TE Vwgh Erkenntnis 2006/2/17 2005/18/0717

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Veröffentlicht am 17.02.2006
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
StGB §142 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des V (alias L), (geboren 1973), vertreten durch Mag. Wolfgang Schieler, Rechtsanwalt in 2560 Berndorf, Hernsteinerstraße 2/1/3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. Mai 2005, Zl. SD 677/05, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. Mai 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen moldawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 22. Jänner 2003 nach Österreich gelangt und habe am 27. Jänner 2003 einen Asylantrag gestellt, welcher derzeit im Instanzenzug beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sei. Der Beschwerdeführer verfüge über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG.

Am 27. Jänner 2005 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß § 142 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil habe zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am 24. September 2004 mit zwei unbekannten Mittätern einen Taxilenker am Hals gewürgt und diesem Bargeld in der Höhe von Euro 240,-- geraubt hätte.

Das dargestellte Fehlverhalten des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit in höchstem Maß, sodass sich die Erlassung des Aufenthaltshaltsverbots im Grund des § 36 Abs. 1 FrG - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit. - als gerechtfertigt erweise.

Der Beschwerdeführer sei seit mehr als zwei Jahren im Bundesgebiet aufhältig und verfüge im Inland über persönliche Bindungen zu seiner Lebensgefährtin, seinen beiden Kindern sowie seiner ebenfalls im Inland lebenden Mutter. Es sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz des Eigentums Dritter - dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Das dargestellte strafbare Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche augenfällig, dass dieser nicht gewillt sei, die für ihn maßgebenden Rechtsvorschriften seines Gastlandes einzuhalten, weshalb für den Beschwerdeführer keine positive Verhaltensprognose gestellt werden könne.

Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei darauf Bedacht zu nehmen, dass sich der Beschwerdeführer seit mehr als zwei Jahren im Bundesgebiet aufhalte. Dessen ungeachtet könne er sich nicht mit Erfolg auf eine daraus ableitbare relevante Integration berufen, weil diese durch den Umstand, dass die dafür erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich gemindert werde, eine maßgebliche Relativierung erfahre. Vor diesem Hintergrund müssten auch die genannten familiären Bindungen des Beschwerdeführers zurückstehen.

Diesen - solcherart geschmälerten - privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stünden die genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenalgen sei die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers (und seiner Familie) keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und somit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

Angesichts des dargestellten Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers und im Hinblick auf das Fehlen besonderer, zu seinen Gunsten sprechender Umstände könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbots auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden.

Zu den Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Berufung sei festzuhalten, dass von § 37 FrG nur das in Österreich geführte Privatleben (richtig: Privat- und Familienleben) geschützt werde, weshalb es für die vorliegende Maßnahme ohne Relevanz sei, dass der Beschwerdeführer keine familiären Bindungen mehr zu seinem Heimatland habe. Seinen Sorgepflichten könne der Beschwerdeführer überdies auch von seinem Heimatland aus nachkommen, bzw. bleibe es seinen Familienangehörigen unbenommen, dem Beschwerdeführer dorthin zu folgen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren ist im Beschwerdefall der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (erster Fall) FrG erfüllt.

Entgegen der Beschwerde erweist sich angesichts des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität und der Gewaltkriminalität (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 31. März 2004, Zl. 2003/18/0339) vorliegend auch die Annahme gemäß § 36 Abs. 1 FrG als gerechtfertigt. Für die gemäß § 36 Abs. 1 FrG zu treffende Prognose war es nicht relevant, von welchen Erwägungen das Vollzugsgericht bei der nach dem Beschwerdevorbringen bereits getroffenen Entscheidung über die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft am 28. Oktober 2005 ausgegangen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2005, Zl. 2004/18/0101). Angesichts der Art des Fehlverhaltens ist für den Beschwerdeführer auch mit seinem Hinweis nichts gewonnen, es handle sich dabei um eine "einmalige Dummheit" und eine Ausnahme von seinem bisher unbescholtenen Lebenswandel.

2.1. Mit Blick auf § 37 FrG bringt der Beschwerdeführer vor, die Erlassung des Aufenthaltsverbots entziehe ihm die Möglichkeit auf ein Weiterleben in Österreich, insbesondere die Möglichkeit der gemeinsamen Familienführung, der gemeinsamen Zukunftssicherung und Zukunftsgestaltung sowie der beruflichen Weiterentwicklung. Die Erlassung der vorliegenden fremdenpolizeilichen Maßnahme stelle einen beträchtlichen Eingriff in die Privat- und Familiensphäre des Beschwerdeführers dar. Er wohne in Österreich bei seiner Lebensgefährtin und seinen beiden minderjährigen Kindern in einem gemeinsamen Haushalt. Da die Lebensgefährtin (eine moldawische Staatsbürgerin) keinen freien Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt habe, nehme der Beschwerdeführer die Kosten der Haushaltsführung auf sich. Darüber hinaus halte sich die Mutter des Beschwerdeführers in Österreich auf. Der Beschwerdeführer lebe so mit der gesamten Familie in Österreich. Zu seiner ursprünglichen Heimat Moldawien bestünde kein Bezug mehr, keine seiner Familienangehörigen lebten mehr in diesem Land. Die belangte Behörde habe den fremdenrechtlichen Bestimmungen einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt, weil sie nicht geprüft habe, "ob die dort normierten Gründe für die Versagung von Aufenthaltsbewilligungen (nicht gesicherter Lebensunterhalt oder nicht gesicherte ortsübliche Unterkunft) aus den in Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebene Interessen (wie 'wirtschaftliches Wohl des Landes') notwendig" seien, und so auf die privaten und familiären Interessen nicht Bedacht genommen habe. Es hätten die öffentlichen Interessen jedenfalls noch mit dem Grundrecht des Beschwerdeführers auf Privat- und Familienleben abgewogen werden müssen.

2.2. Die belangte Behörde hat angesichts der Dauer seines Aufenthalts und der im angefochtenen Bescheid genannten persönlichen Interessen zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen. Ebenso zutreffend ist sie aber - entgegen der Beschwerde - unter Bedachtnahme auf diese persönlichen Interessen zu dem Ergebnis gelangt, dass das Aufenthaltsverbot im Licht des § 37 Abs. 1 FrG zulässig ist, liegt doch diesem das besagte gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers zur Last, welches das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer, und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer (vgl. Art. 8 Abs. 2 EMRK) dringend geboten erscheinen lässt. Unter Zugrundelegung dieses öffentliche Interesses an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Die für seinen Verbleib in Österreich sprechenden persönlichen Interessen fallen - auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Beschwerdeführer mit seiner Lebensgefährtin und seinen minderjährigen Kindern in einem gemeinsamen Haushalt lebt - nicht stärker ins Gewicht als die durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers herbeigeführte nachhaltige Beeinträchtigung des Allgemeininteresses. Die aus seinem nicht langen Aufenthalt in der Dauer von zwei Jahren und vier Monaten ableitbare Integration ist in ihrem Gewicht dadurch entscheidend gemindert, dass die dafür maßgebliche soziale Komponente durch das dem Beschwerdeführer zur Last liegende gravierende Fehlverhalten erheblich gelitten hat. Dem auf die Situation in seinem Heimatland gerichteten Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass im § 37 FrG die Führung eines Privat- und Familienlebens außerhalb Österreich nicht gewährleistet und ferner mit einem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. April 2005, Zl. 2004/18/0401, mwH). Im Beschwerdefall war es - anders als die Beschwerde meint - bei der Anwendung des § 37 FrG (wie auch des § 36 leg. cit.) nicht erforderlich, die "Gründe für die Versagung von Aufenthaltsbewilligungen (nicht gesicherter Lebensunterhalt oder nicht gesicherte ortsübliche Unterkunft)" in die Erwägungen einzubeziehen. Zum geltend gemachten Grundrecht auf Privat- und Familienleben ist der Beschwerdeführer schließlich darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde die Zulässigkeit der vorliegenden fremdenpolizeilichen Maßnahme (wie dargestellt) unter Bedachtnahme auf den durch § 37 FrG verbürgten Schutz des Privat- und Familienlebens - der inhaltlich dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art. 8 EMRK entspricht - beurteilt hat.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 17. Februar 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005180717.X00

Im RIS seit

17.03.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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