Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Dezember 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger, Dr.Massauer, Dr.Rzeszut und Dr.Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Munsel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Edith S***** wegen des Vergehens der Kuppelei nach dem § 213 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17.Juli 1992, GZ 4 b Vr 6896/91-23, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr.Bierlein, und der Verteidigerin Dr.Mühl, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 22.Mai 1953 geborene Edith S***** des Vergehens der Kuppelei nach dem § 213 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil sie in der Zeit zwischen Jänner 1991 und dem 9.Mai 1991 in Wien in insgesamt sechs Fällen ihre am 4.April 1976 geborene Tochter Martina R***** dadurch der Unzucht mit einer anderen Person zugeführt hat, daß sie diese aus dem Kinderzimmer abholte und sie aufforderte, sich zu dem abgesondert verfolgten (Stiefvater) Leopold S***** ins Bett zu legen.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer undifferenziert auf die Gründe der Z 4, 5, 5 a und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Die Beschwerde bekämpft vor allem den Umstand, daß das Erstgericht den Schuldspruch auf die vor dem Untersuchungsrichter im Verfahren gegen Leopold S***** (AZ 4 b Vr 5.126/91 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) abgelegte Aussage der Zeugin Martina R***** (ON 3) gestützt hat und macht in diesem Zusammenhang geltend, daß sich der dort erklärte Verzicht der Zeugin auf das Entschlagungsrecht (§ 152 Abs. 1 Z 1 StPO) nur auf jenes Verfahren bezogen habe, eine Berücksichtigung der Aussage im gegenständlichen Verfahren somit - ungeachtet des Umstandes, daß sie auch hier auf ihr Entschlagungsrecht verzichtete - nicht zulässig sei.
Damit bekämpft die Beschwerde sachlich aus dem Grund der Z 3 des § 281 (1) StPO die Verwertung dieser Aussage durch das Erstgericht. Dieser Nichtigkeitsgrund (in Verbindung mit dem § 152 StPO) liegt aber (nur) vor, wenn die Aussage eines entschlagungsberechtigten Zeugen im Urteil verwertet wird, der auf sein Entschlagungsrecht nicht ausdrücklich verzichtet hat (vgl. Mayerhofer/Rieder, StPO3, § 281 Z 3 ENr. 21); im vorliegenden Falle hat sich die Zeugin Martina R***** in der Hauptverhandlung - nach entsprechender Belehrung - der Aussage aber nicht entschlagen (vgl. S 99), sodaß die Voraussetzungen zur Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes nicht gegeben sind.
Die Beschwerde enthält in diesem Zusammenhang auch keine Ausführungen darüber, daß iS des Grundes der Z 4 durch ein Zwischenerkenntnis Verteidigungsrechte der Angeklagten verletzt worden wären.
Soweit die Beschwerdeführerin in sachlicher Ausführung einer Mängelrüge (Z 5) behauptet, daß das Hauptverhandlungsprotokoll vom 17. Juli 1992 zu 4 b Hv 4180/91 (betreffend das gegen Leopold S***** vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien abgeführte Strafverfahren) nicht verlesen worden sei, übersieht sie, daß nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls alle "notwendigen Verlesungen" und damit auch die des Hauptverhandlungsprotokolls im oben angeführten Verfahren gegen Leopold S***** vorgenommen wurden (vgl. S 102).
Der weitere Einwand der Rüge - das Erstgericht gründe die Feststellungen zur Täterschaft der Angeklagten auch auf die Aussage der Zeugin R***** vor der Polizei am 9.Mai 1991 (S 13 ff, vgl. Urteil S 7), dort habe die genannte Zeugin aber angeführt, daß es vor diesem Tage (9.Mai 1991) nur dann zu Unzuchtshandlungen gekommen sei, wenn niemand zu Hause war, sodaß die Beschwerdeführerin nach dieser Aussage ihre Tochter nie verkuppelt habe - übersieht, daß sich auch diese Darstellung der Zeugin R***** mit ihren anderen Aussagen in Einklang bringen läßt, sodaß im Ergebnis - ungeachtet gewisser inhaltlicher Abweichungen - von einem erheblichen Widerspruch nicht die Rede sein kann. So hat diese Zeugin schon bei der angeführten Vernehmung vor der Polizei angegeben, daß die Angeklagte von den Unzuchtshandlungen Kenntnis hatte, aber dagegen nichts unternahm (vgl. S 17 unten). Vor dem Untersuchungsrichter (ON 3) hat die Zeugin R***** ihre Angaben eindeutig in Richtung einer aktiven Einwirkung der Angeklagten präzisiert.
Die Ausführung einer Tatsachenrüge (Z 5 a) bedarf - entsprechend der uneingeschränkt auch hiefür geltenden Bestimmung des § 285 a Z 2 StPO - jedenfalls auch einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung jenes Tatumstandes, der den angerufenen Nichtigkeitsgrund bilden soll (15 Os 5/91, 15 Os 78/92). Die Beschwerde enthält in dieser Richtung jedoch kein Vorbringen und ist daher einer sachbezogenen Erörterung unzugänglich.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit. a) geht davon aus, daß die Angeklagte nur eine ganz untergeordnete Tätigkeit entfaltet habe, womit ein "Zuführen" nach dem § 213 StGB nicht vorliege und der Tatbestand dieser Strafnorm daher nicht erfüllt sei.
Die Rüge versagt deshalb, weil nach den Urteilsfeststellungen - abgesehen davon, daß von einer nur ganz untergeordneten Vermittlertätigkeit der Angeklagten keine Rede sein kann - das inkriminierte Verhalten der Angeklagten, die ihre Tochter über Wunsch ihres Mannes jeweils aus dem Kinderzimmer holte, in das eheliche Schlafzimmer führte und sodann aufforderte, sich zum Stiefvater (zur Ausübung der Unzucht) ins Bett zu legen, jedenfalls dem (rechtlich gleichwertigen) Tatbestandsmerkmal des "Verleitens" im § 213 Abs. 1 StGB entspricht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagte nach dem § 213 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten. Gemäß dem § 43 a Abs. 3 StGB wurde ein Teil der Strafe von acht Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Das Erstgericht hielt den Vollzug eines Teiles der Freiheitsstrafe für erforderlich, um die Angeklagte von der Begehung strafbarer Handlungen dieser Art abzuhalten. Bei der Strafbemessung waren erschwerend das getrübte Vorleben und die mehrfachen Angriffe, mildernd hingegen kein Umstand.
Die Berufung der Angeklagten, mit der diese eine Strafherabsetzung und eine bedingte Nachsicht der gesamten Strafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.
Bei den Strafzumessungsgründen hat der Erschwerungsgrund des getrübten Vorlebens im Hinblick auf die zwischenzeitige Tilgung der (im übrigen nicht einschlägigen) Vorstrafe zu entfallen; als erschwerend hat jedoch hinzuzutreten, daß es sich bei dem Unzuchtspartner um den Stiefvater der mj. Martina R***** gehandelt hat. Als zusätzlicher Milderungsgrund kommt der Angeklagten nunmehr ihre gerichtliche Unbescholtenheit zugute.
Wenngleich die Angeklagte ihren Mann Leopold S***** angezeigt hat, weil er mit ihrer Tochter Martina R***** den außerehelichen Beischlaf unternommen hat, entspricht doch bei den so korrigierten Strafzumessungsgründen die über die Angeklagte in erster Instanz verhängte Freiheitsstrafe - vor allem im Hinblick auf die Wiederholung der Tathandlungen und die Verletzung ihrer Pflichten als Mutter (§ 32 Abs. 3 StGB) - der doch erheblichen personalen Tatschuld und dem Unrechtsgehalt der Tat, sodaß eine Strafminderung nicht angebracht war. Auch bedarf es im Hinblick auf die vom Erstgericht angestellten Erwägungen des Vollzuges eines Teiles der Freiheitsstrafe, sodaß auch in dieser Hinsicht der Berufung ein Erfolg zu versagen war.
Der Kostenausspruch gründet sich auf die angeführte Gesetzesstelle.
Anmerkung
E30406European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0130OS00120.9200011.1215.000Dokumentnummer
JJT_19921215_OGH0002_0130OS00120_9200011_000