TE OGH 1992/11/25 9ObA228/92

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Veröffentlicht am 25.11.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Theodor Kubak und Franz Murmann als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr.M***** G*****, Internistin, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei Primarius Dr.R***** W*****, Internist, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wegen 581.033,27 S sA, infolge als "Revision und Rekurs" bezeichneter Revision der beklagten Partei gegen das als "Zwischenurteil und Beschluß" bezeichnete Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Wien in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15.Mai 1992, GZ 33 Ra 35/92-51, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18.Juni 1991, GZ 19 Cga 2534/87-46, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 19.312,20 S bestimmten Kosten des Verfahrens dritter Instanz (darin 3.218,70 Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtsträger des Krankenhauses H*****, an dem die Streitteile beschäftigt sind, ist die Stadtgemeinde H*****.

Die Anstaltsordnung dieses Krankenhauses enthält unter anderem nachstehende Bestimmung:

"Der Vertreter des Abteilungsleiters wird vom Rechtsträger über Vorschlag des Abteilungsleiters und Stellungnahme der Anstaltsleitung bestimmt. Er ist vor Aufnahme seiner Tätigkeit unter Nachweis seiner Eignung der Landesregierung anzuzeigen."

Beide Streitteile sind Fachärzte für innere Medizin. Der Beklagte ist seit November 1979 Vorstand der Internen Abteilung des Krankenhauses H*****. Die Klägerin war dort seit 1.August 1980 Oberärztin und Stellvertreterin des Beklagten. Es gab zunächst keine Probleme bei der gemeinsamen Arbeit der Streitteile. Der Beklagte betreibt in H***** eine Facharztpraxis für innere Medizin, in der er sowohl Kassen- als auch Privatpatienten betreut. Im Oktober 1983 eröffnete die Klägerin in dem vom H***** 3 bis 5 km entfernten B***** D***** A***** eine Facharztpraxis für innere Medizin, in der sie Privatpatienten betreut. Mit Schreiben vom 15.Oktober 1984 beantragte der Beklagte die Abberufung der Klägerin als seine Stellvertreterin und erklärte, ab November 1984 den Oberarzt Dr.D***** S***** bis auf weiteres mit seiner Vertretung zu betrauen. Nach Ansicht des Beklagten war es in den letzten Jahren zu einem Vertrauensverlust zwischen ihm und der Klägerin gekommen; die Klägerin hatte wiederholt Weisungen des Beklagten nicht befolgt. Es handelte sich dabei nicht um Maßnahmen, deren Unterbleiben lebensgefährdend gewesen wäre, sondern um solche, über deren Zweckmäßigkeit man vom ärztlichen Standpunkt aus verschiedener Meinung sein konnte. Einmal fragte der Beklagte die Klägerin in Anwesenheit von Dr.D***** S*****, warum sie eine vom Beklagten angeordnete Lumbalpunktion nicht durchgeführt habe. Eine Endoskopie verschob die Klägerin einmal aus persönlichen Gründen. Dieses Verhalten der Klägerin führte dazu, daß der Beklagte enttäuscht war, und schuf auch Mißstimmungen zwischen den Streitteilen. Mit Schreiben vom 12.November 1984 ersuchte der Krankenhausausschuß den Beklagten um eine ausführliche und detaillierte Begründung für seinen Antrag.

Darauf antwortete der Beklagte mit Schreiben vom 30.November 1984, in dem er ausführte:

"...........Diese Änderung ist umso naheliegender, als meine

bisherige Vertreterin Frau Oberarzt Dr.M***** G***** seit Sommer 1983

zunehmend häufige Schwierigkeiten hat, die in meiner Vertretung

anfallenden Aufgaben zu lösen. Insbesondere ist sie wiederholte Male

nicht oder nur stark verzögert imstande, ihr aufgetragene und

indizierte diagnostische Maßnahmen in die Tat umzusetzen. Dies betraf

zum Beispiel Lumbalpunktionen, Sternalpunktionen oder Gastroskopien.

Ebenso steht sie oft unbegründet vor scheinbar unüberwindlichen

Schwierigkeiten, wenn sie in ihrem Dienst ein Medikament aus dem

Medikamentendepot besorgen oder einen Transferierungsbrief schreiben

muß........."

Die Anstaltsleitung legte dieses Schreiben des Beklagten dem Bürgermeister von H***** als Vertreter des Rechtsträgers vor und erklärte, daß grundsätzlich davon auszugehen sei, daß der ärztliche Leiter einer Fachabteilung eines Krankenhauses sich unter seinen nachgeordneten Mitarbeitern den aussuchen könne, der am ehesten sein Vertrauen genieße. Wenn der Beklagte nach einem über vier Jahre hinausreichenden Zeitraum der Meinung sei, daß seine bisherige Vertreterin dieser Aufgabe nicht mehr zu seiner Zufriedenheit erfüllen könne, sei dies ein Umstand, der fast ausschließlich von ihm zu beurteilen sei. Es sei allerdings fraglich, ob die negative Beurteilung so objektiv sei, daß sie auch einem Prüfungsverfahren standhalte, da die Vermutung nicht von der Hand zu weisen sei, daß seit der Eröffnung einer Privatordination durch die Klägerin aufgrund der beruflichen Konkurrenz das anfangs sehr starke Vertrauensverhältnis in ein Mißtrauensverhältnis umgeschlagen sei. Die Anstaltsleitung sei zwar der Meinung, daß dem Wunsch des Leiters der internen Abteilung aufgrund des nicht hoch genug einzuschätzenden Vertrauensverhältnisses zwischen ihm und seinem Vertreter stattzugeben sei, sie erkenne aber die dringende Notwendigkeit, den Rechtsträger mit dem geschilderten Sachverhalt vertraut zu machen und damit auf die Konsequenzen hinzuweisen, welche sicherlich in der breiten Öffentlichkeit des Einzugsgebietes des Krankenhauses einen unter Umständen sehr unangenehmen Niederschlag finden könnten.

Die im Schreiben des Beklagten vom 30.November 1984 gegen die Klägerin erhobenen Anschuldigungen und Vorwürfe sind zum größten Teil unrichtig. Es gab lediglich Meinungsverschiedenheiten über die Art und Zeit von Behandlungen und Medikationen. Es kam vor, daß die Klägerin medizinische Maßnahmen später durchführte, als dies der Beklagte angeordnet hatte oder andere Medikamente verordnete.

In der Sitzung des Krankenhausausschusses vom 14.Jänner 1985 wurde der Antrag des Beklagten behandelt. An dieser Sitzung nahmen die Mitglieder der Anstaltsleitung - der ärztliche Leiter Primarius Dr.H***** Z*****, die Leiterin des Pflegedienstes A***** H***** und der Verwaltungsdirektor H***** D***** - der Bürgermeister J***** R*****, die Stadträte Dkfm.Dr.R***** K*****, R***** G***** und F***** H***** sowie die Primarärzte Dr.E***** G***** und Dr.R***** M***** teil. Der Beklagte wiederholte dort seine Vorwürfe und erklärte, er könne sie untermauern; sein Antrag dürfe nicht im Zusammenhang mit der Eröffnung einer Ordination durch die Klägerin gesehen werden. Dem Bürgermeister war der Inhalt des Schreibens des Beklagten vom 30. November 1984 bekannt; die Gemeinderäte wurden damit erst in der Ausschußsitzung konfrontiert. Der Bürgermeister verlangte im Ausschuß, daß sich die Anstaltsleitung mit dem Problem auseinandersetze und hatte die Absicht, sich nach der Meinung der Anstaltsleitung zu richten. Den Gemeinderäten hatte er gesagt, daß einvernehmliches Vorgehen wichtig sei. Die Mitglieder der Anstaltsleitung waren für die Enthebung der Klägerin, ebenso die Primarärzte Dr.E***** G***** und Dr.R***** M*****, weil sie sich in die Angelegenheiten einer anderen Abteilung nicht einmischen wollten. Sie vertraten überdies die Ansicht, daß einem Primararzt die freie Wahl seines Vertreters zustehen solle; für Primarius Dr.E***** G***** war der vom Beklagten behauptete Vertrauensverlust entscheidend. Auch A***** H*****, für welche die vom Beklagten gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe überraschend und unverständlich waren, vertrat die Meinung, daß sich der Primararzt seinen Vertreter wählen könne. Ihr hätte es genügt, wenn der Beklagte seinen Wunsch nach Ablöse damit begründet hätte, daß er das Vertrauen zur Klägerin verloren habe. Primarius Dr.H***** Z***** ging zwar davon aus, daß die vom Beklagten gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe richtig seien, er hätte sich aber Gedanken gemacht, wenn der Beklagte ihm lediglich mitgeteilt hätte, er habe das Vertrauen in die Klägerin verloren. Hätte der Beklagte mitgeteilt, die Klägerin befolge seine Anordnungen nicht, hätte Primarius Dr.Z***** daraus geschlossen, daß eine schwere Störung des kollegialen Verhältnisses vorliege und sich überlegt, ob dies für eine Ablöse der Klägerin nicht ausreiche. Der Verwaltungsdirektor H***** D***** hätte sich nicht damit zufrieden gegeben, daß der Beklagte das Vertrauen zur Klägerin verloren habe. Er vertrat ebenso wie der ärztliche Leiter und der Bürgermeister den Standpunkt, daß die Versetzung einer Oberärztin in einer Kleinstadt Aufsehen erregen werde, weil insbesondere die Presse krankenhausfeindlich sei und die Angelegenheit dem Ansehen des Krankenhauses schaden werde. Der Gemeinderat R***** G***** glaubte die vom Beklagten erhobenen Vorwürfe und stimmte deshalb für die Abberufung der Klägerin. Ihm hätte aber die Behauptung des Beklagten, er habe das Vertrauen zur Klägerin verloren, weil sie seine Anordnungen nicht befolge, genügt. Auch der Bürgermeister glaubte die Vorwürfe, vertrat aber die Meinung, der Abteilungsleiter könne sich eine Person seines Vertrauens auszusuchen; es solle eine Ablöse stattfinden, damit Ruhe im Krankenhaus eintrete. Auch er war wegen allfälliger Reaktionen in den Medien besorgt.

Die Enthebung der Klägerin wurde in dieser Sitzung einstimmig beschlossen und wurde mit Ablauf des Jänner 1985 durchgeführt. Hätte der Beklagte seinen Antrag auf Enthebung der Klägerin wahrheitsgemäß damit begründet, daß es zu einem Verlust des Vertrauens zwischen ihm und der Klägerin gekommen sei und daß es Meinungsverschiedenheiten über Fragen der Behandlung und der Medikation gegeben habe, hätte dies (wahrscheinlich) genügt, um bei der Abstimmung im Krankenhausausschuß eine Mehrheit für die Ablöse der Klägerin zu erlangen.

Bis Juli 1985 arbeitete die Klägerin als Oberärztin an der internen Abteilung weiter, ohne Stellvertreterin des Beklagten zu sein; auf ihren Wunsch hin wurde jedoch ihre Arbeitszeit reduziert, sodaß sie unter Anrechnung der Nachtdienste nicht mehr als 40 Stunden pro Woche eingesetzt war. Von ihrer Enthebung als Vertreterin des Beklagten bis zu ihrem - nach einem Streit der Klägerin mit Dr.S***** von Primarius Dr.Z***** verfügten - Wechsel auf die chirurgische Abteilung im Juli 1985 erhielt die Klägerin statt bisher 15 % nur mehr 7,5 % der auf der internen Abteilung anfallenden Sondergebühren. Während ihrer Tätigkeit in der chirurgischen Abteilung erhielt die Klägerin keine Sondergebühren der internen Abteilung, jedoch 1 bis 2 % der in der chirurgischen Abteilung anfallenden Sondergebühren sowie fallweise Anteile an den Sondergebühren der gynäkologischen Abteilung. Nach ihrer Rückkehr auf die interne Abteilung erhielt die Klägerin für Mai 1987 aliquot 7,5 % der dortigen Sondergebühren, ab Juni 1987 bis Ende 1989 4 % dieser Gebühren.

Der Beklagte wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Hainburg vom 9. Juni 1986 wegen seiner wahrheitswidrigen Äußerungen über die Klägerin der versuchten Kreditschädigung schuldig erkannt.

Die Klägerin begehrt die Zahlung eines Betrages von 581.033,27 S sA an Mindereinnahmen aus Sondergebühren seit ihrer Abberufung als Stellvertreterin des Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes. Der Beklagte habe in ihrer Privatpraxis eine berufliche Konkurrenz erblickt und die Ablöse der Klägerin als Stellvertreterin betrieben. Durch seine unrichtigen Vorwürfe, denen die Mitglieder des Krankenhausausschusses Glauben geschenkt hätten, habe der Beklagte die Abberufung der Klägerin als Stellvertreterin erwirkt.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, daß er eine Ablöse der Klägerin auch erreicht hätte, wenn er nur angegeben hätte, daß er wegen häufiger Differenzen in Behandlungsfragen das Vertrauen in die Klägerin verloren habe. Da bei wahrheitsgemäßer Angabe über den Vertrauensverlust ein Mehrheitsbeschluß auf Ablösung der Klägerin erreichbar gewesen wäre, seien die dem Beklagten zur Last gelegten Behauptungen nicht kausal für die Abberufung der Klägerin.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Beklagte auch mit dem rechtmäßigen Alternativverhalten - Hinweis auf den Vertrauensverlust, der dadurch entstanden sei, daß die Klägerin manchmal andere medizinische Standpunkte vertreten habe, was zu Meinungsverschiedenheiten, Spannungen und Reibereien geführte habe - die Ablöse der Klägerin hätte erreichen können. Er hafte daher nicht für die Folgen seines an sich strafbaren Verhaltens.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, sprach mit Zwischenurteil aus, daß der Klageanspruch dem Grunde nach zu Recht bestehe, hob das angefochtene Urteil im übrigen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück; weiters erklärte das Berufungsgericht den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß aus der Bestimmung, wonach der Rechtsträger über Vorschlag des Abteilungsleiters und Stellungnahme der Anstaltsleitung den Vertreter des Abteilungsleiters zu bestellen habe, zu folgern sei, daß eine gleichartige Vorgangsweise auch bei Abberufung des Stellvertreters eines Abteilungsleiters einzuhalten sei. Aus dem Erfordernis der Stellungnahme durch die Anstaltsleitung ergebe sich auch die Notwendigkeit einer detaillierten Begründung dieser Stellungnahme. Diese Norm ziele darauf ab, in einem Verfahren vor dem Rechtsträger die Voraussetzungen für die Enthebung zu prüfen, um die willkürliche Abberufung des Vertreters des Abteilungsleiters zu vermeiden, wobei dem Gremium ein Entscheidungsspielraum eingeräumt sei. Diese Norm ziele nicht so sehr auf die Verhütung eines Schadens ab, sondern solle vor allem die Einhaltung eines bestimmten geregelten Verfahrens erreichen. Ein Verfahren sei nicht nur dann nicht eingehalten worden, wenn es überhaupt nicht durchgeführt worden sei, sondern auch dann, wenn es - wie im vorliegenden Fall - aufgrund eines wahrheitswidrigen Vorbringens durchgeführt werde. Der Beklagte habe mit seinem wahrheitswidrigen Vorbringen die Entscheidung des Rechtsträgers über einen den Tatsachen entsprechenden Antrag verhindert. Eine nachträgliche, im Schadenersatzprozeß konstruierte, theoretisch zum gleichen Ergebnis führende Entscheidungsmöglichkeit könne nicht das vorgesehene Verfahren und die Entscheidung über einen wahrheitsgemäßen Antrag ersetzen. Aus den Feststellungen, daß der ärztliche Leiter bei Kenntnis des wahren Sachverhaltes überlegt hätte, ob dies für eine Abberufung ausreiche und daß sich auch der Verwaltungsdirektor mit der Behauptung des Vertrauensverlustes nicht zufrieden gegeben hätte, ergäben sich Unklarheiten, die zu Lasten des Beklagten gehen müßten; das Erstgericht habe zwar unbedenklich darauf schließen können, daß die Mehrheit für die Ablöse der Klägerin gestimmt hätte, es sei aber im Rahmen der Willensbildung bei einem Kollegialorgan nicht auszuschließen, daß die Argumentation der Stimmberechtigten bei Kenntnis des wahren Sachverhaltes auch die anderen hätte beeinflussen können. Eine Haftungsbefreiung durch rechtmäßiges Alternativverhalten sei daher nicht anzunehmen.

Da zur Höhe des Anspruches keine ausreichenden Feststellungen vorlägen, könne lediglich über die Berechtigung des Klageanspruches dem Grunde nach entschieden werden. Zur Höhe des Anspruches werde das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben, auf welcher Grundlage die Klägerin als Stellvertreterin des Beklagten 15 % und sodann nur mehr 7,5 % der anfallenden Sondergebühren erhalten habe. Die Versetzung in die chirurgische Abteilung und die damit verbundene weitere Minderung des Sondergebührenanteiles könne dem Beklagten nicht angelastet werden. Weiters werde mit den Parteien zu erörtern sein, welchen Einfluß die Einschränkung der Dienstzeit auf den Sondergebührenanteil der Klägerin gehabt habe; sollte dem Vertreter des Abteilungsleiters ohne Rücksicht auf den Umfang der Dienstleistung ein bestimmter Anteil zustehen, komme der Einschränkung der Dienstleistung keine Bedeutung für den Ersatzanspruch der Klägerin zu.

Rechtliche Beurteilung

Zur Formulierung der Entscheidung des Berufungsgerichtes als "Zwischenurteil und Beschluß" ist zu bemerken, daß ein Zwischenurteil im Sinne des § 393 Abs 1 ZPO immer eine weitere Verhandlung über die Höhe des Anspruches zur Folge hat, sodaß eine Zurückverweisung der Sache mit Beschluß nicht erforderlich ist; auch die Zulassung des Rekurses an den Obersten Gerichtshof gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO kommt in diesem Fall nicht in Betracht. Bereits im Gesetz - § 393 Abs 3 2. Satz ZPO - ist bestimmt, daß durch die Erhebung der Berufung oder Revision gegen ein Zwischenurteil die weitere Verhandlung über die Klage bis zum Eintritt der Rechtskraft gehemmt wird. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes ist daher bloß als Zwischenurteil anzusehen (7 Ob 769/81; 8 Ob 91/76; 3 Ob 56/73; 3 Ob 49/72; 2 Ob 291/69 und 2 Ob 16/68).

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richten sich "Revision und Rekurs" des Beklagten; wie oben ausgeführt, ist die Entscheidung des Berufungsgerichtes ein Zwischenurteil, sodaß das Rechtsmittel des Beklagten bloß als Revision zu behandeln ist.

Der Beklagte macht als Revisionsgrund unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.

Wie der Revisionswerber zutreffend darlegt, finden sich Regelungen

über den Betrieb der gegenständlichen Krankenanstalt im

niederösterreichischen Krankenanstaltengesetz (im folgenden KAG), das

im § 16 vorsieht, daß der Träger der Krankenanstalt deren inneren

Betrieb durch eine von der Landregierung zu genehmigende

Anstaltsordnung zu regeln hat. Unter dem Titel "Kollegiale Führung

der Krankenanstalt" schreibt § 16 a Abs 1 KAG vor, daß die Führung

des Betriebes der Krankenanstalt - unbeschadet des Verfügungsrechtes

des Rechtsträgers der Anstalt - durch die aus dem ärztlichen Leiter,

dem Verwaltungsleiter und dem Leiter des Pflegedienstes bestehende

Anstaltsleitung erfolgt. Nach Abs 2 dieser Bestimmungen obliegen alle

Entscheidungen in wirtschaftlichen, administrativen und technischen

Angelegenheiten der Krankenanstalt, die Auswirkungen auf den

ärztlichen und pflegerischen Betrieb der Krankenanstalt haben, der

Anstaltsleitung. Läßt sich über eine zu treffende Maßnahme innerhalb

der Anstaltsleitung eine Übereinstimmung nicht erzielen, sieht Absatz

3 dieser Bestimmung vor, daß darüber der Rechtsträger der

Krankenanstalt - nötigenfalls nach Anhörung entsprechender

Sachverständiger - zu befinden hat.

Die Anstaltsordnung für das Krankenhaus H***** sieht nun in Punkt

5.1.1.1 vor, daß der Vertreter des Abteilungsleiters vom Rechtsträger

über Vorschlag des Abteilungsleiters und Stellungnahme der

Anstaltsleitung bestimmt wird. Eine am Zweck dieser Norm - Besetzung

des wichtigen Postens des Stellvertreters eines Abteilungsleiters

durch den Rechtsträger in einem geregelten Verfahren - orientierte

Auslegung muß dazu führen, diese Bestimmung analog auch auf die

Abberufung des Stellvertreters anzuwenden. Darüber hinaus ist dem

Berufungsgericht darin beizupflichten, daß sich aus dieser Regelung - Entscheidungsfindung durch den Rechtsträger über Vorschlag des Abteilungsleiters nach Stellungnahme der Anstaltsleitung - erschließen läßt, daß für die Entscheidung nicht allein der Wunsch des Abteilungsleiters nach einem anderen Stellvertreter ausreichen darf, sondern der Antrag des Abteilungsleiters sachlich zu begründen und darüber hinaus von der Anstaltsleitung auf seine Richtigkeit zu prüfen ist. Andernfalls wäre das beschriebene Verfahren überflüssig und könnte die Abberufung seines Stellvertreters ebensogut dem betreffenden Abteilungsleiter überlassen werden; dies würde allerdings zu einer sehr starken Abhängigkeit des Stellvertreters führen und die Gefahr mit sich bringen, daß dieser entgegen der im § 22 Ärztegesetz normierten Verpflichtung das Wohl der Patienten nicht immer mit der nötigen Entschiedenheit wahrt. Schließlich ist auch noch darauf Bedacht zu nehmen, daß im § 16 a Abs 3 KAG vor Entscheidung des Rechtsträgers über eine Maßnahme, in der in der Anstaltsleitung keine Übereinstimmung erzielt wurde, sogar die Anhörung von Sachverständigen vorgesehen ist. Es ist dem Berufungsgericht daher darin beizupflichten, daß der Antrag des Abteilungsleiters auf Abberufung seines Stellvertreters zu begründen ist und dementsprechend auch der Rechtsträger die Abberufung nur bei Vorliegen ausreichender sachlicher Gründe zu verfügen hat.

Durch seine bewußt unrichtigen Angaben im Antrag auf Abberufung hat nun der Beklagte eine Entscheidung des Krankenhausausschusses auf der Basis der wahren Sachlage und damit das in der Krankenanstaltsordnung vorgesehene Verfahren zur Abberufung seiner Stellvertreterin verhindert. Soweit sich der Beklagte darauf beruft, die Abberufung wäre auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten erfolgt, ist zu erwidern, daß - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - nicht auszuschließen ist, daß es bei Kenntnis der wahren Sachlage den Sitzungsteilnehmern, die die nicht näher begründete Behauptung des Abteilungsleiters, er habe das Vertrauen zu seiner Stellvertreterin verloren, als nicht ausreichend erachteten, gelungen wäre, im Rahmen der Beratung weitere Sitzungsteilnehmer zu beeinflussen (siehe auch SZ 58/32 sowie 1 Ob 18/87), wenn man nicht überhaupt mit Koziol Haftpflichtrecht I2 166 f und Caemmerer, Das Problem der überholenden Kausalität im Schadenersatzrecht, 33 f, in einem solchen Fall den Einwand, rechtsmäßiges Alternativverhalten hätte zum gleichen Ergebnis geführt, für unbeachtlich hält. Darüber hinaus wäre im vorliegenden Fall, in dem eine sachliche Prüfung durch das zur Entscheidung berufene Organ durch bewußt unwahre Angaben verhindert wurde, an den Entlastungsbeweis durch Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten - wenn man ihn überhaupt für zulässig erachtet - jedenfalls ein strenger Maßstab anzulegen und zu fordern, daß das rechtmäßige Alternativverhalten bei rechtmäßigem Verhalten des zur Entscheidung berufenen Organs (vgl. JBl 1992, 317; 1 Ob 1/92; 1 Ob 17/92 und 1 Ob 20/92) zwingend zu demselben Ergebnis geführt hätte. Auch wenn man davon ausgeht, daß der Beklagte für den Vertrauensverlust die wiederholte Nichtbefolgung von ärztlichen Anordnungen, über deren medizinische Zweckmäßigkeit man verschiedener Ansicht sein konnte, ins Treffen hätte führen können, hätten diese gegenüber den erhobenen Vorwürfen weit weniger gewichtigen Gründen wohl nicht einmal ausgereicht, die Abberufung der Klägerin sachlich zu rechtfertigen, geschweige denn, sie als zwingende Notwendigkeit anzusehen.

Auch der weitere Einwand des Revisionswerbers, der Rechtsträger hätte schon im Hinblick auf die von der Anstaltsleitung in ihrer Stellungnahme geäußerten Bedenken die Angaben des Beklagten zu überprüfen gehabt, vermag den vorsätzlich handelnden Beklagten nicht zu entlasten (siehe Koziol Haftpflichtrecht I2, 241; Arb 10.028).

Zu Unrecht führt der Revisionswerber schließlich ins Treffen, die Klägerin habe unwahre Vorwürfe des Beklagten nicht einmal behauptet, das Berufungsgericht habe zu Unrecht eine Bindung an das Strafurteil angenommen. Tatsächlich hat die Klägerin vorgebracht, daß der Beklagte in Wettbewerbsabsicht unrichtige Behauptungen über dienstliches Fehlverhalten der Klägerin aufgestellt habe; weiters sind die Vorinstanzen unabhängig von den Ergebnissen des Strafverfahrens zum Ergebnis gelangt, daß der Beklagte bewußt wahrheitswidrige Vorwürfe gegen die Klägerin erhoben hat.

Weiters argumentiert der Revisionswerber, auch wenn die Klägerin weiterhin Vertreterin des Beklagten gewesen wäre, hätte der ärztliche Leiter die Auseinandersetzung zwischen ihr und Dr.S***** zum Anlaß einer Versetzung in die chirurgische Abteilung nehmen können; für den Zeitraum ab dieser Versetzung sei daher das Verhalten des Beklagten keine adäquate Ursache für den Entgang der Sondergebühren. Nach herrschender Rechtsprechung wird jedoch die Haftung des Erstschädigers nicht dadurch aufgehoben, daß nachträglich ein Ereignis eintritt, das den Schaden gleichfalls herbeigeführt hätte (SZ 39/172; EvBl 1959/244; JBl 1956, 503; 7 Ob 526/91).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E32114

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:009OBA00228.92.1125.000

Dokumentnummer

JJT_19921125_OGH0002_009OBA00228_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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