TE OGH 1992/11/19 8Ob648/92 (8Ob649/92)

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.11.1992
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Firma S***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Horst Wendling, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wider die beklagte und widerklagende Partei Horst E*****, Handelsvertreter, ***** vertreten durch Dr.Erich Schwarz, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 178.067,10 sA (Klage) und S 172.123,13 sA (Widerklage), infolge Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 11. August 1992, GZ 2 R 139, 140/92-42, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 16.März 1992, GZ 10 Cg 276/89-38, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes, das hinsichtlich des Zuspruches von S 72.084,13 samt 8,75 % Zinsen vom 20.Jänner 1989 bis 14.Februar 1989, 9,25 % Zinsen vom 15.Februar 1989 bis 14.Juni 1989, 9,75 % Zinsen vom 15.Juni 1989 bis 14.Oktober 1989, 10,25 % Zinsen vom 15. Oktober 1989 bis 31.Dezember 1989, 10,75 % Zinsen vom 1.Jänner 1990 bis 28.März 1990 und 5 % Zinsen seit 29.März 1990 als unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist, wird im übrigen aufgehoben.

Dem Berufungsgericht wird eine neue Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Beklagte und Widerkläger (im folgenden nur mehr Beklagter genannt) war für die klagende und widerbeklagte Gesellschaft (in der Folge als Klägerin bezeichnet) vom 1.Jänner 1987 bis 30.April 1989 als Handelsvertreter tätig. Der zwischen den Streitteilen am 15. Jänner 1987 abgeschlossene schriftliche Handelsvertretervertrag sah vor, daß der Beklagte für die im Vertragsgebiet (Kärnten, Tirol, Vorarlberg und Salzburg) getätigten und von den Kunden bezahlten Umsätze folgende "Netto-Umsatzprovision" zu erhalten habe: Bis zu einem Umsatz von 10 Millionen Schilling 8 %, bis 15 Millionen Schilling 7 %, bis 20 Millionen Schilling 6 % und bis 25 Millionen Schilling 5 %; der "Netto-Umsatz" sollte durch Abzug sämtlicher Erlösminderungen, wie Rabatte, Skonti, Reklamationen, Retour- und sonstiger Gutschriften ermittelt werden. Die Provision sollte nach Eingang der Kundenzahlungen fällig sein und monatlich abgerechnet und überwiesen werden. Bei Auftragsstornierungen sowie bei Zahlungsunfähigkeit von Kunden, gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichen sollte der Beklagte keine Provision erhalten.

Die Klägerin begehrte nach Klageeinschränkung die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 178.067,10 samt Zinsen mit der Begründung, aus der Geschäftsbeziehung der Parteien hafte dieser Betrag als Saldo zu ihren Gunsten aus. Die dem Beklagten gewährten Provisionsakontozahlungen hätten seine Provisionsansprüche überschritten, weiters habe er ihm gelieferte Ware nicht bezahlt. Dem Beklagten sei die Möglichkeit geboten worden, ein Lager der Klägerin zu benützen und Waren daraus zu verkaufen. Nach Feststellung eines Lagerfehlbestandes habe man sich dahin geeinigt, daß der Beklagte einen Betrag von S 164.579,10 zu ersetzen habe. Eine Forderung in der Höhe von S 28.320,-- resultiere daraus, daß der Beklagte vereinbarungswidrig einen Preisnachlaß gewährt habe.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und machte seinerseits aus der Geschäftsbeziehung zur Klägerin einen Saldo von S 172.123,13 zu seinen Gunsten geltend. Bei der Berechnung seines Provisionsanspruches (im Schriftsatz ON 17) ging der Beklagte davon aus, daß ihm auch 20 % Umsatzsteuer von der vereinbarten Provision zustünden. Den Saldo von S 172.123,13 machte der Beklagte auch zum Gegenstand einer Widerklage.

Die Klägerin bestritt die vom Beklagten erhobenen Einwendungen und beantragte die Abweisung des Widerklagebegehrens.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von S 161.267,10 samt stufenweiser Zinsen; das Mehrbegehren der Klägerin auf Zahlung weiterer S 16.800,-- samt Zinsen sowie das Widerklagebegehren wies es ab.

Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus wurden noch folgende wesentliche Feststellungen getroffen:

Aufgrund der vom Beklagten für die Klägerin entfalteten Tätigkeit erstellte die Klägerin für den Zeitraum 1.Jänner 1987 bis 30.April 1989 5 Provisionsabrechnungen (Beilagen A bis E), die dem Beklagten übermittelt wurden und nachvollziehbar sind. Vom Beklagten wurde ein Netto-Umsatz von insgesamt S 6,987.533,68 erreicht, die 8 %ige Provision hiefür beträgt S 559.002,70. Hinsichtlich der Verkäufe aus dem Warenlager der Klägerin in Salzburg wurde eine abweichende Provisionshöhe nicht vereinbart.

Die weiteren Feststellungen des Erstgerichtes sind für das Revisionsverfahren nicht mehr relevant.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß unter Zugrundelegung der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung der Provisionsanspruch des Beklagten zwar nur S 559.002,70 betrage, doch gehe die Klägerin selbst von einem berechtigten Provisionsanspruch in der Höhe von S 581.620,27 aus, sodaß dieser Betrag der Berechnung des offenen Saldos zugrunde zu legen sei. Dieser Forderung stünden unstrittige Abzüge in Höhe von S 528.173,31 gegenüber; abzuziehen seien weiters S 164.579,10 aufgrund des Fehlbestandes beim Lager S*****. Durch die rechtswidrige schuldhafte Gewährung eines Sonderpreises habe der Beklagte der Klägerin einen Schaden in der Höhe von S 28.320,-- zugefügt. Da auch eine weitere Forderung der Klägerin in der Höhe von S 21.814,96 berechtigt sei, betrage die Gesamtforderung der Klägerin S 742.887,37; unter Abzug des Provisionsanspruches des Beklagten verbleibe ein Saldo von S 161.267,10.

Die Abweisung des Mehrbegehrens von S 16.800,-- sowie des Widerklagebegehrens erwuchsen in Rechtskraft.

Im übrigen bestätigte das vom Beklagten angerufene Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichtes.

Der Beklagte machte in seiner Berufung unter anderem geltend, es seien im vorliegenden Verfahren "ausschließlich Bruttobeträge relevant", es seien daher zu seinem Provisionsanspruch noch 20 % Umsatzsteuer hinzuzurechnen. Das Berufungsgericht vertrat hiezu die Ansicht, es sei nicht ersichtlich, worauf der Beklagte diesen Einwand gründe. Weder biete der Handelsvertretervertrag eine Handhabe in dieser Richtung noch habe der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren ein Vorbringen erstattet, das die Berücksichtigung einer 20 %igen Umsatzsteuer rechtfertigen könnte; er habe lediglich im Schriftsatz ON 17 völlig unsubstantiiert behauptet, zu den einzelnen Provisionsbeträgen komme noch 20 % Umsatzsteuer hinzu. Worauf der Beklagte diese Forderung gründe, vermöge die Berufung nicht darzutun, nach dem klaren Wortlaut des Handelsvertretervertrages vom 15.Jänner 1987 betrage die Provision lediglich 8 %.

Gegen den Zuspruch eines Betrages von S 89.182,97 samt Zinsen richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung abzuändern und der Klägerin lediglich einen Betrag von S 72.084,13 zuzusprechen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin hat in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel des Beklagten zurückzuweisen, in eventu ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht das mit dem Vorbringen des Beklagten offensichtlich übereinstimmende Vorbringen der Klägerin außer acht gelassen hat und ausgehend von der unrichtigen Rechtsansicht, das Vorbringen des Beklagten sei unsubstantiiert und nicht verständlich sich mit den Argumenten der Berufung nicht auseinandersetzte und mit der Klägerin die Frage, wie ihr Vorbringen zu verstehen sei, nicht erörterte. Das Berufungsgericht hat damit eine Verfahrensvorschrift (§ 182 ZPO) verletzt, der zur Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtseinheit erhebliche Bedeutung zukommt.

Das Rechtsmittel des Beklagten ist im Sinne seines Eventualantrages auf Aufhebung auch berechtigt.

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens erblickt der Beklagte darin, daß die Vorinstanzen es unterließen, festzustellen, daß als Entgelt eine 8 %ige Provision zuzüglich der anfallenden Umsatzsteuer von 20 % vereinbart wurde. Es sei in erster Instanz gar nicht strittig gewesen, daß zur 8 %igen Provision noch die Umsatzsteuer hinzuzurechnen sei, dies sei von beiden Parteien praktisch übereinstimmend vorgebracht worden. Eine Erörterung dieser Frage sei unterblieben, weil sämtliche Vertragsparteien von diesem Umstand als Selbstverständlichkeit ausgingen. Dies ergebe sich aus den von der klagenden Partei selbst vorgelegten Provisionsabrechnungen Beilage A, B und C.

Diese Ausführungen sind grundsätzlich zutreffend.

Der Beklagte hat im vorbereitenden Schriftsatz ON 17 die von ihm geltend gemachten Ansprüche dargelegt und dabei jeweils zu der von ihm errechneten Provision 20 % Umsatzsteuer hinzugerechnet. Zu diesem Vorbringen des Beklagten hat die Klägerin mit dem vorbereitenden Schriftsatz ON 19 Stellung genommen, ohne die vom Beklagten geltend gemachte 20 %ige Umsatzsteuer zu bestreiten; vielmehr ging sie selbst auf S 7 dieses Schriftsatzes (AS 85) von einer "Mehr-Provision inklusive MWSt." aus und auch auf Seite 12 dieses Schriftsatzes (AS 90) ist von einer sich "inklusive MWSt" ergebenden Provision des Beklagten die Rede. Ferner ist in den von der klagenden Partei vorgelegten Urkunden Beilage A bis C, die sie auch ihrer Berechnung im vorbereitenden Schriftsatz ON 19 zugrundelegt, jeweils eine 20 %ige Umsatzsteuer bei den Provisionsansprüchen der Beklagten berücksichtigt. So wird etwa in der Provisionsabrechnung Beilage A und auf Seite 5 des Schriftsatzes ON 19 ein Provisionsanspruch des Beklagten in der Höhe von S 35.866,76 für den Zeitraum 1.Jänner 1987 bis 30.Juni 1987 errechnet. Dieser Betrag setzt sich, wie sich aus Beilage A ergibt, aus 8 % Provision errechnet auf der Basis von S 373.612,05 in der Höhe von S 29.888,96 und 20 % Umsatzsteuer in der Höhe von S 5.977,79 zusammen. Auch im Gutachten des Sachverständigen, das das Erstgericht weitgehend seinen Feststellungen zugrundelegte, ist von einer "Nettoprovision" die Rede (AS 167). Zutreffend weist also der Beklagte darauf hin, daß die Klägerin selbst offensichtlich im erstgerichtlichen Verfahren davon ausgegangen ist, es seien seinen Provisionsansprüchen auch 20 % Umsatzsteuer zuzurechnen. Die Frage, ob dem Beklagten 20 % Umsatzsteuer zuzusprechen sind, hat mit der Berechnung des Nettoumsatzes wie er im Handelsvertretervertrag definiert ist, nichts zu tun. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, es sei nicht ersichtlich, worauf der Beklagte seine Forderung auf Zahlung von 20 % Umsatzsteuer stütze, ist sohin nicht zutreffend. Da das Berufungsgericht die Frage der Umsatzsteuer aus der dem Beklagten zustehenden Provision mit der klagenden Partei nicht erörtert hat, leidet das berufungsgerichtliche Verfahren an einem Mangel, der eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache verhindert. Im fortgesetzten Verfahren wird das Berufungsgericht in der von Amts wegen anzuberaumenden Berufungsverhandlung (siehe Fasching, LB2, Rz 1800) mit der klagenden Partei zu erörtern haben, ob sie den Anspruch des Beklagten auf Zahlung von 20 % Umsatzsteuer aus der ihm zustehenden Provision bestreitet. Sollte das der Fall sein, so wird der Klägerin das oben zitierte Vorbringen im Schriftsatz ON 19 vorzuhalten sein und es wird dann einer Erörterung der von ihr stammenden Urkunden Beilagen A bis E bedürfen. Sollte dies nicht dazu führen, daß die klagende Partei ohnehin den Anspruch des Beklagten auf Zahlung von 20 % Umsatzsteuer anerkennt, so wird mit den Parteien zu erörtern sein, worauf sich der vom Beklagten geltend gemachte Anspruch stützt, nämlich ob, wann und zwischen wem eine derartige Vereinbarung, sei es ausdrücklich, sei es schlüssig, getroffen wurde. Im Falle widerstreitenden Vorbringens wird eine Beweisaufnahme erforderlich sein.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E30178

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0080OB00648.92.1119.000

Dokumentnummer

JJT_19921119_OGH0002_0080OB00648_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten