TE OGH 1992/11/25 2Ob589/92

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Veröffentlicht am 25.11.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber, Dr.Kropfitsch, Dr.Zehetner und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Livia U*****,

2.) Robert D*****, 3.) Fanny G*****, alle vertreten durch Dr.Gerhard Schütz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ignaz S*****, vertreten durch Dr.Otto Ackerl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 6.Mai 1992, GZ 48 R 435/91-45, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 14. März 1991, GZ 7 C 519/89-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Beklagten die mit S 2.501,66 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 416,94 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht hob die Aufkündigung der Wohnung Nr.17 im Hause K*****straße *****, ***** als rechtsunwirksam auf. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und ließ die ordentliche Revision zu. Es traf nach Beweiswiederholung im wesentlichen folgende Feststellungen:

Die Kläger sind Eigentümer des Hauses K*****straße *****, *****. Der Beklagte ist Mieter der Wohnung Nr.17 in diesem Hause. Die Wohnung hat eine Nutzfläche von 30,5 m2.

Der Beklagte leidet seit 30 Jahren an Bronchialasthma. Er war bei der Straßenbahn zunächst als Fahrer, dann als Schaffner angestellt, wegen seiner Krankheit war er jedoch gezwungen, im Alter von 55 Jahren in Pension zu gehen. Der Beklagte ist wegen seiner Krankheit ständig in Behandlung. Der Arzt hatte ihm geraten, den Winter im Süden zu verbringen. Seit dem Jahr 1967 verbringt der Beklagte die kalte Jahreszeit in Spanien, und zwar das erste Jahr in einem Hotel, dann 9 Jahre lang in einem Campingbus. Im Jahre 1977 erwarb der Beklagte ein kleines Haus auf Teneriffa. Vor drei Jahren schenkte er dieses Haus seinem Sohn.

Der Beklagte hält sich zumindest in der Zeit von Anfang Mai bis Anfang September eines jeden Jahres in Wien auf. Es kommt aber auch vor, daß der Beklagte bereits im März oder April nach Österreich zurückkehrt und erst im Oktober oder noch später wieder das Land verläßt. Der Beklagte richtet sich diesbezüglich nach den Witterungsverhältnissen in Österreich und teilweise auch danach, ob er rechtzeitig einen Flug buchen kann.

Der Beklagte hatte bis zum Jahre 1990 einen Schrebergarten in F*****. Den Verkauf des Gartenhauses hatte der Beklagte bereits vor ungefähr 3 Jahren beschlossen, weil er einerseits die Gartenarbeit nicht mehr leisten konnte und andererseits wegen des häufigen Schlechtwetters in Österreich ohnehin größtenteils in der Wohnung bleiben mußte. Bis dahin hatte er sich während der Aufenthalte in Österreich dann im Garten aufgehalten und gelegentlich auch dort übernachtet, wenn die Tagestemperaturen sehr hoch und dementsprechend auch warme Nächte zu erwarten waren. Bei einer längeren Schönwetterperiode im Sommer mit hohen Temperaturen kam es auch vor, daß sich der Beklagte mehrere Tage und Nächte hindurch ausschließlich im Garten aufhielt.

Dieses Jahr kehrte der Beklagte bereits am 21.Februar wegen zusätzlicher gesundheitlicher Probleme nach Österreich zurück. Auf Grund seiner Diabetes hält er sich derzeit bei seiner Schwester auf, die für ihn Diät kocht. Ein Aufenthalt bei der Schwester ist für den Beklagten jedoch nur bis Ende Juni möglich.

Während der Abwesenheit des Beklagten haben Hausbewohner die Schlüssel zur Wohnung des Beklagten. In dessen Unkenntnis wurde einigen Hausparteien gestattet, verschiedene Einrichtungsgegenstände in der aufgekündigten Wohnung vorübergehend abzustellen. Ab 23.9.1988 bis ca. Ende März 1989 wohnte ein Ehepaar unentgeltlich in der Wohnung. Auch davon hatte der Beklagte keine Kenntnis.

Rechtlich war das Berufungsgericht der Ansicht, daß die Rechtsprechung eine regelmäßige Verwendung eines Bestandobjektes zu Wohnzwecken nicht nur dann annehme, wenn der Mieter die Wohnung während eines beachtlichen Zeitraumes im Jahr zu Wohnzwecken benützt, sondern auch, wenn er sie mehrere Tage der Woche als Lebensschwerpunkt benützt. Die Rechtsprechung habe dabei 2 bis 4 Tage als noch ausreichend angesehen, um von einer regelmäßigen Benützung sprechen zu können (vgl MietSlg 39.452, 39.453, 40.458 ua). Auch bei einer Benützung von 3 1/2 bis 4 Monaten im Jahr könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Wohnung etwa nur als Absteigequartier verwendet werde und daß das Interesse des Mieters an der Wohnung über das der bloßen Bequemlichkeit nicht hinausgehe (vgl MietSlg 40.459). Auch im vorliegenden Fall halte sich der Beklagte zumindest 4 Monate in Wien auf und benütze während dieser Zeit teilweise die aufgekündigte Wohnung und teilweise sein Gartenhaus. Da einerseits feststehe, daß es dem Beklagten auf Grund seiner Krankheit nur möglich war, in besonders warmen Nächten im Gartenhaus zu übernachten und andererseits aufgrund der Erfahrungen mit dem Wetter in Österreich eine beschränkte Anzahl solcher Nächte angenommen werden müsse, sei wohl ein schutzwürdiges Interesse des Beklagten an der Wohnung zu bejahen. Es könne keinesfalls angenommen werden, der Beklagte hätte seinen Lebensschwerpunkt in den Schrebergarten verlegt und hätte die Wohnung lediglich als Absteigequartier benützt. Es ergebe sich daher vom Zeitpunkt der Aufkündigung aus betrachtet ein schutzwürdiges Interesse des Beklagten an der Aufrechterhaltung des Bestandverhältnisses an der Wohnung.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der klagenden Parteien aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und die Aufkündigung für rechtswirksam zu erkären.

Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittelausführungen der Kläger sind nicht stichhältig. Die damit bekämpften Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sind zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist noch auszuführen:

Die Beweispflicht, daß der Mieter das Bestandobjekt in offenbar naher Zeit für sich (oder eintrittsberechtigte Personen) dringend benötigt, trifft den Mieter (MietSlg 36.407; MietSlg 37.419; MietSlg XXXIX/49 ua). Dieser Beweispflicht hat der Beklagte entsprochen. Er konnte unter Berücksichtigung aller maßgeblichen zeitlichen Komponenten (MietSlg XXXIX/49) darlegen, daß er wegen seines angegriffenen Gesundheitszustandes zwar die kalte Jahreszeit in Spanien bzw auf Teneriffa verbringt, immer aber nach Österreich in seine Wohnung zurückkehrt und dort zumindest in der warmen Jahreszeit seinen Lebensmittelpunkt beibehält. In diesem Jahr kam er sogar schon im Februar wieder "nach Hause". Daß er einige warme Nächte im Schrebergarten verbringt, vermag daran nichts zu ändern, daß sein Interesse an der Wohnung in Wien über das der bloßen Bequemlichkeit zweifelsfrei hinausgeht (MietSlg 21.574; MietSlg 34.468 ua) und ihm dieser gesicherte Lebensmittelpunkt erst ermöglicht, entsprechend seinen persönlichen Verhältnissen auch längere Perioden im Ausland zu verbringen. Zur gesicherten Existenz eines Pensionisten wie dem Beklagten gehört auch die vor Kündigung geschützte Beibehaltung seiner bisher benützten Wohnung, zu der er nach gesundheits- oder urlaubsbedingten Abwesenheit im In- oder Ausland jeweils zurückkehren können muß, ohne befürchten zu brauchen, daß dies mietrechtlich nachteilige Folgen in Gestalt einer Kündigung nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG nach sich ziehen könnte. Solange der existentielle Schwerpunkt des Beklagten wie im vorliegenden Fall trotz längerer Abwesenheit nach wie vor in der aufgekündigten Wohnung liegt, ist der von den Klägern herangezogene Kündigungstatbestand nicht verwirklicht.

Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E30745

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0020OB00589.92.1125.000

Dokumentnummer

JJT_19921125_OGH0002_0020OB00589_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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