Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Angst, Dr. Redl und Dr. Graf als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Johanna ***** S*****, Finnland, vertreten durch Dr. Herwig HAMMERER, Rechtsanwalt in Krems/Donau, gegen die verpflichtete Partei Dr. Peter ***** S*****, vertreten durch Dr. Max URBANEK, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen fmk 97.576 sA, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 15.7.1992, GZ 12 R 49/92-17, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Krems/Donau vom 31.1.1992, GZ 6 Nc 21/91-6, zum Teil abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die betreibende Partei beantragte, ihr aufgrund der Urteile des Bezirksgerichtes Vantaa vom 18.11.1975 und des Kreisgerichtes Vehmaa vom 29.5.1980 sowie verschiedener Amtsvermerke des Sozialausschusses von Laitila zur Hereinbringung rückständiger und laufender Unterhaltsbeträge gegen den Verpflichteten die Fahrnis- und Gehaltsexekution zu bewilligen.
Das Erstgericht wies den Antrag ab.
Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung hinsichtlich eines rückständigen Unterhalts für den Zeitraum vom 27.12.1991 bis 31.12.1991 von fmk 150 sowie des laufenden Unterhalts ab 1.1.1992 von fmk 938 monatlich; es gab dem Antrag, die Fahrnis- und Gehaltsexekution aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Kreisgerichtes Vehmaa vom 29.5.1980 und der (näher bezeichneten) Amtsvermerke des Sozialausschusses der Gemeinde Laitila zur Hereinbringung rückständigen Unterhalts von fmk 97.576 für den Zeitraum vom 29.5.1980 bis 26.12.1991 zu bewilligen, statt und hob die Entscheidung des Erstgerichtes hinsichtlich eines Zeitraumes bis zum 28.5.1980 zur neuen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die zweite Instanz sprach aus, daß der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Dem Artikel 4 Z 2 des Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommens lasse sich das Erfordernis einer formellen Vollstreckbarkeitsbestätigung der Titelurkunde nicht entnehmen. Es genüge, daß sich aus der Urkunde ergibt, daß die Entscheidung vollstreckbar ist. Die Bestätigung, daß die Entscheidung in dem Staat, in dem sie erging, Rechtskraft erlangt habe, ersetze dann die Vollstreckbarkeitsbestätigung. Die Entscheidung des Kreisgerichtes Vehmaa enthalte die Bestätigung, daß sie innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht angefochten wurde, und bilde daher einen Exekutionstitel. Sie decke allerdings nur den Anspruch auf rückständigen Unterhalt für die Zeit vom 29.5.1980 bis 26.12.1991 als dem Tag, an dem die betreibende Partei das 18. Lebensjahr vollendete. Der betriebene Unterhaltsanspruch sei nach der finnischen Rechtsordnung wertgesichert; der Umfang der Wertsicherung ergebe sich aus den Amtsvermerken des Sozialausschusses der Gemeinde Laitila, die einen integrierenden Bestandteil des Unterhaltstitels bildeten. Hinsichtlich des rückständigen Unterhalts für die Zeit bis zum 28.5.1980 werde das Erstgericht der betreibenden Partei die Verbesserung durch Beibringung einer beglaubigten Übersetzung der Entscheidung des Bezirksgerichtes Vantaa in die deutsche Sprache aufzutragen haben.
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Verpflichteten ist zulässig, weil eine Rechtsprechung zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen aufgrund von Entscheidungen, die in der vorliegenden Form in Finnland ergangen sind, fehlt. Er ist jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. In zutreffender Weise hat das Rekursgericht nach der auf dem Urteil des Kreisgerichtes Vehmaa angebrachten Bestätigung, daß die Entscheidung innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht angefochten wurde, die Ansicht vertreten, es ergebe sich aus der Urkunde, daß die Entscheidung vollstreckbar ist (Art 4 Z 2 des Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommens). An die Rechtskraft knüpft sich regelmäßig auch die Vollstreckbarkeit; sie "ergibt" sich aus dieser (3 Ob 55/84 = RZ 1985/79 = ZfRV 1986, 133; 3 Ob 106/86). Die Bestimmung des Art 13 Abs 1 des mit 1.5.1988 in Kraft getretenen Abkommens zwischen der Republik Österreich und Finnland über die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilsachen, BGBl 1988/118, wonach die Partei, welche die Vollstreckung beantragt,
.... den Nachweis der Vollstreckbarkeit im Entscheidungsstaat sowie
.... den Nachweis der Rechtskraft vorzulegen hat, ändert daran
nichts, zumal das Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommen, dessen Zweck es ist, die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen sicherzustellen, die den Unterhaltsanspruch von Kindern zum Gegenstand hat (Art 1 Abs 1 des Übereinkommens), gegenüber dem bilateralen Vertrag, der generell auf Entscheidungen, die auf dem Gebiet des Zivilrechts gefällt wurden, anzuwenden ist (Art 1 Abs 1 des Abkommens BGBl 1988/118), die speziellere Norm ist (vgl. 3 Ob 6/63) und das Abkommen BGBl 1988/118 nach seinem Art 16 Abs 1 (ausdrücklich) nicht die Bestimmungen anderer Abkommen oder Vereinbarungen berührt, denen die beiden Vertragsstaaten angehören und die die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen oder Vergleichen regeln.
2. Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht des Verpflichteten handelt es sich beim Urteil des Kreisgerichtes Vehmaa vom 29.5.1980 nicht um eine Versäumnisentscheidung iSd Art 4 Z 3 des Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommens. Der Verpflichtete war in dem Verfahren, zu dem er unter Anschluß der Klage durch Veröffentlichung (Bekanntmachung) im (finnischen) Amtsblatt gemäß der finnischen Prozeßordnung vorgeladen worden war, durch einen Abwesenheitskurator ("Verwalter") in der Person des Gerichtsbeamten Kimmo KOIVISTO vertreten.
3. Verfehlt ist der Vorwurf, es habe zum Zeitpunkt der Einbringung des Rekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Erstgerichtes (18.2.1992) kein aufrechtes Vollmachtsverhältnis des Vertreters der betreibenden Partei bestanden, weil die am 26.12.1973 geborene betreibende Partei zu diesem Zeitpunkt bereits großjährig und die Vollmachtskette durch den Wegfall der gesetzlichen Vertretung durch die Mutter unterbrochen gewesen sei. Zwar war die betreibende Partei zu dem genannten Zeitpunkt tatsächlich bereits volljährig, weil in Finnland das Volljährigkeitsalter mit Gesetz vom 3.6.1976, Nr. 457, auf 18 Jahre herabgesetzt wurde (vgl. Bergmann-Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht3, Finnland, 87, Anm 4); doch wurde sie nicht von einem von ihrer (vormaligen) gesetzlichen Vertreterin bevollmächtigten Rechtsanwalt, sondern im Sinne des Beschlusses des Erstgerichtes vom 20.11.1991, ON 8, und des Bescheides der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 26.11.1991, ON 9, von einem ihr gemäß § 6 Abs 4 des Gesetzes BGBl 1969/317 idF BGBl 1986/377 zur Verfahrenshilfe beigebenen Rechtsanwalt vertreten.
Daran hat sich durch die Erreichung der Volljährigkeit nichts geändert.
4. Nicht berechtigt ist schließlich auch die Ansicht, es seien der Exekutionsbewilligung nicht auch die durch das Sozialamt Helsinki bestätigten Indexierungen zugrundezulegen. Der Verpflichtete meint, der vorliegende Sachverhalt unterscheide sich wesentlich von jenem, der der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 7.5.1986, 3 Ob 39/86 (= SZ 59/81) zugrundegelegen sei; denn in jenem Verfahren sei die Indexierung - bei einem schwedischen Urteil - vom Gerichtsvollzieheramte, also von einem Gerichtsorgan, ausgestellt worden; eine Verbindung des Sozialamtes zum Gericht sei dagegen nicht ersichtlich. Werde in Art 15 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und Finnland über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilsachen, BGBl 1988/118, bestimmt, daß Bestätigungen des finnischen Sozialausschusses über die geänderte Höhe der aufgrund von Entscheidungen, Vergleichen oder Verträgen geschuldeten Unterhaltsbeiträge als Teil des betreffenden Unterhaltstitels gelten, sei zu beachten, daß nach Art 17, zweiter Absatz, des Abkommens dieses, wenn die Entscheidung vor dem Tag seines Inkrafttretens (1.5.1988) gefällt worden ist, mit der Maßgabe anzuwenden ist, daß der betreffende Unterhaltstitel nur hinsichtlich der nach dem Tag des Inkrafttretens fällig werdenden Zahlungen gemäß diesem Abkommen anzuerkennen und zu vollstrecken ist.
Nun berührt allerdings, wie bereits erwähnt wurde, das genannte Abkommen gemäß Art 16, erster Absatz, nicht die Bestimmungen anderer Abkommen oder Vereinbarungen, denen die beiden Vertragsstaaten angehören und die die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen oder Vergleichen regeln.
In der gleichen Weise wie in Schweden (im Fall der Entscheidung SZ 59/81) besteht auch in Finnland eine automatische Anpassung von Unterhaltsrenten an die gestiegenen Lebenshaltungskosten, und zwar durch das Gesetz vom 16.12.1966, Nr. 660. Die Berechnung der Steigerungen des Lebenshaltungskostenindex obliegt dem Sozial- und Gesundheitsministerium, das jeweils im November durch Beschluß den Eintritt einer Beitragserhöhung konstatieren und den prozentualen Erhöhungsbetrag bezeichnen soll; der Beschluß wird im Gesetzblatt veröffentlicht. Die Beitragserhöhungen gemäß dem Indexgesetz treten jeweils zum Jahresbeginn kraft Gesetzes ein, es bedarf hiezu keiner gerichtlichen Abänderung des Unterhaltstitels; doch sind nach § 5 des Gesetzes die Sozialämter der finnischen Gemeinden gehalten, auf allen ihnen vorgelegten Unterhaltstiteln den Zeitpunkt der Beitragserhöhung und den erhöhten Unterhaltsbeitrag zu vermerken; dieser Vermerk hat deklarativen Charakter ("Der Amtsvormund" 1984, 283 ff).
Ist aber nach dem genannten Gesetz der Vermerk des Sozialausschusses auf den ihm vorgelegten Unterhaltstiteln anzubringen, handelt es sich dabei ebenso um einen (integrierenden) Teil der Entscheidung wie die Bestätigung des Gerichtsvollzieheramtes im Fall der Entscheidung SZ 59/81 und bildet damit auch schon für die Zeit vor dem Abkommen BGBl 1988/118 gemeinsam mit der gerichtlichen Entscheidung eine "Entscheidung" im Sinne der Bestimmungen des Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommens.
Der Revisionsrekurs erweist sich damit als unbegründet, sodaß ihm ein Erfolg zu versagen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO und die §§ 40, 50 ZPO.
Anmerkung
E30786European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0030OB00106.92.1118.000Dokumentnummer
JJT_19921118_OGH0002_0030OB00106_9200000_000