Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Christian Kleemann und Mag.Gabriele Jarosch in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** D*****, Korrektor, ***** vertreten durch *****, Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte *****, dieser vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei Druckerei ***** GesellschaftmbH, ***** vertreten durch ***** ua, Rechtsanwälte *****, wegen 95.377,86 S sA und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16.April 1992, GZ 12 Ra 40/92-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 22.Mai 1991, GZ 15 Cga 38/91-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
I. 1.) "Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger 95.377,86 S binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
2.) Es wird festgestellt, daß dem Kläger jenes Entgelt gebührt, das die beklagte Partei vergleichbaren Arbeitnehmern als Abgeltung für jene nicht gewährte Freizeit zahlt, die gemäß § 16 Abs 2 des Kollektivvertrages für die Arbeiter im graphischen Gewerbe für Sonntagsarbeit zusteht.
II. Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 17.422,36 S bestimmten Kosten des Verfahrens 1. und 2.Instanz (darin enthalten 1.211,56 S Umsatzsteuer und 10.273 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."
Die beklagte Partei ist ferner schuldig, dem Kläger die mit 11.094 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 849 S Umsatzsteuer und 6.000 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger, der bei der beklagten Partei zuletzt als Korrektor beschäftigt ist, ist seit Jahren als Vorsitzender des Arbeiterbetriebsrates gemäß § 117 ArbVG von der Dienstleistung freigestellt. Wäre er weiterhin als Korrektor tätig, müßte er regelmäßig Sonntagsarbeit im Ausmaß von jeweils 6 Stunden leisten. Diese Sonntagsarbeit ist gemäß § 16 Abs 2 des Kollektivvertrages für die Arbeiter im graphischen Gewerbe mit einem Zuschlag von 100 % zu entlohnen; außerdem sind dem Dienstnehmer dafür so viele Stunden an bezahlter Freizeit zu gewähren, wie er am Sonntag gearbeitet hat, wobei für diese Freizeit der gleiche Lohn zu zahlen ist, den der Dienstnehmer erhalten hätte, wäre er an diesem Tag in Arbeit gestanden. Dem Kläger wurde immer der volle Lohn einschließlich des hundertprozentigen Zuschlages für die Sonntagsarbeit gezahlt. Die anderen bei der beklagten Partei beschäftigten Korrektoren haben in den letzten Jahren die ihnen für die Sonntagsarbeit zustehende Freizeit nicht konsumiert, weil dies nicht möglich war. Mit Schreiben vom 1.2.1991 wurde ihnen von der beklagten Partei das Anbot unterbreitet, diese Freitzeitansprüche in Geld abzugelten, wobei die Zahlung in zwölf gleichen Monatsraten, beginnend ab 31.1.1991, zu erfolgen habe. An den Kläger wurde ein entsprechendes Anbot nicht gerichtet. Für den Kläger ergäbe sich unter Berücksichtigung eines Zeitguthabens von 666 Stunden, das bei weiterer Tätigkeit als Korrektor aufgelaufen wäre, ein Ablösebetrag von 95.377,86 S.
Im ersten Rechtsgang begehrte der Kläger die Feststellung, daß in die Bemessung seines Entgeltes als freigestelltes Betriebsratmitglied auch das Entgelt für jene Freitzeit einzubeziehen sei, die nach dem KV für die Sonntagsarbeit gebühre; die beklagte Partei habe in die Berechnung des Entgeltes wohl den Zuschlag von 100 % für die Sonntagsarbeit einbezogen, nicht jedoch das für die zu gewährende Freizeit weiterzuzahlende Entgelt berücksichtigt.
Nach Aufhebung der die dem Klagebegehren stattgebende Entscheidung des Erstgerichtes in abweisendem Sinne abändernde Entscheidung des Berufungsgerichtes im ersten Rechtsgang brachte der Kläger im zweiten Rechtsgang vor, die beklagte Partei habe den vergleichbaren Arbeitnehmern die Ablöse der nicht konsumierten Freizeitstunden angeboten. Er gründet sein nunmehr erhobenes Leistungsbegehren auf dieses Anbot, das auch ihm zu stellen gewesen wäre. Das Feststellungsbegehren wurde - wie aus dem Spruch ersichtlich - neu gefaßt.
Die beklagte Partei bestritt weder den Umfang des vom Kläger behaupteten Zeitguthabens für den Fall seiner Tätigkeit als Korrektor noch die Höhe des behaupteten Ablösebetrages, beantragte jedoch die Abweisung auch der geänderten Klage. Die Gleichstellung rechtfertige es nicht, daß man einem freigestellten Betriebsratsmitglied einen Erholungsurlaub für Sonntagsarbeit einräume, die er tatsächlich nicht leiste, die jedoch zu vergüten sei. Es finde sich kein vernünftiger Grund, die Betriebsratstätigkeit für einen arbeitsfreien Sonntag ersatzhalber ruhen zu lassen. Die dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer hätten von dem Anbot auch nur teilweise Gebrauch gemacht und sich nur mit der Ablöse eines Teiles ihres Zeitguthabens einverstanden erklärt. Im übrigen sei die Gewährung einer Geldablöse für zu gewährende Freizeit verpönt.
Das Erstgericht wies das Begehren ab. Dieses sei auf eine finanzielle Ablöse der den am Sonntag beschäftigten Arbeitnehmern zu gewährenden Freizeit gerichtet. Nach der vom Obersten Gerichtshof überbundenen Rechtsansicht könne eine solche Ablöse nicht begehrt werden. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß anderen Arbeitnehmern ein solches Anbot gemacht worden sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Eine Ablöse der Freizeitgewährung in Geld widerspreche dem Zweck der Bestimmung nicht nur dann, wenn eine gesetzliche Ruhezeit durchbrochen werde, sondern auch in Fällen, in denen dem Arbeitnehmer ein Ausgleich für eine bestimmte Lagerung seiner Arbeitszeit geboten werden solle. Die Ablöse von zustehender Freizeit in Geld sei auch nicht als eine gegenüber dem Kollektivvertrag günstigere Regelung aufzufassen, da auch die kollektivvertragliche Regelung ebenso wie die Bestimmungen des Arbeitsruhegesetzes den Gesundheits- und Freizeitschutz des Arbeitnehmers bezwecken, sodaß eine finanzielle Abgeltung verpönt sei. Selbst wenn man davon ausgehe, daß die nach dem KV zu gewährende Freizeit nicht als Ersatzruhe im Sinne des § 6 ARG anzusehen sei, bedürfte es für die Zulässigkeit der Ablöse einer ausdrücklichen Normierung; eine solche fehle jedoch.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Ausführungen des Revisionsgerichtes im ersten Rechtsgang haben sich nur auf die bis dahin erhobenen Prozeßbehauptungen und die zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Feststellungen bezogen. Ausgehend vom Vorbringen des Klägers, daß vergleichbare Arbeitnehmer Anspruch auf Freizeitgewährung hätten, woraus der Anspruch auf ein Geldäquivalent für diesen Freizeitanspruch abgeleitet wurde, trat der Oberste Gerichtshof der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes bei, daß sich der Anspruch gemäß § 16 Abs 2 des maßgeblichen KV nur auf die Gewährung der wöchentlichen Freitzeit, nicht jedoch auf eine Geldablöse richte. Eine Entgeltlichkeit der Freizeit werde im KV nicht vorgesehen. Während des aufrechten Arbeitsverhältnisses könne unter diesen Umständen nicht auf eine finanzielle Abgeltung von Ersatzruhezeiten geklagt werden.
Legt man das Vorbringen des Klägers im zweiten Rechtsgang und den dazu feststehenden Sachverhalt zugrunde, ergibt sich aber ein anderes Bild. Entscheidend ist, daß die beklagte Partei den vergleichbaren Arbeitnehmern die Ablöse der von diesen nicht konsumierten Ersatzfreizeit in Geld angeboten hat. Damit erhalten diese Arbeitnehmer anstelle der nach dem KV zu gewährenden Freizeit für ihre Tätigkeit am Sonntag ein zusätzliches Entgelt. Auszugehen ist davon, daß der Kläger unter gleichen Bedingungen ein entsprechendes Anbot erhalten hätte, wäre er weiter als Korrektor tätig gewesen. In der im ersten Rechtsgang ergangenen Revisionsentscheidung wurde nur ausgesprochen, daß der bloße Anspruch auf Freizeitgewährung kein Recht auf entsprechende Geldablöse begründe. Wird jedoch vom Arbeitgeber eine solche Geldablöse angeboten oder gewährt, so gründet sich der Zahlungsanspruch nicht mehr auf die generelle Norm, die den Freizeitanspruch einräumt, sondern auf die mit dem Arbeitgeber getroffene Vereinbarung.
Der Auffassung der Vorinstanzen, daß eine solche Vereinbarung in jedem Fall verpönt sei, kann nicht beigetreten werden. Die Grundsätze des Arbeitsruhegesetzes können nämlich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden. Jenes Gesetz gewährleistet für jeden Arbeitnehmer zusammenhängende Ruhezeiten, die für bestimmte Tage oder innerhalb bestimmter Zeitabschnitte zu gewähren sind, um für den Arbeitnehmer die vom Gesetzgeber als notwendig erachtete Erholung zu gewährleisten. Wohl verfolgt die Bestimmung des § 16 Abs 2 KV im Grundsatz das gleiche Ziel, doch ist dieses wesentlich schwächer ausgeprägt, zumal der KV keine Fristen vorsieht, innerhalb derer die Freizeit zu gewähren ist. Diese Gewährung unterliegt, da Regelungen hiezu fehlen, der Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die dabei nicht an bestimmte Zeiträume, innerhalb der die Freizeit zu gewähren ist, gebunden sind. Das Ablöseverbot, das zwar im Arbeitsruhegesetz nicht ausdrücklich normiert ist, von dessen Geltung jedoch auszugehen ist und das sich auch aus der Strafbestimmung des § 27 ARG ergibt (dazu Schwarz, Arbeitsruhegesetz 121), kann wegen der gegenüber dem Arbeitsruhegesetz wesentlich schwächeren Ausprägung der Freizeitregelung des § 16 Abs 2 KV auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden. Vereinbarungen über die Ablöse von Freizeit, die nach § 16 Abs 2 KV zusteht, jedoch nicht in Anspruch genommen wurde, sind daher nicht unzulässig. Bei den Zahlungen, die vom Arbeitgeber im Rahmen einer solchen Vereinbarung erbracht werden, handelt es sich um Entgelt für geleistete Arbeit.
Die Höhe des Entgeltes, auf das ein freigestelltes Mitglied des Betriebsrates Anspruch hat, richtet sich danach, was der betreffende Arbeitnehmer verdient hätte, wenn er während der Freistellung gearbeitet hätte (Arb 10.761 ua). Es handelt sich um den mutmaßlichen, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit hoher Wahrscheinlichkeit angefallenen Verdienst, bei dessen Ermittlung auf die Verhältnisse im Betrieb und insbesondere auf das Einkommen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückzugreifen ist.
Im vorliegenden Fall steht fest, daß die anderen im Betrieb der beklagten Partei tätigen Korrektoren die ihnen zustehende Freizeit nicht in Anspruch nahmen, weil dies (offenbar aus betrieblichen Gründen) nicht möglich war und ihnen von der beklagten Partei eine Ablöse des offenen Freizeitanspruches in Geld angeboten wurde. Entsprechend der Verpflichtung zur Weiterzahlung des Entgeltes während der Freistellung (§ 117 Abs 1 ArbVG) hatte daher die beklagte Partei ein gleichartiges Anbot an den Kläger zu stellen. Nur dadurch ist gewährleistet, daß er entgeltmäßig nicht schlechtergestellt wird, als bei Verrichtung seiner Tätigkeit als Korrektor.
Es besteht daher ein Anspruch des Klägers auf ein solches Anbot. Dem Umstand, daß die vergleichbaren Arbeitnehmer das Anbot zur Ablöse der offenen Freizeitansprüche in Geld allenfalls nur zum Teil annahmen und im übrigen auf der Freizeit bestanden, kommt keine rechtliche Bedeutung zu. Der Kläger hat das Anbot, von dessen Vorliegen auszugehen ist, durch die Erhebung des Leistungsbegehrens angenommen. Der der Höhe nach unbestrittene Anspruch des Klägers besteht daher zu Recht. Da die Frist, innerhalb der die Ratenzahlungen zu leisten waren, bereits abgelaufen ist, war die beklagte Partei zur Leistung des Gesamtbetrages zu verpflichten. In gleicher Weise ist das Feststellungsbegehren berechtigt, mit dem der Kläger die in § 117 Abs 1 ArbVG normierte entgeltmäßige Gleichstellung auch für die Zukunft geltend macht.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO, hinsichtlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens überdies auf § 50 ZPO.
Anmerkung
E32071European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:009OBA00174.92.1021.000Dokumentnummer
JJT_19921021_OGH0002_009OBA00174_9200000_000