TE Vwgh Erkenntnis 2006/2/17 2005/18/0667

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Veröffentlicht am 17.02.2006
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Index

L40018 Anstandsverletzung Ehrenkränkung Lärmerregung
Polizeistrafen Vorarlberg;
L40058 Prostitution Sittlichkeitspolizei Vorarlberg;
L40059 Prostitution Sittlichkeitspolizei Wien;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1993 §82;
FrG 1993;
FrG 1997 §107;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;
FrG 1997 §36 Abs2 Z4;
Gesundheitliche Überwachung von Prostituierten 1974 §1;
ProstG Wr 1984 §8 Abs1 Z2;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litc;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der I, geboren 1969, vertreten durch Dr. Christa Homan, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Scheimpfluggasse 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 25. Juli 2005, Zl. SD 809/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 25. Juli 2005 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine bulgarische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 2 und Z. 4 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von acht Jahren erlassen.

Die Beschwerdeführerin sei vom Polizeikommissariat Brigittenau (in den Jahren 2004 und 2005) sieben Mal wegen Übertretung des § 8 Abs. 1 Z. 2 des Wiener Prostitutionsgesetzes, sohin wegen Anbahnung bzw. Ausübung der Prostitution, ohne dies vorher der Behörde gemeldet zu haben, rechtskräftig bestraft worden. Sie sei vom selben Polizeikommissariat dreimal auch dafür rechtskräftig bestraft worden, dass sie es unterlassen habe, sich vor der Ausübung der Prostitution sowie regelmäßig im Abstand von einer Woche einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten zu unterziehen (§ 1 der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen). Schließlich sei die Beschwerdeführerin vom Fremdenpolizeilichen Büro zweimal wegen Übertretung des § 31 Abs. 1 iVm § 107 Abs. 1 Z. 4 FrG, also wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich, rechtskräftig bestraft worden. Die im § 8 Abs. 1 Z. 1 bis 4 des Wiener Prostitutionsgesetzes pönalisierten Verhaltensweisen würden eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet der die Prostitution regelnden Vorschriften sowie auf dem Gebiet des Gesundheitswesens darstellen. Auch der Verstoß gegen § 1 der genannten Verordnung sei als eine solche erhebliche Gefährdung einzustufen. Schließlich seien die im § 107 FrG genannten Übertretungen "schwerwiegend" im Sinn des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG. Die Bestrafungen würden gemäß § 36 Abs. 2 Z. 2 und 4 FrG bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. darstellen. Das diesen Bestrafungen zu Grunde liegende Verhalten lasse die Annahme gerechtfertigt erscheinen, dass der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit gefährde und überdies anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (Schutz der Volksgesundheit und der Verteidigung der Ordnung) zuwiderlaufe.

Die Beschwerdeführerin sei ledig und im Bundesgebiet ohne familiäre Bindungen. Selbst wenn man von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in ihr Privatleben ausgehen wollte, wäre die Zulässigkeit der Maßnahme im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zu bejahen. Im Hinblick auf die schwerwiegenden Auswirkungen unkontrollierter Prostitution sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier: zur Verteidigung der Ordnung sowie zum Schutz der Gesundheit) dringend geboten. Das oftmalig wiederholte Fehlverhalten der Beschwerdeführerin zeige, dass sie nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten.

Auch die Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG falle zu Ungunsten der Beschwerdeführerin aus. Sie sei jeweils nur kurzfristig als "Touristin" in das Bundesgebiet eingereist. Die jeweils kurze Dauer des Aufenthaltes, der Mangel an legaler Beschäftigung und das Fehlen familiärer Bindungen im Bundesgebiet ließen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin wesentlich geringer erscheinen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dessen Erlassung. Die privaten Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im Bundesgebiet müssten gegenüber den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen an der Verhinderung unkontrollierter Prostitution und an der Einhaltung eines geordneten Fremdenwesens in den Hintergrund treten. Von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes könne auch nicht im Rahmen des der Behörde zukommenden Ermessens Abstand genommen werden. Dem Hinweis der Beschwerdeführerin, kaum die deutsche Sprache zu beherrschen und sich ohnehin regelmäßigen Untersuchungen beim STD-Ambulatorium in Wien unterzogen zu haben, komme angesichts der Rechtskraft der zitierten Bestrafungen und der grundsätzlichen Möglichkeit, Bescheide in die jeweilige Muttersprache übersetzen zu lassen, keine Relevanz zu. Das mit acht Jahren befristete Aufenthaltsverbot erscheine gerechtfertigt, weil im Hinblick auf das dargelegte Gesamtfehlverhalten der Beschwerdeführerin auch unter Bedachtnahme auf ihre private Lebenssituation vor Ablauf dieser Frist nicht erwartet werden könne, dass die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in den Z. 1 und 2 umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist.

Gemäß § 36 Abs. 2 leg. cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 2) mehr als einmal wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß ... oder mehr als einmal wegen einer schwer wiegenden Übertretung dieses Bundesgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes, BGBl. Nr. 435/1996, des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992, oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, oder (Z. 4) im Inland wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft oder im In- oder Ausland wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist.

Die Beschwerdeführerin stellt die von der belangten Behörde festgestellten sieben rechtskräftigen Bestrafungen nach dem Wiener Prostitutionsgesetz wegen unrechtmäßiger Ausübung der Prostitution, die drei rechtskräftigen Bestrafungen nach den §§ 1 und 8 der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen, BGBl. Nr. 314/1974, idF BGBl. Nr. 591/1993, iVm § 12 Abs. 2 des Geschlechtskrankheitengesetzes sowie die zwei rechtskräftigen Bestrafungen nach § 31 Abs. 1 iVm § 107 Abs. 1 Z. 4 FrG wegen unrechtmäßigen Aufenthalts nicht in Abrede. Sie bringt indes vor, die Verwaltungsstrafen hätten sich insbesondere deshalb ergeben, weil sie nicht der deutschen Sprache mächtig sei und die Strafen bezahlt habe, "um weiterhin problemlos Aufenthalt in Österreich nehmen zu können". Ihr seien "weder Inhalt noch rechtliche Berufungsmöglichkeiten auf Grund ihrer mangelnden Sprachkenntnisse bekannt" gewesen.

Diesem Beschwerdevorbringen ist zu entgegnen, dass das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten der Beschwerdeführerin im Sinn der zitierten Bestimmungen des Wiener Prostitutionsgesetzes, der genannten Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz und des Fremdengesetzes auf Grund der Rechtskraft der jeweiligen Strafbescheide fest steht und die Fremdenbehörden in einem Aufenthaltsverbotsverfahren an die Feststellungen dieser rechtskräftigen Strafbescheide gebunden sind (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 12. März 2002, Zl. 98/18/0260, vom 26. Mai 2003, Zl. 2003/18/0108, und vom 7. September 2004, Zl. 2001/18/0019). Gegen die Strafbescheide hätte die Beschwerdeführerin ein Rechtsmittel erheben und den im vorliegenden Verfahren vertretenen Standpunkt darlegen können. Dass die Beschwerdeführerin - wie in der Beschwerde behauptet - die Strafbescheide habe in Rechtskraft erwachsen lassen, weil sie "die rechtliche Belehrung nicht verstanden habe" ändert an der genannten Bindungswirkung ebenso wenig wie das Vorbringen, dass sie sich "nachweislich regelmäßig Untersuchungen beim STD-Ambulatorium in Wien unterzogen habe".

2. Die Beschwerdeführerin wurde unstrittig wegen ihrer unrechtmäßigen Aufenthalte zwei Mal rechtskräftig bestraft. Bei der Übertretung des Fremdengesetzes durch den unrechtmäßigen Aufenthalt der Fremden im Bundesgebiet handelt es sich um eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung im Sinn des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG, bewirkt doch gerade der unrechtmäßige Aufenthalt eines Fremden nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine gravierende Beeinträchtigung des einen hohen Stellenwert aufweisenden öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. März 2001, Zl. 98/18/0125). Bei der unrechtmäßigen Ausübung der Prostitution entgegen den Bestimmungen des Wiener Prostitutionsgesetzes sowie bei dem Verstoß gegen § 1 der besagten Verordnung handelt es sich um schwerwiegende Verstöße im Sinn des § 36 Abs. 2 Z. 4 FrG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Juni 2005, Zl. 2005/18/0178). Das (in den Jahren 2004 und 2005) wiederholt gesetzte Fehlverhalten liegt auch nicht so lange zurück, dass die daraus resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen als weggefallen oder als entscheidend gemindert angesehen werden kann. Die Ansicht der belangten Behörde, dass die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, kann daher nicht als rechtsirrig angesehen werden.

3. Die Beschwerde bekämpft den Bescheid im Grund des § 37 FrG und meint, der Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele nicht dringend geboten. Die belangte Behörde hat festgestellt, dass die Beschwerdeführerin ledig sei und über keine familiären Bindungen im Bundesgebiet verfüge. Die Beschwerde bringt lediglich vor, aus dem am 23. Oktober 2003 ausgestellten bulgarischen Reisepass der Beschwerdeführerin würde sich ergeben, dass sie "Sichtvermerke für ihre Einreise nach Österreich hatte". Es bestehen weder nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides noch nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Aufenthaltsverbot eine ins Gewicht fallende Beeinträchtigung des Privatlebens der Beschwerdeführerin verbunden wäre. Gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 37 FrG vorgenommenen Interessenabwägung bestehen daher aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides keine Bedenken.

4. Für die belangte Behörde bestand auch keine Veranlassung, von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zukommenden Ermessen zu Gunsten der Beschwerdeführerin Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

6. In Anbetracht der Erledigung in der Hauptsache erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 17. Februar 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005180667.X00

Im RIS seit

13.03.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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