Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Dezember 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag.Röder als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dursun Ö***** und einen anderen wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z 3 SGG als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Dursun Ö***** und Cetin S***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlicher beider Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 6.Oktober 1992, GZ 20 Vr 987/92-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugemittelt.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen in Rechtskraft erwachsenen (Teil-)Freispruch enthält, wurden Dursun Ö***** (zu A/I/1 und 2) und Cetin S***** (zu A/II) des Verbrechens nach § 12 Abs. 1, Dursun Ö***** auch nach Abs. 3 Z 3 SGG, jeweils als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB, Ö***** außerdem auch noch (zu B) des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z 1 WaffenG schuldig erkannt.
Darnach haben sie
(zu A) den bestehenden Vorschriften zuwider dazu beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), daß Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt wurde, und zwar
I. Dursun Ö***** mit Beziehung auf ein Suchtgift, dessen Menge zumindest das Fünfundzwanzigfache der im § 12 Abs. 1 SGG angeführten Menge ausmachte, nämlich
1. im Februar 1992 dadurch, daß er Rezep K*****, welcher zusammen mit einer weiteren Person 50 Gramm Heroin aus der Schweiz nach Vorarlberg geschmuggelt hatte, von Lustenau nach Hohenems chauffierte, wo K***** diese Suchtgiftmenge an Yasar T***** übergab;
2. im März 1992 dadurch, daß er Rezep K*****, der mit einer weiteren Person 150 Gramm Heroin aus der Schweiz nach Vorarlberg geschmuggelt hatte, von der Staatsgrenze nach Hohenems chauffierte, wo das Heroin an Yasan T***** übergeben wurde;
II. Cetin S***** im März 1992 in Vorarlberg dadurch, daß er Yasan T***** beim Verkauf von 20 Gramm Heroin an Anton T***** unterstützte;
(zu B) Dursun Ö***** im Februar 1992 in Vorarlberg unbefugt eine Faustfeuerwaffe, nämlich eine Pistole des Kalibers 9 mm, besessen.
Rechtliche Beurteilung
Die beiden Angeklagten bekämpfen den Schuldspruch - der Angeklagte Ö***** nur jenen nach dem Suchtgiftgesetz - mit getrennt ausgeführten, jeweils auf die Z 5 und 5 a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden.
Der Angeklagte Ö***** wendet in der undifferenziert ausgeführten Mängel- und Tatsachenrüge ein, das Ersturteil gehe davon aus, daß er um den Additionseffekt der zu Punkt A/I/1 und 2 geschilderten Tätigkeiten wissend sogar in Rechnung stellte, in bezug auf eine Menge zu handeln, die zumindest das Fünfundzwanzigfache der eben geschilderten "Qualität" ausmachte; es führe aber in keiner Weise aus, inwieweit bei ihm der Additionseffekt im vorliegenden Fall überhaupt zum Tragen komme. Das Urteil konkretisiere auch nicht jene Menge, die zumindest um das Fünfundzwanzigfache überschritten worden sein soll; es sei daher nicht nachvollziehbar, darüber hinaus bestünden an den zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen erhebliche Bedenken.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen lassen die Urteilsgründe - liest man alles zusammen - keinen Zweifel daran, daß das Erstgericht, mag die bezügliche Formulierung - abgesehen von dem offensichlichen Schreibfehler "Qualität" anstatt richtig Quantität - nicht gerade glücklich gewählt worden sein, jedenfalls zur Überzeugung gelangt ist, daß der bedingte Vorsatz des Angeklagten Ö***** bei Begehung der von Punkt A/I/1 und 2 des Urteilssatzes erfaßten Tathandlungen von Anfang an auf die Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet war, die letztlich in ihrer Summe nicht nur die (mit einer entsprechenden Gefährdungseignung verbundene) sogenannte Grenzmenge, sondern auch die das Fünfundzwanzigfache dieser Menge - und damit die Qualifikation nach § 12 Abs. 3 Z 3 SGG - ausmachte. Dabei ging das Schöffengericht, wie sich aus der Bezugnahme auf die Erhebungsergebnisse der kriminaltechnischen Zentralstelle der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit (US 9 iVm S 167 ff, insbesondere 183) ergibt, ersichtlich im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes davon aus, daß die verbrechensqualifizierende Grenzmenge (große Menge iSd § 12 Abs. 1 SGG) bei Heroin 1,5 Gramm Reinsubstanz beträgt (vgl. ÖJZ-LSK 1987/89 = EvBl. 1988/3 = RZ 1987/48; EvBl. 1988/131 = RZ 1989/22 ua), woraus sich (mit 37,5 Gramm als das 25fache) die sogenannte "Übermenge" ergibt. In Ansehung der Qualität des hier aktuellen Heroins gelangte es zur Überzeugung, daß das von Punkt A/I/1 des Urteilssatzes erfaßte Heroin - von "eher schlechter" Qualität - mindestens 15 % Reinsubstanz enthielt, jenes zu Punkt A/I/2 aber einer "hohen Qualität" entsprach (US 9).
Diese Urteilsannahmen finden dem Beschwerdevorbringen zuwider in den vom Erstgericht herangezogenen Beweisergebnissen, insbesondere im Resultat der Analyse der sichergestellten Heroinproben (US 9), aber auch in der eigenen geständigen Verantwortung des Angeklagten im Vorverfahren und in der Hauptverhandlung, aus welchen Angaben sich sein Wissen (auch) um die Organisation des grenzüberschreitenden Heroinhandels mit Suchtgiftmengen im Kilogrammbereich ergibt (US 8 iVm S 75, 81, 91, 95, 97, 206), volle Deckung.
Der vom Angeklagten Ö***** behauptete Begründungsmangel (Z 5) liegt sohin in Wahrheit nicht vor. Er vermag aber auch mit der Tatsachenrüge (Z 5 a) keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen.
Der Angeklagte S***** hinwieder führt in seiner Mängelrüge (Z 5) unter dem Gesichtspunkt einer Aktenwidrigkeit zunächst aus, die Urteilsannahme, wonach er im Auftrag des abgesondert verfolgten Yasar T***** den Anton T***** aufgesucht hat, um ihn darüber zu informieren, daß T***** eine große Heroinmenge an ihn zu verkaufen bereit sei, worauf er den kauflustigen Anton T***** zu T***** brachte, um das Geschäft zustande zu bringen und in seiner Anwesenheit sodann 20 Gramm Heroin von T***** an T***** verkauft und übergeben wurden, finde weder in seiner Verantwortung noch in anderen Verfahrensergebnissen eine Stütze.
Insoweit gibt allerdings die Beschwerde die Verantwortung des Angeklagten S***** nicht aktengetreu wieder; läßt doch dessen geständige Verantwortung keinen Zweifel daran (vgl. S 131, 213, 217, 298), daß er bei dem ihm zur Last liegenden Suchtgiftgeschäft (A/II) tatsächlich in der vom Schöffengericht festgestellten Weise mitgewirkt hat. Gleiches gilt für den abermals mit dem Geständnis des Angeklagten (S 129, 130) im Widerspruch stehenden Beschwerdeeinwand, Cetin S***** habe stets erklärt, "Drogen nie zu Gesicht bekommen" zu haben.
Schließlich verkennt dieser Beschwerdeführer das Wesen einer unvollständigen Urteilsbegründung im Sinn des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO, wenn er unter diesem Gesichtspunkt ins Treffen führt, das Ersturteil vermittle den Eindruck, er habe "mindestens gleichviel gemacht wie alle anderen"; die Urteilsbegründung lasse vor allem nicht erkennen, daß er nur "ein gutmütiger Esel" gewesen sei, der über die "Tragweite seines letztendlich auch völlig unsinnigen Tuns nicht Bescheid wußte".
Die von der Beschwerde behaupteten Begründungsmängel liegen sohin gleichfalls nicht vor.
Mit der Tatsachenrüge (Z 5 a), welche im wesentlichen den zuletzt im Rahmen der Mängelrüge erörterten Einwand wiederholt, wendet der Beschwerdeführer noch ein, er sei zur Tatzeit durch den Tod seines Vaters seelisch irgendwie aus der Bahn geworfen gewesen; obwohl "diese verschiedenen Drogenhändlereien" nur durch seine Aussage ans Licht gelangt seien, wofür man "in anderen Ländern freigehen" würde, werde er, "der kleinste Mitläufer zu einem Täter erster Klasse hochstilisiert"; es gehe aber nicht an, alle Beteiligten über einen Kamm zu scheren und schwarze Schafe mit weißen Schafen in einen Topf zu werfen. Damit vermag der Beschwerdeführer indes keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Die bezüglichen Beschwerdeausführungen stellen sich vielmehr insgesamt nur als Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung dar, worauf aber eine Tatsachenrüge nicht gestützt werden kann.
Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher als offenbar unbegründet schon bei einer nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 d Abs. 1 StPO zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufungen der beiden Angeklagten und der Staatsanwaltschaft fällt demnach in die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Innsbruck (§ 285 i StPO).
Anmerkung
E31483European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0140OS00147.9200006.1215.000Dokumentnummer
JJT_19921215_OGH0002_0140OS00147_9200006_000