TE OGH 1992/10/21 13Os95/92

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Veröffentlicht am 21.10.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Oktober 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger, Dr.Massauer, Dr.Kuch und Dr.Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Schützenhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Stefanie G***** wegen des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Klagenfurt vom 3.Juli 1992, GZ 15 Vr 2007/90-71, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wird der Akt dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Stefanie G***** des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB schuldig erkannt, weil sie ihren Sohn Adolf G*****, ihre Tochter Stefanie S***** und ihr Enkelkind Martin S***** durch Schläge mit einem Vorschlaghammer gegen den Hinterkopf vorsätzlich getötet hat.

Die auf Mord gerichtete Hauptfrage haben die Geschworenen einstimmig bejaht, die auf Zurechnungsunfähigkeit gerichtete Zusatzfrage dagegen einstimmig verneint.

Dem Verfahren waren die psychiatrischen Sachverständigen Prim.Dr.Otto Scrinzi, UnivProf.Dr.Bernd Gallhofer (Universität Giessen) und UnivProf.Dr.Heinz Prokop beigezogen worden. Während Dr.Scrinzi und Dr.Prokop bloß eine Beeinträchtigung der Dispositionsfähigkeit der Angeklagten annahmen, den Schuldausschließungsgrund nach § 11 StGB aber verneinten (I/S 323, II/S 21 ff, 252, 281), erachtete Dr.Gallhofer die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit der Angeklagten aufgrund einer schizophrenen Psychose als ausgeschlossen (I/S 521, II/S 267).

Rechtliche Beurteilung

Mit der auf die Z 10 a des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde wendet sich die Angeklagte gegen die Annahme ihrer Zurechnungsfähigkeit und damit gegen die Richtigkeit der Gutachten der beiden Sachverständigen Dr.Scrinzi und Dr.Prokop.

Dies jedoch nicht mit Recht.

Ob ein Gutachten ausreichend und verläßlich ist, ist grundsätzlich eine Frage der Beweiswürdigung (9 Os 4/69 uva). Im vorliegenden Falle war daher die Beurteilung der sachlichen Richtigkeit und der Überzeugungskraft der Gutachten ausschließlich Sache der Beweiswürdigung der Geschworenen. Da die Beweiswürdigung ausschließlich den Geschworenen zugewiesen ist (Art. 91 Abs. 2 BVG), können "erhebliche" Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch angenommenen Voraussetzung der Zurechnungsfähigkeit der Angeklagten etwa dann vorliegen, wenn Mängel oder Widersprüche eines Gutachtens in der Bedeutung der §§ 125, 126 StPO aufgezeigt werden.

Die Tatsachenrüge versucht zwar mit der Behauptung, daß die Sachverständigen Dr.Scrinzi und Dr.Prokop in ihren Gutachten von unrichtigen Prämissen ausgegangen seien und das Verhalten der Angeklagten unrichtig und entgegen der Aktenlage wiedergegeben werde, solche Mängel iS des § 125 StPO darzutun. Diese Beschwerdebehauptung ist aber in der Aktenlage nicht gedeckt.

Auch der Sachverständige Dr.Scrinzi hat in seinem Gutachten (vgl. I/S 259) die Äußerung der Angeklagten nach ihrer Aufnahme im Landeskrankenhaus Klagenfurt angeführt, sie verstehe die Welt nicht mehr, wobei sie die Augen geschlossen hielt und eine Spritze zum Sterben verlangte (I/S 328). Dieser Sachverständige hat die Angeklagte am 19.Dezember 1990 zum ersten Male aufgesucht (I/S 249), sodaß das Vorbringen der Tatsachenrüge, es sei erstmals am 24. Dezember 1990 zu einer Unterredung gekommen, nicht aktengetreu ist. Daß die Beschwerdeführerin bei ihrem Aufenthalt im Landeskrankenhaus gebrüllt und geschrien hat, wie dies der Sachverständige Dr.Scrinzi in seinem Gutachten anführt (II/S 248), läßt sich der Krankengeschichte entnehmen (I/S 211, 213 f). Unrichtig ist die Behauptung der Beschwerde, der Sachverständige Dr.Prokop habe ausgeführt, daß im Zeitraum des Aufenthaltes der Angeklagten im Landeskrankenhaus in den Jahren 1974 und 1975 bis zur Tat kein weiterer schizophrener Schub aufgetreten sei. Der Sachverständige hat vielmehr einen solchen schizophrenen Schub überhaupt ausgeschlossen (vgl. II/S 173, 276).

Die vom Sachverständigen Dr.Scrinzi wiedergegebenen Äußerungen der Angeklagten zur Tötung ihrer Tochter (II/S 248 oben) finden sinngemäß in den Angaben der Beschwerdeführerin bei ihrer Untersuchung (I/S 281) und in ihrer Verantwortung in der Hauptverhandlung (II/S 221) Deckung. In der Tatsachenrüge wird ferner die Auffassung dieses Sachverständigen bekämpft, daß ein Affekt nicht vorgelegen sei. Damit wird allerdings der Inhalt des Gutachtens nicht richtig wiedergegeben. In diesem ist nämlich nur davon die Rede, daß ein "schwerer Affektzustand" (der die Zurechnungsfähigkeit ausschlösse) nicht vorlag (II/S 253).

Soweit sich die Rüge aber nur gegen den Beweiswert, die Überzeugungskraft der Gutachten der Sachverständigen Dr.Scrinzi und Dr.Prokop wendet, ihre Schlußfolgerungen bekämpft und dagegen jene des Sachverständigen Dr.Gallhofer für richtig und zutreffend hält, erschöpfen sich diese Ausführungen in einer Umwertung der Verfahrensergebnisse nach Art einer Schuldberufung. Die Beschwerdeführerin vemag damit aber gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tasache ihrer Zurechnungsfähigkeit keine erheblichen Bedenken zu erwecken. Der Umstand, daß aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr.Gallhofer auch andere, für die Angeklagte günstigere Schlußfolgerungen hätten gezogen werden können, ist für sich allein nicht geeignet, jene erheblichen Bedenken darzutun, auf die der Grund der Z 10 a des § 345 Abs. 1 StPO abstellt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als offenbar unbegründet (§§ 285 d Abs. 1 Z 2, 344 StPO) bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Demgemäß wird der Gerichtshof zweiter Instanz über die Berufung zu entscheiden haben.

Der Kostenausspruch beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E30421

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0130OS00095.9200006.1021.000

Dokumentnummer

JJT_19921021_OGH0002_0130OS00095_9200006_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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