TE OGH 1992/11/24 14Os142/92

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Veröffentlicht am 24.11.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.November 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Fuchs als Schriftführer, in der Strafsache gegen Günther S***** wegen des Vergehens des versuchten Betruges nach §§ 15, 146 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 8.Jänner 1992, AZ 22 Bl 306/91, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Presslauer, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

Im Strafverfahren AZ U 52/91 des Bezirksgerichtes Schwanenstadt verletzt das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 8. Jänner 1992, AZ 22 Bl 306/91, das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 9 Abs. 1 Z 1 und 474 StPO sowie der §§ 108 Abs. 3 und 146 StGB.

Dieses Urteil wird aufgehoben und es wird dem Kreisgericht Wels die Erneuerung des Berufungsverfahrens aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Schwanenstadt vom 10.Oktober 1991, GZ U 52/91-10, wurde Günther S***** von der Anklage, er habe am 15. März 1991 in Desselbrunn mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, Verantwortliche der Österreichischen Post durch Täuschung über Tatsachen, und zwar über das Gewicht eines Rückgabepaketes an die Firma C*****-Versand GesmbH & Co KG, zur Bezahlung von Textilien im Werte von 1.155 S zu verleiten getrachtet und hiedurch das Vergehen des versuchten Betruges nach §§ 15 Abs. 1, 146 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO wegen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat (§ 42 StGB) freigesprochen.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen bestellte Günther S***** am 26.Februar 1991 bei der Firma C*****-Versand GesmH & Co KG zwei Pullover und eine Strickweste im Gesamtwert von 1.690 S. Die Waren wurden am 28.Februar 1991 zugesandt. Günther S***** wollte die Strickweste im Wert von 620 S und einen Pullover im Wert von 535 S behalten. Da er die Rechnungsbeträge nicht bezahlen konnte, setzte er sich mit der Lieferfirma wegen einer Ratenzahlung in Verbindung, blieb jedoch mit seinem Ersuchen erfolglos. Daraufhin faßte er den Entschluß, einen Pullover tasächlich zurückzusenden, dabei aber durch Eiswürfel das Gewicht des Retourpakets so zu manipulieren, daß dieses genau dem Gewicht eines mit drei Kleidungsstücken bepackten Pakets (1,5 kg) entsprach. Am 15.März 1991 gab er das Retourpaket, bepackt mit einem Pullover und Eiswürfeln, beim Postamt Desselbrunn auf. In das Paket legte er auch den Originallieferschein mit dem handschriftlichen Vermerk: "Artikel NR 318048, 314211, 314922 retour". Auf der Rückseite des Scheines wurde der vorformulierte Satz "Ware gefällt nicht" angekreuzt. Nach dem Plan des Beschuldigten hätte das Eis im Paket während des Postweges schmelzen, das Wasser entweichen und die Post für den vorgetäuschten Verlust der Kleidungsstücke aufkommen sollen. Das Austreten der Flüssigkeit aus dem Paket wurde jedoch schon beim Postamt Desselbrunn bemerkt und der Sachverhalt sodann aufgeklärt.

Die weiteren Urteilsfeststellungen betrafen Umstände, die dem Bezirksgericht für die Beurteilung der Strafwürdigkeit der Tat maßgeblich erschienen.

In rechtlicher Beziehung sah das Bezirksgericht alle Voraussetzungen des § 42 StGB als gegeben an und sprach den Beschuldigten wegen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat vom Anklagvorwurf frei.

Der Freispruch wurde von der Staatsanwaltschaft mit Berufung wegen Nichtigkeit aus dem Grund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO (§ 468 Abs. 1 Z 4 StPO) angefochten und die rechtliche Annahme des Straflosigkeitsgrundes nach § 42 StGB bekämpft. Sie begehrte einen Schuldspruch des Günther S*****, wobei in der Rechtsmittelschrift eine Tatbeurteilung als versuchter Betrug und in der Berufungsverhandlung eine Subsumtion als Veruntreuung und Betrug angestrebt wurde.

Mit dem Urteil vom 8.Jänner 1992, AZ 22 Bl 306/91, gab das Kreisgericht Wels der Berufung der Staatsanwaltschaft Folge; das Ersturteil wurde aufgehoben und in der Sache selbst ein Schuldspruch des Günther S***** wegen der Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 StGB und der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs. 1 StGB gefällt. Laut diesem Schuldspruch hat der Angeklagte "am 15.März 1991 in Desselbrunn mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, Güter, die ihm anvertraut worden sind, nämlich eine von der C*****-Versand GesmbH & Co KG zur Ansicht übersendete Strickweste im Wert von 620 S und einen Pullover im Wert von 535 S, (zu ergänzen: sich) zugeeignet und überdies versucht, der Österreichischen Post in Rechten dadurch einen Schaden zuzufügen, indem er versuchte, Verantwortliche der Österreichischen Post durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über das Gewicht eines Rückgabepaktes bzw. der Vortäuschung eines Transportschadens zur Bezahlung von Textilien im Gesamtwert von 1.155 S zu verleiten".

Das Berufungsgericht verhängte über Günther S***** hiefür nach § 108 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB (ohne Zitierung des § 37 Abs. 1 StGB) eine - zum Teil bedingt nachgesehene - Geldstrafe. In der Urteilsausfertigung fehlt der (laut Protokoll über die Berufungsverhandlung verkündete) Ausspruch über die Probezeit.

Dieses Vorgehen des Berufungsgerichtes steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hatte nach der Aufhebung des erstgerichtlichen Freispruchs in Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft bei der Entscheidung in der Sache selbst über die für strafwürdig erkannte angeklagte Tat nach seiner eigenen rechtlichen Überzeugung vorzugehen, ohne an die Meinung des öffentlichen Anklägers über die gebotene Subsumtion gebunden zu sein. Insoweit handelte es sich nämlich nicht um vorgebrachte rechtliche Beschwerdepunkte, auf welche die Entscheidung des Berufungsgerichtes beschränkt bleiben mußte (§ 477 Abs. 1 StPO), sondern um die Sachverhaltsbeurteilung nach Aufhebung des Ersturteils wegen eines zutreffend geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr. 8 zu § 473).

Dabei durfte das Berufungsgericht allerdings nicht über seine sachliche Zuständigkeit hinausgehen, welche aus den für die Bezirksgerichte bestehenden Kompetenznormen folgt. Das Strafverfahren wegen des Vergehens der (versuchten) Täuschung nach § 108 Abs. 1 StGB obliegt nämlich wegen der das Höchstmaß von sechs Monaten Freiheitsstrafe übersteigenden gesetzlichen Strafdrohung nicht den Bezirksgerichten (§ 9 Abs. 1 Z 1 StPO). Es hätte somit auch nicht Gegenstand einer Sachentscheidung im bezirksgerichtlichen Berufungsverfahren sein dürfen. Diese Rechtslage wird in der Urteilsbegründung des Kreisgerichtes Wels nicht angezweifelt, die Inanspruchnahme der Kompetenz für die Aburteilung wegen versuchter Täuschung und auch der diesbezügliche Schuldspruch trotz Fehlens einer gemäß § 108 Abs. 3 StGB erforderlichen Ermächtigung des in seinen Rechten Verletzten vielmehr mit einem Versehen erklärt.

Aus der materiellrechtlichen Begründung des Kreisgerichtes für die Notwendigkeit, das Tatverhalten des Angeklagten auch als versuchte Täuschung zu beurteilen, ergibt sich jedoch noch zusätzlich, daß Ausgangspunkt der unterlaufenen Fehler eine irrige Auffassung über den Betrugstatbestand ist. Das Berufungsgericht sah nämlich im Vorgehen des Angeklagten, einen Transportverlust der veruntreuten Kleidungsstücke vorzutäuschen und die Post zum diesbezüglichen Wertersatz an die C*****-Versand GesmbH & Co KG zu verleiten, alle Tatbestandselemente des versuchten Betruges mit Ausnahme eines Bereicherungsvorsatzes des Täters verwirklicht. Der Angeklagte sei nämlich durch die vorangegangene Veruntreuung der beiden Kleidungsstücke - deren Verlust anläßlich des Posttransportes er vortäuschen wollte - unrechtmäßig bereichert gewesen, weshalb ihm eine derartige Bereicherung im Zusammenhang mit seiner Vorgangsweise gegenüber der Post nicht (nochmals) angelastet werden könne. Aus dieser Überlegung heraus nahm das Kreisgericht Wels bei der Sachverhaltsbeurteilung den Tatbestand des Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs. 1 StGB an, da diese keinen Bereichungsvorsatz des Täters erfordert (siehe zu einem vergleichbaren Sachverhalt: Leukauf-Steininger Komm.3 § 146 RN 91).

Dabei blieb aber unbeachtet, daß der bei Begehung eines Betruges nach § 146 StGB notwendige Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten eine unrechtmäßige Bereicherung herbeizuführen, nicht nur verwirklicht ist, wenn der Täter sich selbst bereichern will, sondern auch dann, wenn die Vermögensvermehrung zugunsten eines Dritten (als fremdnütziger Betrug) angestrebt wird. Demnach handelt der Täter auch dann mit Bereicherungsvorsatz, wenn er einen anderen durch Irreführung über einen Schadensfall zu Leistungen an einen Dritten veranlaßt, auf welche in Wahrheit gar kein Anspruch besteht.

In Stattgebung der vom Generalprokurator erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes waren daher die zum Nachteil des Verurteilten unterlaufenen Gesetzesverletzungen wie im Spruch festzustellen, das berufungsgerichtliche Urteil gemäß § 292 letzter Satz StPO - wegen des sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges (§ 289 StPO) zur Gänze - aufzuheben und dem Kreisgericht Wels die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft aufzutragen.

Anmerkung

E31479

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0140OS00142.9200006.1124.000

Dokumentnummer

JJT_19921124_OGH0002_0140OS00142_9200006_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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