TE OGH 1992/10/28 2Ob588/92

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Veröffentlicht am 28.10.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber, Dr.Kropfitsch, Dr.Zehetner und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter G*****, vertreten durch Dr.Paul Friedl, Rechtsanwalt in Eibiswald, wider die beklagten Parteien 1.) Werner S***** und 2.) Elfriede S*****, vertreten durch Dr.Leo Häusler, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen S 100.000,-- sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 5.Mai 1992, GZ 5 R 279/91-24 womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 5.September 1991, GZ 23 Cg 35/91-19 abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Revisionsverfahrens gleich weiteren Verfahrenskosten Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung:

Der Kläger hatte im Jahr 1983 dem am 31.August 1989 verstorbenen Vater des Erstbeklagten und Gatten der Zweitbeklagten, Ing.Werner S*****, Holz geliefert. Ein Teilkaufpreis von S 100.000,-- wurde als Darlehen in der Form gestundet, daß hiefür 9 % Zinsen jährlich für die Jahre 1984, 1985 und 1986 zu entrichten waren. Aufgrund des Einschreitens des Erstbeklagten erfolgte für die Jahre 1987 und 1988 eine Zinsreduktion auf 8 % jährlich. Die Zinsen wurden regelmäßig am Ende des betreffenden Jahres oder am Anfang des darauffolgenden Jahres entrichtet. Nach dem Ableben des Ing.Werner S***** war der Kläger anfang 1990 an den Erstbeklagten wegen Auszahlung von Zinsen für das Jahr 1989 herangetreten. Der Erstbeklagte erklärte, daß ihn die Sache nichts angehe, weil das eine Angelegenheit des inzwischen verstorbenen Vaters gewesen ist. Der Kläger wandte sich in der Folge an den Notar als Gerichtsabgeordneten im Verlassenschaftsverfahren nach Ing.Werner S*****. Der Notar erklärte, daß für diese Angelegenheit keine Unterlagen vorhanden wären.

Der Kläger begehrt von den beiden Beklagten als unbedingt erbserklärten Erben (am 17.Juli 1990 erfolgte die Einantwortung) die Bezahlung eines Betrages von S 100.000,-- samt 8 % Zinsen seit 1. Jänner 1989 zur ungeteilten Hand. Er brachte vor, daß Darlehen sei nicht zurückgezahlt worden. Die Ausstellung von Schuldscheinen sei bei Darlehen, die anläßlich von Holzverkäufen gewährt werden, nicht üblich.

Die Beklagten wendeten ein, Ing.S***** habe im vorliegenden Fall, wie auch in anderen Fällen von Darlehensaufnahmen, dem Gläubiger eine Schuldurkunde übergeben, die bei Rückzahlung des Darlehens vernichtet worden sei. Daraus, daß der Kläger die Schuldurkunde nicht vorlegen könne, sei mit Sicherheit zu schließen, daß Ing.S***** noch vor seinem Tod die Schuld getilgt und die Bestätigung vom 3.Jänner 1984 zurückerhalten habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Aus den auf den Seiten 5 bis 12 des Ersturteils (AS 125 bis 139) getroffenen Feststellungen ist folgendes hervorzuheben:

Ing.S***** nahm bei verschiedenen Personen Darlehen auf und übergab den Darlehensgebern Schuldscheine. Diese zerriß er, wenn er sie nach der Darlehensrückzahlung zurück bekommen hatte. Ing.S***** übergab auch dem Kläger am 3.Jänner 1984 eine Bestätigung über einen Betrag von S 100.000,--. Der Erstbeklagte bezahlte im Auftrag seines Vaters dem Kläger in den folgenden Jahren Zinsen. Als der Erstbeklagte die Zinsen für 1988 im Jahre 1989 bezahlte, erklärte der Kläger, er benötige den Betrag von S 100.000,-- für größere Investitionen. Der Erstbeklagte teilte dies der Zweitbeklagten mit, worauf diese mit Ing.S***** ein "Vieraugengespräch" führte. Die beiden kamen überein, daß die Zweitbeklagte ein anonymes Sparbuch mit einem Betrag von ca S 134.000,-- am 30.Jänner 1989 auflöst. Am Abend gab sie Ing.S***** das Geld. Einige Tage später sagte ihr Ing.S*****, nun sei der letzte Darlehensbetrag getilgt. Die Zweitbeklagte wußte, daß es sich hiebei um das Darlehen des Klägers handelt, weil alle anderen Darlehen schon zurückbezahlt waren. Im Februar 1989 sprach Ing.S***** im Familienkreis, daß er nun alle Schulden beglichen habe. Als der Kläger nach dem Tod des Ing.S***** Zahlung forderte, sagte er zum Erstbeklagten, er habe die von Ing.S***** erhaltene Bestätigung verlegt. Im Verlassenschaftsverfahren hat der Kläger die Forderung nicht angemeldet.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht folgendes aus:

"Tatsächlich hat aber das Darlehen Ing.Werner S***** an den Kläger zurückbezahlt, da die Zweitbeklagte, die Gattin des Verstorbenen, ihrem Mann diesen Betrag nach Auflösung eines Sparbuches zur Verfügung gestellt hat."

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben wurde. Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, es könne dahingestellt bleiben, ob die Beweisrüge gesetzmäßig ausgeführt worden und auch berechtigt sei, denn schon die vom Erstgericht in seiner Gesamtheit getroffenen Feststellungen reichten zur tatsächlichen Schlußfolgerung, daß der Erblasser an den Kläger die Darlehensschuld von S 100.000,-- sA zurückbezahlt habe, nicht aus. Die Darlehensgewährung selbst sei unbestritten. Damit sei der Kläger seiner Beweispflicht in Bezug auf die Darlehensgewährung nachgekommen. Die Rückzahlung zu beweisen, wäre Aufgabe der Beklagten gewesen. Einen für eine Darlehensrückzahlung typischen Geschehensablauf hätten die Beklagten nicht beweisen können. Die Führung eines Anscheinsbeweises sei ihnen nicht gelungen. Aus der Tatsache, daß die Zweitbeklagte am 30.Jänner 1989 ein Sparbuch aufgelöst und den Betrag von S 134.000,-- dem Erblasser übergeben habe, sei (in tatsächlicher Hinsicht) nicht zwingend ableitbar, daß der Erblasser diesen Betrag auch dafür verwendet habe, die beim Kläger bestehende Schuld zu berichtigen, selbst wenn der Erblasser einige Tage danach erklärt habe, nun sämtliche Schulden getilgt zu haben. Selbst der Umstand, daß der Kläger die ihm übergebene und nur in einfacher Ausfertigung ausgestellte Darlehensurkunde nicht habe vorlegen können, führe nicht zwingend zum Ergebnis, daß er diese Schuldurkunde Zug um Zug gegen Bezahlung der Schuld an den Erblasser als Schuldner rückausgefolgt und dieser dieselbe zerrissen habe. Die ausgestellte Schuldurkunde könne der Kläger, wie er dies dem Erstbeklagten nach den Feststellungen ohnedies erklärt haben solle, auch verlegt haben. Selbst bei Richtigkeit der vom Erstgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen sei daher die Schlußfolgerung der Rückzahlung des Darlehens durch den Erblasser an den Kläger nicht gerechtfertigt. Da die Beklagten den ihnen obliegenden Beweis der Rückzahlung nicht erbracht hätten, seien sie im Sinne des Klagebegehrens zur Zahlung zu verhalten und zwar gemäß § 820 ABGB zur ungeteilten Hand. Die Unterlassung der Anmeldung im Verlassenschaftsverfahren habe nicht zur Folge, daß die Schuld untergehe.

Die Beklagten bekämpften das Urteil des Berufungsgerichtes mit außerordentlicher Revision, machen die Anfechtungsgründe der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend und beantragen die Wiederherstellung des Ersturteils. Der Kläger beantragt, die außerordentliche Revision zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer Rechtsrüge vertreten die Beklagten die Ansicht, die Beweislast für die nicht erfolgte Rückzahlung des Darlehens treffe deshalb den Kläger, weil dieser den Schuldschein nicht vorweisen könne, wozu noch komme, daß Ing.S***** bei Darlehensrückzahlungen immer den Schuldschein zerrissen habe. Überdies habe das Berufungsgericht gegen die logischen Denkgesetze verstoßen, denn die Übergabe des Geldbetrages durch die Zweitbeklagte an Ing.S***** und dessen Bericht über die Darlehensrückzahlung ließen keinen anderen mit den Denkgesetzen zu vereinbarenden Schluß zu, als daß Ing.S***** die Darlehensvaluta im Jahr 1989 zurückzahlte.

Diesen Rechtsausführungen kann nicht gefolgt werden. Die Rückzahlung eines Darlehens hat grundsätzlich der Schuldner zu beweisen. § 1428 ABGB schafft insoweit eine Ausnahme, als der zurückerhaltene Schuldschein ohne Quittung für den Schuldner die rechtliche Vermutung der geleisteten Zahlung gründe. Die Vermutung der Rückzahlung hat allerdings den vom Schuldner zu erbringenden Beweis zur Voraussetzung, daß ihm der Gläubiger den Schuldschein zurückgegeben hat (Ehrenzweig-Mayrhofer, Schuldrecht, Allgemeiner Teil 575; Gschnitzer in Klang2 VI 429; GlU 5455, 10.555, 10.759). Einen derartigen Beweis haben die Beklagten aber nicht erbracht. Das Nichtvorweisen des Schuldscheines durch den Gläubiger führt zu keiner Beweislastumkehr (Reischauer in Rummel2, Rz 3 zu § 1428). Auch daraus, daß Ing.S***** üblicherweise Schuldscheine, die er nach Darlehensrückzahlung zurückerhalten hat, zerriß, folgt keine Beweislastumkehr. Die Tatsacheninstanzen haben im Rahmen der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Beweiswürdigung zu beurteilen, ob diesem Umstand für die Frage, ob die Beklagten die Rückzahlung des Darlehens bewiesen haben, Bedeutung zukommt.

Die Mängelrüge der Revisionswerber ist jedoch berechtigt.

Wie oben ausgeführt, stellte das Erstgericht fest, daß Ing.S***** dem Kläger einen Schuldschein übergeben hatte, er in den anderen Fällen von Darlehensaufnahmen die zurück erhaltenen Schuldscheine zerriß, die Zweitbeklagte dem Ing.S***** das Geld für die Darlehensrückzahlung übergeben hatte und Ing.S***** dann zweimal gegenüber Familienangehörigen erklärte, er habe nun alle Schulden bezahlt. Bei den Ausführungen des Erstgerichtes im Rahmen der rechtlichen Beurteilung, "tatsächlich hat aber das Darlehen Ing.Werner S***** an den Kläger zurückbezahlt", handelt es sich ebenfalls eindeutig um eine Feststellung. Das Erstgericht ging nicht davon aus, daß auf Grund eines typischen Geschehensablaufes ein Anscheinsbeweis zulässig und gelungen ist - die Frage der Zulässigkeit eines Anscheinsbeweises ist eine solche der rechtlichen Beurteilung (Fasching, Zivilprozeßrecht2, Rz 897; SZ 57/20) - , sondern es schenkte dem Kläger keinen Glauben und schloß aus bestimmten Tatsachen, daß Ing.S***** das Darlehen zurückgezahlt hat. Das Erstgericht erachtete also einen mittelbaren Beweis (Indizienbeweis) für erbracht. Hiebei handelt es sich um eine Frage der Beweiswürdigung (Fasching aaO, RZ 810; ZVR 1989/108; 6 Ob 690/83 ua), das Berufungsgericht durfte von der Feststellung über die Darlehensrückzahlung daher nicht abgehen, ohne die Beweise (Vernehmung des Klägers und der Zeugen) wiederholt und selbst gewürdigt zu haben (Fasching aaO, RZ 897).

Da das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung von einer vom Erstgericht getroffenen Feststellung abging, leidet das Berufungsverfahren an einem Mangel im Sinne des § 502 Z 2 ZPO, der zu einer Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichtes führen muß.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E30744

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0020OB00588.92.1028.000

Dokumentnummer

JJT_19921028_OGH0002_0020OB00588_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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