TE OGH 1992/10/22 1Ob534/92

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Veröffentlicht am 22.10.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin Dr. Doris R*****, vertreten durch Dr. Kurt Asamer und Dr. Christian Schubert, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die Antragsgegnerin Maria S*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Traunwieser und Dr. Herbert Hübel, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Benützungsregelung betreffend die Liegenschaft Salzburg, G*****gasse *****, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 12. Dezember 1991, GZ 22 R 601/91-13, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 4. Oktober 1991, GZ 2 Nc 2/91-10, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag der Rechtsmittelwerberin auf Kostenersatz wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Parteien sind - die Antragstellerin zu drei Viertel, die Antragsgegnerin zu einem Viertel - Miteigentümerinnen der Liegenschaft EZ ***** KG Innere Stadt Salzburg mit dem Haus G*****gasse *****. Beide haben ihre Miteigentumsanteile im Erbweg als Gesamtrechtsnachfolger erworben, die Antragstellerin nach ihrer am 1. April 1987 verstorbenen Mutter, die Antragsgegnerin nach ihrem im Jahr 1979 verstorbenen Ehegatten. Das Haus hat vier Stockwerke. Der Antragstellerin (vordem ihrer Mutter) stand ein im dritten Stock gelegenes Zimmer im Ausmaß von 12,85 m2 zur ausschließlichen Nutzung zu. Die Antragsgegnerin bewohnt im zweiten Stock eine aus drei Zimmern, einer Küche und einem Bad bestehenden Wohnung im Ausmaß von 92,22 m2; weiters nutzt sie ein im vierten Stock gelegenes Zimmer im Ausmaß von 10,40 m2 durch Vermietung. Alle übrigen Räumlichkeiten des Hauses werden seit 1. April 1979 durch einen von den Miteigentümern einvernehmlich bestellten Hausverwalter verwaltet. Vorher führte der Ehegatte der Antragsgegnerin die Hausverwaltung; dieser brachte dabei zumindest ab 1964 bis einschließlich 1975 für die von ihm benutzten Räumlichkeiten (und für das von der Mutter der Antragstellerin benutzte Zimmer) einen Mietzins (ein Benützungsentgelt) in Anschlag, seither nicht mehr. Die dargelegte Benützung der Liegenschaft (der genannten Räumlichkeiten) durch die jeweiligen Miteigentümer besteht seit Anfang der 50iger Jahre; die Mutter der Antragstellerin unternahm nichts gegen die Einstellung der Mietzinszahlungen (Benützungsentgeltsleistungen) des Ehegatten der Antragsgegnerin. Im Jahr 1989 verlangte die Antragstellerin durch ihren Rechtsvertreter erstmals außergerichtlich eine Benützungsregelung hinsichtlich der von der Antragsgegnerin benützten Wohnung. Dies blieb ergebnislos. Mit Schreiben vom 10. Dezember 1990 kündigte die Antragstellerin sodann der Antragsgegnerin eine allfällig bestehende, ihr nicht bekannte Benützungsregelung mit sofortiger Wirkung auf.

Mit Antrag vom 25. Jänner 1991 begehrte die Antragstellerin eine den tatsächlichen räumlichen Nutzungsverhältnissen entsprechende Benützungsregelung mit der zusätzlichen Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihr für die den Miteigentumsverhältnissen nicht entsprechende höhere Nutzung einer um 89,77 m2 größeren Wohnnutzfläche ein monatliches Benützungsentgelt von S 2.250,-- wertgesichert und die auf diese Fläche anteilig entfallenden Betriebs- und Verwaltungskosten zu bezahlen.

Die Antragsgegnerin trat diesem Antrag mit folgender Begründung entgegen: Die Parteien seien an die Benützungsregelung der Voreigentümer, in der kein Benützungsentgelt enthalten gewesen sei, gebunden; die Antragsgegnerin benötige die Räumlichkeiten dringend zur Deckung ihres Wohnbedarfs; das begehrte Benützungsentgelt sei überdies überhöht und widerspreche dem billigen Ermessen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Zwischen den Parteien bestehe eine, sie als Gesamtrechtsnachfolgerinnen bindende, konkludent zwischen ihren Rechtsvorgängern abgeschlossene Benützungsvereinbarung, die ein von der Antragsgegnerin zu entrichtendes Benützungsentgelt nicht vorsehe; diese Vereinbarung könne zwar aus wichtigem Grund gelöst werden, ob sie aber aufrecht zu bleiben habe oder nicht, habe der Streitrichter zu entscheiden. Der Außerstreitrichter habe dagegen den Antrag auf Benützungsregelung vorderhand abzuweisen.

Das Gericht zweiter Instanz hob die Entscheidung des Erstgerichtes auf und trug diesem eine neuerliche Entscheidung auf. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand über S 50.000,-- und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Zwischen den Rechtsvorgängern der Parteien sei eine schlüssige Vereinbarung (Benützungsregelung) darüber zustande gekommen, daß eine Zahlung für die unverhältnismäßig höhere Wohnraumnutzung des Ehegatten der Antragsgegnerin nicht mehr zu erfolgen habe. Ein Verzicht (der Mutter der Antragstellerin auf eine Ausgleichszahlung) auf Dauer sei jedoch nicht nachgewiesen. Es sei der vom Obersten Gerichtshof (in den Entscheidungen MietSlg 39.717, 37.057 ua) vertretenen Auffassung beizutreten, daß der Antrag auf Benützungsregelung an das Gericht als Kündigung einer allenfalls bestehenden Benützungsvereinbarung aus wichtigem Grunde zu deuten sei und - bei Vorliegen eines wichtigen Grundes - dann einer Rechtsgestaltung durch den Außerstreitrichter nichts im Wege stehe. Die Kündigung eines Dauerrechtsverhältnisses aus wichtigem Grunde bezwecke den Schutz vor unzumutbarer Vertragsfortsetzung. Das Erstgericht habe sohin das außerstreitige Verfahren über den Antrag fortzusetzen.

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Antragsgegnerin führt aus, nach einhelliger Rechtsprechung sei für die Entscheidung der vorliegenden Rechtssache nicht der Außerstreitrichter sondern der Streitrichter zuständig, da nach den Feststellungen beider Instanzen von den Rechtsvorgängern der Parteien eine verbindliche Benützungsregelung getroffen worden sei. Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Bei Prüfung der Frage, ob über ein Begehren im Außerstreitverfahren oder im Prozeßweg zu entscheiden ist, ist nicht von den getroffenen Feststellungen, sondern von den Angaben des Antragstellers auszugehen. Ohne Einfluß ist, was der Gegner einwendet und ob der behauptete Anspruch begründet ist (JBl 1960, 608; EvBl 1964/263; MietSlg 20.659; 34.650, 34.654, 37.493/15; Gamerith in Rummel2 Rz 11 zu § 835). Nach den Behauptungen im verfahrenseinleitenden Antrag liegt keine vertragliche, die Streitteile bindende Regelung der Benützung, sondern nur eine faktische Benützungsregelung vor, deren Änderung die Antragstellerin in der Weise begehrt, daß der Antragsgegnerin die Bezahlung eines Benützungsentgelts in Höhe von S 2.250 monatlich aufgetragen wird. Demnach ist aber über den Antrag im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden.

Nach den getroffenen Feststellungen hat der Gatte der Antragsgegnerin und damalige Miteigentümer Dkfm Fritz S***** bis zu seinem Tod im Jahre 1979 die Liegenschaft verwaltet. Bis zum Jahr 1975 hat er als Hausverwalter in den Jahresabrechnungen auch einen „Mietzins“ (richtig Benützungsentgelt) für die von ihm und für die von der Mutter der Antragstellerin benützten Räumlichkeiten in Anschlag gebracht. Seit dem Jahr 1975 wurde kein Mietzins mehr in Rechnung gestellt. Die Mutter der Antragstellerin erhob dagegen keine Einwendungen. Daraus folgerte das Rekursgericht zu Recht daß eine konkludente Vereinbarung, wonach eine solche Zahlung zu entfallen hat. Da jedoch ein derartiger konkludenter Verzicht als unentgeltliches Rechtsgeschäft einschränkend auszulegen ist (§ 915 erster Halbsatz ABGB) bindet er nur für die Zeit, in der ein Entgelt nicht begehrt wird, die Bindung endet demnach mit dem Zeitpunkt des erstmaligen Begehrens eines solchen (vgl MietSlg 31.141). Es bedarf demnach, entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, keines wichtigen Grundes, um von dieser schlüssig getroffenen Vereinbarung abzugehen.

Im außerstreitigen Verfahren steht - von hier nicht maßgebenden Ausnahmen abgesehen - keine Kostenersatzpflicht der verfahrensbeteiligten Parteien.

Textnummer

E34288

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0010OB00534.92.1022.000

Im RIS seit

15.06.1997

Zuletzt aktualisiert am

18.04.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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