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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der N, geboren 1961, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 22. Juli 2005, Zl. SD 1337/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (der Erstbehörde) vom 14. Jänner 2005 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Serbien und Montenegro, gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 48 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen. Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 23. März 2005 wurde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Auf Grund der von der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde dieser Bescheid mit hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2005, Zl. 2005/18/0177, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Zur näheren Begründung wird auf dieses Erkenntnis verwiesen.
2. Mit (Ersatz-)Bescheid der belangten Behörde vom 22. Juli 2005 wurde der von der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG (neuerlich) keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass sich das Aufenthaltsverbot auf § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 FrG stütze und gemäß § 39 Abs. 1 FrG für die Dauer von fünf Jahren erlassen werde.
Die Beschwerdeführerin habe vom 6. Oktober 1988 bis 4. Jänner 1995 mit Unterbrechungen über Sichtvermerke und vom 5. Jänner 1995 bis zum 30. Juni 1995 über eine Aufenthaltsbewilligung für das Bundesgebiet verfügt. Am 15. Dezember 1992 habe sie den österreichischen Staatsbürger Roland N. geehelicht. Dieser habe für die Eheschließung S 10.000,--
erhalten. Es sei weder zu einem Vollzug der Ehe gekommen noch hätten die Ehegatten jemals ein gemeinsames Familienleben geführt. Die Ehe sei mit Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 23. Mai 1996 rechtskräftig für nichtig erklärt worden. Ein Antrag auf Verlängerung der zuletzt erteilten Aufenthaltsbewilligung sei mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Februar 1996 wegen des Vorliegens einer Scheinehe rechtskräftig abgewiesen worden. Die Erstbehörde habe mit dem (im Instanzenzug von der erkennenden Behörde bestätigten) Bescheid vom 24. Juni 1997 gegen die Beschwerdeführerin wegen Eingehens dieser Scheinehe rechtskräftig ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Am 16. April 1997 habe sich die Beschwerdeführerin behördlich abgemeldet und das Bundesgebiet verlassen. Am 15. August 2000 habe sie in Jugoslawien den österreichischen Staatsbürger Rudolf Sch. geheiratet. Am 3. September 2000 sei sie - nach Erhalt eines bis zum 28. Februar 2001 gültigen Visums "D" - nach Österreich eingereist. Am 15. Jänner 2001 habe sie einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" eingebracht, wobei sie sich auf die eheliche Gemeinschaft mit ihrem Gatten Rudolf Sch. berufen habe. Die erstinstanzliche Abweisung dieses Antrages sei mit Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 18. September 2001 mit der Begründung bestätigt worden, dass die Beschwerdeführerin auf Grund des neuerlichen Eingehens einer Scheinehe die öffentliche Ordnung in hohem Maß gefährdet habe. Die Ehe sei mit Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 22. Oktober 2002 rechtskräftig für nichtig erklärt worden, weil die Ehe vermittelt worden sei, damit die Beschwerdeführerin in Österreich bleiben und hier arbeiten könne. Für die Eheschließung habe die Beschwerdeführerin Rudolf Sch. S 25.000,-- bezahlt. Die Aufnahme einer ehelichen Gemeinschaft sei nie beabsichtigt gewesen, weil die Beschwerdeführerin bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung mit ihrem Lebensgefährten und den beiden Kindern aus dieser Beziehung zusammengelebt habe.
Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG seien erfüllt. Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertige. Diese Gefährdung der öffentlichen Ordnung sei nach wie vor gegeben, weil seit der rechtsmissbräuchlichen Eheschließung erst weniger als fünf Jahre vergangen seien.
Die Beschwerdeführerin sei zuletzt seit ca. fünf Jahren in Österreich aufhältig und verfüge im Inland über familiäre Bindungen zu ihren beiden Kindern sowie zu einem Onkel und einer Cousine. Zudem gehe sie regelmäßig einer Beschäftigung nach. Es sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in ihr Privat- bzw. Familienleben auszugehen. Das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Das zweimalige Eingehen einer Scheinehe, um sich fremdenrechtliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen. Die Beschwerdeführerin habe nur auf Grund der durch ihre Eheschließung mit einem österreichischen Staatsbürger bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz eine unselbständige Beschäftigung eingehen können, weshalb auch die durch den ca. viereinhalbjährigen Aufenthalt erzielte Integration wesentlich geschmälert werde. Dies umso mehr, als letztlich auch die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthaltes auf dem besagten rechtsmissbräuchlichen Verhalten basiere. Die Bindung der Beschwerdeführerin zu ihren beiden Kindern werde insofern relativiert, als diese bereits volljährig seien und sich außerdem die "Rechtmäßigkeit" ihres Aufenthaltes von der rechtswidrig erlangten Stellung der Beschwerdeführerin als begünstigte Drittstaatsangehörige ableite. Ihre Bindung zu ihrem Onkel und ihrer Cousine sei von geringer Bedeutung, weil sie mit beiden nicht in gemeinsamem Haushalt lebe. Die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin würden gegenüber den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in den Hintergrund treten. Dies umso mehr, als die Beschwerdeführerin deutlich dokumentiert habe, wie sehr sie die für sie maßgeblichen fremdenrechtlichen Bestimmungen gering schätze, sei sie doch zum wiederholten Mal eine Ehe rechtsmissbräuchlich eingegangen. Eine Abwägung der Interessenlagen ergebe, dass die persönlichen und familiären Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet keinesfalls schwerer wögen als das öffentliche Interesse an der Erlassung der Maßnahme. In Ermangelung besonderer für die Beschwerdeführerin sprechender Umstände könne auch im Rahmen des zustehenden Ermessens nicht von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand genommen werden. Ein Wegfall der von der Beschwerdeführerin ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung könne nicht vor Verstreichen der festgesetzten Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes erwartet werden.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in den Z. 1 und 2 umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist.
2.1. Gemäß § 36 Abs. 2 Z. 9 leg. cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet hat.
2.2. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen und auf die rechtskräftigen Urteile des Bezirksgerichtes Döbling vom 23. Mai 1996 und vom 22. Oktober 2002 gestützten Feststellungen über die Nichtigerklärung ihrer zwei Ehen. Ebenso unbestritten lässt die Beschwerdeführerin den Umstand, dass gegen sie bereits mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 24. Juni 1997 (der im Instanzenzug bestätigt worden ist) ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren rechtskräftig erlassen worden ist. Die Auffassung der belangten Behörde, das Verhalten der Beschwerdeführerin sei als bestimmte Tatsache im Sinn des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG zu werten, begegnet keinen Bedenken.
3.1. Angesichts des hohen Stellenwertes, welcher der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. November 2000, Zl. 2000/18/0178, mwN), kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die Behörde die Annahme gemäß § 36 Abs. 1 FrG für gerechtfertigt erachtet hat, zumal es sich bei der von der Beschwerdeführerin im Jahr 2000 geschlossenen Ehe bereits um die zweite Scheinehe handelt.
3.2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, es sei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass ihre (zweite) Eheschließung am 15. August 2000 erfolgt sei. Die "Fünfjahresfrist" ende am 15. August 2005. Eine Gefährdung durch die Beschwerdeführerin darin zu erblicken, "dass der Bescheid am 22.07.2005 erlassen wurde u die Gefährdung z diesem Zeitpunkt noch angenommen wurde, wohingegen am 15.08.2005 die 5 Jahresfirst abläuft u sohin keine Gefährdung der Bf mehr erblickt werden kann", sei eine Ermessensüberschreitung und reine Willkür der belangten Behörde. Dem ist zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof in einer Reihe von Erkenntnissen klar gestellt hat, dass nur eine zumindest fünf Jahre zurückliegende rechtsmissbräuchliche Eheschließung die Annahme, der weitere Aufenthalt des Fremden gefährde die öffentliche Ordnung, nicht mehr rechtfertige. Seit dem Eingehen der zweiten Scheinehe der Beschwerdeführerin bis zur angefochtenen Entscheidung ist diese geforderte Mindestzeitspanne aber noch nicht verstrichen. Es kann der belangten Behörde nicht entgegentreten werden, wenn sie auch noch im Zeitpunkt ihrer Entscheidung die Annahme für gerechtfertigt gehalten hat, der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin gefährde die öffentliche Ordnung. Dies umso weniger, als es sich bereits um die zweite Scheinehe der Beschwerdeführerin handelt und sie sich trotz eines wegen ihrer ersten Scheinehe gegen sie erlassenen Aufenthaltsverbotes in der Dauer von fünf Jahren nicht davon hat abhalten lassen, neuerlich eine Scheinehe einzugehen.
4. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG hat die belangte Behörde den langjährigen inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin, ihre Berufstätigkeit, ihre Beziehung zu den im gemeinsamen Haushalt mit ihr lebenden beiden volljährigen Kindern sowie den Umstand berücksichtigt, dass ihr Onkel und ihr Cousin ebenfalls in Österreich leben.
Zutreffend hat die belangte Behörde die aus der Berufstätigkeit ableitbare Integration der Beschwerdeführerin als geschmälert angesehen, weil sie nur auf Grund der Scheinehe mit einem Österreicher keine Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz zur Ausübung einer Beschäftigung benötigte. Die aus der Aufenthaltsdauer resultierende Integration der Beschwerdeführerin wird dadurch deutlich gemindert, dass ihr Aufenthalt - in Anbetracht der Nichtigerklärung auch ihrer zweiten Scheinehe - überwiegend unrechtmäßig war. Die Beschwerdeführerin hat zu keinem Zeitpunkt damit rechnen dürfen, ein Familienleben in Österreich begründen bzw. aufrecht erhalten zu können. Ihren persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet kommt angesichts dieser Umstände kein großes Gewicht zu. Im Hinblick auf die dagegen abzuwägende erhebliche Gefährdung öffentlicher Interessen durch das dargestellte rechtsmissbräuchliche Verhalten der Beschwerdeführerin kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und dass die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden. (Vgl. zum Ganzen das zitierte, die Beschwerdeführerin betreffende Vorerkenntnis Zl. 2005/18/0177).
5. Soweit die Beschwerdeführerin der belangten Behörde die gesetzwidrige Ausübung des bei der Anwendung des § 36 Abs. 1 FrG zu handhabenden Ermessens vorwirft, ist sie ebenfalls nicht im Recht. Für die belangte Behörde bestand entgegen der Beschwerde keine Veranlassung, von dem ihr nach dieser Gesetzesstelle bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zukommenden Ermessen zu Gunsten der Beschwerdeführerin Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprechen.
6. Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
7. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 17. Februar 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005180546.X00Im RIS seit
13.03.2006