TE OGH 1992/11/12 6Ob616/92

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Veröffentlicht am 12.11.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm. Walter K*****, vertreten durch Dr.Günther Steiner, Dr.Hanspeter Herle und Dr.Anton Krautschneider, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Elisabeth V*****, vertreten durch Dr.Werner Sporn, Rechtsanwalt in Wien, und ihres Nebenintervenienten Dkfm. Mathias P*****, vertreten durch Dr.Rudolf Krilyszin, Rechtsanwalt in Wien, wegen 54.001 S sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 29. Jänner 1992, GZ 15 R 215/91-21, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 20.Juni 1991, GZ 22 Cg 101/90-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.348,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 724,80 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Eine gemeinnützige Wohnbaugesellschaft mbH als Wohnungseigentums-Organisator (folgend Baugesellschaft) errichtete eine aus 20 Eigentumswohnungen bestehende Wohnhausanlage. Die Streitteile sind, der Nebenintervenient war Wohnungseigentümer. Während noch längerdauernde Verhandlungen eines "Verhandlungskomitees" der Wohnungseigentümer mit der Baugesellschaft über die Endabrechnung und Nachforderungsansprüche der Baugesellschaft stattfanden, verkaufte der Nebenintervenient am 30. Juli 1985 seine Wohnung an die Beklagte unter der Verpflichtung, sie in Ansehung (seiner Verpflichtung zur Zahlung) eines allfälligen Kaufpreisrestes schadlos zu halten. In der Folge fanden weitere Verhandlungen statt, an denen die Beklagte nicht teilnahm, sondern nur ihr Gatte. Fallweise beteiligte sich auch noch der Nebenintervenient an diesen Hausversammlungen, wobei sämtlichen Anwesenden und vor allem dem "Verhandlungskomitee" bekannt war, daß der Nebenintervenient immer wieder behauptete, mit Nachzahlungen an die Baugesellschaft infolge ihm zustehender Gegenforderungen nicht einverstanden zu sein. Dem "Verhandlungskomitee" mit einem zu Rate gezogenen Rechtsbeistand und der Baugesellschaft gelang es schließlich, einen Vergleichsvorschlag zu erarbeiten, in dem von den Wohnungseigentümern jeweils zu erbringende Nachzahlungen festgelegt wurden; auf die Beklagte entfiel eine Nachzahlung von 54.001 S. Weiters bildete einen Teil des Vergleichsvorschlages, daß aus einem bestehenden Reparaturfonds auf Abschlag der Zahlungen der einzelnen Wohnungseigentümer von der Baugesellschaft Beträge einbehalten werden; auf die Beklagte entfielen dabei 20.000 S, sodaß ihre tatsächliche Zahlungsbelastung 34.001 S betragen sollte.

Am 14.Oktober 1987 wurden anläßlich einer Versammlung der Wohnungseigentümer, an der nicht die Beklagte, wohl aber ihr Gatte teilnahm, nach Abstimmung eine Reihe von Beschlüssen gefaßt, die in der vom Rechtsbeistand Dr.W***** konzipierten Vereinbarung Beilage A (folgend Vergleich) Niederschlag fanden. Nach Punkt 1.) wird das nach mehrjährigen Verhandlungen mit der Baugesellschaft erzielte außergerichtliche Verhandlungsergebnis hinsichtlich Preisminderung, wie in beiden Schreiben vom 29.September 1987 von Rechtsanwalt Dr.S***** an Rechtsanwalt Dr.W***** sowie in ebenfalls beiliegender Liste der Baugesellschaft festgehalten, von den Wohnungseigentümern akzeptiert und die Baukostennachzahlung gegen Freilassung der Pfandrechte in Höhe von 100.000 S zugunsten der Baugesellschaft von diesen bis 30.November 1987 geleistet. Durch diese Zahlungen werden alle gegenseitigen Forderungen zwischen der Baugesellschaft und den Eigentümern als beglichen und bereinigt betrachtet. Auf top 16 (Beklagte) entfielen laut beigeschlossener Liste 54.001 S. Nachdem mit Ausnahme der Beklagten alle Wohnungseigentümer den Vergleich unterfertigt hatten, traf ein Wohnungseigentümer, der die Vereinbarung Beilage A bei sich hatte, die Beklagte und ihren Gatten in der Garage der Anlage und sprach sie auf die Unterfertigung derselben an. Die Beklagte war von ihrem Gatten nach Ende der Hausversammlung vom 14.Oktober 1987 in Kenntnis gesetzt worden, "die Wohnungseigentümer hätten sich mit der Baugesellschaft geeinigt auf Nachzahlung eines bestimmten Betrages pro Wohnung". Dieser Wohnungseigentümer ersuchte die Beklagte um Unterfertigung der Vereinbarung Beilage A, wobei er ihr darlegte, daß dieser Vergleich nur zustande käme, wenn alle Wohnungseigentümer unterschreiben würden. Der Rechtsanwalt wolle auch schriftlich durch Unterfertigung Sicherheit, daß sämtliche Wohnungseigentümer mit dem von ihm abzuschließenden Vergleich einverstanden seien. Die Beklagte erklärte, nicht zu wissen, wie die Sache mit dem Nebenintervenienten sei, zeigte sich etwas unsicher, unterschrieb jedoch letzlich dennoch die ihr vorgelegte Vereinbarung Beilage A, wobei ihr sehr wohl klar war, daß sie damit die erwähnte Zahlungsverpflichtung eingegangen war. In der Folge weigerte sich aber die Beklagte, die von ihr übernommene Zahlung an die Baugesellschaft zu leisten; darüber hinaus überwies ihr die Baugesellschaft über ihr Verlangen 20.000 S aus dem Reparaturfonds. Um letztlich den Vergleich nicht scheitern zu lassen, einigten sich der Kläger sowie zwei weitere Wohnungseigentümer (folgend Zedenten), den auf die Beklagte entfallenden Anteil von 54.001 S an die Baugesellschaft zu leisten; die beiden Zedenten zedierten ihre "Anteile" an dieser (tatsächlich erfolgten) Zahlung dem Kläger.

Der Kläger begehrt von der Beklagten 54.001 S sA mit dem wesentlichen Vorbringen, die Beklagte habe sich geweigert, ihrer Verpflichtung aus dem Vergleich nachzukommen, sodaß der Kläger sowie die beiden Zedenten die Schuld der Beklagten der Baugesellschaft bezahlen mußten. Vor Erbringung der Leistung an die Baugesellschaft habe der Kläger und die beiden Zedenten die Abtretung deren, auf Grund des Vergleichs gegenüber der Beklagten zustehenden Rechte verlangt und diese auch erhalten.

Die Beklagte wendet ein, ihren Wohnungseigentumsanteil erst nach dem Vergleich vom Nebenintervenienten erworben zu haben. Eine allfällige Nachforderung der Baugesellschaft treffe daher nicht sie, sondern den Nebenintervenienten. Soweit der Kläger offenbar eine Forderungseinlösung nach § 1422 ABGB behaupte, sei eine solche nicht erfolgt, weil die Abtretung der (vermeintlichen) Forderung der Baugesellschaft an den Kläger und die beiden Zedenten erst am 30.Mai 1988 erfolgt sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Beklagte habe sich gegenüber der Baugesellschaft zur Zahlung eines Betrages von 54.001 S per 30.November 1987 verpflichtet, sich jedoch in der Folge geweigert, der übernommenen Verpflichtung nachzukommen. In Erfüllung der Schuld der Beklagten habe gleichsam vorschußweise das "Verhandlungskomitee", nämlich der Kläger und die beiden Zedenten, die Schuld der Beklagten beglichen. Daß der Nebenintervenient der Beklagten zugesagt habe, sie in Ansehung allfälliger Nachforderungen des Kaufpreises durch die Baugesellschaft schadlos zu halten, betreffe nur deren Innenverhältnis und könne hier nicht erfolgreich eingewendet werden.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Die zweite Instanz übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und folgerte rechtlich:

Da sich die Beklagte zur Zahlung des auf sie entfallenden Vergleichsbetrages verpflichtet habe, hätten die übrigen Miteigentümer wegen der Bindung der Zahlung zur Wirksamkeit des Vergleiches an einen Zeitpunkt nicht warten können, bis die Zahlungsverpflichtung der Beklagten durch ein Gericht rechtskräftig festgestellt werde, sondern hätten, um selbst nicht des Vergleiches verlustig zu gehen, die Zahlung für die Beklagte leisten müssen. Sie hätten demnach als Geschäftsführer ohne Auftrag gehandelt, seien doch eigene Interessen mit Fremdinteressen zusammengetroffen.

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist nicht absolut unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO). Der Kläger macht seinen und die ihm abgetretenen Ansprüche zweier weiterer Wohnungseigentümer (Zedenten), die jeweils 50.000 S nicht übersteigen, geltend. Die Klage wurde am 24. Oktober 1989, somit nach dem 31.Juli 1989 bei Gericht eingebracht, weshalb § 55 JN in seiner Fassung durch Art IX Z 3 der WGN 1989 anzuwenden ist. Danach sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammenzurechnen, wenn ... sie von mehreren Parteien ... erhoben werden, die Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sind (§ 55 Abs 1 Z 2 JN). Der Kläger und die beiden Zedenten, die nach ihrem Vorbringen gemeinsam eine Schuld der Beklagten aus der Vereinbarung Beilage A bezahlten, sind materielle Streitgenossen, sodaß bei einer Einklagung durch alle drei Zahler § 11 Z 1 ZPO anzuwenden wäre. Durch die Zession an den Kläger ändert sich daran nichts (Fasching I 346), sodaß infolge Zusammenrechnung der drei Ansprüche der Streitgegenstand 50.000 S übersteigt. Die ist nach § 55 Abs 5 JN auch für die Zulässigkeit des Rechtsmittels maßgebend.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Beklagte brachte durch die Unterfertigung der Vereinbarung Beilage A ihr Einverständnis zum Inhalt und zum Abschluß dieses außergerichtlichen Vergleiches - auch durch einen Rechtsanwalt, wie sich aus Beilage A ergibt - mit der Baugesellschaft zum Ausdruck und war damit zur Erfüllung desselben, das heißt zur Zahlung einer Geldschuld von 54.001 S, davon 20.000 S durch Kompensation mit einer Forderung an die Baugesellschaft (Reparaturfonds), auch gegenüber der Baugesellschaft bis 30.November 1987 verpflichtet. Sie weigerte sich jedoch in der Folge, Zahlung von 34.001 S zu leisten, und machte überdies durch die erfolgreiche Einforderung des Betrages von 20.000 S gegenüber der Baugesellschaft aus dem Reparaturfonds eine Kompensation mit ihrer Geldschuld von 54.001 S unmöglich.

Einen ausdrücklichen Rechtsgrund für den Zuspruch des Klagsbetrages enthält die Klage nicht. Eine Subsumierung unter einen Anspruch auf Aufwandersatz iS der §§ 1035 f ABGB kommt hier entgegen der Auffassung der zweiten Instanz nicht in Frage. Selbst wenn man auch von eigenen Interessen der Beklagten an der Zahlung des Vergleichsbetrages, somit vom Zusammentreffen von eigenen und fremden Interessen ausgehen und die Anwendbarkeit der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag bejahen wollte (SZ 57/167; EvBl 1968/39 ua; Rummel in Rummel2, Rz 5 zu § 1035 ABGB), läge doch im Hinblick auf die dem Kläger und den beiden anderen Wohnungseigentümern (Zedenten) bekannte Weigerung als Verbot (vgl dazu Stanzl in Klang2 IV/1 906 f) der Beklagten, den auf sie entfallenden Vergleichsbetrag, teilweise durch Aufrechnung, zu bezahlen, eine verbotene Geschäftsführung (§ 1040 ABGB) vor, die einem Anspruch auf Aufwandersatz entgegensteht.

§ 1042 ABGB erweitert §§ 1358, 1422 ABGB bei Aufwand für einen anderen, insbesondere Zahlung fremder Schulden, um einen Bereicherungsregreß, besteht bei Zahlung fremder Schulden in Geschäftsführungsabsicht für den Schuldner neben den Ansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag und geht bei einem Einlösungsverlangen § 1422 ABGB nach (Rummel aaO Rz 1 zu § 1042 ABGB).

Wer die Schuld eines anderen, für die er nicht haftet (§ 1358 ABGB), bezahlt, kann vor oder bei der Zahlung vom Gläubiger die Abtretung seiner Rechte verlangen; hat er dies getan, so wirkt die Zahlung als Einlösung der Forderung. Die sogenannte notwendige Zession nach § 1422 ABGB hat den Zweck, durch das Abtretungsverlangen einen automatischen Rechtsübergang herbeizuführen. Voraussetzung ist nur, daß der Gläubiger bereit ist, die (ohne Einverständnis mit dem Schuldner angebotene; § 1423 ABGB) Zahlung des für die Forderung nicht haftenden Dritten anzunehmen und der Zahler spätestens bei der Zahlung gegenüber dem Gläubiger (hier Baugesellschaft) ein Abtretungsbegehren stellt (EvBl 1992/100 mwN), somit den Rechtsübergang verlangt. Daß der Kläger und die beiden Zedenten für die Geldschuld der Beklagten nicht hafteten, ist ebenso unbestritten wie die Tatsache, daß auch im Innenverhältnis keine Zahlungspflicht der Zahler gegenüber der Beklagten bestand (Mader in Schwimann, Rz 2 zu § 1422 ABGB) und die Gläubigerin die Zahlung annahm.

Das sich nach § 1422 ABGB erforderliche Verlangen auf Abtretung der Rechte des Gläubigers kann auch schlüssig erfolgen, sich aus den Umständen des Falles ergeben (JBl 1988, 379; JBl 1981, 93; SZ 49/149 ua; Reischauer in Rummel2, Rz 5 zu § 1422 ABGB; Mader aaO Rz 11 f; Mayrhofer in Ehrenzweig, Schuldrecht AT3 484 mwN in FN 22). Die Schlüssigkeit wird sich häufig aus der Deutung des Zahlungsaktes nach der Verkehrssitte (§ 863 Abs 2 ABGB) ergeben (Reischauer aaO) bzw nach den Umständen als selbstverständlich angesehen werden (JBl 1981, 93 ua; Reischauer aaO mwN). Die Rechtsprechung nahm eine derartige Schlüssigkeit schon dann an, wenn keine Indizien für den Willen des zahlenden Dritten, den Schuldner von der Schuld zu befreien, bestehen, unterstellt somit den Einlösungswillen geradezu mangels gegenteiliger Anhaltspunkte (vgl EvBl 1986/67 = RdW 1985, 179 mit krit Anm von Iro; JBl 1981, 93; Reischauer aaO). Davon ist auch hier auszugehen. Es fehlen ausreichende Hinweise, daß die drei Zahler die fremde Forderung der Baugesellschaft gegen die den Vergleich zu erfüllen sich weigernde Beklagte nicht einlösen, sondern tilgen wollten. Der Kläger und die beiden Zedenten hatten nach dem Inhalt der Vereinbarung Beilage A keine Zahlung an die Baugesellschaft zu erbringen. Die Einwilligung des Schuldners ist zur Einlösung nicht erforderlich, solange der Gläubiger die Zahlung des Dritten annimmt; der Schuldner muß von der Einlösung nicht einmal Kenntnis haben (EvBl 1956/248; Reischauer aaO Rz 7; Mader aaO Rz 8).

Demgemäß ist der außerordentlichen Revision nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E33106

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0060OB00616.92.1112.000

Dokumentnummer

JJT_19921112_OGH0002_0060OB00616_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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