TE OGH 1992/11/11 9ObA261/92

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Veröffentlicht am 11.11.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Scheuch und Rupert Gnant in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing.Dr.E***** F*****, Angesteller, *****, vertreten durch *****, Rechtsanwälte *****, wider die beklagte Partei VOEST ALPINE Stahl Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wegen Feststellung (Streitwert S 300.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1.Juni 1992, GZ 33 Ra 45/92-37, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 15.November 1991, GZ 14 Cga 1009/90-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 12.247,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 2.041,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Gewährung einer Zusatzpension nach den sogenannten Böhler-Richtlinien erworben hat, zutreffend bejaht. Es reicht daher aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Relevante Tatumstände, die zur Folge hätten, daß der Pensionsanspruch des Klägers in der vorliegenden Rechtssache anders als in zwei Vorentscheidungen, denen ebenfalls die sogenannten Böhler-Richtlinien zugrunde lagen und in denen den (Feststellungs-)Klagen auf Zuerkennung einer Pension stattgegeben wurde (9 Ob A 9/87 = JBl 1988, 333 [Schima] = DRdA 1989/16 [Binder]; 9 Ob A 112/91), zu beurteilen wäre, liegen nicht vor. Die betriebliche Übung bezüglich der sogenannten Böhler-Richtlinien führte im Werk Kapfenberg, wie in 9 Ob A 9/87 ausführlich begründet wurde, dazu, daß der nicht widerrufliche Pensionsanspruch Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge wurde. Der Kläger hat - so wie der Kläger im Vorverfahren 9 Ob A 9/87 - die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen für die Zuerkennung einer Pension nach den "Böhler-Richtlinien" noch im Jahre 1977 erfüllt. In diesem Zeitpunkt war auf Grund des langjährigen gleichförmigen Verhaltens der Arbeitgeberin in allen bis 1974 entstandenen Pensionsfällen der Anspruch aller übrigen damals anwartschaftsberechtigten Arbeitnehmer, das durch schlüssiges Verhalten des Arbeitgebers entstandene und gegenüber anwartschaftsberechtigten Arbeitnehmern nicht mehr einseitig widerrufbare Anbot (spätestens) durch Inanspruchnahme der Betriebspension anzunehmen (vgl dazu Binder, DRdA 1985, 285, 287 und Schima, JBl 1988, 337 zu DRdA 1989/16 = JBl 1988, 333), bereits wirksam. Im übrigen hat die Beklagte auch noch in den Jahren 1976 und 1977 Böhler-Pensionen vergeben, wenn auch der Vorgang, daß die Personalstellen alle Angestellten, die jeweils die Pensionsvoraussetzungen erfüllten, bekanntzugeben hatten, 1975 und 1976 nicht mehr eingehalten wurde. Damit konnte aber jedenfalls das Inkrafttreten der sogenannten VEW-Richtlinien die Rechtsstellung des Klägers nicht mehr ändern.

Die Fusion der bisherigen Arbeitgeberin mit anderen Unternehmen zur heutigen Beklagten ist für die Frage des Pensionsanspruchs ohne Bedeutung, da die Verschmelzung (§§ 219 ff AktG) ein Fall der Gesamtrechtsnachfolge ist (Kastner-Doralt-Nowotny, Gesellschaftsrecht5, 325).

Für das Entstehen eines vertraglichen Anspruchs auf Grund einer Betriebsübung ist entscheidend, welchen Eindruck die Arbeitnehmer bei sorgfältiger Überlegung von dem schlüssigen Erklärungsverhalten des Arbeitgebers haben durften. Hiebei darf der Kollektivbezug der Verpflichtung des Arbeitgebers, dem zu unterstellen ist, daß er die betroffenen Arbeitnehmer bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen auch gleich behandeln wollte, nicht übersehen werden. Es ist daher nur objektiv zu prüfen, ob die Arbeitnehmer auf die Verbindlichkeit der Vergünstigung vertrauen durften. Ob jeder einzelne Arbeitnehmer darauf vertraut hat, ist nicht zu prüfen. Dies könnte auch gar nicht praktikabler Gegenstand eines Beweisverfahrens sein (Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4, 268 f; Walter Schwarz zu DRdA 1987, 298).

Es kommt daher nicht darauf an, daß der Kläger (bis zu seiner Pensionierung, bzw auch danach) nichts unternahm, um eine Firmenpension nach den "Böhler-Richtlinien" zu erhalten (weil er möglicherweise der Meinung war, er könne für sich nur eine Pension nach den VEW-Richtlinien in Anspruch nehmen). Mit der Wissenserklärung, daß er zur Kenntnis nehme, daß die VEW-Pension jederzeit widerruflich sei, hat der Kläger keine Erklärung abgegeben, ob er (darüber hinaus) Rechte aus der Böhler-Pension geltend zu machen gedenke. Einen schlüssigen Verzicht auf eine solche Pension enthält die Erklärung zur VEW-Pension mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 863 ABGB nicht. Da er keine Pensionszusicherung der Gebrüder Böhler & Co KG, der Schoeller Bleckmann Stahlwerke AG oder der Steirischen Gußstahlwerke AG erhalten hatte, kam für ihn die Ausübung eines Wahlrechts im Sinne des Artikels 13 der Übergangsbestimmungen zur VEW-Pensionsordnung schon begrifflich nicht in Betracht. Die unrichtige Beurteilung der Rechtslage, nämlich die Ansicht, daß er nur eine VEW-Pension erhalten könne, schadet dem Kläger nicht. Sie ist ein deutliches Indiz für das Fehlen eines Verzichtswillens.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E32139

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:009OBA00261.92.1111.000

Dokumentnummer

JJT_19921111_OGH0002_009OBA00261_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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