Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann H*****, vertreten durch Dr.Heribert Schar und Dr.Andreas Oberhofer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Hildegard H*****, vertreten durch DDr.Jörg Christian Horwath, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ehescheidung und einstweilen zu leistenden Unterhaltes sowie Beistellung einer Ehewohung, infolge außerordentlicher Revisionsrekurse der klagenden und der beklagten (Revisionsrekursinteresse: 200.000 S) Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 21. April 1992, GZ 1 a R 189/92-39, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 31.Jänner 1992, GZ 5 C 12/91x-32, teilweise abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
1) Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
2) Dem Revisionsrekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 8.836,20 S bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin enthalten 1.472,70 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Parteien haben am 10.6.1983 die - beiderseits erste - Ehe geschlossen und damit den am 23.6.1981 geborenen Sohn Michael legitimiert. Der Ehe entstammt weiters der am 11.9.1983 geborene Sohn Georg.
Die Beklagte wohnt - wie schon vor der Eheschließung - mit den beiden Söhnen und ihrer Mutter in deren Eigentumswohnung in St*****.
Der Kläger und sein Bruder betreiben gemeinsam in dem auf der ihnen je zur Hälfte gehörigen Liegenschaft EZ ***** Grundbuch St***** errichteten mehrstöckigen Haus in St*****, einen Fleischereibetrieb, in dessen Rahmen der Kläger als Fleischermeister hauptsächlich "handwerklich" tätig ist, während sein Bruder die geschäftlichen Dinge erledigt. Der Kläger bewohnt in diesem Haus ein Zimmer samt Nebenräumen im Ausmaß von 40 bis 50 m2; die übrige Wohnfläche von 100 bis 120 m2 wird von seinem Bruder und dessen fünfköpfiger Familie benützt, ohne daß der Kläger hiefür bisher eine Ausgleichszahlung verlangt hätte. Nur in den ersten Ehejahren hat der Kläger regelmäßig bei der Beklagten in der Wohnung deren Mutter genächtigt und dort zumeist auch wenigstens die Mittags- und Abendmahlzeiten eingenommen. Seine Wäsche wurde und wird von einer im Haus B*****straße ***** wohnenden Haushaltsgehilfin mitversorgt, sein übriger Verpflegungsaufwand im Betrieb gedeckt.
Seitdem der Kläger bei der Beklagten auch nicht mehr nächtigt, leistet er ohne besondere Widmung für sie und die beiden Söhne monatliche Barzahlungen von 9.400 S; er zahlt auch die Prämien für drei Krankenzusatzversicherungen, was einem weiteren Aufwand von monatlich 1.800 S entspricht.
Der Kläger erzielt aus dem Fleischereibetrieb und dem Erlös für verpachtete Wiesen ein monatliches Nettodurchschnittseinkommen von ca 18.000 S. Er ist auch noch Alleineigentümer dreier weiterer Liegenschaften und Fünfteleigentümer einer vierten Liegenschaft in St*****. Die Gesamtfläche seines Liegenschaftsbesitzes beträgt 45.875 m2, wovon auf die in seinem Hälfteanteil befindliche Betriebsliegenschaft 745 m2 und auf die in seinem Fünfteleigentum befindliche alte Mühle 51 m2 entfallen. Auf einer Liegenschaft befindet sich ein altes Bauernhaus, in welchem der Kläger ca 12 Schafe hält; auf einer anderen Liegenschaft hat er eine dreitürige Garage errichtet. Der Verkehrswert der Liegenschaften bzw Liegenschaftsanteile des Klägers beträgt insgesamt 13,518.485 S. Aus der Verlassenschaft nach Maria E***** sind dem Kläger Barlegate von netto 399.986,24 S zugeflossen.
Die Beklagte hat, seitdem sie im Betrieb des Klägers im September 1990 gekündigt worden ist, kein nennenswertes eigenes Einkommen.
Im Zuge des infolge einer Klage des Mannes auf Ehescheidung anhängigen Verfahrens beantragte die Beklagte die Bestimmung eines vom Kläger einstweilen zu leistenden Unterhalts von monatlich 12.000 S für sie und von monatlich je 5.000 S für die beiden Söhne sowie die Leistung eines Prozeßkostenvorschusses von 30.000 S. Im zweiten Rechtsgang des Provisorialverfahrens beantragte die Beklagte mit der Behauptung, daß ihre Mutter nunmehr nicht mehr bereit und auch nicht mehr in der Lage sei, sie und die beiden Söhne weiterhin in ihrer Wohnung zu belassen, dem Kläger mit einstweiliger Verfügung überdies aufzutragen, für sie selbst und die beiden ehelichen Kinder "eine standesgemäße, zumindest gut durchschnittliche Wohnung mit mindestens vier Zimmern, Küche, Bad, WC und entsprechenden Abstellräumen in guter Wohnlage in St***** kostenfrei, also ohne jegliche Kostenbelastung - auch hinsichtlich der Betriebskosten - für die Beklagte, zur Verfügung zu stellen; dies in baulich einwandfreiem und derart adaptierten Zustand, daß die Beklagte und die Kinder in die Wohnung lediglich kurzfristig übersiedeln müssen. Die Wohnung habe also mit entsprechenden Vorhängen und ausreichenden technischen Geräten, die ein durchschnittlicher österreichischer Haushalt aufweist, wie Kühlschrank, Herd, Waschmaschine usw ausgestattet zu sein; in eventu - falls der Kläger zur Verfügungstellung einer solchen Ehewohnung (innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist) weder bereit noch in der Lage sein sollte - ihm die Zahlung eines Betrages von 200.000 S binnen 14 Tagen aufzutragen, dies mit der Zweckwidmung, daß die Beklagte in die Lage versetzt wird, selbst eine entsprechende Ehewohnung für sich und die Kinder zu suchen, wobei die 200.000 S von der Beklagten zweckgewidmet für allfällige Kaution, Mietvorauszahlung, Adaptierung der Wohnung, Übersiedlungskosten usw gegen Nachweis gegenüber dem Kläger und Gericht zu verwenden sind" (ON 29).
Der Kläger beantragte auch die Abweisung dieses Sicherungsbegehrens.
Das Erstgericht wies auch im zweiten Rechtsgang des Provisorialverfahrens den Sicherungsantrag auf Bestimmung eines vom Kläger einstweilen zu leistenden Unterhaltes und eines Prozeßkostenvorschusses im Rahmen noch in Rede stehender weiterer 15.000 S sowie das Sicherungsbegehren auf Zurverfügungstellung einer standesgemäßen Wohnung, in eventu Zahlung von 200.000 S ab. Im Ehescheidungsverfahren sei eine einstweilige Verfügung zur Verschaffung einer Ehewohnung ebensowenig vorgesehen wie die Verschaffung von Bargeld zur Anmietung einer solchen Wohnung.
Das Rekursgericht verhielt den Kläger - beginnend ab 29.3.1991 und unter Berücksichtigung der von ihm pro Kopf erbrachten Barleistungen von monatlich 3.733,33 S - zur Leistung eines einstweiligen Unterhalts von monatlich 7.000 S an die Beklagte und von monatlich je 4.000 S für die beiden Söhne und wies das Mehrbegehren (mittlerweile rechtskräftig) ab; im übrigen bestätigte es den abweisenden Beschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Unter Berücksichtigung der kostenlosen Wohn- und Lebensversorgung des Klägers auf der Betriebsliegenschaft und der nicht den Miteigentumsverhältnissen entsprechenden Wohnnutzung des darauf errichteten Hauses, einer dem Kläger zumutbaren zinstragenden Anlage des Barlegates sowie in Anbetracht seines beträchtlichen Liegenschaftsvermögens müsse er über das von ihm tatsächlich erzielte Monatsnettoeinkommen hinaus angespannt werden, so daß die festgesetzten einstweiligen Unterhaltsbeträge noch im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit lägen. Die Verletzung des Einvernehmlichkeitsgebotes in bezug auf die Schaffung einer Ehewohnung könne nur durch ein Begehren auf Scheidung der Ehe sanktioniert werden. Mit Ausnahme des hier nicht anwendbaren § 382 Abs 1 Z 8 lit b EO dürfe ein bestimmtes Wohnverhalten der Ehegatten weder angeordnet noch erzwungen werden. Auch die Mittel für die Beistellung einer Ehewohnung könnten nur im Rahmen des Unterhaltsanspruches in Form monatlicher Geldleistungen, nicht aber mit "Leistungsklage" durchgesetzt werden.
Gegen den abändernden Teil der Entscheidung des Rekursgerichtes wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses. Soweit der Kläger auch die gänzliche Abweisung des Antrages auf Festsetzung eines Prozeßkostenvorschusses beantragt, ist das Rechtsmittel schon deshalb (absolut) unzulässig, weil der Zuspruch eines Prozeßkostenvorschusses von 15.000 S bereits im ersten Rechtsgang des Provisorialverfahrens in Rechtskraft erwachsen ist und nicht mehr Gegenstand der angefochtenen Entscheidung war.
Die Beklagte wendet sich mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs nur gegen die Bestätigung der Abweisung ihres Sicherungsantrages auf Beistellung einer angemessenen Ehewohnung, in eventu Zahlung von 200.000 S. Sie beantragt in diesem Umfang die Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Stattgebung ihres Hauptsicherungsbegehrens, hilfsweise die Abänderung im Sinne ihres Eventualsicherungsbegehrens.
Der Kläger stellt in der ihm gemäß §§ 78, 402 Abs 1 EO und § 521a Abs 2, § 508a Abs 2 ZPO freigestellten Revisionsrekursbeantwortung den Antrag, das Rechtsmittel der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Kläger vermag keine im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage darzutun, weil der Anspruch auf einstweiligen Unterhalt im Zusammenhang mit einem Ehescheidungsverfahren materiellrechtlich ausschließlich nach § 94 ABGB zu beurteilen ist. Dort ist aber nunmehr - ebenso wie in § 140 ABGB - der Anspannungsgrundsatz sogar gesetzlich verankert (Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 94 mwN; RZ 1991/25 ua). Der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers war daher gemäß §§ 78, 402 Abs 1 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist schon deshalb zulässig, weil zur Frage, ob der in seiner Wohnversorgung gefährdete Ehegatte in Ermangelung einer Ehewohnung oder jedenfalls dann, wenn der andere Ehegatte - wie hier - über die Wohnung, die dem gefährdeten Teil bisher zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses gedient hat, nicht verfügungsberechtigt ist, gegen den anderen Ehegatten einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Bereitstellung einer Unterkunft (Wohnung) hat, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt; das Rechtsmittel der Beklagten ist aber nicht berechtigt.
Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß die Ehegatten nie eine umfassende eheliche Lebensgemeinschaft im Sinne des § 90 ABGB aufgenommen haben; vielmehr hat jeder für sich seine bisherige Wohngelegenheit beibehalten. Der Mann hat - und auch das nur in den ersten Ehejahren - die Frau in der Eigentumswohnung ihrer Mutter am Abend besucht, um dort mit ihr die Nacht zu verbringen. Abgesehen von - keineswegs regelmäßigen - Mittags- und Abendmahlzeiten bei der Frau sind seine persönlichen Lebensbedürfnisse (Verpflegungsaufwand und die Wäsche) auch in dieser Zeit im Rahmen des Haushaltes und des Betriebes im Haus B*****straße ***** besorgt worden. Von einem "gemeinsamen Wohnen" der Ehegatten im Sinne einer umfassenden Hausgemeinschaft (Koziol-Welser9 II 199) kann daher hier, wenn überhaupt, so nur in Teilbereichen gesprochen werden.
Soweit die Beklagte mit ihrem Provisorialantrag vom Kläger die Bereitstellung einer Ehewohnung begehrt hat, wurde sie vom Rekursgericht zutreffend darauf verwiesen, daß auf Grund der Bestimmung des EheRwG Streitigkeiten der Ehegatten im Zusammenhang mit ihren insbesondere aus § 90 ABGB folgenden rein persönlichen Rechten und Pflichten - wozu auch Fragen des gemeinsamen Wohnens gehören -, abgesehen von den hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen der §§ 92 Abs 3 und 97 ABGB sowie des § 382 Abs 1 Z 8 lit b EO, nicht mehr vom Gericht zu entscheiden sind (Koziol-Welser2 II 200; Schwimann/Schwimann, ABGB I, § 90 Rz 13; SZ 54/37; SZ 60/34 und 289; SZ 61/133 ua). Die Ehegatten sind vielmehr darauf angewiesen, sich zu einigen und, wenn ihnen dies nicht gelingen sollte, die Verletzung rein persönlicher Rechte und Pflichten letztlich im Scheidungsverfahren als Scheidungsgrund geltend zu machen (Jesser in Harrer-Zitta, Familie und Recht 734; SZ 60/34).
Mit Recht verweist aber die Beklagte darauf, daß der Unterhaltsanspruch von Ehegatten sehr wohl gerichtlich durchsetzbar ist, weil er aus der materiellen Beistandspflicht entspringt und ein vermögensrechtlicher Anspruch ist (Schwimann aaO; SZ 60/289; SZ 61/133). Wenngleich zum Unterhalt auch das Wohnen gehört (Koziol-Welser2 II 205; Schwimann aaO § 94 Rz 1; Thöni in Harrer-Zitta, Familie und Recht 3) und diese materielle Beistandspflicht der Ehegatten bei aufrechter Ehe regelmäßig in natura, also durch einvernehmliche Anschaffung oder Beistellung der (Ehe)Wohnung, erfüllt wird, ist damit für die Beklagte noch nichts gewonnen. Die Gewährung von Naturalunterhalt hat nämlich einen gemeinsamen Haushalt der Ehegatten zur Voraussetzung (Thöni aaO 24). Da aber im vorliegenden Fall auch die zwischen den Ehegatten bestandenen Teilbereiche einer häuslichen Gemeinschaft längst aufgehoben sind, hat die Beklagte gegen ihren Ehegatten keinen Anspruch auf Naturalunterhalt in Form der Bereitstellung von Unterkunft mehr, sondern ausschließlich einen Anspruch auf Geldunterhalt (Pichler aaO Rz 4 zu § 94 mwH; Schwimann aaO § 94 Rz 61 mwH). Einen solchen Anspruch auf Geldunterhalt hat die Beklagte aber mit dem noch in Rede stehenden Hauptsicherungsbegehren nicht geltend gemacht.
Da der Beklagten somit weder ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf gemeinsames Wohnen durch Beistellung einer Ehewohnung noch - bei aufgehobener Gemeinschaft - ein Anspruch auf Naturalunterhalt zusteht, ist ihr Hauptsicherungsbegehren mit Recht abgewiesen worden. Dies trifft auch auf das von ihr erhobene "Eventualsicherungsbegehren" zu:
Abgesehen davon, daß gar kein echtes Eventualbegehren vorliegt, welches nur an die innerprozessuale Bedingung der Abweisung des Hauptsicherungsbegehrens geknüpft wurde, sondern daran, daß "der Kläger zur Verfügungstellung einer solchen Ehewohnung weder bereit noch in der Lage sein sollte", so daß eine - unzulässige - außerprozessuale Bedingung vorliegt, soll der Kläger auch nicht die Kosten einer tatsächlichen (neuen) Wohnungsnahme der Beklagten ersetzen, sondern einen Betrag von 200.000 S leisten, damit sie zur Wohnungssuche "in die Lage versetzt wird" (Zweckwidmung: allfällige Kaution, Mietzinsvorauszahlung, Wohnungsadaptierung, Übersiedlungskosten usw, also alles Auslagen, die gar nicht zwangsläufig auflaufen müssen). Auch für eine derartige "Vorauszahlung" auf gewisse künftige Kosten ist eine materiellerechtliche Grundlage nicht zu sehen.
Dem Revisionsrekurs der Beklagten mußte demnach ein Erfolg versagt bleiben.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf §§ 78, 402 Abs 2 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E30849European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0040OB00544.92.1020.000Dokumentnummer
JJT_19921020_OGH0002_0040OB00544_9200000_000