Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter aus dem Kreis der Arbeitgeber Dr.Barbara Hopf und Dr.Roman Merth in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Otto G*****, vertreten durch Dr.Alfred Haslinger, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern (Landesstelle Oberösterreich), 1031 Wien, Ghegastraße 1, vertreten durch Dr.Wolfgang Wiedner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Heilbehandlungskosten infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3.Mai 1990, GZ 12 Rs 40/90-8, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. Dezember 1989, GZ 5 Cgs 130/89-5, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen. Die beklagte Partei hat die mit ihrer Beteiligung am Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zusammenhängenden Kosten selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der nach § 3 BSVG in der Unfallversicherung pflichtversicherte Kläger erlitt am 21.Mai 1986 einen Arbeitsunfall, wegen dessen Folgen er im zweiten und dritten Quartal 1986 und im ersten und zweiten Quartal 1987 im Aö Krankenhaus Schärding ambulant behandelt wurde. Zu diesen Behandlungen fuhr er jeweils selbst. Zwischen der beklagten Partei und dem genannten Krankenhaus bestand damals kein Vertragsverhältnis über Unfallheilbehandlung.
Mit Bescheid vom 26.Juni 1989 lehnte die beklagte Partei die Übernahme der Kostenanteile für die erwähnten ambulanten Behandlungen und des Selbstbehaltes für die erwähnten Fahrten unter Berufung auf die §§ 189 ff ASVG iVm § 32 ihrer Sitzung ab, weil mit dem genannten Krankenhaus kein Vertragsverhältnis über unfalleigene Heilbehandlung bestehe.
Die dagegen rechtzeitig erhobene Klage richtete sich auf Ersatz sämtlicher Heilbehandlungskosten aus der gesetzlichen Unfallversicherung, soweit sie den Arbeitsunfall vom 21.Mai 1986 betreffen, samt Fahrtkosten zu den ambulanten Behandlungen.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage.
Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruchs ein und erklärte die beklagte Partei mit Zwischenurteil schuldig, die als Folge des Arbeitsunfalls vom 21.Mai 1986 aufgelaufenen Kostenanteile des Klägers für die ambulanten Behandlungen im 2. und 3. Quartal 1986 und im 1. und 2. Quartal 1987 im Aö Krankenhaus Schärding sowie den Selbstbehalt für die Fahrten zu diesen ambulanten Behandlungen zu übernehmen.
Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes hatte der Kläger auf Grund des Arbeitsunfalls vom 21.Mai 1986 nach § 191 Abs 1 ASVG vom 21.Juli 1986 an Anspruch auf Ersatz der vollen Kosten, also auch auf Übernahme der Kostenanteile für die ambulanten Behandlungen im Krankenhaus Schärding einschließlich des Selbstbehaltes für die Fahrten. Für die Zeit der ambulanten Behandlung vor dem 21.Juli 1986 sei § 32 der Satzung der beklagten Partei nicht anzuwenden, weil das Krankenhaus Schärding keine Einrichtung im Sinne des Abs 1 Z 1 dieser Satzungsstelle sei und es sich auch nicht um einen Fall der Ziffer 2 dieser Satzungsstelle handle. Der Kläger hätte daher für seine ambulanten Behandlungen in diesem Krankenhaus und für seine Fahrten zu diesen Behandlungen bis 21.Juli 1986 die Kostenanteile und den Selbstbehalt im Sinne des § 80 Abs 2 BSVG selbst zu tragen. Es sei allerdings bekannt, daß die beklagte Partei § 32 ihrer Satzung in sozialer Rechtsanwendung ausdehnend auslege und nicht nur bei Personen anwende, die überhaupt nicht krankenversichert seien, sondern auch bei solchen, die bei der Klägerin der Krankenversicherung nach dem BSVG unterliegen, um zu verhindern, daß diese bei den sehr oft kostspieligen (ambulanten) Spitalsbehandlungen nach Arbeitsunfällen den 20-%igen Selbstbehalt tragen müssen. Aus diesen sozialen Erwägungen und weil eine Unfallheilbehandlung ein einheitliches Ganzes sei, sei das Klagebegehren auch für die Zeit vor dem 21.Juli 1986 berechtigt.
Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen, auf Abweisung der Klage gerichteten Berufung der beklagten Partei teilweise Folge, bestätigte das erstgerichtliche Urteil für die Zeit nach dem 21.Juli 1986, änderte es jedoch für die Zeit bis 21.Juli 1986 im klageabweisenden Sinne ab und sprach aus, daß der Wert seines Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- nicht übersteigt und daß die Revision zulässig sei.
Der bestätigende Teil erwuchs in Rechtskraft.
Zum abändernden Teil führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus:
Vor dem 21.Juli 1986 käme eine Befreiung von der Kostenanteilspflicht bzw vom Selbstbehalt nur zum Tragen, wenn der Kläger sich über § 32 der Satzung auf eine Leistung aus der Unfallversicherung berufen könnte. Dies sei jedoch nicht der Fall, weil die Kostenbeteiligung nur bei stationärer Unfallheilbehandlung bzw bei ambulanten Behandlungen nur dann entfalle, wenn diese in eigenen Anstalten oder Vertragsanstalten der beklagten Partei erbracht würden oder, wenn der Versicherte von einer solchen Anstalt an eine sonstige überwiesen worden wäre. Das Krankenhaus Schärding sei weder eine eigene Anstalt der beklagten Partei, noch habe diese mit diesem Krankenhaus einen Vertrag über eine Unfallheilbehandlung abgeschlossen. Daß der Kläger in dieses Krankenhaus von einer der im § 32 Abs 1 lit a und b der Satzung genannten Institutionen überwiesen worden wäre, sei weder aktenkundig noch behauptet worden, so daß für die Zeit vom 21.Mai bis 20. Juli 1986 weder nach dem Gesetz noch nach der Satzung eine Unfallheilbehandlung angenommen werden könne, noch aufklärungsbedürftige Anhaltspunkte für eine solche Annahme bestünden. Für die erstgerichtliche Annahme, die Satzung würde von der beklagten Partei zu Gunsten der Versicherten immer so extensiv ausgelegt, daß im Rahmen einer Behandlung nach einem Unfall keine Kostenanteile anfallen, finde sich im vorliegenden Fall - anders als in der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien SSV 25/38 - weder ein Anhaltspunkt noch ein Anlaß, weil § 32 der Satzung nach der zitierten Entscheidung und offenbar in deren Folge ohnedies zu Gunsten der Versicherten deutlich verbessert worden sei. Daß eine Unfallheilbehandlung grundsätzlich ein einheitliches Ganzes sei, sei in sachlicher Hinsicht zu verstehen. wenn eine Unfallheilbehandlung als Pflichtleistung zu gewähren sei, dann im vollen Umfang einschließlich des Transportselbstbehaltes. Zeitlich ziehe jedoch die Karenzbestimmung des § 192 ASVG eine so klare Grenze, daß die vor Ablauf der Karenzzeit liegenden Leistungen auch unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Unfallheilbehandlung nicht zu den Leistungen aus der Unfallversicherung gezählt werden könnten.
Die beklagte Partei ließ den bestätigenden Teil des Berufungsurteiles unbekämpft.
Obwohl in der Revision erklärt wird, daß das Berufungsurteil zur Gänze angefochten werde, richtet sich die nicht beantwortete Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das Berufungsurteil iS einer gänzlichen Klagestattgebung abzuändern oder es allenfalls aufzuheben, bei Berücksichtigung der Revisionsausführungen und richtiger Deutung der Revisionsanträge (vgl zB MGA ZPO14 § 467 E 3, § 506 E 10) zweifelsfrei nur gegen den den Kläger wegen teilweiser Klageabweisung beschwerenden abändernden Teil des Berufungsurteils.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nach § 46 Abs 1 Z 1 ASGG zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Weil das Revisionsgericht Bedenken hegte, ob für die Lösung der Rechtsfrage entscheidende Normen, nämlich § 192 ASVG und insbesondere § 32 Abs 1 der Satzung der beklagten Partei in der hier anzuwendenden Fassung, der Verfassung bzw dem Gesetz entsprechen, stellte es zunächst mit den Beschlüssen vom 18.9.1990 10 Ob S 259/90 und vom 10.3.1992 10 Ob S 335/91 beim Verfassungsgerichtshof die Anträge, die genannte Gesetzesstelle als verfassungswidrig aufzuheben und festzustellen, daß im § 32 der Satzung der beklagten Partei vom 15.3.1974 in den im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassungen ua im Abs 1 der Wortbestandteil "teil" im Wort "teilversicherten" gesetzwidrig war.
Der Verfassungsgerichtshof hat ua diese Anträge mit den Erkenntnissen vom 10.10.1991 G 204/90-13 und G 321/90-12 und vom 2.10.1992 V 20 und 26/92-8 abgewiesen.
Auf Grund dieser beiden Erkenntnisse ist davon auszugehen, daß § 192 ASVG nicht verfassungswidrig ist und § 32 Abs 1 der Satzung der beklagten Partei in den hier anzuwendenden Fassungen nicht gesetzwidrig war.
Nach § 192 ASVG erhalten ua die gemäß § 3 BSVG Unfallversicherten, zu denen der Kläger gehört, die Heilbehandlung gemäß § 191 ASVG erst vom Beginn des dritten Monats nach dem Eintritt des Versicherungsfalles an. Der Träger der Unfallversicherung, hier die beklagte Partei, kann unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit durch die Satzung bestimmen, ob, unter welchen Voraussetzungen und inwieweit schon von einem früheren Zeitpunkt an Heilbehandlung nach § 191 ASVG oder an deren Stelle Geldleistungen zu gewähren sind.
Von dieser Regelungsermächtigung hatte die beklagte Partei durch § 32 Abs 1 ihrer Satzung in der in diesem Verfahren anzuwendenden Fassung nur hinsichtlich der bei ihr in der Unfallversicherung teilversicherten Personen Gebrauch gemacht.
Da der Kläger unbestrittenermaßen nicht bloß in der Unfallversicherung teilversichert war, worauf auch vom Verfassungsgerichtshof hingewiesen wurde, waren ihm nach dieser Satzungsbestimmung nicht schon von einem früheren Zeitpunkt als dem Beginn des dritten Monats nach dem Eintritt des Versicherungsfalles an Heilbehandlung oder an deren Stelle Geldleistungen zu gewähren.
Deshalb wurde der auf Ersatz der während der ersten beiden Monaten nach dem Eintritt des Versicherungsfalles (Arbeitsunfall vom 21.5.1986) entstandenen Heilbehandlungskosten samt Fahrtkosten zu den ambulanten Behandlungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gerichtete Teil des Klagebegehrens vom Berufungsgericht entsprechend der vom Verfassungsgerichtshof als verfassungs- bzw gesetzgemäß erkannten gesetzlichen bzw satzungsmäßigen Bestimmungen abgewiesen.
Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten der Revision beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG, die über die von der beklagten Partei im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung am Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof verzeichneten Kosten auf Abs 1 Z 1 leg cit. Daß der Kläger der beklagten Partei diese Kosten durch Mutwillen, Verschleppung oder Irreführung verursachte hätte, - nur in diesen Fällen hätte er sie nach Abs 3 der zit Gesetzesstelle nach Billigkeit zu ersetzen - wurde nicht einmal behauptet.
Anmerkung
E32318European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:010OBS00310.92.1215.000Dokumentnummer
JJT_19921215_OGH0002_010OBS00310_9200000_000