz 7 und 23 zu § 1330; Korn-Neumayr, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht 43). In Fällen, in denen der wirtschaftliche Ruf einer Person durch einen Eingriff in die Ehre verletzt wird, erschöpfen sich die Nachteile, gegen die sie Schutz beanspruchen kann, nicht in den wirtschaftlichen Auswirkungen. Schutzobjekt der Persönlichkeitsrechte ist die Person unmittelbar in Bezug auf ein bestimmtes Rechtsgut. Die Persönlichkeitsrechte geben dem Geschädigten Abwehransprüche und gegebenenfalls Ansprüche auf Schadenersatz (Schönherr, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Allgemeiner Teil 2). Dem Kläger drohen durch die verbalen Angriffe der Beklagten nicht nur Vermögensnachteile, die durch Geld adäquat ausgeglichen werden könnten, sondern unmittelbare Eingriffe in seine Persönlichkeitsrechte, welche sich auch außerhalb des vermögensrechtlichen Bereiches durch Kränkung, gesellschaftliche Ächtung usw auswirken können. Gegen solche Eingriffe bietet nur ein Abwehranspruch (Unterlassungsanspruch) Schutz (MR 1988, 158 [Korn]; ÖBl 1991, 90 = EvBl 1991/24 = JBl 1991,724; auch 4 Ob 48/92). Bei Vorliegen einer Wiederholungsgefahr - die hier schon wegen der Ankündigung der Fortsetzung der Artikelserie nicht zweifelhaft sein kann - und bei entsprechender Bescheinigung kann dieser Unterlassungsanspruch auch durch eine einstweilige Verfügung gesichert werden (Heller-Berger-Stix 2724; ÖBl 1991, 90 = EvBl 1991/24 = JBl 1991,724).

Aus diesen Zusammenhängen ergibt sich, dass ein und dieselbe Handlung gleichzeitig Ehrenbeleidigung (einer physischen Person) und Rufschädigung sein kann, dies aber nicht sein muss (Reischauer aaO Rz 1, 6 und 17 zu § 1330; SZ 63/1 = EvBl 1990/110). Ist die Rufschädigung nicht gleichzeitig auch eine Ehrenbeleidigung - trotz der Überschrift des § 1330 ABGB "[Verletzungen] an der Ehre" ist es für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 1330 Abs 2 ABGB nicht erforderlich, dass die verbreiteten Tatsachen ehrenrührig sind [SZ 63/1 = EvBl 1990/110] -, trifft den Kläger nach den allgemeinen Regeln die Beweis(bescheinigungs-)last; er hat also nicht nur die Verbreitung der Tatsachen und deren Ursächlichkeit für die Gefährdung oder Verletzung zu beweisen (bescheinigen), sondern auch die Unrichtigkeit der verbreiteten Tatsachen. Ist die Rufschädigung hingegen gleichzeitig eine Ehrenbeleidigung im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB, dann hat der Betroffene bezüglich der Ansprüche nach Abs 2 nur die Verbreitung der Tatsachen zu beweisen (bescheinigen); die Richtigkeit der Tatsache (Wahrheitsbeweis) und das Fehlen der Vorwerfbarkeit der unrichtigen Verbreitung ist vom Täter zu beweisen (bescheinigen) (ÖBl 1991, 90 = EvBl 1991/24 = MR 1991,18; MR 1991, 235 [Korn]; auch 4 Ob 31/92 und 4 Ob 48/92; Korn-Neumayr aaO 64 f).

Der Beklagten ist zwar zuzustimmen, dass die beanstandeten Behauptungen nicht unter § 7 UWG zu subsumieren sind, da sie keine Mitbewerberin des Klägers (bzw der R*****-Unternehmen) ist, die Absicht der Förderung fremden Wettbewerbs durch die Beklagte aber vom Kläger nicht einmal behauptet wurde; bei Förderung fremden Wettbewerbs wird zudem die Wettbewerbsabsicht nach stRsp nicht vermutet. Dennoch trifft aber nach den obigen Ausführungen die Beklagte die Beweislast für die Richtigkeit ihrer Vorwürfe, soweit sie auf ehrenrührigen Tatsachenbehauptungen beruhen.

"Tatsachen" im Sinne des § 7 Abs 1 UWG (und des § 1330 Abs 2 UWG) sind nach stRsp - unabhängig von der im Einzelfall gewählten Formulierung - Umstände, Ereignisse oder Eigenschaften mit einem greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm an Hand bekannter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit nachprüfbaren Inhalt (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 39; ÖBl 1990, 18 mwN uva). Die Rechtsprechung legt also den Begriff der "Tatsache" zum Schutz des Verletzten weit aus (MR 1989, 61; ÖBl 1990,18). Als Tatsachenmitteilungen gelten auch Verdächtigungen und abfällige Urteile, die auf entsprechende Tatsachen schließen lassen; es genügt, dass eine Äußerung, wenn auch nur mittelbar, eine abfällige Tatsachenmitteilung enthält, die einer objektiven Nachprüfung zugänglich ist (JBl 1980,481 = ÖBl 1980,130; SZ 61/193 = MR 1988, 194). Auch bewertende Einschätzungen sind Tatsachenbehauptungen gleichzusetzen, sofern ihre objektive Richtigkeit überprüfbar ist (MR 1989, 64). Unterscheidendes Kriterium zwischen Tatsachen und Werturteilen ist somit, ob die Behauptung - wenigstens in ihrem Tatsachenkern -bewiesen werden kann oder ob es sich um eine unüberprüfbare Meinungskundgebung handelt (ÖBl 1990,18 mwN uva).

Auch bloße Verdächtigungen fallen unter § 1330 Abs 2 ABGB, wäre doch diese Bestimmung bei anderer Auslegung gegen geschickte Formulierungen wirkungslos (Reischauer aaO Rz 14 zu § 1330; Korn-Neumayr aO 58; 4 Ob 48/92).

Eine Tatsache verbreitet auch, wer fremde Behauptungen weitergibt (SZ 50/86 = EvBl 1978/38).

Im Sinne dieser Abgrenzungen sind alle beanstandeten Äußerungen nachprüfbare Tatsachenmitteilungen.

Die im Zusammenhang mit dem übrigen Inhalt des Artikels zu wertende Behauptung, der Kläger habe eine Theorie, wonach ein gut konstruiertes Glas die Nase und Geschmackspapillen überlistet (usw) "ausgeschnapst" und "in vieltägigen Besäufnissen vertieft", die aber "pure Scharlatanerie" und ein "offensichtlicher Marketing-Schmäh" sei, ist eine Ehrenbeleidigung im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB, weil der Kläger damit unehrenhafter Geschäftsmethoden durch vorsätzliches Aufstellen unwahrer Werbebehauptungen bezichtigt wird. Dasgleiche trifft auch auf die Behauptung zu, die Erläuterungen, welche Gläser zu welchem Getränk passen, seien "für die ganz Dummen" bestimmt. Dass sich diese Behauptung der Beklagten auf die Erläuterungen und nicht auf das vorangehende Inserat bezieht, ist unerheblich, da beide zusammengehören. Der im Wettbewerbsrecht entwickelte Grundsatz, dass Zweifel über die Bedeutung einer Werbebehauptung zu Lasten des Erklärenden gehen, gilt auch für die nicht dem Wettbewerbsrecht unterliegenden öffentlichen Angriffe auf den Ruf eines Unternehmens (SZ 61/193 = MR 1988, 194). Da der Artikel über den Kläger und die von ihm aufgebauten Unternehmen unter dem Motto einer "Story über glasige Marketing-Schmähs" steht und die Theorie von der Überlistung des Geschmackssinns durch eine besondere Glasform als "pure Scharlatanerie" bezeichnet wird, kann zumindest ein noch erheblicher Teil der angesprochenen Leser die Äußerung "von den ganz Dummen" dahin verstehen, dass nur diese Gruppe an den Einfluss der Glasform auf den Geschmack des Getränks glauben wird; damit wird wiederum der Vorwurf unseriöser Werbung mit erfundenen Vorzügen, an die nur ganz Dumme glauben, erhoben. Im Gesamtzusammenhang ist somit auch diese Äußerung ehrenrührig.

Auf die Frage, ob eine bestimmte Glasform den Geruchs- und Geschmackssinn (entscheidend) positiv beeinflussen kann und ob dies sogar gerichtsbekannt ist - wie das Rekursgericht aus den "Gewohnheiten gehobener Trinkkultur" erschließen will und damit die Behauptungen der Beklagten als "offenbar unwahr" ansieht -, kommt es daher nicht an, weil nicht der Kläger die Unwahrheit, sondern die Beklagte die Wahrheit der ehrenrührigen Tatsachenbehauptungen zu bescheinigen hat. Ehrenrührig ist schließlich auch die Behauptung, dass den Gläsern der R*****-Unternehmen zuweilen sogar Sollbruchstellen nachgesagt werden. Im Zusammenhang mit der Behauptung, dass Spitzengastronomen durch die "Marketing-Schmähs" der R*****-Unternehmen alljährlich zu Monsterausgaben verleitet werden und dass zu viele Gläser kaputt gehen, liegt es nahe, den behaupteten Verdacht von Sollbruchstellen dahin zu verstehen, dass die R*****-Unternehmen absichtlich mangelhafte Ware auf den Markt brächten, um den Absatz an Gläsern zu erhöhen.

Von allen diesen ehrenrührigen Behauptungen ist der Kläger als Gründer und Gesellschafter jener Unternehmen, die seinen Namen tragen und auf die er, was aus der Artikelserie deutlich hervorgeht, einen bestimmenden Einfluss ausübt, auch so weit persönlich betroffen, als sich die Äußerungen nicht ohnehin unmittelbar auf ihn beziehen.

Nicht ehrenrührig sind - vor allem deshalb, weil die R*****-Unternehmen Gläser in sehr zarten und eigenwilligen Formen für den gehobenen Bedarf erzeugen - die Behauptungen, dass die "sündteuren Kelche für den normalen Gebrauch ungeeignet, zu empfindlich und zu teuer" seien. Was diese Behauptungen betrifft, kommt nur eine Schädigung des wirtschaftlichen Rufes durch unwahre Behauptungen in Betracht, bei welcher den Betroffenen nach den allgemeinen Regeln die Beweislast (Bescheinigungslast) für die Unwahrheit der Behauptungen trifft. Da der Kläger insoweit Bescheinigungsmittel nicht einmal angeboten hat, ist hier mit der sofortigen Abweisung der Klage vorzugehen. Auf die Frage, ob der Kläger auch durch diese Behauptungen der Beklagten persönlich betroffen ist, braucht daher nicht eingegangen zu werden.

Dem Rekurs ist daher nur zu Punkt lit c des Verbotes teilweise Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 393 EO und §§ 78, 402 EO iVm § 43 Abs 2, § 50 ZPO. Der Kläger ist nur mit einem verhältnismäßig geringen Teil des Sicherungsantrages unterlegen; bezüglich der schwerwiegenden Vorwürfe ist das Verbot aufrecht geblieben. Die Beklagte hat daher die Kosten des Sicherungsverfahrens selbst zu tragen.

Textnummer

E30827

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0040OB00084.92.1020.000

Im RIS seit

15.06.1997

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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