TE OGH 1992/11/24 10ObS339/91

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Veröffentlicht am 24.11.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter aus dem Kreis der Arbeitgeber Edeltraud Haselmann und Robert Letz in der Sozialrechtssache der klagenden Partei MMag.Elisabeth T*****, vertreten durch Dr.Michael Gabler und Mag.Dr.Erich Gibel, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (Landesstelle Wien), 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Witwenpension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Mai 1991, GZ 34 Rs 206/90-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 8.Mai 1990, GZ 9 Cgs 519/89-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Berufungsbeantwortung und der Revision sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die am 26.November 1952 geschlossene Ehe zwischen der Klägerin und Mag.DDDr.E***** T***** wurde mit seit 7.September 1976 rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 1. September 1976, 29 Cg 18/76-7, wegen gleichteiligen Verschuldens der Ehegatten geschieden. Der geschiedene Ehemann, der bei der beklagten Partei pensionsversichert war, starb am 20.April 1988.

Am 19.Oktober 1988 stellte die Klägerin bei der beklagten Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft einen Antrag auf Hinterbliebenen(Witwen)pension.

Mit Bescheid vom 17.März 1989 lehnte die beklagte Partei diesen Antrag mit der Begründung ab, zur Zeit des Todes sei keine Unterhaltsleistung erfolgt.

Die auf eine Witwenpension im gesetzlichen Ausmaß vom 1.Mai 1988 an gerichtete Klage stützt sich darauf, daß der geschiedene Ehemann der Klägerin zur Zeit seines Todes auf Grund des vor dem Landesgericht für ZRS Wien vom 1.September (richtig 31.August) 1976 zu 29 Cg 18/76 geschlossenen gerichtlichen Scheidungsvergleiches, in dem auf den Notariatsakt des öffentlichen Notars Dr.K***** B***** in W*****-B***** vom 31.August 1976 verwiesen worden sei, eine wertgesicherte Unterhaltsleistung von 9.000 S zu leisten gehabt und auch bis zu seinem Tod regelmäßig Unterhaltsleistungen erbracht habe. Obwohl die der Klägerin zukommende Leistung im Notariatsakt als lebenslängliche Rente bezeichnet worden sei, handle es sich - wie aus dem Scheidungsvergleich hervorgehe - funktionell um eine Unterhaltszahlung.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Sie wendete ein, daß im Scheidungsvergleich keine Unterhaltsregelung festgelegt, sondern auf den Notariatsakt verwiesen worden sei. Dieser sollte u.a. nur dann Gültigkeit erlangen, wenn die geschiedenen Ehegatten wechselseitig auf Unterhalt verzichteten. Der Notariatsakt sehe vor, daß die "Apotheke *****" KG, deren persönlich haftender Gesellschafter der Versicherte gewesen sei, der Klägerin nach Erlöschen ihrer Gehaltsansprüche gegenüber der KG in Form eines Rentenvertrages monatlich 9.000 S netto wertgesichert zahlen sollte. Diese Rente stelle eine Abgeltung für erloschene Gehaltsansprüche, aber keine Unterhaltsleistung dar, zumal sogar wechselseitig - auch für den Fall der Notlage - auf Unterhalt verzichtet worden sei.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei, der Klägerin ab dem 1. Mai 1988 eine Witwenpension im gesetzlichen Ausmaß nach dem am 20. April 1988 verstorbenen Mag.DDDr.E***** T***** zu zahlen und die Verfahrenskosten erster Instanz zu ersetzen.

Neben den schon wiedergegebenen Daten der Eheschließung und Ehescheidung traf es folgende Tatsachenfeststellungen:

Punkt 1) des Scheidungsvergleiches lautet: "Hinsichtlich der Regelung der Wohnung und des Unterhaltes zwischen den Streitteilen gilt der heute am 31.8.1976 vor dem öffentlichen Notar Dr.K***** B*****, W***** abgeschlossene Notariatsakt, dem die Wirkung eines gerichtlichen Vergleiches zukommt."

Am 31.August 1976 stellte der Versicherte der Klägerin, deren Beschäftigung mit Angestellte angegeben war, folgendes Anbot:

"Bedingungen: Dieses Anbot gilt, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt worden sind:

I.

1. Die Scheidung der Ehe zwischen Dir und mir muß in Rechtskraft erwachsen sein.

2. Im Scheidungsurteil muß ausgesprochen worden sein, daß uns gleichteiliges Verschulden an der Scheidung trifft.

3. Sowohl Du als auch ich müssen wechselseitig auf Unterhaltsansprüche auch für den Fall der Notlage verzichtet haben.

Es muß gegenseitige Kostenaufhebung im Scheidungsverfahren vereinbart worden sein oder:

II.

Das gegenwärtige Scheidungsverfahren vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien muß durch Klagsrückziehung eingestellt worden sein oder es muß ewiges Ruhen desVerfahrens vereinbart worden sein.

Für den Fall der Erfüllung der unter I. oder II. gestellten

Bedingungen stelle ich Dir das Anbot auf Abschluß folgender Verträge:

Erstens: Die von mir - als persönlich haftender Gesellschafter vertretene Kommanditgesellschaft "Apotheke *****" bezahlt Dir nach dem Erlöschen Deiner Gehaltsansprüche gegenüber der Apotheken-Kommanditgesellschaft eine lebenslängliche Rente von monatlich 9.000 S netto, die anhand des vom österreichischen statistischen Zentralamt verlautbarten Lebenshaltungskostenindexes (Revision 1966) bzw. des an seine Stelle tretenden Indexes wertgesichert wird.

Diese Rente vermindert sich jeweils um jenen Betrag, den Du netto aus einer staatlichen Pension oder von einer Pensionsversicherungsanstalt ausbezahlt erhältst.

Du verpflichtest Dich, mich aufgrund meiner persönlichen Haftung für alle Verbindlichkeiten der Kommanditgesellschaft für die Bezahlung der Rente nur insoweit in Anspruch zu nehmen, daß mir jedenfalls ein monatliches Gesamtnettoeinkommen von 10.000 S verbleibt. .........

Drittens: Du hast das Recht, dieses Anbot binnen 14 Tagen nach Rechtskraft des Scheidungsurteiles bzw. nach Klagsrückziehung bzw nach Vereinbarung des ewigen Ruhens des Verfahrens anzunehmen."

Die Punkte Viertens bis Sechstens dieses Notariatsaktes enthalten keinerlei Bestimmungen über den Unterhalt.

Dieses Anbot wurde vom Anbotsteller und vom genannten Notar, nicht aber von der Klägerin unterfertigt.

In dem anläßlich der Scheidung am 1.September 1976 (richtig 31.August 1976) abgeschlossenen Vergleich haben die (damaligen) Streitteile nicht wechselseitig auf Unterhalt verzichtet.

Rechtsanwalt Dr. (E*****) F*****, der langjährige Rechtsfreund des Versicherten, der ihn auch im Scheidungsverfahren vertrat, hatte keinen Anteil am Zustandekommen bzw. an der Formulierung des Notariatsaktes. Er hatte seinem Mandanten abgeraten, der Klägerin Unterhalt zu zahlen. Der Versicherte erwiderte ihm jedoch, daß er die Klägerin versorgen wolle, weil sie nur ein Lehrergehalt hatte. "Insofern vermeinte Dr.F*****, die komplizierte Formulierung im Notariatsakt sei durch ihn veranlaßt worden, weil sein Mandant eben verhindern wollte, daß sein Anwalt gegen die Klägerin mit seinem Verlangen, daß sie keinen Unterhalt verlangen und erhalten solle, durchkomme."

Der Versicherte war Komplementär der KG "Apotheke *****" und mit 97 % am Gesellschaftsvermögen beteiligt. Je 1 % hatten die gemeinsamen Kinder. Die Klägerin hatte keinen Anteil am Gesellschaftsvermögen.

Die Klägerin erhielt in der Folge jeden Monat von ihrem (geschiedenen) Gatten 9.000 S bar gezahlt. Etwa vier Jahre vor seinem Tod erhöhte er diesen Betrag auf 13.000 S monatlich. Ob dieser Betrag als Betriebsausgabe abgesetzt wurde, konnte nicht festgestellt werden.

Die Klägerin hat keinen Unterhaltsverzicht abgelegt. Für sie hatte der Betrag von (zunächst) 9.000 S, später 13.000 S den Charakter einer Unterhaltszahlung. Darauf wies auch der Versicherte immer wieder hin. Der Unterhalt für die Kinder, soweit sie in Pflege und Erziehung der Klägerin waren, wurde gesondert gezahlt.

Das undatierte Schreiben ./E enthält eine Entschuldigung des Versicherten, er könne der Klägerin diesmal die monatlich vereinbarten 13.000 S für den Unterhalt nicht rechtzeitig geben, weil er zu große Ausgaben habe. Dieses Schreiben bezieht sich auf die Zeit nach der Scheidung, weil vor der Scheidung ein Unterhalt nicht vereinbart war.

Dr.F***** hat selbst erlebt, daß die Klägerin an der Apotheke vorbeikam, wenn vom Versicherten die Kassenabrechnung gemacht wurde, und mit der gesamten Losung die Apotheke verließ.

In der rechtlichen Beurteilung nahm das Erstgericht die Voraussetzungen des § 136 Abs 4 GSVG als gegeben an. In dem anläßlich der Scheidung abgeschlossenen Vergleich sei zwar keine Unterhaltsregelung festgelegt, sondern auf den Notariatsakt verwiesen worden, der u.a. nur nach einem wechselseitigen Unterhaltsverzicht der geschiedenen Ehegatten Gültigkeit erlangen sollte. Einen solchen Verzicht habe die Klägerin nie abgegeben. Der Versicherte sei - sogar entgegen den Ratschlägen seines Rechtsanwaltes - willens gewesen, der Klägerin Unterhalt zu zahlen und habe diesem Wunsch auch dadurch Rechnung getragen, daß er ihr, obwohl sie nicht ausdrücklich auf Unterhalt verzichtet hatte, Unterhaltsleistungen in jeweils gleicher Höhe erbracht habe, und zwar völlig im Bewußtsein, Unterhalt zu leisten. Der Versicherte habe den Wunsch gehabt, seine Ehegattin finanziell sicherzustellen. Daß er dafür die Form gewählt habe, ihr mit Notariatsakt ein Anbot zu stellen, wobei die Apotheken-KG als Zahlerin aufgetreten sei, sei ohne rechtliche Bedeutung, weil er fast Alleineigentümer der KG gewesen sei. Das Anbot des Versicherten und die faktische Annahme durch die Klägerin in Form der Annahme von Unterhaltszahlungen müsse dahin verstanden werden, daß der Versicherte ganz offensichtlich auf die Einhaltung seiner Bedingung des Unterhaltsverzichtes nicht weiter Wert gelegt habe. Deshalb seien die von ihm geleisteten Beträge von zunächst 9.000 S, später 13.000 S monatlich zweifellos Unterhalt. Ein anderer Rechtstitel gehe auch aus dem als Notariatsakt bezeichneten Anbot nicht hervor.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger Beweiswürdigung, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und unrichtiger Kostenfestsetzung erhobenen, von der Klägerin beantworteten Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil im klageabweisenden Sinn und im Kostenpunkt ab.

Die zweite Instanz erachtete die Beweisrüge als nicht berechtigt, wohl aber die Rechtsrüge. Die Verweisung auf den Notariatsakt ergebe zunächst unmißverständlich, daß die Parteien gegenseitig auf Unterhalt verzichtet hätten, weil die konkludente Annahme des Anbotes durch die Klägerin notwendigerweise die Erfüllung der unter Punkt 1. formulierten Bedingung vorausgesetzt habe. Daß der Versicherte das Anbot auf Zahlung einer monatlichen Rente an die Klägerin, die laut Punkt 1. des Anbots Angestellte der KG gewesen sei, in seiner Eigenschaft als Komplementär der KG, also als deren Vertreter, gemacht habe, ergebe sich aus dem genannten Punkt. Daß es sich bei dieser Zahlung nicht um eine Unterhaltsleistung handle, ergebe sich schon unmißverständlich daraus, daß sie auf Lebenszeit der Klägerin und nicht auf Lebenszeit des Versicherten zugesichert und mit der Angestelltentätigkeit der Klägerin verknüpft worden sei. Als Rechtsgrund dieser Rente komme daher das Arbeitsverhältnis der Klägerin zur KG in Betracht, weshalb die Rente nichts anderes als eine Betriebspension sei. Die objektive Auslegung des Vergleichs führe zum Ergebnis, daß ein Unterhaltsverzicht vereinbrt worden sei. Die Vereinbarung zwischen der KG und der Klägerin auf Zahlung einer Betriebspension sei nur der Beweggrund für den Unterhaltsverzicht, nicht mehr Inhalt des gerichtlichen Vergleichs, weil dieser nicht zwischen der KG und der Klägerin geschlossen worden sei. Aus dem Scheidungsvergleich gehe daher nicht hervor, daß es sich funktionell um eine Unterhaltszahlung gehandelt habe. Die Klägerin habe auch nicht behauptet, daß die Erklärungen bei Abschluß des Vergleiches (des Notariatsaktes) nur zum Schein abgegeben worden seien, so daß der Vergleich nur ein nach § 916 ABGB unwirksames Scheingeschäft darstelle, in Wirklichkeit habe sich ihr Ehemann jedoch vor Abschluß des Scheidungsvergleiches verpflichtet, ihr einen Unterhalt von 9.000 S monatlich zu zahlen. In diesem Fall läge zwar kein wirksamer gerichtlicher Vergleich über den Unterhaltsanspruch, jedoch eine vor Auflösung der Ehe eingegangene vertragliche Verpflichtung vor, die nach dem Gesetz an keine Form gebunden sei. Ein solches Verhalten der Vertragsparteien habe aber das Erstgericht nicht festgestellt. Aus der Absicht des Versicherten, die Klägerin finanziell zu versorgen, lasse sich nicht auf die Absicht schließen, ihr Unterhalt zu leisten, weil auch die Zahlung einer Betriebspension durch die KG eine finanzielle Versorgung bilde. Dasselbe gelte für die Feststellung, die Klägerin habe den Zahlungen Unterhaltscharakter beigemessen. Unmaßgeblich sei auch, daß der Versicherte und die Klägerin diese Zahlungen gelegentlich als Unterhaltszahlungen bezeichneten. Daß der Versicherte die Unterhaltszahlungen bar persönlich entrichtet habe, lasse nicht die Schlußfolgerung zu, daß er seiner persönlichen Unterhaltspflicht nachgekommen sei. Sie sei vielmehr zwanglos dahin zu verstehen, daß er als Vertreter der KG deren Verpflichtung erfüllt habe. Daß er an dieser KG zu 97 % beteiligt gewesen sei, ändere nichts daran, daß zwischen dem Gesellschaftsvermögen und seinem persönlichen Vermögen bzw. einer Verpflichtung der Gesellschaft und seiner persönlichen Verpflichtung unterschieden werden müsse.

Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig; sie ist auch berechtigt.

Nach § 136 Abs 4 GSVG gebührt die Pension nach Abs 1 leg cit (Witwenpension) nach Maßgabe der Abs 2 und 3 der zit. Gesetzesstelle auch der Frau, deren Ehe mit dem Versicherten .... geschieden worden ist, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) aufgrund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor Auflösung der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte, und zwar sofern und solange die Frau nicht eine neue Ehe geschlossen hat.

Im vorliegenden Fall ist entscheidend, ob es sich um eine Unterhaltspflicht des Versicherten zur Zeit seines Todes oder der Apotheken-KG gehandelt hat, aber auch, auf welchem Titel diese allfällige Leistungspflicht des Versicherten beruhte.

Zunächst ist klarzustellen, daß die Ehegatten in der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung vor dem Scheidungsgericht am 31.August 1976 vor der Scheidung für den Fall der rechtskräftigen Scheidung einen gerichtlichen Vergleich geschlossen haben, nach dessen Punkt 1 hinsichtlich der Regelung der Wohnung und des Unterhaltes zwischen den (damaligen) Streitteilen der am 31.August 1976 "abgeschlossene" Notariatsakt, "dem die Wirkung eines gerichtlichen Vergleiches zukomme", gilt.

Der Protokollierung dieses Vergleiches gingen eine Einschränkung der Scheidungsklage der Ehefrau auf die Eheverfehlungen der Vernachlässigung und Lieblosigkeit sowie des Alleinverbringens der Freizeit und ein mit Lieblosigkeit und mangelndem Ehewillen der Ehefrau begründeter Mitschuldantrag des Beklagten Ehemannes voran, wobei das beiderseitige Vorbringen nicht bestritten und die Zerrüttung der Ehe zugestanden wurde. Dadurch war aus dem echt streitigen Scheidungsverfahren ein "Konventionalscheidungsverfahren" geworden und zu erwarten, daß die Ehe wegen Verschuldens beider Ehegatten ohne Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens geschieden werde, was dann auch geschah, wobei die Parteien - wie zu erwarten - keine Kosten verzeichneten und nach der Verkündung des Urteils auf Rechtsmittel und eine Antragstellung nach der - erst durch Art XXIII § 2 EheRÄndG ab 1.Juli 1978 aufgehobenen - die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats nach der Scheidung regelnden 6. DurchführungsV zum EheG verzichteten. Das Urteil wurde daher mit der Zustellung an beide Parteienvertreter am 7.September 1976 rechtskräftig.

Damit war die (aufschiebende) Bedingung für den in der Tagsatzung vom 31. August 1976 protokollierten Vergleich, nämlich die Rechtskraft der Ehescheidung, eingetreten, dieser Vergleich also rechtswirksam geworden. Hinsichtlich der Regelung der Wohnung und des Unterhalts zwischen den (geschiedenen) Ehegatten galt daher seither der am 31. August 1976 errichtete Notariatsakt.

In dessen bereits wiedergegebenem Punkt Erstens war die Zahlung einer lebenslänglichen wertgesicherten monatlichen Rente durch die Apotheken-KG an die Klägerin geregelt, im Punkt Zweitens die Verpflichtung des Ehemannes, dafür zu sorgen, daß der Klägerin an einer bestimmten Wohnung, an der sie ihrem geschiedenen Mann ein jederzeitiges Mitbenützungsrecht einräumte, das Mietrecht eingeräumt wird.

Damit waren die im Punkt I des Anbotes unter 1., 2. und 4. aufgezählten Bedingungen, unter denen das Anbot gelten sollte, buchstäblich erfüllt, weil das Scheidungsurteil, in dem das gleichteilige Verschulden der Ehegatten ausgesprochen wurde, in Rechtskraft erwachsen war und im Scheidungsverfahren keine Kosten verzeichnet worden waren. Die im Punkt I. unter 3. genannte Bedingung für die Gültigkeit des Anbotes, nämlich der wechselseitige Verzicht auf Unterhaltsansprüche, wurde nicht erfüllt, weil die damaligen Streitteile nach den erstgerichtlichen Feststellungen im Scheidungsvergleich nicht wechselseitig auf Unterhalt verzichtet haben und die Klägerin nach diesen Feststellungen (auch sonst) keinen Unterhaltsverzicht abgegeben hat.

Das ändert aber nichts daran, daß die im Scheidungsvergleich vereinbarte Regelung der Wohnung und des Unterhaltes iS der Punkte Zweitens und Erstens des Notariatsaktes vom 31.August 1976 mit der Wirksamkeit des Scheidungsvergleiches verbindlich wurde.

Diesbezüglich darf die Bestimmung des Punktes I Z 3 des Notariatsaktes nämlich nicht isoliert beurteilt werden. Sie kann im Zusammenhang mit dem Inhalt des im Notariatsakt enthaltenen Anbotes über die Beschränkung der Inanspruchnahme des Versicherten und dem Inhalt des noch am selben Tag abgeschlossenen Scheidungsvergleiches sowie dem darauf folgenden beiderseitigen Verhalten der geschiedenen Ehegatten dahin verstanden werden, daß damit nur ein Verzicht der Klägerin auf über die vereinbarte Leistung hinausgehende Ansprüche gegen den Versicherten vereinbart wurde.

Nach § 68 EheG kann, wenn - wie im vorliegenden Fall - beide Ehegatten an der Scheidung schuld sind, aber keiner die überwiegende Schuld trägt, dem Ehegatten, der sich nicht selbst unterhalten kann, ein allenfalls zeitlich beschränkter Beitrag zu seinem Unterhalt zugebilligt werden, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des anderen Ehegatten und der nach § 71 leg cit unterhaltspflichtigen Verwandten des Bedürftigen bei Berücksichtigung der Bedürfnisse und der wirtschaftlichen Verhältnisse unterhaltsberechtigter minderjähriger unverheirateter Kinder und des neuen Ehegatten der Billigkeit entspricht.

Nach § 78 Abs 1 EheG geht die Unterhaltspflicht mit dem Tode des Verpflichteten auf die Erben als Nachlaßverbindlichkeit über, eine nach § 68 EheG einem Ehegatten auferlegte Beitragspflicht erlischt jedoch nach § 78 Abs 3 leg cit mit dem Tode des Verpflichteten.

Nach § 80 EheG konnten die Ehegatten über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung der Ehe Vereinbarungen treffen. Darin konnten sie ihre unterhaltsrechtlichen Beziehungen auch so regeln, daß auf allfällige Unterhaltsansprüche, sei es auch nur auf einen Unterhaltsbeitrag iS des § 68 leg cit, verzichtet wird. Sie konnten darin aber auch einen solchen gesetzlichen Unterhaltsanspruch - der Höhe und den Leistungsmodalitäten nach - näher regeln oder - mangels eines solchen Unterhaltsanspruches oder über diesen hinaus - einen rein vertraglichen Unterhaltsanspruch vereinbaren (Pichler in Rummel, ABGB Rz 2 f zu § 80 EheG).

Eine solche Vereinbarung über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung der Ehe iS des § 80 EheG wurde von den Ehegatten im vor dem Scheidungsgericht geschlossenen Vergleich vom 31.August 1976 dahin getroffen, daß sie den Unterhalt der geschiedenen Klägerin iS (des Punktes Erstens) des Notariatsaktes vom selben Tag geregelt haben. Ob es sich dabei um die nähere Regelung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches nach § 68 EheG oder mangels der Voraussetzungen für einen solchen Unterhaltsanspruch um die Vereinbarung eines rein vertraglichen Unterhaltes gehandelt hat, kann hier mangels Entscheidungswesentlichkeit dahingestellt bleiben.

Dafür, daß es sich bei der vereinbarten Geldrente um eine Unterhaltsleistung des geschiedenen Ehemannes handelt, spricht also vor allem, daß sie in einem vor dem Scheidungsgericht für den Fall der Scheidung geschlossenen Vergleich vereinbart wurde, dessen Punkt

1) bestimmte, was hinsichtlich der Regelung der Wohnung und des Unterhaltes gelten sollte. Die vereinbarte Geldrente sollte der Klägerin offensichtich einen Ersatz für die durch die Scheidung wegfallende Verpflichtung ihres Ehemannes bieten, ihr gemäß § 91 ABGB in der damals geltenden Fassung nach seinem Vermögen den anständigen Unterhalt zu verschaffen.

Dafür spricht aber auch, daß die vom geschiedenen Ehemann - wie bindend festgestellt wurde - in der Folge jeden Monat gezahlten Beträge nicht nur für die geschiedene Ehefrau den Charakter einer Unterhaltszahlung hatten, sondern daß sie auch vom geschiedenen Ehemann, der zB in der Beilage E sich dafür entschuldigte, daß er der Klägerin "die monatlich vereinbarten 13.000 S für ihren Unterhalt" nicht rechtzeitig geben konnte, immer wieder als Unterhalt bezeichnet wurden.

Nach dem Wortlaut des Punktes Erstens des im Vergleich bezogenen Notariatsaktes übernahm zwar der Versicherte selbst keine Verpflichtung, sondern begründete in seiner Eigenschaft als persönlich haftender Gesellschafter als Vertreter der Apotheken-KG deren Verpflichtung, der nunmehrigen Klägerin nach dem Erlöschen ihrer Gehaltsansprüche gegen diese KG eine wertgesicherte lebenslängliche Rente von monatlich 9.000 S netto zu zahlen, die sich um den jeweils ausgezahlten Nettobetrag aus einer staatlichen Pension oder von einer Pensionsversicherungsanstalt vermindert.

Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß der Versicherte der (einzige) persönlich haftende Gesellschafter (Komplementär) dieser Kommanditgesellschaft war, also der Gesellschafter war, bei dem eine Beschränkung der Haftung nicht stattfindet (§ 161 Abs 1 HGB), wobei insbesondere wegen des erdrückenden Ausmaßes seiner Beteiligung an dieser Gesellschaft mit 97 % die vereinbarte Geldrente wirtschaftlich eindeutig von ihm zu erbringen war.

Er haftete nämlich nach §§ 128, 161 Abs 2 HGB als einziger Komplementär für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Das bedeutet, daß Gläubiger die ganze Leistung von ihm fordern konnten (§ 891 ABGB; Koppensteiner aaO § 128 Rz 2). Er haftete unmittelbar und unbeschränkbar, so daß es dem Gläubiger wie im Verhältnis zu einem Bürgen und Zahler nicht etwa oblag, sich zunächst an die Gesellschaft zu halten, wobei sich der Zugriff der Gläubiger auf sein gesamtes Privatvermögen erstreckte. Berücksichtigt man noch, daß der Versicherte nach den maßgeblichen Feststellungen mit 97 %, die drei Kinder jedoch nur mit je 1 % am Gesellschaftsvermögen beteiligt waren, an dem die Klägerin keinen Anteil hatte, dann darf bei der Auslegung des Vergleiches vom 31.August 1976 und des darin bezogenen Notariatsaktes vom selben Tag nach § 914 ABGB nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks gehaftet werden, sondern muß die Absicht der Parteien erforscht und deren Vereinbarung so verstanden werden, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Eigentliches Ziel der einfachen Auslegung ist dabei die Feststellung der Absicht der Parteien (Rummel in Rummel, ABGB2 Rz 4 zu § 914), auch wenn der Wortsinn in eine andere Richtung zu weisen scheint. Der vom objektiven Erklärungswert abweichende Wille, den der andere Teil erkannt hat, geht vor (Rummel aaO Rz 6 zu § 871). Das muß umsomehr gelten, wenn bei beiden Parteien Übereinstimmung über einen vom schriftlichen Text abweichenden Inhalt einer Vereinbarung besteht. Der Wortlaut der Erklärung darf der Ermittlung der Absicht der Parteien nicht im Wege stehen (Rummel am erstang. Ort; SSV-NF 4/75).

Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, daß es sich bei der vereinbarten Geldrente nicht um eine wirtschaftlich vom geschiedenen Ehemann zu erbringende Unterhaltsleistung, sondern um eine Betriebspension gehandelt hätte. Daher ist der Revision darin beizupflichten, daß der Versicherte gegenüber der Klägerin im gerichtlichen Vergleich vom 31.August 1976 eine Unterhaltspflicht übernommen hat.

Ob der Klägerin die Witwenpension nach § 136 Abs 4 GSVG gebührt, hängt jedoch davon ab, ob der Versicherte ihr zur Zeit seines Todes aufgrund dieses gerichtlichen Vergleiches nicht nur - wie festgestellt - Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) tatsächlich geleistet hat, sondern zu leisten hatte.

Das kann nach den bisherigen Feststellungen noch nicht verläßlich beurteilt werden.

Nach dem den Unterhalt regelnden Punkt Erstens des im Scheidungsvergleich bezogenen Notariatsaktes vom 31.August 1976 vermindert sich die wertgesicherte monatliche Rente nämlich jeweils um jenen Betrag, den die Klägerin "netto aus einer staatlichen Pension oder von einer Pensionsversicherungsanstalt ausbezahlt erhält".

Da die am 28.Februar 1922 geborene Klägerin zur Zeit des Todes des Versicherten am 20.April 1988 bereits im 67.Lebensjahr stand, ist nicht auszuschließen, daß sie damals Pensionsleistungen iS des genannten Punktes bezog, die mindestens so hoch gewesen sein könnten wie der aufgewertete Unterhaltsbetrag.

In diesem Fall hätte der Versicherte der Klägerin zur Zeit seines Todes aufgrund des Vergleiches vom 31.August 1976 keinen Unterhalt (Unterhaltsbeitrag) zu leisten gehabt, weshalb der Klägerin keine Witwenpension gebühren würde (ähnlich SSV-NF 4/28; 7.4.1992, 10 Ob S 66/92).

Wegen dieser Feststellungsmängel waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und war die Sozialrechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§§ 496, 499, 503 Z 4, 510, 511 und 513 ZPO).

Der Vorbehalt der Entscheidung über die Pflicht zum Ersatz der Kosten der Berufungsbeantwortung und der Revision beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.

Anmerkung

E30381

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:010OBS00339.91.1124.000

Dokumentnummer

JJT_19921124_OGH0002_010OBS00339_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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