Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans-Joachim S*****, Hotelier, *****, vertreten durch Dr.Klaus Reisch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Dr.Herbert A*****, öffentlicher Notar, *****, vertreten durch Dr.Hansjörg Zink, Dr.Georg Retzer und Dr.Herbert Marschitz, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen S 1,262.095 sA infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 15. Jänner 1991, GZ 1 R 265/90-37, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 14.Mai 1990, GZ 13 Cg 14/88-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger und seine Ehegattin sind Gesellschafter der S***** Hotel GmbH, die Eigentümerin der Liegenschaft ist, auf der das Hotel ***** in Ellmau betrieben wird. Der Kläger ist einer der Geschäftsführer dieser GmbH; er ist für das Marketing und die gastronomischen Fragen des Hotelbetriebs zuständig. Der andere Geschäftsführer, Dr.Werner E*****, ist für den kaufmännischen und organisatorischen Bereich, für das Rechnungswesen und die Vertretung der Gesellschaft gegenüber den österreichischen Finanzbehörden zuständig. Der Kläger ist Angehöriger der Bundesrepublik Deutschland und österreichischer Staatsbürger, sein Hauptwohnsitz und sein wirtschaftlicher Schwerpunkt liegen in der Bundesrepublik Deutschland. Er hat keine über das durchschnittliche laienhafte Maß hinausgehende Kenntnisse des österreichischen Steuerrechtes. Dr.Werner E***** ist Angehöriger der Bundesrepublik Deutschland, absolvierte allerdings sein Studium der Staatswissenschaften teilweise in Österreich, und hat hier auch promoviert. Er ist zur Ausübung des Berurfs eines Steuerberaters in der Bundesrepublik Deutschland, aber nicht in Österreich berechtigt. Die GmbH bedient sich des österreichischen Steuerberaters Max T***** in Ellmau, allerdings vertritt auch Dr.Werner E***** das Unternehmen gegenüber den österreichischen Finanzbehörden.
Der Kläger beabsichtigte seit dem Jahre 1986/87, das Hotel ***** bzw die GmbH "zu verkaufen". Davon erfuhr Dr.Ernst S*****, der bemüht war, für den ihm bekannten Heinz Adolf H***** einen Hotelbetrieb der Spitzenklasse in Österreich ausfindig zu machen. Heinz Adolf H***** war wirtschaftlicher Eigentümer der H***** Aktiengesellschaft mit dem Sitz in Luzern, die sich mit dem An- und Verkauf sowie der Verwaltung von Grundeigentum befaßte. In Gesprächen zwischen Dr.Ernst S***** und dem Kläger kam es nach Ostern 1987 - ohne Beteiligung des Beklagten - zu einer grundsätzlichen Einigung darüber, daß die H***** Aktiengesellschaft die Geschäftsanteile der S***** GmbH käuflich erwerben sollte.
Der Beklagte ist öffentlicher Notar in Kufstein. Er war bereits mehrfach vom Kläger mit notariellen Beurkundungen betraut worden. Nach einer Besprechung am 1.6.1987 wurde der Beklagte vom Kläger beauftragt, einen Entwurf für den Abtretungsvertrag über die GmbH-Anteile an der S***** Hotel GmbH auf der Grundlage der erzielten Besprechungsergebnisse zu erstellen. Bezüglich der aus dem Rechtsgeschäft entstehenden Gebühren wurde ihm vom Kläger oder von Dr.Werner E***** gesagt, in der Vertragsurkunde sollte die Bestimmung aufscheinen, daß sämtliche Steuern, Gebühren und Kosten aus dem Vertrag von der H***** Aktiengesellschaft getragen werden. Der Beklagte verfaßte einen entsprechenden Vertragsentwurf und besprach auftragsgemäß die Frage der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung des zu schließenden Vertrages mit dem Bezirkshauptmann der Bezirkshauptmannschaft Kufstein als Vorsitzenden der zuständigen Grundverkehrsbehörde. Anläßlich der nächsten Besprechung am 13.6.1987, bei welcher der Vertragsentwurf vorlag, ersuchte der Beklagte den Kläger, seinen, des Beklagten, Aufgabenbereich zu definieren. Hierauf antwortete der Kläger, daß der Aufgabenbereich des Beklagten die Niederschrift der Willensbildung der beiden Vertreter Dr.Werner E***** und Dr.Ernst S***** sei. Es fand darnach eine ausführliche Besprechung des beabsichtigten Rechtsgeschäftes statt und abschließend drängte Dr.Ernst S***** darauf, die Ergebnisse der Besprechungen in einer entsprechenden Vertragsurkunde niederzuschreiben. Der Beklagte hielt diese Ergebnisse handschriftlich fest. Die Verhandelnden kamen schließlich überein, am 29.6.1987 einen weiteren Verhandlungstermin abzuhalten. Inzwischen sollte Dr.Ernst S***** den Wiener Rechtsanwalt Dr.Franz H***** konsultieren, der als Fachmann für "Grundstücksbewegungen" mit Ausländern gelte. Vor der nächsten Besprechung am 29.6.1987 verfaßte Rechtsanwalt Dr.Franz H***** einen Abtretungsvertrag bezüglich des klägerischen Geschäftsanteiles an der S***** GmbH an die H***** Aktiengesellschaft und einen Entwurf über ein Anbot der Gattin des Klägers zum Abschluß eines Abtretungsvertrages über ihren Geschäftsanteil. Die Vertragsentwürfe wurden dem Beklagten übermittelt, der mit Beamten des Amts der Tiroler Landesregierung wegen der grundverkehrsrechtlichen Problematik des Abtretungsvertrages Rücksprache hielt. Er wurde dabei in seiner Auffassung bestärkt, daß der Abtretungsvertrag vorzulegen sei, dann aber ein Negativbescheid ergehen müsse, wonach die Abtretung nicht den Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes unterliege. Am 29.6.1987 fand erneut eine Zusammenkunft im Hotel ***** in Ellmau statt, bei der die von Dr.Franz H***** entworfenen Urkunden durchbesprochen und ihr Inhalt mit einigen Änderungen festgelegt wurde. Vor allem wurde für die Entrichtung des Abtretungspreises des klägerischen Geschäftsanteiles eine einzige Zahlung innerhalb einer Woche ab Rechtskraft des grundverkehrsbehördlichen Bescheides vorgesehen. Von der Erbringung einer Bankbürgschaft durch die H***** Aktiengesellschaft wurde Abstand genommen, dem Kläger wurde jedoch ein Rücktrittsrecht für den Fall der nicht rechtzeitigen Entrichtung des Abtretungsentgelts eingeräumt. Entsprechend den Verhandlungsergebnissen diktierte der Beklagte seiner Sekretärin während der Zusammenkunft die wesentlichen Teile des Abtretungsvertrages bzw des schriftlichen Abtretungsanbotes bezüglich der Geschäftsanteile der Gattin des Klägers an der GmbH. Eine förmliche Aufnahme der Notariatsakte und deren Unterfertigung konnte nicht erfolgen, weil Heinz Adolf H***** die für den Abschluß erforderlichen Vollmachtsurkunden und Bescheinigungen der Zeichnungsbefugnis nicht bei sich hatte. Nach deren Beschaffung erfolgte am 30.6.1987 die Unterfertigung beider Notariatsakte.
Der Beklagte unterließ es im Verlauf der oben erwähnten Gespräche, den Kläger darüber aufzuklären, daß auf Grund des Rechtsgeschäftes nach den Bestimmungen des Gebührengesetzes eine Zessionsgebühr in Höhe von 2 % des Abtretungspreises und nach den Bestimmungen des Kapitalverkehrssteuergesetzes Börsenumsatzsteuer anfallen und zu entrichten sein werde, daß nach den Bestimmungen des Gebührengesetzes bei einem solchen zweiseitig verbindlichen Abtretungsvertrag beide Vertragsteile zur ungeteilten Hand zur Entrichtung der Gebühren verpflichtet sind, auch nach den Bestimmungen des Kapitalverkehrssteuergesetzes beide Vertragsteile als Gesamtschuldner Steuerschuldner sind, und nach dem Gebührengesetz die Aufhebung des Rechtsgeschäftes oder das Unterbleiben seiner Ausführung die entstandene Gebührenschuld nicht aufhebt. Da der Kläger von diesen Bestimmungen auch von anderer Seite keine Kenntnis erlangt hatte, ging er davon aus, daß ihn auf Grund der zitierten Vertragsbestimmung aus dem Abschluß des Vertrages keine Steuern oder Gebühren treffen könnten. Hätte der Kläger Kenntnis davon gehabt, daß der Abtretungsvertrag vom 30.6.1987 das Risiko in sich berge, er könnte zur Bezahlung der Rechtsgeschäftsgebühr und der Börsenumsatzsteuer herangezogen werden, hätte er den Vertrag nur unter geeigneten Vorkehrungen zur Vermeidung dieser wirtschaftlichen Belastung abgeschlossen. Dr.Ernst S***** hatte jedenfalls gegenüber Dr.Werner E***** den Anfall von Börsenumsatzsteuer erwähnt und der Beklagte seinerseits hatte Dr.Werner E***** auf die Zessionsgebühr gemäß § 33 TP 16 des Gebührengesetzes hingewiesen. Bei diesem Gespräch erwähnte der Beklagte gegenüber Dr.Werner E***** mehrfach, daß er sich ganz auf die zivilrechtliche Seite konzentriere; darunter verstand er nach seinen sonstigen Erklärungen die Frage, ob das beabsichtigte Rechtsgeschäft einer grundverkehrsrechtlichen Genehmigung bedürfe oder nicht. Ferner meinte der Beklagte in diesen Gesprächen, daß für die steuerliche Seite andere kompetent seien.
Tatsächlich wurde der Kläger mit Börsenumsatzsteuer bzw Zessionsgebühr in Höhe des eingeklagten Betrages belastet und hat diese Beträge auch bezahlt. Die H***** Aktiengesellschaft hatte den Abtretungspreis nicht entrichtet, worauf der Kläger vom Vertrag zurücktrat. Nach dem Tode Heinz Adolf H*****s im November 1987 flossen die von ihm der H***** Aktiengesellschaft in Aussicht gestellten Geldmittel der genannten Aktiengesellschaft nicht mehr zu. Diese AG war im Juli 1988 zahlungsunfähig; ihr gegenüber wäre die Forderung des Klägers uneinbringlich.
Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger vom Beklagten Ersatz des ihm aus der Zahlung der Börsenumsatzsteuer und der Zessionsgebühr samt Nebengebühren entstandenen Schadens. Er wirft dem Beklagten mangelhafte Beratung und Belehrung darüber vor, daß er, der Kläger, beim Scheitern der Abwicklung des Rechtsgeschäftes selbst mit der Belastung durch die Zessionsgebühr und die Börsenumsatzsteuer zu rechnen habe. Für ihn sei einer der wesentlichsten Vertragsabschlußpunkte gewesen, daß die übernehmende Gesellschaft sämtliche mit der Vertragserrichtung verbundenen Kosten, Gebühren und Steuern tragen und er von solchen Ausgaben verschont bleiben werde.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein: Sein Aufgabenbereich sei vom Kläger derart eingeschränkt worden, daß sämtliche steuerlichen Aspekte des in Notariatsaktsform geschlossenen Abretungsvertrages nicht von ihm zu wahren gewesen seien, weil der Kläger sich in diesen Belangen anderweitig Beratung geholt habe. Im übrigen hätte der Kläger die entsprechenden Abgabenbescheide anfechten müssen, und dadurch er den Schaden vermeiden oder vermindern hätte können.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat folgende Rechtsauffassung: Im vorliegenden Fall komme österreichisches Recht zur Anwendung. Trotz der Bestimmung des § 52 NO sei ein Notar nicht dazu verpflichtet, die Aufgaben eines Wirtschafts- oder Steuerberaters zu übernehmen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des aufgenommenen Notariatsaktes habe der Notar in der Regel nicht zu überprüfen. Die Belehrungspflicht in steuerrechtlichen Dingen richte sich grundsätzlich nach dem Mandat. Im vorliegenden Fall habe der Kläger dem Beklagten zu erkennen gegeben, daß er lediglich den Notariatsakt aufzunehmen und hinsichtlich der grundverkehrsrechtlichen Problematik beratend und belehrend tätig zu sein habe. Auf alle übrigen im Zusammenhang mit dem Abtretungsvertrag auftretenden rechtlichen Fragen sollte der Beklagte nicht eingehen. Damit habe der Kläger auf eine Belehrung und entsprechende Beratung im Zusammenhang mit der Problematik des Anfalls der Zessionsgebühr und der Börsenumsatzsteuer beim vorliegenden Abtretungsvertrag verzichtet. Eine Sorgfaltspflichtverletzung könne dem Beklagten somit nicht angelastet werden.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es vertrat auf der erstgerichtlichen Feststellungsgrundlage folgende Rechtsansichten: Bei der Haftungsfrage des Notars sei zu erwägen, welche Leistung dieser dem Kläger überhaupt schuldete. Denn nur die Nichterbringung oder mangelhafte Erbringung dieser Leistung könne grundsätzlich die hier geltend gemachten Schadenersatzansprüche nach sich ziehen. Wie beim Rechtsanwalt stehe auch beim Notar nicht ein bestimmter Erfolg der zu erbringenden Leistung im Vordergrund. Maßgebend sei vielmehr, daß der Notar eine Sorgfaltspflicht gegenüber der Partei wahrzunehmen habe. Für die Einhaltung dieser Sorgfaltspflicht hafte er. Die Nichterfüllung einer solchen Sorgfaltspflicht sei als Ursache des entstandenen Schadens vom Geschädigten (Kläger) nachzuweisen. Im vorliegenden Fall habe sich der Beklagte auch an die Weisungen des Klägers und auch der Vertragspartnerin H***** Aktiengesellschaft halten müssen und der Absicht und Natur des Geschäftes gemäß zu handeln gehabt. Zweifelsfrei sei er verpflichtet gewesen, einerseits die grundverkehrsbehördliche Problematik des Rechtsgeschäftes zu klären, andererseits im Sinne der Notariatsordnung einen ordnungsgemäßen Notariatsakt zu erstellen und niederzuschreiben. Weitere Verpflichtungen ließen sich auf Grund des Verhaltens des Klägers, aber auch der H***** Aktiengesellschaft in Wahrheit nicht erkennen. Auf Grund der Erklärungen und des Verhaltens des Klägers habe der Beklagte nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs davon ausgehen dürfen, daß ihm nur ein beschränkter Aufgabenkreis und damit ein beschränkter Inhalt des Mandates zugedacht gewesen sei, den er in eigener Verantwortung zu erfüllen habe. Der Haftungssausschluß für die steuerrechtliche Seite der Angelegenheit sei daher beachtlich. Der Notar sei verpflichtet, dem Mandanten umfassende Rechtsbelehrung zu erteilen. Er handle bereits dann fahrlässig, wenn er nicht auf jede für einen Rechtsunkundigen, wenn auch nur als möglich erkennbare Gefahr hinweise. Die Belehrungs- und Beratungspflicht finde ihre Grenze in der Willensbildung der Parteien. Es komme dem Notar nicht zu, darauf einzuwirken. Andererseits bestehe die Beratungspflicht sehr wohl auch für wirtschaftliche und steuerliche Fragen; sie dürfe aber nicht so weit gespannt werden, daß nur jeder irgend denkbare Fall vom Notar bedacht oder mit den Parteien besprochen werden müßte. Eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Vertragspartner, insbesondere deren allfälliger ungünstiger Entwicklung, könne nur im Rahmen des bei objektiver und gewissenhafter Beurteilung Möglichen und Zumutbaren verlangt werden. Zu außervertraglichen Sicherungsvorschlägen wäre der Notar nicht verpflichtet. Bei der anzustellenden "ex-ante-Betrachtungsweise" müsse geprüft werden, ob und in welchem Umfang der Notar bei der seinerzeit gegebenen Situation nachlässig zu Lasten der Partei gehandelt habe. Hier gehe es nicht primär darum, daß auf Grund einer nicht zu erwartenden Steuer- oder Gebührenpflicht dem Kläger ein Schaden entstanden sei. Für den "Normalfall" dieser Pflichten sei im Vertrag Vorsorge getroffen worden. Der Schaden sei vielmehr erst auf Grund der Zahlungsunfähigkeit bzw Vermögenslosigkeit der H***** Aktiengesellschaft entstanden, weil erst dadurch die (Mit-)Haftung des Klägers aktuell geworden sei. Anzeichen dafür hätten sich jedoch für den Beklagten nicht gezeigt. Die Haftung des Notars wäre überspannt, würde ihm auch das wirtschaftliche Risiko der Nichterfüllung des Rechtsgeschäftes überbürdet. Immerhin sei im Abtretungsvertrag ein Rücktrittsrecht des Klägers vereinbart worden, was eher dafür spreche, daß sich der Kläger selbst damit ausreichend abgesichert erachtet habe. Die Belehrungspflicht könne nicht so weit führen, daß über Umstände aufzuklären sei, welche die Parteien kannten und auf Grund deren der Notar wußte, daß ihnen die erforderlichen Kenntnisse über die wirtschaftliche und rechtliche Tragweite des zu schließenden Vertrages nicht fehlte. Die Belehrung müsse dort einsetzen, wo ohne sie rechtliche oder wirtschaftliche Schäden eintreten könnten. Dann sei sie allerdings unbedingt und uneingeschränkt. Der Vertragsverfasser müsse aber nicht alle theoretischen Schadensmöglichkeiten aufzählen oder gar nach solchen forschen, sondern habe nur dann eine Belehrungspflicht, wenn besondere Umstände vermuten ließen, daß einem Vertragsbeteiligten die Rechtslage nicht voll bewußt sei und aus dieser Unkenntnis heraus ein Schaden entstehen könne. Auf Grund der vorliegenden Verfahrensergebnisse sei allerdings eine weitere Belehrung oder Beratung des Klägers durch den Beklagten nicht zu fordern.
Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig, weil die hier entscheidungswesentliche Frage des Umfangs der Beratungspflicht eines Notars bei der Vertragsgestaltung und deren Verletzung als Voraussetzung für seine schadenersatzrechtliche Haftung eine über den Einzelfall hinausreichende allgemeine Bedeutung für die Rechtssicherheit hat.
Die Revision ist auch sachlich berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zunächst ist in der kollisionsrechtlichen Frage den Vorinstanzen in der Ansicht zu folgen, daß § 36 IPRG zur Anwendung österreichischen Sachrechtes führt.
Der Beklagte hat als Notar gemäß § 1299 ABGB für den Fleiß und die Kenntnisse, die seine Berufsgenossen gewöhnlich haben, und nach den sie verpflichtenden berufsrechtlichen Vorschriften der Notariatsordnung auch haben sollen, einzustehen (SZ 58/176; NZ 1987, 284; WBl 1988, 205 uva). Es trifft ihn insbesondere die Verpflichtung, die von ihm vertretene Partei in rechtlicher Hinsicht vollständig und richtig zu belehren, vor Nachteilen zu bewahren und für ihre rechtliche Absicherung Sorge zu tragen (Anw 1990, 49 mwN). Der Auftraggeber darf darauf vertrauen, daß der Notar im besonderen Maß geeignet ist, ihn vor Nachteilen zu schützen, und daß er alle nach den einschlägigen Rechtsvorschriften gebotenen Schritte zur Verwirklichung des ihm bekannten Geschäftszweckes unternehmen wird (NZ 1988, 200; Anw 1990, 49). Eine der wichtigsten Aufgaben der rechtsberatenden Berufe ist die ausreichende Belehrung des - meist - rechtsunkundigen Mandanten (NZ 1988, 200; SZ 58/165 uva); sie trifft auch den Notar als Vertragsverfasser. Diese Pflicht besteht grundsätzlich auch gegenüber solchen Mandanten, die vorgeben oder auch belegen, daß sie bereits von anderer berufener Seite (Rechtsanwalt, Notar, Steuerberater etc) Rechtsberatung eingeholt haben oder selbst über hinreichende Rechtskenntnisse und Rechtserfahrungen verfügen, wenn sich aus dem darüber geführten Gespräch oder den dazu vorgewiesenen Belegen (etwa Vertragsentwürfen, Gutachten, Wohlmeinungen etc) die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des für die professionelle Erledigung des konkreten Geschäftsfalles erforderlichen Wissensstandes des Auftraggebers herausstellt; bei begründetem Zweifel daran hat der Notar durch geeignete Fragen den tatsächlichen Wissensstand des Auftraggebers zu erforschen und daran das Maß der erforderlichen Rechtsbelehrung zu bestimmen. Auch von mehr oder weniger stark geprägtem Selbstbewußtsein getragene, die erforderlich erscheinende Rechtsbelehrung abwehrende Äußerungen des Auftraggebers dürfen den Notar grundsätzlich nicht davon abhalten, auf seine Erkundungs- und Belehrungspflicht und auf die erfahrungsgemäß aus einem dem Auftrag entsprechenden Geschäftsvorfall und seiner Abwicklung entspringenden Risken mit Nachdruck hinzuweisen. Dies gilt auch dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Auftraggeber den Notar ausdrücklich nur mit der Verrichtung des in sein Berufsmonopol fallenden Notariatsaktes unter Übernahme eines von einem Rechtsanwalt angefertigten Abtretungsverordnung und sonst bloß mit der Abklärung der grundverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für den Abtretungsvertrag sowie der "Niederschrift der Willensbildung" laut dem Ergebnis der Besprechung über den beigebrachten anwaltlichen Abtretungsvertrag betraut hat, wenn sich aus der vorgegebenen Darstellung des Vertragswillens Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit des für die professionelle Erledigung des konkreten Geschäftsfalles erforderlichen Wissensstandes des Auftraggebers herausstellt. Dies aber war hier offenkundig der Fall, denn es war der erklärte Wille des Auftraggebers, daß in die Vertragsurkunde die Verpflichtung der H***** Aktiengesellschaft zur Tragung sämtlicher Steuern, Gebühren und Kosten aus dem Vertrag und das Rücktrittsrecht des Auftraggebers für den Fall der nicht rechtzeitigen Entrichtung des innerhalb einer Woche ab Rechtskraft des grundverkehrsbehördlichen Bescheides zahlbaren Abtretungspreises festgehalten wird: diese Willenslage hätte beim beklagten Notar die an den klagenden Auftraggeber zu richtende Frage auslösen müssen, ob er sich darüber im klaren sei, daß die vorgesehene Regelung der Überwälzung sämtlicher mit dem Vertrag verbundener Steuern und Gebühren auf den Erwerber der Geschäftsanteile die gesetzlich vorgesehene Solidarhaftung beider Vertragsparteien nicht aufheben könne und daß im Falle der Nichterfüllung dieser Vertragsbestimmung durch den Geschäftsanteilserwerber deshalb auch der Auftraggeber für die gesamten diesbezüglichen Beträge haften werde, und daß dies alles auch dann gelte, wenn der Auftraggeber wegen Zahlungsverzuges des Erwerbers vom Abtretungsvertrag zurücktrete, weil dadurch die Steuer- und Gebührenlast nicht entfalle. In Anbetracht der Höhe des zwar vertraglich auf den Anteilserwerber überwälzten, aber möglicherweise doch den gesetzlich solidarisch haftenden klagenden Auftraggeber belastenden Betrages war der beklagte Notar auch verpflichtet, seinen Auftraggeber auf die ihn im Falle der Insolvenz des vertraglich zahlungspflichtigen Anteilserwerbers allein treffende Zahlungsverpflichtung hinzuweisen und über die vertraglichen Möglichkeiten, für diesen grundsätzlich nicht auszuschließenden Risikofall Vorsorge zu treffen, ausreichend zu belehren.
Der Einwand des beklagten Notars, er habe mit der späteren Insolvenz des allein zahlungspflichtigen Anteilserwerbers nach seinem damaligen Wissensstand nicht rechnen müssen, ist unbeachtlich, weil auf ein solches Risiko bei einem derart hohen Betrag der gesetzlichen solidarischen Zahlungsverpflichtung grundsätzlich immer und ohne Rücksicht auf die augenblickliche Vermögenslage des vertraglich Zahlungspflichtigen Bedacht genommen und dafür entsprechende Vorsorge getroffen werden muß.
Nur dann, wenn der beklagte Notar sich so zu verhalten hat, wie es eben dargelegt wurde, und der klagende Auftraggeber dennoch die Befolgung des Rates abgelehnt oder überhaupt die ernstlichen Erkundungs- und Belehrungsversuche des beklagten Notars zurückgewiesen und dessen Warnung vor nachteiligen Folgen in den Wind geschlagen sowie auf die Beurkundung des gewünschten mangelhaften Notariatsaktes ausdrücklich bestanden hat, wäre die Haftungsfreiheit des beklagten Notars zu bejahen.
Andernfalls aber träfe den beklagten Notar die Haftung für den Schaden, den der klagende Auftraggeber aus der positiven Forderungsverletzung (Koziol, Haftpflicht2 II, 81) erlitten hat.
Bisher steht bereits fest, daß der Beklagte, obwohl bei den Vertragsgesprächen über den Anfall der Abtretungsgebühr und der Börsenumsatzsteuer gesprochen wurde, den Kläger nicht darüber aufgeklärt hat, daß er als Abtretender dafür auch dann der Abgabenbehörde hafte, wenn der Vertrag wegen Rücktritts aufgelöst wird, und daß der Kläger bei entsprechender Aufklärung darüber den Vertrag nur mit einer Sicherung gegen das ihn daraus treffende Risiko geschlossen hätte. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Rahmen seiner Rechtsausführungen auch auf die vereinzelt gebliebene und in dem daraus von der Kritik hervorgehobenen, aber in Wahrheit gar nicht tragenden Rechtssatz umstrittene Entscheidung 8 Ob 700/89 (JBl 1990, 723 ua) gestützt, wonach die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB nur für Erfolgsverbindlichkeiten, nicht aber für Sorgfaltspflichten gelte, so daß der Kläger die Sorgfaltsverletzung des beklagten Notars als Schadensursache zu beweisen habe. Diese Ansicht teilt der 8.Senat in Übereinstimmung mit den übrigen Senaten zivilrechtlicher Kompetenz aber nicht. Hier ist es Sache des beklagten Notars, gemäß § 1298 ABGB zu beweisen, daß ihn an der Verletzung der dargestellten Pflichten kein Verschulden trifft.
Vorerst ist aber aufgrund der anderen Rechtsansichten der Vorinstanzen die Rechtssache noch nicht spruchreif; es bedarf vielmehr noch einer eingehenden Erörterung mit den Parteien unter Zugrundelegung der oben dargelegten Rechtslage und der dann mangels entsprechender Außerstreitstellungen allenfalls notwendigen Tatsachenfeststellungen.
Sollte das Ergebnis des Beweisverfahrens zur Bejahung der Haftung des beklagten Notars aus einer positiven Forderungsverletzung führen, dann wird auch noch der nicht ausreichend substantiierte Einwand des Beklagten abzuklären sein, der Kläger habe durch Unterlassung weiterer Anfechtung der Bescheide über die Gebühren und Abgaben seine Pflicht zur Schadensminderung bzw -verhinderung verletzt; eine bloße Negierung der klaren Gesetzeslage wird dazu nicht ausreichen.
Diese Erwägungen führen zur Aufhebung der Urteile beider Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sache an das Prozeßgericht erster Instanz.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.
Anmerkung
E30957European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0080OB00664.92.1210.000Dokumentnummer
JJT_19921210_OGH0002_0080OB00664_9200000_000