TE OGH 1992/10/28 2Ob533/92

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Veröffentlicht am 28.10.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber, Dr.Kropfitsch, Dr.Zehetner und Dr.Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache mj. Iris Josefa Olaug R*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft-Jugendamt 5700 Zell am See, infolge Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 12. Februar 1992, GZ 22 a R 14/92-11, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Zell am See vom 29.November 1991, GZ P 75/87-7, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. In Abänderung der Beschlüsse der Vorinstanzen wird der Antrag der Minderjährigen auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß §§ 3 und 4 Z 1 UVG abgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht bewilligte auf Antrag des Bezirksjugendamtes Zell am See der Minderjährigen ab 1.11.1991 bis 31.10.1994 einen monatlichen Unterhaltsvorschuß von S 3.500,--, jedoch höchstens in der Höhe des jeweiligen Richtsatzes für pensionsberechtigte Halbwaisen nach § 293 Abs 1 lit C bb 1.Fall, 108 f ASVG gem §§ 3, 4 Z 1 UVG. Die Führung einer Exekution erscheine aussichtslos, weil im Inland ein Drittschuldner oder ein Vermögen, dessen Verwertung einen die laufenden Unterhaltsbeiträge deckenden Ertrag erwarten lasse, nicht bekannt sei. Der Vater des Kindes sei bei einer norwegischen Schiffahrtslinie beschäftigt und komme trotz oftmaliger Aufforderung der Mutter des Kindes seiner Unterhaltspflicht nicht nach. Eine rasche Einbringung von Unterhaltsbeiträgen erscheine derzeit nicht möglich.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz nicht Folge und sprach aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Es begründete seine Entscheidung wie folgt:

Für den gesetzlichen Unterhaltsanspruch der Minderjährigen liege ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel in Form eines Unterhaltsvergleiches vor der Bezirkshauptmannschaft Zell am See - Jugendamt vom 7.9.1990 über einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 3.500,-- ab 1.9.1990 vor. Die Führung einer Exekution im Inland sei nach der Aktenlage aussichtslos. Die Mutter habe bescheinigt, daß der Vater über ein Einkommen von monatlich S 50.000,-- verfüge und nur durch zwei weitere Sorgepflichten belastet sei. Bei Berücksichtigung des Einkommens der Mutter von S 12.000,-- aus ihrer Tätigkeit als Empfangschef im G***** Hotel in ***** sei die vom Vater vergleichsweise übernommene Unterhaltspflicht von monatlich S 3.500,-- als den Lebensverhältnissen der Kindeseltern entsprechend zu beurteilen. Auf das Haager Unterhaltsvollstreckungsabkommen BGBl 1961/294 habe sich das Erstgericht nicht stützen können, weil nach diesem Gesetz nur die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen beurteilt werde, grundsätzlich aber nicht von Vergleichen oder Unterhaltsvereinbarungen. Nur dann, wenn einer vergleichsweisen Regelung nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht Entscheidungscharakter zugebilligt werde, müsse einem so entstandenen Titel auch im internationalen Recht Entscheidungscharakter beigemessen werden. Die Kundmachung des Bundeskanzleramts vom 3.12.1965, BGBl 347/1965 betreffend die Ratifikation des Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern durch Norwegen und die Erklärung Norwegens zu diesem Übereinkommen enthalte lediglich, daß dieses Übereinkommen für Norwegen am 1. November 1965 in Kraft trat und daß in Norwegen eine Unterhaltsleistung durch die ordentlichen Gerichte, die Präfekten oder das Justizministerium hinsichtlich der ehelichen Kinder sowie die Präfekten oder das Ministerium für soziale Angelegenheiten hinsichtlich der unehelichen Kinder festgesetzt werden kann. Bei dieser Sachlage sei nicht davon auszugehen, daß auf Grund des vorliegenden Exekutionstitels ohne besondere Schwierigkeiten im norwegischen Rechtsbereich Exekutionsschritte zur Hereinbringung des rückständigen und laufenden Unterhaltes möglich wären, sodaß die Voraussetzungen für die Unterhaltsvorschußgewährung sowohl der Höhe als auch dem Grunde nach gegeben seien.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß abzuändern und den Antrag auf Gewährung des Richtsatzvorschusses abzuweisen. Es sei zwar richtig, daß sowohl nach dem Haager Unterhaltsvollstreckungsabkommen wie nach dem bilateralen Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Norwegen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilsachen nur "Entscheidungen" vollstreckt werden können. Doch müsse dies wegen der Sinnfälligkeit dieser Auffassung auch für Unterhaltsvergleiche wirken, sodaß der Begriff "Entscheidung" diesbezüglich extensiv auszulegen sei.

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat sich seit seiner Entscheidung 2 Ob 582/90 = ÖAmtVmd 1991, 110 in zwei weiteren Entscheidungen mit der Auslegung des § 4 Z 1 UVG befaßt. Er hat zur Frage, ob Unterhaltsvorschüsse jedenfalls zu gewähren sind, wenn sich eine Exekutionsführung im Ausland als notwendig erweist, in neuerlicher Überprüfung dieses Problems ausgeführt, daß § 4 Z 1 UVG zwar die Notwendigkeit einer Exekutionsführung im Ausland als Beispiel einer aussichtslos scheinenden Exekutionsführung heraushebe, doch nicht zweifelhaft sein könne, daß die im Ausland notwendige Exekutionsführung gegen den Unterhaltsschuldner etwa dann nicht aussichtslos sei, aber auch nicht aussichtslos "scheine", wenn der Aufenthalt und die Beschäftigung des Unterhaltsschuldners bekannt seien und die Vollstreckung durch internationale Verträge nicht bloß geordnet, sondern auch durch die konkrete Behördenpraxis gewährleistet sei. Die Bestimmung des § 4 Z 1 UVG könne daher - entgegen den vom objektiven Wortsinn dieser Gesetzesstelle nicht gedeckten Materialien (276 BlgNR 15.GP 8), welche die vorstehenden Erwägungen außer acht ließen - bei Bedachtnahme auf die Zielsetzungen des Unterhaltsvorschußgesetzes nur so verstanden werden, daß die Annahme der Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung im Ausland zwar nahe liege, daß deshalb aber das Gericht nicht schon jedweder Prüfung der Aussichtslosigkeit enthoben sei. Hätte der Gesetzgeber die Exekutionsführung im Ausland in jedem Fall einer aussichtslos scheinenden Exekutionsführung im Sinne des § 4 Z 1 UVG gleichsetzen wollen, hätte er dies eindeutig - etwa in Form einer alternativen Aufzählung oder als Fiktion - zum Ausdruck bringen müssen. Für eine ausdehnende Auslegung der genannten Gesetzesbestimmung böten weder die in der Entscheidung EvBl 1990/121 dargestellten Zielsetzungen des Gesetzes Anlaß, noch sei eine solche Auslegung angesichts einer international geordneten gegenseitigen Vollstreckung von Entscheidungen geboten. Der ursprünglich gegenteiligen Entscheidung ÖAmtVmd 1991, 110 könne daher nicht gefolgt werden. Der Senat 2 des Obersten Gerichtshofs tritt nunmehr nach neuerlicher Überprüfung dieser Frage der in den Entscheidungen 6 Ob 648/90 = ÖAmtVmd 1991, 110 und 8 Ob 627/90 = EFSlg XXVII/99 dargelegten Rechtsansicht bei. Danach ist im Einzelfall die Frage der Aussichtslosigkeit im dargestellten Sinn zu prüfen:

Im vorliegenden Fall ist der Aufenthalt des Vaters bekannt. Anstände bei der Erbringung der ihm auferlegten Unterhaltsleistung sind nicht aktenkundig. Die gegenseitige Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen im Verhältnis zwischen dem Königreich Norwegen und Österreich ist durch das Haager Unterhaltsübereinkommen vom 15.April 1958, BGBl 1961/264, dessen Vertragsstaaten auch das Königreich Norwegen und Österreich sind und durch das Abkommen vom 21.5.1984 BGBl 1985/406 über die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilsachen wohl geordnet. Die Auffassung des Rekursgerichtes, wonach nur die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen durch zwischenstaatliche Vereinbarung geregelt sei und sich diese grundsätzlich nicht auf Vergleiche oder Unterhaltsvereinbarungen beziehe, ist jedoch ebenso wie die dies als richtig bezeichnende Darlegung des Revisionsrekurses des Oberlandesgerichtspräsidenten nicht richtig:

Gemäß Art 17 Abs 2 des genannten Abkommens wird auch ein vor einer österreichischen Behörde in ihrer Funktion als Jugendwohlfahrtsträger zwischen ihr als Vertreter des Unterhaltsberechtigten einerseits und dem Unterhaltsverpflichteten andererseits geschlossener vollstreckbarer Vergleich oder eine solche Vereinbarung in dem anderen Vertragsstaat vollstreckt. Gemäß Abs 3 dieser Bestimmung finden auf die Vollstreckung die in den Art 12 bis 15 dargelegten Grundsätze Anwendung, die das Auftreten bürokratischer Schwierigkeiten nicht befürchten lassen. Bei der Beurteilung der Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung (auf Gehalt) im Ausland dürfen zwar auch die praktischen Erfahrungen mit den damit befaßten Stellen des betreffenden Staates nicht außer acht gelassen werden, doch liegt es in solchen Fällen am Unterhaltssachwalter, auf derartige Umstände im Antrag hinzuweisen. Solche Hinweise liegen nicht vor. Für eine im Sinne des § 4 Z 1 UVG aussichtslos scheinende Exekutionsführung gegen den Vater im Königreich Norwegen finden sich demnach keine Anhaltspunkte.

Der Antrag auf Gewährung von Vorschüssen war daher in Stattgebung des Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz abzuweisen.

Anmerkung

E30705

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0020OB00533.92.1028.000

Dokumentnummer

JJT_19921028_OGH0002_0020OB00533_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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