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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Flächenwidmungsplanänderung betreffend die Umwidmung eines Grundstücks des Antragstellers von Gewerbe- und Industriegebiet in Freiland; Eingriff in die Rechtssphäre des Liegenschaftseigentümers durch diese Widmung aufgrund des Verbots der Errichtung eines Gewerbebetriebs; jedoch Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges über ein Bauverfahren im vorliegenden Fall infolge Vorhandenseins von Planunterlagen aus einem erst kürzlich abgeschlossenen Baubewilligungsverfahren; kein Kostenersatz für die beteiligte GemeindeSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1.1. Mit seinem auf Art139 Abs1 B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller die Aufhebung der Änderung des Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde Zirl vom 16. Dezember 1998, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 14. September 1999, hinsichtlich des Grundstückes Nr. 683/9, GB Zirl.
1.2. Seine Antragslegitimation begründet der Antragsteller damit, dass er Eigentümer der Liegenschaft EZ 2379, GB Zirl, bestehend aus der Grundparzelle 683/9 sei. Er beabsichtige für seinen Baumeisterbetrieb, den er aufgrund der Beendigung eines Pachtvertrages anderen Orts aussiedeln müsse, auf dem vor der Änderung des Flächenwidmungsplanes als Gewerbe- und Industriegebiet gewidmeten Grundstück den Neubau einer Lagerhalle mit Büro und Dienstwohnung zu errichten. Durch die Flächenwidmungsplanänderung, durch die die Widmung Freiland für sein Grundstück verfügt worden sei, sei der Antragsteller tatsächlich und ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung bzw. ohne Erlassung eines gegen ihn gerichteten Bescheides in seinen Rechten verletzt worden.
1.3. Hinsichtlich der Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Änderung des Flächenwidmungsplanes bringt der Antragsteller vor, dass keine objektiven Gründe für die Umwidmung seiner Grundparzelle vorgelegen seien. Die Widmung Gewerbe- und Industriegebiet sei unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des §109 Abs3 TROG 1997 iVm §11 Abs4 TROG 1984, durch die die Kennzeichnung als Aufschließungsgebiet zu entfallen habe, erfolgt. Eine Verbauung dieser Fläche könne nicht den Interessen und der Zielsetzung der örtlichen Raumordnung widersprechen. Die Fläche liege zwischen der Autobahnmeisterei und dem Gießen. Die verkehrsmäßige Erschließung sei gewährleistet und durch ein Gutachten des DI F., in dem ausgeführt werde, dass lediglich eine Ausweiche auf der bestehenden Zufahrt notwendig sei, nachgewiesen.
Die Rückwidmung sei nach den Bestimmungen der §§37 und 39 TROG 1997 nicht geboten gewesen, da die Grundparzelle im unmittelbaren Anschluss an die "Autobahnmeisterei" liege.
2. Die Tiroler Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Abweisung des Antrages begehrt und auf die gesetzliche Verpflichtung gemäß §108 Abs1 erster Satz TROG 1997 zum Beschluss eines örtlichen Raumordnungskonzeptes bis zum 31. Dezember 1999 verweist.
3. Die Marktgemeinde Zirl erstattete eine Äußerung, in der sie begehrt, den Antrag auf teilweise Aufhebung der Änderung des Flächenwidmungsplanes kostenpflichtig abzuweisen.
4. Der Antragsteller erstattete eine Gegenäußerung.
II. Der Antrag ist unzulässig:
1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 11.726/1988, 13.944/1994).
2. Im Freiland dürfen nur gemäß §41 Tiroler Raumordnungsgesetz 2001, LGBl. Nr. 93/2001, zulässige Gebäude errichtet werden. Die Behauptung des Antragstellers, dass in seine Rechtssphäre in einer nach Art139 B-VG geforderten Art eingegriffen worden sei, da er auf dem Grundstück Nr. 683/9, KG Zirl, aufgrund der Widmung Freiland keinen Gewerbebetrieb errichten dürfe, trifft zu.
3. In ständiger Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, es könne zwar vom Antragsteller nicht erwartet werden, dass er allein zum Zweck der Anfechtung des Flächenwidmungsplanes die für ein Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung erforderlichen Planunterlagen anfertigen lässt. Der Verfassungsgerichtshof erachtet jedoch in ständiger Rechtsprechung dann, wenn das maßgebliche Gesetz etwa das Institut der Bauplatzerklärung vorsieht, die Einbringung eines auf die Erklärung des Grundstücks zum Bauplatz gerichteten, keiner aufwändigen Planunterlagen bedürftigen Ansuchens als einen zumutbaren Weg, der die Unzulässigkeit der unmittelbaren Anfechtung eines Flächenwidmungsplanes beim Verfassungsgerichtshof bewirkt (so hinsichtlich der Rechtslage zu Flächenwidmungsplänen in Oberösterreich etwa die Erkenntnisse VfSlg. 9773/1983, 10.004/1984; hinsichtlich der Rechtslage im Land Salzburg etwa die Erkenntnisse VfSlg. 11.317/1987, 12.395/1990; zur Rechtslage in Niederösterreich die Erkenntnisse VfSlg. 15.004/1997 und vom 26. September 2000, V78/00; zur Bausperre, zu §11 Bgld BauO, vgl. VfSlg. 13.872/1994).
4. Anlässlich der unmittelbaren Anfechtung von Flächenwidmungsplänen in Tirol hat der Verfassungsgerichtshof zwar wiederholt (vgl. VfSlg. 9260/1981) ausgesprochen, dass nach der geltenden Rechtslage nur ein förmliches - kostspielige Planunterlagen erforderlich machendes - Bauansuchen nach §§21, 23 Tiroler Bauordnung 1998 in Betracht käme, um die behauptete Rechtswidrigkeit der Verordnung vor den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts geltend zu machen. Dieser Weg ist dem Antragsteller jedoch in diesem Fall deshalb zumutbar, da er bereits in dem Verfahren über das Bauansuchen vom 11. August 1997 um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für den Neubau einer Lagerhalle samt Büro und Dienstwohnung auf dem Grundstück Nr. 683/9 GB Zirl Planunterlagen anfertigen lassen musste. Das Bauansuchen wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Zirl vom 19. Jänner 1998 ua. unter Hinweis auf eine bestehende Bausperre abgewiesen. Im fortgesetzten Rechtsgang wies der Gemeindevorstand der Marktgemeinde Zirl die Berufung mit Bescheid vom 24. Februar 1999 wiederum als unbegründet ab. Daher hat der Antragsteller die Möglichkeit, erneut ein Bauansuchen zu stellen und dieselben Planunterlagen - ohne weiteren Kostenaufwand - im förmlichen Baubewilligungsverfahren vorzulegen und die behauptete Gesetzwidrigkeit der Änderung des Flächenwidmungsplanes an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Da der Gemeindevorstand seine Entscheidung vom 24. Februar 1999 noch nicht auf die angefochtene Verordnung (Flächenwidmungsplan) stützen konnte, wäre ein erneutes Bauansuchen auch nicht wegen res judicata zurückzuweisen. Im Falle einer - noch möglichen - Aufhebung des Bescheides des Gemeindevorstandes kann der Antragsteller aber in jenem bereits anhängigen Bauverfahren, in dem dann der Flächenwidmungsplan anzuwenden wäre, seine Bedenken gegen die Verordnung an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts herantragen.
5. Dem Antragsteller steht daher ein zumutbarer Weg zur Verfügung, im Rahmen des Bauverfahrens die Frage der Gesetzmäßigkeit der Änderung des Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde Zirl vom 16. Dezember 1998, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 14. September 1999, hinsichtlich des Grundstückes Nr. 683/9 GB Zirl, an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
6. Der von der - anwaltlich vertretenen - Marktgemeinde Zirl begehrte Kostenersatz war nicht zuzusprechen, weil ein Kostenersatz im Verfahren nach Art139 B-VG nur für den obsiegenden Individualantragsteller vorgesehen ist (§61a VerfGG 1953, vgl. VfGH vom 28.11.2000, V26/00).
7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, VfGH / Individualantrag, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:V82.1999Dokumentnummer
JFT_09988789_99V00082_00