Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friederike G*****, vertreten durch Dr.Alexander Milavec, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Rupert E*****, vertreten durch Dr.Michael Göbel und Dr.Markus Groh, Rechtsanwälte in Wien, und 2.) Randolf E*****, vertreten durch Dr.Heinz Neuner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 398.000,-- samt Anhang und S 197.333,33 samt Anhang , infolge Rekurses der klagenden Partei und der erstbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 14.April 1992, GZ 14 R 33/92-52, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 10.Oktober 1991, GZ 20 Cg 259/88-45, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Beide Rekurse werden zurückgewiesen. Ein Zuspruch von Kosten für das Rekursverfahren findet nicht statt.
Text
Begründung:
Das Erstgericht hat die Klage auf Zahlung eines Pflichtteils wegen erhaltener Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers gegen den Erstbeklagten wegen S 398.000,-- samt Anhang abgewiesen, gegen den Zweitbeklagten wegen S 207.500,-- der Klage mit einem Betrag von S 197.333,33 samt Anhang stattgegeben und ein Mehrbegehren von S 10.166,67 abgewiesen.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Klägerin und des Zweitbeklagten Folge und hob das Ersturteil, soweit es nicht mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen ist (nämlich hinsichtlich der Abweisung eines Mehrbegehrens von S 10.166,67 gegenüber dem Zweitbeklagten) zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung auf, da es aufgrund seiner vom Erstgericht abweichenden rechtlichen Beurteilung in der Auslegung der §§ 785 und 951 ABGB weitere Feststellungen für erforderlich hielt. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil zwar zu den behandelten Einzelfragen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vorhanden, "die sich im vorliegenden Zusammenhang ergebenden Besonderheiten aber bisher nicht entschieden worden seien".
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes liegen die Voraussetzungen des § 519 Abs 2 ZPO für die Zulässigkeit eines Rekurses an den Obersten Gerichtshof nicht vor. Rechtsprechung und Lehre zu den §§ 785 und 951 ABGB sind seit Jahrzehnten einheitlich und unverändert. Das Berufungsgericht hat diese ausführlich dargelegt und richtig auf den vorliegenden Fall angewendet (§ 510 Abs 3 ZPO). Denn in welchem Ausmaß eine Liegenschaftsübergabe als entgeltlich oder unentgeltlich zu werten ist, muß nach den Umständen, insbesondere den Wertverhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt werden. Bei der Bewertung übergebener Liegenschaften sind alle Belastungen, die der Übernehmer - einschließlich der vom Übergeber für sich oder andere bedungenen Rechte - zu übernehmen hatte, als wertmindernd anzusehen. Als Gegenleistungen sind nur aus dem Vermögen des Übernehmers - allenfalls auch aus dem Vermögen eines Dritten für ihn - erbrachte Leistungen zu veranschlagen. Leistungen, zu denen sich der Übernehmer dritten Personen gegenüber verpflichten muß, haben im Verhältnis zum Übergeber Entgeltcharakter (6 Ob 620/82; 6 Ob 13/84 uva). Bei einer gemischten Schenkung findet keine Aufwertung der vom Geschenknehmer tatsächlich aufgrund des Übergabevertrages erbrachten Leistungen statt, denn es kommt nicht auf die tatsächliche Erfüllung der Übernehmerpflichten, sondern ausschließlich auf das im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu kalkulierende Ausmaß der vom Übernehmer vertraglich geschuldeten Gegenleistung an (6 Ob 638, 639/86; Welser in Rummel, ABGB2 Rz 10 und 11 zu § 785).
Richtig hat das Berufungsgericht auch dargelegt, daß auch eine Sachhaftung (Übernahme einer mit einem Pfandrecht belasteten Liegenschaft ohne persönliche Schuldübernahme) zu bewerten und diese Bewertung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und nicht auf die in der Folge eingetretenen tatsächlichen Entwicklungen abzustellen ist (so auch 6 Ob 580/91, 508/92).
Das Berufungsgericht hat auch die Kriterien zur Auslegung des Begriffes "sittliche Pflicht" in § 785 ABGB (vgl ua NZ 1981, 29; RZ 1983/65) ohne Rechtsirrtum dargelegt.
Da durch die im Zuge der Verfahrensergänzung im Sinne der berufungsgerichtlichen Aufträge erforderliche Neuerrechnung eines allfälligen Schenkungspflichtteiles der Klägerin noch nicht beurteilt werden kann, ob der Erstbeklagte im Sinne des § 951 Abs 3 ABGB zur Haftung heranzuziehen sein wird, ist auch die Aufhebung des Ersturteiles, soweit damit die Klage gegen den Erstbeklagten abgewiesen wurde, richtig.
Die erhobenen Rekurse waren daher als unzulässig zurückzuweisen.
Die Rekurswerber haben die Kosten ihrer unzulässigen Rechtsmittel ebenso selbst zu tragen wie die Beklagten die Kosten ihrer Rekursbeantwortungen, in denen die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Klägerin nicht geltend gemacht wurde.
Anmerkung
E33069European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0060OB00577.92.1125.000Dokumentnummer
JJT_19921125_OGH0002_0060OB00577_9200000_000