Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Alexander K*****, Architekt, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1.) Julius K*****, Baumeister, und 2.) Herta K*****, beide *****, beide vertreten durch Dr.Friedrich Fleischmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 11 MRG infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 20.Februar 1992, GZ 48 R 99/92-14, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 3.Dezember 1991, GZ 45 Msch 18/91-10, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Mit Sachbeschluß vom 24.9.1991 wurde den Antragsgegnern - nach vorausgehendem Verfahren vor der Schlichtungsstelle - unter Androhung einer Ordnungsstrafe von S 5.000,- aufgetragen, binnen 14 Tagen die Hauptmietzins- und Betriebskostenabrechnung samt den dazu gehörigen Belegen und Rechnungen für die Zeit vom 1.4.1986 bis 31.12.1986 sowie für die Jahre 1987 bis 1989 vorzulegen (ON 5). Dieser Beschluß wurde den Parteienvertretern am 30.9.1991 zugestellt.
Mit dem am 5.11.1991 bei Gericht überreichten Schriftsatz beantragte der Antragsteller, über die Antragsgegner eine Ordnungsstrafe von je S 5.000,- zu verhängen, weil sie dem Gerichtsauftrag nicht entsprochen hätten (ON 6). Der Antragstellervertreter teilte dem Gericht telefonisch ergänzend mit, daß er in die in der Zeit vom 13.11.1991 bis 15.11.1991 im Haus aufgelegten Abrechnungen samt Belegen Einsicht genommen habe, daß sich die Antragsgegner jedoch geweigert hätten, Kopien anfertigen zu lassen (ON 7).
Die Antragsgegner beantragten Abweisung des Antrages auf Verhängung von Ordnungsstrafen mit der Begründung, sie seien dem gerichtlichen Auftrag nachgekommen. Ein Antrag auf Verpflichtung der Antragsgegner, Kopien herstellen zu lassen, sei weder bei der Schlichtungsstelle noch bei Gericht gestellt worden.
Das Erstgericht wies den Antrag auf Verhängung von Ordnungsstrafen mit der Begründung ab, die Herstellung von Kopien sei von dem gemäß § 20 Abs 4 MRG erlassenen Auftrag im Sachbeschluß ON 5 nicht umfaßt.
Das Rekursgericht hob infolge Rekurses des Antragstellers die Entscheidung des Erstgerichtes auf, trug diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und sprach aus, daß der weitere Rekurs zulässig sei.
Die Rechnungslegungspflicht des Vermieters umfasse auch die Verpflichtung, dem Mieter auf dessen Kosten die Herstellung von Abschriften oder Kopien zu ermöglichen. Demgemäß hätten die Antragsgegner ihrer Pflicht zur Rechnungslegung im Sinne des Gerichtsauftrages nur dann entsprochen, wenn die Auflegung der Abrechnung und der Belege ohne Einschränkung auf die bloße Einsichtnahme bewirkt worden sei, nicht aber dann, wenn dem Antragsteller die Herstellung von Abschriften ausdrücklich verweigert werde. Erst durch die Vorlage der Abrechnungen und der Belege stelle sich nämlich für den Mieter überhaupt die Frage, ob es allenfalls erforderlich ist, zwecks inhaltlicher Überprüfung der Abrechnung Abschriften zu verlangen. Auch die Einholung von fachkundigen Auskünften und Ratschlägen im Rahmen der Überprüfung der Abrechnung sei vielfach erst nach Herstellung von Abschriften möglich.
Folge man der Auffassung des Erstgerichtes, so wäre die Einbringung eines neuen Antrages, gerichtet bloß auf die Herstellung von Abschriften, erforderlich, wobei erst im Falle der Nichtbefolgung dieses Auftrages die Verhängung von Ordnungsstrafen als Beugemittel in Frage käme. Eine solche Vorgangsweise entspreche aber nicht den Intentionen des Gesetzgebers auf möglichst rasche Durchsetzung des Rechnungslegungsanspruches, der auch eine inhaltliche Kontrolle ermöglichen solle. Daraus folge, daß in dem hier zu beurteilenden Fall wegen Nichterfüllung des Gerichtsauftrages (ON 5) eine Ordnungsstrafe zur Durchsetzung des Begehrens verhängt werden könne, sofern der Antragsteller unter gleichzeitiger Verpflichtungserklärung, die Kosten dafür selbst zu tragen, die Antragsgegner zur Herstellung von Kopien aufgefordert habe.
Die letztgenannten Umstände wären vom Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren zu prüfen, am zweckmäßigsten im Rahmen einer unter analoger Anwendung der Bestimmung des § 358 EO angeordneten Tagsatzung.
Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob die Verpflichtung des Vermieters gemäß § 20 Abs 3 MRG und § 21 Abs 5 MRG, auf Verlangen eines Mieters von den Abrechnungen und Belegen auf dessen Kosten Abschriften anfertigen zu lassen, durch Ordnungsstrafen nach § 20 Abs 4 MRG erzwungen werden kann, nicht bestehe.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegner mit dem Antrag, ihn dahin abzuändern, daß der erstgerichtliche Sachbeschluß wiederhergestellt werde; gegebenenfalls möge dem Rekursgericht die Sachentscheidung im Sinne des erstgerichtlichen Sachbeschlusses aufgetragen werden.
Der Antragsteller erstattete keine Revisionsrekursbeantwortung.
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 37 Abs 1 Z 11 MRG ist in Angelegenheiten über die Legung der Abrechnungen (§ 20 Abs 3 und 4, § 21 Abs 5, § 24 Abs 3, § 45 Abs 2 MRG) in dem besonderen Außerstreitverfahren nach § 37 Abs 3 MRG zu entscheiden. Diese Gesetzesfassung verweist die Entscheidung über alle Anträge, die die in den genannten Paragraphen geregelten Sachbereiche betreffen, in das Außerstreitverfahren, daher auch die Verhängung von Ordnungsstrafen (als Beugemittel) nach § 20 Abs 4 MRG. Der Gesetzgeber überließ durch die in § 37 Abs 1 Z 11 MRG und § 20 Abs 4 MRG gebrauchten Formulierungen die Durchsetzung von Aufträgen zur Rechnungslegung und Einsichtgewährung in die Belege nicht dem Exekutionsverfahren, sei es nach dem dritten Abschnitt des ersten Teiles der Exekutionsordnung oder nach § 19 AußStrG, sondern sieht die Durchsetzung im Zuge des über den Antrag auf Rechnungslegung eingeleiteten Verfahrens selbst durch eine weitere Entscheidung vor. Ist das Verfahren schon bei Gericht anhängig, so hat dieses - ohne weitere Vorlagerung der Schlichtungsstelle - über den Antrag auf Verhängung einer Ordnungsstrafe im Falle der Nichtbefolgung des erteilten Auftrages zu entscheiden. Bei dieser Entscheidung handelt es sich daher um einen Sachbeschluß mit den hiefür in § 37 Abs 3 Z 17 und 18 MRG vorgesehenen Folgen. Diese Regelung entspricht der Tendenz des Gesetzgebers, über Streitigkeiten in den genannten Rechtsbereichen soweit wie möglich im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden. Hingegen müßte im Falle der - eben nicht vorgesehenen - Durchsetzung im Exekutionsweg der zu Unrecht in Anspruch genommene Verpflichtete mittels Klage nach den §§ 35 und 36 EO vorgehen. Ist hingegen mittels Sachbeschlusses im Außerstreitverfahren nach § 37 Abs 3 MRG zu entscheiden, so ist die Frage, ob der Verpflichtete dem erteilten Auftrag nachkam, in einem kontradiktorischen Verfahren schon vor der Entscheidung über die Verhängung der Ordnungsstrafe zu klären.
Die Entscheidung des Erstgerichtes ist daher in Wahrheit ein Sachbeschluß; er wurde daher im Kopf dieser Entscheidung als solcher bezeichnet.
Gemäß § 20 Abs 3 MRG (und der für die Betriebskostenverrechnung im Wege der monatlichen Vorschreibung gleichbleibender Pauschalraten geltenden Parallelbestimmung des § 21 Abs 3 MRG) ist der Vermieter verpflichtet, die Abrechnungen über das vergangene Kalenderjahr im Haus zur Einsicht durch die Hauptmieter aufzulegen und diesen in geeigneter Weise Einsicht in die Belege zu gewähren. Überdies sind auf Verlangen eines Hauptmieters von der Abrechnung und (oder) den Belegen auf seine Kosten Abschriften (Ablichtungen) anfertigen zu lassen. Auch bei der letztgenannten Bestimmung handelt es sich um eine Verpflichtung des Vermieters. Hingegen sieht § 20 Abs 4 MRG dem Wortlaut nach die Verhängung einer Ordnungsstrafe nur für den Fall vor, daß der Vermieter dem Auftrag, die Abrechnungen vorzulegen und die Einsicht in die Belege zu gewähren, nicht nachkommt. Streng wörtlicher Auslegung nach ist also die Einhaltung der Verpflichtung, dem Mieter auf dessen Kosten Abschriften (Ablichtungen) der Abrechnungen bzw. der Belege anfertigen zu lassen, nicht durch eine Ordnungsstrafe erzwingbar (so Würth in Korinek-Krejci, HBzMRG 378).
Der erkennende Senat teilt diese Ansicht nicht, billigt vielmehr aus folgenden Gründen die vom Rekursgericht diesbezüglich vertretene Meinung:
Die Abrechnung ist zur Einsicht durch den Hauptmieter aufzulegen; diesem ist in geeigneter Weise Einsicht in die Belege zu gewähren. Dadurch soll dem Mieter die Beurteilung ermöglicht werden, welche Rechtsfolgen nach den materiellrechtlichen Vorschriften des MRG mit den so deklarierten Einnahmen und Ausgaben verbunden sind (Zahlungspflicht oder Rückforderungsanspruch bei den Betriebskosten; Anspruch auf Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten etc.). Der Mieter muß zu dieser Beurteilung wohl in die Lage versetzt werden, diese Daten nicht nur im Augenblick der Einsichtnahme zur Kenntnis zu nehmen, sondern sie auch zu behalten, um zum Beispiel von fachkundigen Personen Rat einzuholen oder um überhaupt später entsprechende Schlüsse für sein weiteres Verhalten daraus ziehen zu können. Das Recht, auf Einsichtnahme schließt daher - soll es nicht zu einem sinnlosen Formalakt verkümmern - zweifellos das Recht ein, die bei der Einsichtnahme wahrgenommenen Daten schriftlich festzuhalten. Niemand wird ernstlich behaupten wollen, der Mieter sei zum Auswendiglernen der Abrechnung und der Belege verpflichtet, um davon vernünftigen Gebrauch machen zu können. Durch das MRG wurde daher die Verpflichtung des Vermieters zur Vorlage der Abrechnungen und Einsichtgewährung in die Belege um die Nebenpflicht des Vermieters erweitert, auf Verlangen des Hauptmieters von den Abrechnungen bzw. Belegen auf Kosten des Mieters Abschriften (Ablichtungen) anfertigen zu lassen. Dem liegt wohl der naheliegende Gedanke zugrunde, daß die dem technischen Fortschritt entsprechend neu gewonnenen Vervielfältigungsmöglichkeiten - orientiert an der Ausstattung einer durchschnittlichen Hausverwaltungskanzlei - dem Vermieter die Anfertigung von Kopien erheblich leichter ermöglichen, als dem einzelnen Mieter die Anfertigung von Abschriften, der ja Abrechnungen und Belege vom Auflageort nicht entfernen darf und an dieser Stelle nicht ohne weiteres eigene Vervielfältigungsgeräte - soweit ihm solche überhaupt zur Verfügung stehen - benützen könnte. Es handelt sich also bei dieser weiteren Verpflichtung des Vermieters um einen essentiellen Bestandteil der Abrechnungspflicht, die wohl nur aus einem Redaktionsversehen (infolge unveränderter Übernahme der seinerzeitigen Bestimmung des § 29 MG, das eine solche Verpflichtung des Vermieters noch nicht kannte, in das MRG) nicht in den Katalog der durch Ordnungsstrafen erzwingbaren Verhaltensweisen des Vermieters (§ 20 Abs 4 MRG) aufgenommen wurde. Die gegenteilige Ansicht führte zu dem vom Gesetzgeber bestimmt nicht gewünschten Ergebnis, daß es sich bei der Verpflichtung des Vermieters zur Anfertigung von Abschriften (Ablichtungen) auf Kosten des Mieters um eine sanktionslose Vorschrift, daher letztendlich trotz der verbindlichen Diktion nur um eine Empfehlung handelte.
Stellt diese Verpflichtung des Vermieters aber einen vom Gesetzgeber gewollten Bestandteil der Abrechnungspflicht im weiteren Sinn dar, dann ist sie von dem erteilten Auftrag, die Abrechnungen zur Einsicht aufzulegen und in die Belege Einsicht zu gewähren, mitumfaßt. Verlangt ein Hauptmieter sodann im Zuge der Einsichtnahme die Herstellung von Ablichtungen auf seine Kosten, so hat der Vermieter diesem Verlangen - gegebenenfalls nach Erlag eines angemessenen Kostenvorschusses durch den Mieter - nachzukommen, widrigenfalls er durch Ordnungsstrafen im Sinne des § 20 Abs 4 MRG vom Gericht dazu veranlaßt werden kann. Die Entscheidung darüber hat im fortgesetzten Verfahren über den Antrag nach § 37 Abs 1 Z 11 MRG durch Sachbeschluß zu erfolgen.
Dem Revisionsrekurs gegen den zutreffenden Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes war daher der Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E34051European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB00098.92.1027.000Dokumentnummer
JJT_19921027_OGH0002_0050OB00098_9200000_000