Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichte Dr.Barbara Hopf und Dr.Roman Merth (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Eugen T*****, Kaufmann, ***** vertreten durch Dr.Bertram Grass, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr.Karl Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,062.147,20 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. Jänner 1992, GZ 5 Rs 137/91-22, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 21.Juni 1991, GZ 33 Cgs 140/90-16, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten der Rekursbeantwortung sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.
Text
Begründung:
Anläßlich eines stationären Aufenthaltes in der internen Abteilung des Krankenhauses Bregenz vom 15. bis 18.11.1989 wurde beim Kläger eine Aortenstenose mit Dilatation der Aorta ascendens und eine leichte Linksherzhypertrophie diagnostiziert. Zur weiteren Abklärung war eine Herzkathederuntersuchung vorgesehen. Gleichzeitig wurde eine Antibiotika prophylaxe wegen Endokardititsgefahr eingeleitet und eine Echocardiographiekontrolle in einem halben Jahr vorgesehen. Am 25.1.1990 wurde der Kläger im Universitätsspital Zürich untersucht, wo als Diagnose festgehalten wurde: Aneurysma verum der Aorta ascendens mit Einbezug des Aortabogens sowie ein leichtes kombiniertes Aortenvitium und anamnestisch ein Äquivalent von Angina pectoris bei Status nach Nikotinabusus. Bei dem Aneurysma handelte es sich um ein nicht dissezierendes, chronisch progredientes Aortenaneurysma. Der Kläger entschloß sich, die Operation in den USA durchführen zu lassen und begab sich, ohne diesbezüglich mit der beklagten Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft Kontakt aufzunehmen, zur weiteren Behandlung in das Methodist Hospital, Houston, Texas, USA, wo er vom 26.2. bis 17.3.1990 in stationärer Behandlung war und am 28.2.1990 operiert wurde. Es wurde folgende Operation durchgeführt:
1. Resektion und Ersatz der Aortenklappe mittels einer 23 mm St. Jude Aortenklappenprothese;
2. Resektion und Organersatz der aufsteigenden Aorta unter Verwendung einer gestrickten Dacron-Röhrenprothese;
3. Resektion und Organersatz des Aortenbogens unter Verwendung einer 25 mm gestrickten Dacronröhre mit Anastomose der Aorta Inominata der linken Arteria karotis kommunis und der linken subklavia.
Durch diese Operation sind dem Kläger insgesamt Behandlungskosten von S 1,067.622 und Reisekosten von S 80.785 erwachsen.
Die beklagte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft gewährte dem Kläger mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22.8.1990 aufgrund seines stationären Aufenthaltes in dem genannten Krankenhaus in Houston einen Kostenersatz von S 22.101,82; das Mehrbegehren, die gesamten geltend gemachten Kosten im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Aufenthalt zu vergüten, wurde abgelehnt. Zur Begründung wurde ua ausgeführt, aufgrund der Sachleistungsberechtigung des Klägers für 1990 könnten nur die Pflegegebührensätze für die allgemeine Gebührenklasse in der nächstgelegenen inländischen Behandlungsstelle ersetzt werden. Der chefärztliche Dienst habe diese mit Wien festgesetzt. Die begünstigten täglichen Pflegegebühren betrügen S 1.052. Daraus ergebe sich eine Vergütung für den 20tägigen stationären Aufenthalt von S 21.040 und für Fahrtkosten Bregenz-Wien und retour von S 1.061,82, insgesamt daher S 22.101,82.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger S 1,062.147,20 samt 4 % Zinsen seit 7.4.1990 binnen 14 Tagen zu zahlen. Die in Houston durchgeführte Operation am Aortabogen sei medizinisch indiziert gewesen. Alle zuvor in Österreich und in der Schweiz konsultierten Ärzte hätten dem Kläger übereinstimmend erklärt, daß dieser komplizierte und lebensgefährliche Eingriff nur von den Spezialisten im Methodist Hospital in Houston durchgeführt werden könne. Zudem sei die beklagte Partei zu Unrecht von einer Sachleistungsabrechnung ausgegangen. Bei einer Geldleistungsabrechnung wäre ein höherer Betrag zu ersetzen gewesen. Die komplizierte Operation hätte überdies in Österreich denselben Kostenaufwand erfordert.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Im Fall der Inanspruchnahme einer Leistung im Ausland, sofern die Leistungserbringung nicht im Rahmen zwischenstaatlicher Verträge erfolge, sei eine Vergütung der Kosten gemäß §§ 85 Abs 2, 96 Abs 2 GSVG bis zur Höhe jenes Betrages zu erbringen, welchen die Anstalt bei Entstehung des Anspruches im Inland aufzuwenden gehabt hätte. Hiebei sei jener Tarif in Ansatz zu bringen, der für die vom Wohnsitz des Versicherten aus nächstgelegene Behandlungsstelle maßgebend sei. Mangels Abkommens mit den USA sei eine Direktabrechnung nicht möglich. Die nächstgelegene inländische Behandlungsstelle für das Leiden des Klägers wäre Wien gewesen: Die erforderliche Operation hätte an der 2. Chirurgischen Universitätsklinik in Wien (Vorstand Prof.Dr.Wolner) durchgeführt werden können. Die beklagte Partei hätte in diesem Fall den begünstigten täglichen Pflegegebührensatz von S 1.052 zu ersetzen gehabt. Desweiteren hätte die Operation bei Prof.Turina, Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie am Universitätsspital Zürich, oder auch von Prof.Borst in Hannover durchgeführt werden können. Auch in Frankreich gebe es eine Vielzahl von Spezialisten. Sogar in Wels würde Prof.Deutsch derartige Eingriffe erfolgreich durchführen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt und darüber hinaus noch fest, daß der Einkommensteuerbescheid des Klägers für das Jahr 1987 einen Verlust von S 47.404 ausgewiesen habe und der Kläger somit sachleistungsberechtigt sei.
In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß bei Gewährung der ärztlichen Hilfe das Gebot der wirtschaftlichen Behandlungsweise zu beachten sei. Das Krankenversicherungsrecht sei zwar einerseits bestrebt, die ärztliche Behandlungsfreiheit weitgehend zu respektieren, zum anderen müsse es Fällen von "Überarztung" vorbeugen. Es sei auch nicht Sache des Krankenversicherungsträgers, die Kosten für medizinische Experimente zu tragen. Ebensowenig dürfe die gesellschaftliche Stellung des Patienten für eine intensive Behandlung ausschlaggebend sein. Das GSVG und auch die Satzung der beklagten Partei gingen eindeutig davon aus, daß eine ausreichende und zweckmäßige Krankenbehandlung im Sinn des § 90 Abs 2 GSVG im Inland gewährleistet sei. Nehme ein sachleistungsberechtigter Versicherter Leistungen von einem Nichtvertragspartner, gleichgültig, ob dieser sich im In- oder im Ausland befinde, in Anspruch, so stehe ihm ein Kostenersatz gemäß § 85 Abs 2 lit b GSVG zu. Hiebei sei nach § 28 der Satzung der Tarif in Anwendung zu bringen, der für die vom Wohnsitz des Versicherten aus gesehene nächstgelegene geeignete Behandlungsstelle maßgebend sei. Es handle sich hiebei um eine Wortfolge, die auch in § 150 Abs 2 ASVG verwendet werde. Umfang und Dauer der Anstaltspflege hätten sich nach den Kriterien der österreichischen öffentlichen Krankenanstalten zu richten. Dem Krankenversicherungsträger sollten bei Behandlung in einer privaten Krankenanstalt keine höheren Kosten erwachsen als in einer öffentlichen Krankenanstalt. Unabhängig davon, ob die Behandlung (Operation) des Klägers zumutbarerweise nur von Spezialisten in den USA durchgeführt habe werden können, sei der Kostenersatz der beklagten Partei deshalb mit jenem Betrag begrenzt, den der Versicherungsträger bei Inanspruchnahme der Leistung als Sachleistung aufzuwenden gehabt hätte. Der angefochtene Bescheid entspräche diesem Grundsatz. Eine Feststellung, daß die Operation auch in Wien hätte durchgeführt werden können, sei nicht getroffen worden, da das vorliegende Gutachten dazu keine verläßliche Grundlage bilde.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das angefochtene Urteil auf und wies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Entsprechend dem gesetzlichen Auftrag des § 90 Abs 2 GSVG an die beklagte Partei als Trägerin der Krankenversicherung habe diese grundsätzlich Vorsorge für eine ausreichende und zweckmäßige Krankenbehandlung zu treffen, die jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfe. Nach § 85 Abs 1 GSVG seien die Leistungen der Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz Geldleistungen oder Sachleistungen. Im Vordergrund stehe die Sachleistungsverpflichtung. Ob ein Anspruch auf Sachleistung oder Geldleistung gegeben sei, richte sich nach der vertraglichen Vereinbarung mit den Vertragspartnern, die die Gewährung der Leistungen als Sachleistungen nur bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze vorsehe, die ab 1.1.1990 bei S 294.000 gelegen war. Die Tatsache, daß das maßgebliche Einkommen des Klägers für das Jahr 1990 unter diesem Betrag lag, werde von ihm nicht in Zweifel gezogen, sodaß er tatsächlich nicht Geld-, sondern Sachleistungsberechtigter sei. Verfassungsrechtliche Bedenken an dieser Regelung bestünden nicht, da bei entsprechender Organisationsvorsorge die gänzliche Abdeckung der Kosten für die erforderliche Operation gegeben wäre (§ 86 Abs 1 GSVG).
Im weiteren verweise der Berufungswerber zutreffend auf das Fehlen von Feststellungen dahin, ob die Operation auch in Österreich hätte durchgeführt werden können. Die beklagte Partei habe nicht bestritten, daß sie auch für eine Erkrankung, wie sie beim Kläger vorgelegen habe, entsprechend vorsorgen müsse. Ob dies nun tatsächlich der Fall gewesen sei oder nicht, sei im bisherigen Verfahren ungeklärt geblieben. Nach § 85 Abs 2 lit b GSVG würden, wenn ein Anspruch auf Sachleistung gegeben sei, der Anspruchsberechtigte jedoch die Sachleistung nicht in Anspruch nehme, Geldleistungen durch Kostenersätze bis zur Höhe jenes Betrages erbracht, den der Versicherungsträger bei Inanspruchnahme der Leistung als Sachleistung aufzuwenden gehabt hätte abzüglich des vom Versicherten zu leistenden Kostenanteils gemäß § 86 GSVG. Entsprechend dieser gesetzlichen Anordnung sei der Kostenersatz für einen Sachleistungsbezieher nur dann der Höhe nach eingeschränkt, wenn er die Sachleistung nicht in Anspruch nehme. Habe der Versicherungsträger aber tatsächlich für die erforderliche Sachleistung keine Vorsorge getroffen, so sei es dem Versicherten gar nicht möglich, die entsprechende Leistung als Sachleistung zu beanspruchen. In diesem Fall müßte der Versicherungsträger dem allgemeinen gesetzlichen Auftrag entsprechend für die ausreichende und zweckmäßige Krankenbehandlung im notwendigen Ausmaß aufkommen. Daraus folge, daß der Frage, ob die beim Kläger unstrittig erforderliche Operation in Österreich möglich gewesen wäre, entscheidungswesentliche Bedeutung zukomme. Da das Erstgericht die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen habe, erweise sich die Berufung im Sinne des Aufhebungsantrages als berechtigt. Sollte sich herausstellen, daß die Operation zumutbarerweise in Österreich tatsächlich nicht durchgeführt werden konnte, sei der zweckmäßige und notwendige Aufwand des Klägers zu ermitteln.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO iVm § 45 Abs 4 ASGG zulässig sei, da eine höchstgerichtliche Judikatur zur gegenständlichen Rechtsfrage nicht vorliege.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich der vorliegende Rekurs der beklagten Partei aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache.
Der Kläger beantragte, diesen Rekurs entweder als unzulässig zurückzuweisen oder ihm keine Folge zu geben.
Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig. Er ist aber entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht deshalb unzulässig, weil die beklagte Partei bereits in ihrer Berufungsbeantwortung die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils beantragt hatte (vgl SSV-NF 4/84 mwN).
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist jedoch nicht berechtigt.
Im Gegensatz zum Erstgericht vertrat das Berufungsgericht zutreffend die Auffassung, daß zunächst der Frage, ob die beim Kläger unstrittig erforderliche Operation auch in Österreich möglich gewesen wäre, entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt. Daß Operationen der gegenständlichen Art in Österreich durchgeführt würden, ist nämlich keineswegs unbestritten, wie die Rekurswerberin meint, und wurde vom Erstgericht auch nicht festgestellt: Das Erstgericht legte ganz im Gegenteil dar, eine solche Feststellung nicht treffen zu können, weil ihm das vorliegende internistische Sachverständigengutachten zu wenig verläßlich erschien. Ein vom Sachverständigen selbst als erforderlich bezeichnetes herzchirurgisches Gutachten wurde bisher nicht erstattet. Nach dem Grundsatz der freien Arztwahl, die nicht auf inländische Ärzte beschränkt ist, hätte sich der Kläger selbst dann, wenn die erforderliche Operation in Österreich durchführbar gewesen wäre, auch im Ausland operieren lassen können. Der Kostenerstattungsanspruch ist nicht darauf beschränkt, daß die Krankenbehandlung durch einen inländischen Wahlarzt durchgeführt wird (zutreffend Marhold, Der Behandlungsanspruch des sozialversicherten Patienten, in: Schrammel, Rechtsfragen der ärztlichen Behandlung, 1 ff [18]). Die Krankenbehandlung muß ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf allerdings das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 90 Abs 2 GSVG). Der Bemühungspflicht der Sozialversicherungsträger, dem Sachleistungsprinzip möglichst zum Durchbruch zu verhelfen, steht keine Verpflichtung der Versicherten gegenüber, in erster Linie vom System der Vertragsärzte und Vertragseinrichtungen Gebrauch zu machen (vgl Krejci, Erstattung von Wahlarztkosten, SozSi 1988, 302 [306]; 10 Ob S 22/92 = SSV-NF 6/41 - in Druck; 10 Ob S 292 bis 296/91 = SSV-NF 6/59 - in Druck). Es entspricht aber einem allgemeinen Grundsatz des sozialen Krankenversicherungsrechts, daß dem Versicherten (Anspruchsberechtigten), der nicht die Vertragspartner oder die eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) des Versicherungsträgers zur Erbringung der Sachleistungen der Krankenbehandlung in Anspruch nimmt, der Ersatz der Kosten einer anderweitigen Krankenbehandlung in der Höhe des Betrages gebührt, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner des Versicherungsträgers von diesem aufzuwenden gewesen wäre (vgl § 131 Abs 1 ASVG; Marhold aaO 19; SSV-NF 5/21 ua). Gemäß § 85 Abs 2 lit b GSVG werden Geldleistungen erbracht, wenn ein Anspruch auf Sachleistung gegeben ist, der Anspruchsberechtigte jedoch die Sachleistung nicht in Anspruch nimmt, und zwar durch Kostenersätze bis zur Höhe jenes Betrages, den der Versicherungsträger bei Inanspruchnahme der Leistung als Sachleistung aufzuwenden gehabt hätte, abzüglich des vom Versicherten zu leistenden Kostenanteiles gemäß § 86 GSVG. Für die vom Versicherungsträger gewährten Sachleistungen mit Ausnahme der Anstaltspflege hat der Versicherte in der Regel 20 vH der dem Versicherungsträger erwachsenden Kosten als Kostenanteil zu ersetzen (§ 86 Abs 1 GSVG). Anstaltspflege ist nach § 96 Abs 1 GSVG in der allgemeinen Gebührenklasse einer Krankenanstalt zu gewähren. Für Versicherte, die ärztliche Hilfe nur in Form von Geldleistungen gemäß § 85 Abs 2 lit c GSVG erhalten, kann die Satzung bestimmen, daß im Fall der Wahl einer Krankenanstalt ohne allgemeine Gebührenklasse oder Wahl einer höheren Gebührenklasse (Sonderklasse) näher bestimmte Leistungen (Kostenersätze für die Pflegegebühren, für Operationen und Sondergebühren) gewährt werden; diese Leistungen dürfen 80 vH der in Rechnung gestellten Beträge nicht überschreiten (§ 96 Abs 2 GSVG). Für Leistungen bei Auslandsaufenthalt ordnet § 28 der Satzung der beklagten Partei an:
"Im Falle der Inanspruchnahme einer Leistung im Ausland ist, sofern die Leistungserbringung nicht im Rahmen zwischenstaatlicher Verträge erfolgt, die Vergütung der Kosten im Sinne der Bestimmungen des § 85 Abs 2 bzw § 96 Abs 2 GSVG bis zur Höhe jenes Betrages zu erbringen, welchen die Anstalt bei Entstehen des Anspruches im Inland aufzuwenden gehabt hätte. Hiebei ist jeweils jener Tarif in Anwendung zu bringen, der für die vom Wohnsitz (in Ermangelung eines solchen von der Betriebsstätte) des Versicherten aus gesehen nächstgelegene geeignete Behandlungsstelle (zB Krankenanstalt) maßgebend ist. Die Gesamtleistung darf unter Zugrundelegung der amtlichen Umrechnungskurse am Tage der Anspruchserhebung 80 vH der in Schilling umgerechneten Kosten nicht überschreiten."
Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, daß eine Leistungserbringung im Rahmen eines zwischenstaatlichen Vertrages nicht erfolgen konnte. Das inzwischen geschlossene Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika im Bereich der sozialen Sicherheit vom 13.7.1990, BGBl 1991/511, ist gemäß seinem Art 27 Abs 1 erst mit 1.11.1991 in Kraft getreten, begründet nach seinem Art 23 Abs 1 keinen Anspruch auf Leistungen für die Zeit vor seinem Inkrafttreten und ist nach seinem Art 23 Abs 4 überdies nur auf Leistungsanträge anzuwenden, die nach dem Inkrafttreten des Abkommens gestellt werden, was hier nicht der Fall ist. Aus den Bestimmungen des § 28 der Satzung iVm den §§ 85 Abs 2 und 96 Abs 2 GSVG ergibt sich nun die Notwendigkeit einer Feststellung, ob es dem Kläger möglich war, die erforderliche Sachleistung im Inland in Anspruch zu nehmen, ob also die erforderliche Operation in Österreich möglich gewesen wäre. Das Rekursgericht hat zutreffend hervorgehoben, daß es darauf ankommt, ob die Operation zumutbarerweise in Österreich durchgeführt werden konnte. Dabei geht es nicht darum, wie die Rekurswerberin vermeint, ob ein Versicherter die Qualität einer im Ausland durchgeführten Operation höher einschätzt als die einer solchen im Inland (vgl Marhold aaO 16), sondern nur darum, ob die zur Abwendung einer lebensbedrohenden Krankheit des Klägers erforderliche Operation zur damaligen Zeit sinnvoller Weise, dh mit einer ausreichenden Erfolgswahrscheinlichkeit, in Österreich hätte durchgeführt werden können. Dazu bedarf es auch Feststellungen darüber, in welchem Ausmaß eine allfällige statistisch untermauerte Unterschiedlichkeit der Mortalitätsraten bei Vornahme des gegenständlichen operativen Eingriffes in verschiedenen in Betracht kommenden Herzstationen zu erwarten gewesen wäre. Grundsätzlich ist es der Versichertengemeinschaft nicht zuzumuten, die (wesentlich höheren) Kosten einer Operation im Ausland zu übernehmen, wenn eine gleiche Operation kostengünstiger im Inland erfolgen kann (vgl Mazal, Krankheitsbegriff und Risikobegrenzung, 346 mwN). Solange der Krankenversicherungsträger eine zweckmäßige und ausreichende Krankenbehandlung zur Verfügung stellt, hat er seine Verpflichtung zur Sachleistungsvorsorge entsprochen und es besteht daher kein Anspruch auf eine medizinisch gleichwertige, allenfalls aber aufwendigere Therapieform (Marhold aaO 13; Schrammel, ZAS 1986, 151 f). Ob dem Kläger eine vergleichbare Operation im Inland zugemutet werden konnte, ist nicht nur eine Rechtsfrage, sondern zunächst auch eine den medizinischen Bereich betreffende Tatfrage, deren Beantwortung nähere Feststellungen über die Operationsmöglichkeiten und Operationsrisken in den einzelnen in Betracht kommenden Krankenanstalten erfordert. Bei Prüfung der Zumutbarkeit wird auch zu berücksichtigen sein, ob die erforderliche Operation in der betreffenden Krankenanstalt mit der für den möglicherweise lebensbedrohenden Gesundheitszustand des Patienten notwendigen Raschheit durchgeführt werden kann.
Wenn sich erweisen sollte, daß die Operation zumutbarerweise im Inland nicht durchgeführt werden konnte, wird im Sinne des vom Berufungsgericht erteilten Auftrages jener Aufwand zu ermitteln sein, den eine "ausreichende und zweckmäßige" Operation im Ausland erfordert hätte, wobei zusätzlich zu prüfen ist, ob die Operation in einem anderen Land, etwa in der Bundesrepublik Deutschland oder in der Schweiz mit geringerem Kostenaufwand durchgeführt werden konnte, weil die Krankenbehandlung das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf und ökonomische Überlegungen zumindest dann ins Gewicht fallen, wenn Behandlungsmethoden "medizinisch gleichwertig" sind (vgl Mazal aaO 334 ff, besonders 340). Im allgemeinen muß vom Versicherten verlangt werden, daß er bei Fehlen von Operationsmöglichkeiten im Inland Erkundigungen darüber einholt, in welchen ausländischen Krankenanstalten derartige Operationen durchgeführt werden und welcher Kostenaufwand damit verbunden sein wird, wobei er auch das Einvernehmen mit dem für die Kostenvergütung in Betracht kommenden Krankenversicherungsträger herstellen kann, was der Kläger freilich nach den Feststellungen nicht getan hat. Der beklagten Partei ist insoweit beizustimmen, daß der Versicherte keinesfalls einen Rechtsanspruch auf die jeweils "weltbeste" medizinische Versorgung hat; ein solcher Rechtsanspruch würde die Gefahr in sich bergen, Kostenentwicklungen außerhalb Österreichs ohne jede Möglichkeit einer dämpfenden Beeinflussung ausgesetzt zu sein, wodurch die ausreichende Versorgung im Inland unter Umständen nachhaltig beeinträchtigt werden könnte. Die Rekurswerberin räumt aber selbst ein, daß es in vereinzelten medizinisch besonders gelagerten Fällen gerechtfertigt ist, die Solidargemeinschaft der in der österreichischen Krankenversicherung versicherten Personen für eine im Ausland erbrachte medizinische Leistung allenfalls sogar bis zum Gesamtausmaß der Kosten aufkommen zu lassen, meint aber - ohne nähere Begründung -, daß für derartige Einzelfälle lediglich Geldmittel aus dem Unterstützungsfonds der Krankenversicherung heranzuziehen seien. Dem kann nicht beigestimmt werden, weil die Kostenerstattung nach § 28 der Satzung iVm §§ 85 und 86 GSVG sowie § 96 GSVG keine freiwillige Leistung zum Gegenstand hat.
Der Einwand der beklagten Partei, der Versicherte habe bei Inanspruchnahme von Leistungen aus der Krankenversicherung grundsätzlich eine Kostenbeteiligung ("Selbstbehalt") zu tragen, ist allerdings berechtigt. Nach dem letzten Satz des § 28 der Satzung darf die Gesamtleistung der Kostenerstattung für ärztliche Behandlung oder Anstaltspflege im Ausland unter Zugrundelegung der amtlichen Umrechnungskurse am Tag der Anspruchserhebung 80 vH der in Schilling umgerechneten Kosten nicht überschreiten. Diese Satzungsbestimmung entspricht auch dem letzten Satz des § 96 Abs 2 GSVG. Eine Kostenbeteiligung entfällt nur dann, wenn Anstaltspflege als Sachleistung in Anspruch genommen wird. Dies wird bei der neuerlichen Entscheidung zu berücksichtigen sein.
Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 2 ASGG.
Anmerkung
E32272European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:010OBS00136.92.1215.000Dokumentnummer
JJT_19921215_OGH0002_010OBS00136_9200000_000