TE OGH 1992/11/25 6Ob566/92

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Veröffentlicht am 25.11.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erwin K*****, vertreten durch Dr.Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Landgenossenschaft E***** KG, ***** vertreten durch Dr.Michael Bauer, Rechtsanwalt in Liezen, wegen 752.940,45 S samt Nebenforderungen, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den zum Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 28.Juni 1991, GZ 8 Cg 80/89-84, ergangenen berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 27.Februar 1992, AZ 5 R 225/91 (ON 91), den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht stattgegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind Kosten des zu ergänzenden Verfahrens.

Text

Begründung:

Der Kläger betreibt als Landwirt seit Jahren die Stiermast. Soweit er nicht Kälber von eigenen Kühen aufzieht, kauft er Jungtiere im Alter zwischen sechs Wochen und drei Monaten mit einem Lebendgewicht zwischen 80 und 100 kg an, stellt sie zu vier bis zehn Stück in Stallboxen ein, strebt in einer Mastzeit von etwa 14 Monaten eine Gewichtszunahme der Jungstiere bis zu 600 bis 650 kg an und verkauft die Stiere dann an Schlächtereien. Ab einem Körpergewicht von ungefähr 150 kg verabreicht der Kläger seinen Jungstieren ein aus Maissilage und Kraftfutter sowie Sojabohnen zusammengesetztes Futter. Als Kraftfutter setzte der Kläger bis anfang Jänner 1988 ausnahmslos Gerste ein. Dieses Futtermittel bezog er größtenteils von der Beklagten.

Die Beklagte ist eine Kommanditgesellschaft, deren persönlich haftende Gesellschaft eine Landgenossenschaft ist. Der Kläger ist Mitglied dieser Genossenschaft und war jahrelang deren Vorstandmitglied.

Der mit dem Ein- und Verkauf der Landesprodukte betraute Angestellte der Beklagten riet dem Kläger, den er als Vorstandsmitglied der Genossenschaft kannte, bei einem Zusammentreffen, als Kraftfutter anstelle von geschroteter Gerste, deren Kilopreis damals bei 4,55 S lag, geschroteten Bruchmais, der damals nur 3,60 S je Kilogramm kostete, einzusetzen. Dazu erklärte der Angestellte der Beklagten dem Kläger, der Energiegehalt von Bruchmais sei jenem der Gerste gleichwertig.

In Befolgung dieses Rates kaufte der Kläger ab Jänner 1988 bei der Beklagten Bruchmais.

Die Beklagte hatte diese Futtermittel von einem Großhändler, dieser seinerseits von hauptsächlich bäuerlichen Produzenten bezogen. Die Beklagte untersuchte den angekauften Bruchmais im Zuge einer internen Qualitätskontrolle auf Feuchtigkeit, nahm aber keine Untersuchungen zur Feststellung einer allfälligen Toxinhältigkeit vor. Mikrobiologische Untersuchungen (durch die die Toxine feststellbar wären) sind in der Futtermittelbranche in der Regel nicht üblich. Die Qualitätskontrolle erfolgt überlichweise derart, daß der Übernehmer Feuchtigkeitsbesatz und Hektolitergewicht beurteilt.

Der Kläger kaufte von der Beklagten im Jänner 1988 einmal 5000 kg und einmal 2500 kg Maisbruchschrot, im Februar 1988 6000 kg Getreidemischung mit einem 60 % Gemengeanteil an Maisbruchschrot (3600 kg) und ein anderes Mal 2500 kg Maisbruchschrot sowie im März 1988 5500 kg Maisbruchschrot und im April 1988 6000 kg Getreidemischung mit einem 20 % Gemengeanteil an Maisbruchschrot (1200 kg).

Dazu hatte sich der Kläger, der Bedenken gegen die ihm zugesagte Gleichwertigkeit von Maisbruchschrot gegenüber Gerste als Kraftfutter hegte, von der Beklagten eine schriftliche Erklärung geben lassen. Das mit 21.Jänner 1988 datierte Schreiben des oben erwähnten Angestellten der Beklagten an den Kläger lautete:

"Bezugnehmend auf unser Telefonat von heute liefern wir Ihnen ca. 45 to Futtermittel Maisschrot gesund und handelsüblich in Teillieferungen von mind. 5 to frachtfrei mit Silowagen zugestellt zum vereinbarten Preis von S 362.--/100 kg incl. MWST. Diese Vereinbarung gilt bis Oktober 1988. Wir danken für Ihren Auftrag......."

Der Kläger erhebt als Futtermittelkäufer gegen die Beklagte als Verkäuferin Schadenersatzansprüche.

Nach seinem Vorbringen haben die ihm von der Beklagten gelieferten Maisschrotmengen entgegen der Zusage gesunder und handelsüblicher Beschaffenheit - in einer die Zuchtziele vermindernden Konzentration - Giftstoffe enthalten. Der Kläger habe diese Futtermittel in Unkenntnis ihrer verdorbenen Beschaffenheit an seine Masttiere verfüttert. Ausschließlich der Giftgehalt des Futtermittels habe einen gegenüber der Verfütterung unverdorbenen Futters wesentlich verminderten Masterfolg bewirkt. Für die darin gelegenen Nachteile erachtete der Kläger die Beklagte als ersatzpflichtig, weil diese aus dem Futtermittelkauf unter besonderer Bedachtnahme auf õ 9 Abs 2 Futtermittelgesetz, dem zufolge alle Futtermittel im Zeitpunkt der Abgabe an den Verbraucher von unverdorbener Beschaffenheit zu sein haben, sowie auf die ausdrückliche Qualitätszusage gesunder und handelsüblicher Beschaffenheit mit der Lieferung verdorbener Ware vertrags- und daher rechtswidrig gehandelt und damit in adäquater Weise eine gegenüber dem sonstigen Verlauf der Mast zum Nachteil des Klägers nur verminderten Masterfolg verursacht habe. Die Beklagte könne den ihr gemäß õ 1298 ABGB obliegenden Schuldlosigkeitsbeweis nicht erbringen, weil ihr bei der Größe des Umsatzes und ihrer marktbeherrschenden Stellung eine stichprobenweise Überprüfung der von ihr verkauften Futtermittel durch mikrobiologische Untersuchungen zuzumuten gewesen wäre. Im einzelnen begehrt der Kläger Ersatz für das Zurückbleiben des tatsächlich erzielten Mastertrages gegenüber jenem Ertrag, der bei ordnungsgemäßem Futter zu erwarten gewesen wäre, welche Differenz er mit mehr als 700.000 S beziffert; ferner begehrt der Kläger Ersatz für seine Aufwendungen zur Beobachtung der verminderten Gewichtszunahme und der Ursachen der verminderten Gewichtszunahme im Gesamtbetrag von 20.000 S sowie den Ersatz von Zinsenentgang.

Die Beklagte bestritt ihre Haftung dem Grunde nach. Sie habe handelsüblichen Maisschrot vom Vorlieferanten angekauft und an den Kläger weiterverkauft und sei für eine Toxinkonzentration in diesem Futtermittel nicht verantwortlich. Zu einer mikrobiologischen Untersuchung wäre sie weder nach dem Gesetz noch nach einer im Futtermittelhandel herrschenden Verkehrsübung verpflichtet gewesen. Sie habe sich deshalb nicht rechtswidrig verhalten. Im übrigen sei die Toxinkonzentration in den dem Kläger gelieferten Futtermitteln für die Gewichtszunahme seiner Masttiere ohne jeden Einfluß gewesen. Es fehle daher an der Kausalität. Der Kläger habe seinerseits durch die Kombination des kontaminierten Maisschrots mit schlechter Maissilage die Toxinwirkung erheblich erhöht und damit schuldhaft mitverursacht. Ihn treffe am nachteiligen Erfolg der Verfütterung des von der Beklagten gelieferten Maisbruchschrots das Alleinverschulden oder doch ein wesentliches Mitverschulden. Der Kläger habe es auch verabsäumt, die wachstumsgeschädigten Masttiere ehestmöglich zur Schlachtung zu bringen und damit gegen seine Obliegenheit zur Schadensminderung verstoßen. Der Kläger sei für seine Schadensberechnung gesicherte Berechnungen oder auch nur verläßliche Einschätzungsgrundlagen schuldig geblieben. Aus diesem Grunde bekämpfe die Beklagte ausdrücklich auch das Begehren der Höhe nach.

Das Prozeßgericht erster Instanz hat dem Schadenersatzbegehren des Klägers im Teilbetrag von 364.845,60 S samt 10 % Zinsen seit 2.März 1989 stattgegeben und das darüber hinausgehende Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren Betrages von 388.094,85 S samt Nebenforderungen abgewiesen.

Es legte dabei zugrunde, daß der vom Kläger bei der Beklagten zur Bullenzucht gekaufte Maisbruchschrot in einer so hohen Konzentration mit Giftpilzen befallen gewesen sei, daß das negative Auswirkungen auf den Mastertrag ausgelöst habe und schätzte diese Negativwirkung in einem durchschnittlichen Zurückbleiben der täglichen Gewichtszunahme von 24 dag (anstatt 1,19 kg nur 0,95 kg) bei 127 Masttieren durch 420 Masttage ein, was bei einem Fleischpreis von 50 S/kg und einer Ausschlachtung von 57 % zu einem Minderertrag von 364.845,60 S geführt habe.

Der Kläger bekämpfte in seiner Berufung vor allem diese Tatsachenannahmen in mehrfacher Hinsicht: Er bemängelte die Feststellung der durchschnittlichen täglichen Mastgewichtszunahme von 24 dag, weil diese richtigerweise aus der Differenz von 1,30 kg zu 0,90 kg mit 40 dag festzustellen gewesen wäre; weiters die Feststellung der Zahl der Masttiere mit 127, weil richtigerweise 147 Maststiere in die Fütterung mit dem pilzbefallenen Maisbruchschrot einbezogen gewesen seien; überdies wandte sich der Kläger gegen die Feststellung des Fleischpreises mit 50 S/kg, weil der richtige Schlachtpreis einschließlich Umsatzsteuer mit 59,40 S/kg festzustellen gewesen wäre.

Die Beklagte bekämpfte mit ihrer Berufung vor allem die Annahme eines haftungsbegründenden Verhaltens als Verkäuferin, weil die Ursächlichkeit der Futtermittelqualität für die vom Kläger geltend gemachte Verminderung des Masterfolges von ihm nicht erwiesen worden wäre. Die Beklagte vertrat darüber hinaus die Auffassung, dem Kläger sei der Beweis ihres Verschuldens nicht gelungen; im übrigen aber wäre ihre Schuldlosigkeit erwiesen, weil sie den behaupteten Nachteil aus der Verfütterung ihrer Futtermittel nicht habe vorhersehen können. Weiters bemängelte die Beklagte, daß ihre Einwendung einer dem Kläger anzulastenden Vernachlässigung seiner Obliegenheit zur Schadensminderung unberücksichtigt geblieben sei. Zur Schadenshöhe erachtete die Beklagte die Voraussetzungen für eine im Sinn des õ 273 ZPO erfolgte Schadensfestsetzung als nicht gegeben.

Das Berufungsgericht faßte einen Aufhebungsbeschluß. Dazu sprach es aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Es ging davon aus, daß der von der Beklagten dem Kläger zur Verfütterung an Masttiere gelieferte Maisbruchschrot "mit toxinhältigen Stoffen kontaminiert war". Es erachtete es aber in tatsächlicher Hinsicht noch weiter für erhebungsbedürftig, wie weit dies von nachteiligem Einfluß auf die Mast gewesen sei. Dabei legte das Berufungsgericht zugrunde, daß die Rechtswidrigkeit der Lieferung mangelhafter (weil mit Giftpilzen in einer übermäßigen Konzentration befallener) anstelle - sogar ausdrücklich zugesagter - "gesunder" Futtermittel nicht fraglich sein könne. Vom Verschuldensvorwurf wäre die Verkäuferin allerdings befreit, wenn ihr der Abgang der behaupteten Eigenschaft des gelieferten Futtermittels auch bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht hätte bekannt sein müssen. Der Giftbefall wäre durch mikrobiologische Untersuchung feststellbar gewesen. Gemäß õ 1298 ABGB wäre es Sache der beklagten Verkäuferin, ihre Schuldlosigkeit daran nachzuweisen, daß sie zur Erfüllung ihrer Verkäuferpflichten dem Kläger gifthältige Futtermittel geliefert habe.

Das Berufungsgericht erachtete aber auch zur Höhe des vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzanspruches die Rüge der Beklagten für berechtigt, daß eine Schadensfestsetzung gemäß õ 273 ZPO vor einer restlosen Auswertung der zur Schadenshöhe vorliegenden Beweisergebnisse unstatthaft gewesen sei. Im einzelnen trug das Berufungsgericht dem Prozeßgericht erster Instanz auf, im ergänzenden Verfahren weitere Erhebungen zur Auswirkung des in der festgestellten Konzentration von Giftpilzen befallenen Futters auf die Lebendgewichtzunahme der Masttiere zu treffen und dabei besonders zu beachten, wie die Fütterung mit dem verdorbenen Futter in den verschiedenen Maststadien wirkte und durch nachfolgende Fütterungsmaßnahmen ausgeglichen hätten werden können, sowie ob danach eine vorzuziehende Schlachtung wirtschaftlicher gewesen wäre als die Weiterfütterung wachstumsgeschädigter Tiere durch die volle übliche Mastdauer; auch zur möglichen Erhöhung der Toxinkonzentration durch Kombination des Maisbrotschrots mit schlechter Maissilage sei das Verfahren noch zu ergänzen. Erst dann würden natürliche Verursachung, adäquate Kausalität, Verschulden und Mitverschulden sowie Verletzung der Obliegenheit zur Schadensminderung abschließend zu beurteilen sein. Zur Schadenshöhe müßten soweit wie möglich individuelle Mastanfangs- und endgewichte und die jeweiligen Zeitspannen, in denen die einzelnen Masttiere mit dem gifthältigen Futter gefüttert worden seien, festgestellt werden. Auch zu den Nebenforderungen mangle es zur abschließenden Beurteilung bisher an zureichenden Feststellungen.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Beklagten gegen diesen berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß erhobene Rekurs mit dem auf Fällung eines klagsabweislichen Urteiles zielenden Abänderungsantrag ist nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat seinem Verfahrensergänzungsauftrag keine der Rekurswerberin nachteilige Rechtsansicht zu Grunde gelegt.

Zur Nachteiligkeit bestimmter Giftkonzentrationen im Futtermittel für den Zuchterfolg hat das Berufungsgericht die bisherigen Äußerungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen ohne eigene Wertung wiedergegeben, die Frage aber noch als erörterungsbedürftig erachtet. Eine unrichtige Lösung einer Verfahrensrechtsfrage ist dem Berufungsgericht entgegen den Rekursausführungen dabei nicht unterlaufen. Es ist Sache der Beweiswürdigung, wie weit in Einzelfragen der Sachverständige, um das Gericht zu überzeugen, seine Gewährleute zu wissenschaftlichen Aussagen zu benennen und nachzuweisen habe.

Die vom Berufungsgericht zu Grunde gelegte Beweislastverteilung trifft zu. Die Verursachung des in der Verminderung des Zuchterfolges gesehenen Vermögensnachteil durch die Verfütterung des von der Beklagten gelieferten Futtermittels hat der Kläger zu beweisen, ebenso die Höhe seines Schadens. Daß die Lieferung schädlicher Futtermittel nicht dem Kaufvertrag entsprochen hat und daher rechtswidrig war, bedarf keiner Erörterung. Der Rückgriff auf õ 9 Abs 2 Futtermittelgesetz ist dabei ebenso überflüssig wie der auf ein besonderes Vertrauen des Käufers gegenüber einem marktbeherrschenden Verkäufer. Steht aber eine Schadenzufügung als rechtswidriges Verhalten fest, hat der Schädiger gemäß õ 1298 ABGB seine Schuldlosigkeit zu beweisen. Sache der Beklagten wird es daher sein, Umstände dafür zu erweisen, daß ihr die Unterlassung technisch möglicher und wirtschaftlich vertretbarer Untersuchungen der von ihr verkauften Ware nicht zumutbar gewesen wäre, wobei besonders zu berücksichtigen sein wird, mit welcher Wahrscheinlichkeit bei dem angekauften und weiterverkauften Futtermittel (Maisbruch, vgl das Gutachten des Sachverständigen Dr.Georg Händlhuber vom 12.April 1990, S 37 ad D) am Ende = AS 251) mit Pilzbefall in schädlicher Konzentration zu rechnen war.

Dem Rekurs gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf õ 52 ZPO.

Textnummer

E33067

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0060OB00566.920.1125.000

Im RIS seit

15.06.1997

Zuletzt aktualisiert am

25.03.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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