Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichte Dr.Barbara Hopf (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Anton Prager (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann I*****, Trafikant, ***** vertreten Dr.Zamponi, Dr.Weixelbaum und Partner, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen S 37.183,61 sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28.September 1992, GZ 13 Rs 77/92-15, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 30.Juni 1992, GZ 14 Cgs 1048/92-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die von der beklagten Partei erhobene Einrede der sachlichen Unzuständigkeit verworfen wird.
Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 9.659,52 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 1.609,92 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger bezieht seit 20.12.1972 von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten eine Berufsunfähigkeitspension gemäß § 271 ASVG. Seit 1.7.1974 übt er die (selbständige) Tätigkeit eines Trafikanten aus. Mit Bescheid vom 8.8.1984 sprach die beklagte Partei aus, wie hoch ab 1.1.1976 die dem Kläger gewährte Berufsunfähigkeitspension jeweils sei, daß bestimmte Beträge hievon gemäß § 94 ASVG ruhend gestellt werden und daß ein Überbezug von S 258.630,80 entstanden sei, der gemäß § 107 Abs 1 ASVG zum Rückersatz vorgeschrieben werde. Mit weiterem Bescheid vom 1.3.1985 wurde das Ruhen der Leistungen gemäß § 94 ASVG für das Jahr 1983 aufgehoben, wodurch sich der Überbezug letztlich auf S 201.957,60 reduzierte. Gegen den Bescheid vom 8.8.1984 erhob der Kläger rechtzeitig Klage an das Schiedsgericht der Sozialversicherung für Oberösterreich in Linz mit dem Begehren auf Feststellung, daß der von der beklagten Partei erhobene Rückersatzanspruch nicht zu Recht bestehe. Dieser Rechtsstreit wurde schließlich mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 12.Feber 1991, 10 Ob S 11/91, dahin beendet, daß in Abänderung der Urteile der Vorinstanzen festgestellt wurde, daß der Kläger nicht verpflichtet ist, der beklagten Partei den für den Zeitraum 1.1.1976 bis 31.12.1982 und 1.1. bis 31.8.1984 geltend gemachten Überbezug an Berufsunfähigkeitspension von insgesamt S 201.957,60 rückzuersetzen. Diese Entscheidung wurde damit begründet, daß der Verfassungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 15.12.1990, G 33, 34/89-30 bis G 284/90-5 (Kundmachung BGBl 1991/15) § 94 ASVG als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen hatte, daß § 94 ASVG in den vorher geltenden Fassungen (der 31. bis zur 40. Novelle) verfassungswidrig war. Damit war die gesetzliche Grundlage für die wegen Erzielung eines Erwerbseinkommens ausgesprochene Ruhendstellung von Teilen der dem Kläger unbestritten gebührenden Berufsunfähigkeitspension weggefallen. Daraus folgte, daß es sich bei den von der beklagten Partei ruhend gestellten Pensionsteilen nicht um "zu Unrecht erbrachte Geldleistungen" im Sinn des § 107 Abs 1 ASVG handelte, sodaß nicht weiter geprüft werden mußte, ob der Kläger Meldevorschriften verletzt oder sonst einen Rückforderungstatbestand verwirklicht hatte.
Auf das Begehren des Klägers, ihm die einbehaltenen Pensionsraten samt gesetzlichen Verzugszinsen zu überweisen, reagierte die beklagte Partei mit folgendem Schreiben vom 25.April 1991:
"Aufgrund des Urteiles des Obersten Gerichtshofs vom 12.2.1991, GZ 10 Ob S 11/91, sind Sie nicht verpflichtet, den mit Bescheid vom 8.8.1984 festgestellten Überbezug rückzuerstatten. Die zuviel einbehaltenen Raten im Gesamtbetrag von S 201.957,60 werden an Herrn Rechtsanwalt Dr.H***** Z***** angewiesen. Dieser Betrag ergibt sich wie folgt: Einbehaltene Raten von 9.1984 bis 1.1990 a S 3.500, ergibt S 227.500, Restrate 2.1990 S 2.793,40 abzüglich der am 20.3.1985 angewiesenen Nachzahlung von S 28.337,40.
Ihre Zinsenforderung können wir nicht erfüllen, da das Gesetz keinen Anspruch auf Verzugszinsen vorsieht (SVSlg 24.061, SSV 25/109, SSV 26/63)."
In der Folge erließ die beklagte Partei noch den Bescheid vom 12.6.1991, der über die Pension des Klägers ab 1.1.1984 abspricht. Darin wird eine für die Zeit vom 1.Jänner 1984 bis 30.Juni 1991 entstandene Nachzahlung von S 97.647,70 (ohne einen Ausspruch über allfällige Zinsen) angewiesen.
Gegen das vom Kläger als Bescheid angesehene Schreiben der beklagten Partei vom 25.4.1991 richtet sich die vorliegende rechtzeitige Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, kapitalisierte Verzugszinsen von S 37.183,61 samt 4 % Zinsen seit Klagseinbringung zu bezahlen. Die beklagte Partei habe die einbehaltenen Raten zurückgezahlt, jedoch jegliche Zinsenzahlung versagt, obwohl dem Kläger nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofs bei objektivem Verzug gemäß § 1333 ABGB Zinsen in der Höhe von 4 % zustehen würden.
Die beklagte Partei beantragte die Zurückweisung der Klage und wendete die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ein. Bei dem Klagebegehren handle es sich um keine Sozialrechtssache, weil ein Anspruch auf Verzugszinsen in § 65 Abs 1 ASGG nicht angeführt sei.
Das angerufene Landesgericht als Arbeits- und Sozialgericht erklärte sich für unzuständig und wies die Klage gemäß § 261 Abs 1 ZPO zurück. Es vertrat die Ansicht, daß die Frage, ob aus der verspäteten Auszahlung von Versicherungsleistungen Verzugszinsen gebührten, nicht den Bestand, den Umfang oder das Ruhen eines Anspruches auf Versicherungsleistungen betreffe. Nach neuerer Rechtsprechung könnten zwar Zinsen als Nebenforderungen vor dem Arbeits- und Sozialgericht verlangt werden, sofern dieses für die Hauptforderung zuständig sei. Würden Zinsen jedoch gesondert eingeklagt, seien sie als Hauptforderung zu betrachten. Diese Forderung werde ausschließlich auf Bestimmungen des ABGB gestützt. Es handle sich damit um eine reine Privatrechtssache, zu deren Entscheidung im Hinblick auf den Streitwert das Bezirksgericht zuständig sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Den Antrag auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 65 Abs 1 ASGG wies es zurück. Schließlich sprach es aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Zur Begründung führte das Rekursgericht aus:
Das ASGG habe bei Arbeits- und Sozialrechtssachen die Anrufung oder das Tätigwerden eines unrichtigen Spruchkörpers desselben Gerichtes als unrichtige Besetzung qualifiziert. Unzuständig sei das Arbeits- und Sozialgericht daher, wenn eine Rechtssache richtigerweise vor ein Gericht eines anderen Sprengels gehöre (örtliche Unzuständigkeit) oder wenn sie keine Arbeits- und Sozialrechtssache sei und entweder vor ein Bezirksgericht oder vor ein anderes Landes- oder Kreisgericht gehöre (sachliche Unzuständigkeit). Gemäß § 65 Abs 1 Z 1 ASGG seien Sozialrechtssachen Rechtsstreitigkeiten über den Bestand, den Umfang oder das Ruhen eines Anspruchs auf Versicherungsleistungen, soweit hiebei nicht die Versicherungszugehörigkeit, die Versicherungszuständigkeit, die Leistungszugehörigkeit oder die Leistungszuständigkeit in Frage stünden. Das Rekursgericht habe bereits in einer früheren Entscheidung darauf hingewiesen, daß für Leistungen nach den Sozialversicherungsgesetzen keine Verzugszinsen gebührten. Der Oberste Gerichtshof sei in seiner Entscheidung SSV-NF 4/131 nicht der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs gefolgt, sondern vielmehr zum Ergebnis gelangt, daß eine planwidrige Unvollständigkeit der Sozialversicherungsgesetze bezüglich eines Anspruches auf Verzugszinsen nicht vorliege und die Voraussetzungen für eine sinngemäße Anwendung des § 1333 ABGB nicht gegeben seien. Ein Anspruch auf eine Versicherungsleistung "Verzugszinsen" sei daher (zumindest als Hauptanspruch) nicht denkbar. Die Verneinung des Anspruches auf gesetzliche Verzugszinsen für Leistungen nach den Sozialversicherungsgesetzen bedeute, daß ein solches Begehren auch nicht als Streit über den Bestand oder Umfang des Anspruches auf eine Versicherungsleistung anzusehen sei. Der gegenständliche Rechtsstreit mit dem ausschließlichen Begehren nach Zahlung kapitalisierter Verzugszinsen und Zinsen daraus sei daher keine Sozialrechtssache im Sinne des § 65 Abs 1 Z 1 ASGG. Aufgrund der Höhe des Streitwerts wäre ein (allfälliges anders begründetes) zivilrechtliches Begehren nach Zahlung von Verzugszinsen vor dem Bezirksgericht geltend zu machen. Die Klage sei daher zutreffend zurückgewiesen worden. Den Parteien komme kein Antragsrecht auf Befassung des Verfassungsgerichtshofs zu. Das Verlangen des Rekurswerbers nach Anfechtung des § 65 Abs 1 ASGG sei daher zurückzuweisen. Der Rekurs sei nämlich nicht geeignet, Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung zu begründen. Das Argument, der Rekurswerber sei genötigt, Haupt- und Nebenforderung in verschiedenen Verfahren geltend zu machen, komme gar nicht zum Tragen, weil er ja nur Verzugszinsen als Hauptforderung eingeklagt habe. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine höchstgerichtliche Entscheidung der verfahrensrechtlichen Frage, ob Verzugszinsen aufgrund verspäteter Auszahlung von Versicherungsleistungen als Hauptanspruch vor den Arbeits- und Sozialgerichten geltend gemacht werden könnten, fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Klägers ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, er ist auch berechtigt.
Zunächst ist den Vorinstanzen darin beizustimmen, daß ein Anspruch auf Verzugszinsen im Falle der verspäteten Leistung der Sozialversicherungsträger in den einzelnen Sozialversicherungsgesetzen nicht ausdrücklich geregelt ist. Das Oberlandesgericht Wien hat daraus in ständiger Rechtsprechung den Schluß gezogen, daß ein solcher Anspruch nach dem Gesetz nicht bestehe und daher im Leistungsstreitverfahren nicht begehrt werden dürfe; eine über das Begehren auf Verzugszinsen ergangene Entscheidung sei wegen Unzuständigkeit der (seinerzeitigen) Schiedsgerichte der Sozialversicherung nichtig nach § 477 Abs 1 Z 6 ZPO. Zinsenbegehren als Nebenforderungen von Versicherungsleistungen wurden daher stets zurückgewiesen (SSV 4/130, 10/106, 16/83, 25/109, 26/63, 26/112 ua).
Auch im Schrifttum wurde unter Hinweis auf diese Judikatur die Ansicht vertreten, ein Streit über die Zahlung von Verzugszinsen wegen verspäteter Erbringung der Leistung sei keine Leistungssache und damit keine Sozialrechtssache im Sinn des § 65 ASGG (Kuderna, ASGG 358).
Der Oberste Gerichtshof war mit dem Problem der Verzugszinsen erstmals in der Entscheidung SSV-NF 3/66 = SZ 62/96 = EvBl 1989/151 = JBl 1989, 600 befaßt. Er führte dort aus, Rechtsstreitigkeiten über die Zulässigkeit der Aufrechnung auf die von den Versicherungsträgern zu erbringenden Leistungen nach § 103 ASVG würden nicht bloß über die Auszahlung von Versicherungsleistungen, sondern über den Bestand oder den Umfang eines Anspruchs auf Versicherungsleistungen geführt; es handle sich dabei also um Sozialrechtssachen nach § 65 Abs 1 Z 1 ASGG. Auch die nur als Nebenforderung geltend gemachten Zinsen (§ 54 Abs 2 JN) hätten - anders als nach bisheriger Auffassung - bei der Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges unberücksichtigt zu bleiben; diese richte sich vielmehr nur nach der Hauptforderung. Daher wurde der das Verfahren für nichtig erklärende und die Klage zurückweisende Beschluß des Berufungsgerichtes zur Gänze aufgehoben und dem Berufungsgericht aufgetragen , über die Berufung zu entscheiden. Im zweiten Rechtsgang gab der Oberste Gerichtshof dem Hauptbegehren auf Nachzahlung von Pensionsleistungen statt; das auf 13,5 % Zinsen gerichtete Mehrbegehren wies er jedoch unter Hinweis darauf ab, daß dieses Zinsenbegehren im ASVG nicht begründet sei (SSV-NF 4/162).
In seinem kurz zuvor ergangenen (aufhebenden und zurückverweisenden) Beschluß SSV-NF 4/131 hatte der Oberste Gerichtshof ua ausführlich zu dem Problem des Begehrens auf Zahlung von Verzugszinsen (in der dort geltend gemachten gesetzlichen Höhe von 4 %) Stellung genommen. Zusammenfassend führte er aus, daß der Gesetzgeber mehrfach Leistungen vorgesehen habe, die dem Anspruchswerber für die Dauer des Verfahrens zu gewähren seien, daß dazu Verzugszinsen aber nicht gehörten, obwohl in anderem Zusammenhang die Pflicht zur Zahlung solcher Zinsen festgelegt werde. Das Unterbleiben einer Regelung über Verzugszinsen für Geldleistungen entspreche daher dem Willen des Gesetzgebers und bedeute keine planwidrige Unvollständigkeit als Voraussetzung für eine analoge Anwendung des § 1333 ABGB. Für Leistungen nach den Sozialversicherungsgesetzen gebührten keine Verzugszinsen; dies werde das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren bei der Entscheidung über das Klagebegehren zu beachten haben. Die Zuständigkeit des Sozialgerichtes zur Entscheidung über diese als Nebenforderung geltend gemachten Verzugszinsen wurde in dem genannten Beschluß gar nicht mehr in Frage gestellt.
Die bisherigen Ausführungen zeigen, daß der Oberste Gerichtshof von der eingangs dargestellten Auffassung des Oberlandesgerichtes Wien, Sozialgerichte seien zur Entscheidung über (als Nebenforderung geltend gemachte) Zinsenbegehren unzuständig, abgegangen ist. Die Frage hingegen, ob Verzugszinsen aufgrund verspäteter Auszahlung von Versicherungsleistungen auch als Hauptanspruch vor den Sozialgerichten geltend gemacht werden können, wurde vom erkennenden Senat noch nicht erörtert.
Das Rekursgericht ist zutreffend (und unbestritten) davon ausgegangen, daß die beklagte Partei über den Zinsenanspruch mit Bescheid entschieden hat und daß auch sonst die Verfahrensvoraussetzungen des § 67 ASGG vorliegen. Das Schreiben der beklagten Partei vom 25.4.1991 brachte gegenüber dem Kläger eindeutig und bindend zum Ausdruck, daß die beklagte Partei die Zinsenforderung nicht erfüllen werde, weil das Gesetz keinen Anspruch auf Verzugszinsen vorsehe (vgl zum Bescheidcharakter SSV-NF 5/36 mwN).
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist das mit der vorliegenden fristgerechten Klage angerufene Sozialgericht auch sachlich zuständig, weil die Entscheidung in einer Sozialrechtssache zu treffen ist (§ 3 ASGG), nämlich sinngemäß in einer Rechtsstreitigkeit über den Umfang eines Anspruchs auf Versicherungsleistungen im Sinne des § 65 Abs 1 Z 1 ASGG (§ 354 Z 1 ASVG). Dabei ist hier nur ausschlaggebend, ob zwischen den Parteien die Höhe (der Umfang) des Anspruchs auf Versicherungsleistungen streitig ist (vgl Kuderna aaO). Ob das Begehren materiell berechtigt ist, ob also der hier geltend gemachte Anspruch nach den Sozialversicherungsgesetzen auch zu Recht besteht, hat bei Prüfung der Zuständigkeit außer Betracht zu bleiben (ähnlich zur Frage der Gerichtsbesetzung RZ 1981/50 und 9 Ob A 121/92).
Dem Kläger kann nicht entgegengehalten werden, er habe sein Zinsenbegehren ausdrücklich als Verwendungsanspruch bezeichnet. Zinsen sind grundsätzlich Entgelt für die Nutzung eines Kapitals. Gesetzliche Zinsen gebühren dem Gläubiger vor allem dann, wenn der Schuldner mit seiner Zahlung in Verzug ist (§ 1333 ABGB), wobei es belanglos ist, ob der Verzug verschuldet ist. Dieser Anspruch auf Verzugszinsen beruht auf bereicherungsrechtlichen Gedanken (Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts9 I 223 f mwN bei FN 52), er soll die aus verspäteter Zahlung erwachsenden Vorteile des Schuldners mit den Nachteilen des Gläubigers ausgleichen. Der Kläger wies bereits in erster Instanz darauf hin, daß der verspätete Erhalt einer zustehenden Versicherungsleistung für den Versicherten einen finanziellen Nachteil bedeutet: Auch wenn er die ihm zustehende Leistung nach längerer Zeit erhalte, so erhalte er allein schon aufgrund der Geldentwertung einen geringeren Betrag und sei schon deshalb schlechter gestellt (so im vorbereitenden Schriftsatz des Klägers ON 9). In seinem Rekurs begründete der Kläger seine Auffassung, der Streit betreffe den Umfang einer Versicherungsleistung, neuerlich damit, daß durch die verspätete Zahlung der tatsächliche Wert der Leistung geringer geworden sei als er dem Kläger zustehen würde; ähnlich argumentiert er auch im Revisionsrekurs. Damit werden Gedanken angesprochen, die in der Bundesrepublik Deutschland der Verzinsung rückständiger Geldleistungen im Sozialrecht zugrundeliegenden. Mit der Einführung des § 44 SGB I wurde eine alte sozialpolitische Forderung erfüllt, die davon ausging, daß Ansprüche auf Sozialleistungen Rechtsansprüche seien und daher - ebenso wie im bürgerlichen Recht - die Nachteile verspäteter Zahlung ausgeglichen werden müßten. Soziale Geldleistungen würden vielfach die Lebensgrundlage des Leistungsberechtigten bilden; würden sie verspätet gezahlt, seien oft Kreditaufnahmen oder die Auflösung von Ersparnissen notwendig, die einen Ausgleich erforderten (Hauck-Haines, Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil K § 44 SGB I Rz 1).
Der Kläger stützt sein Begehren auf Zahlung von Verzugszinsen, also insbesondere auch darauf, daß er die Leistung nicht in der im Zeitpunkt der Zahlung gebührenden Höhe, also noch gar nicht vollständig erhalten habe, weil der geleistete Geldbetrag infolge Geldentwertung hinter dem tatsächlich geschuldeten zurückbleibe. Ohne jede Prüfung der materiellen Berechtigung dieses Begehrens und ohne Erörterung der Frage, ob Verzugszinsen überhaupt einen Ausgleich der Geldentwertung bezwecken sollen (vgl Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 8 zu § 1333 mwN), läßt sich doch sagen, daß die vorliegende Klage sinngemäß den Umfang (die Höhe) des Anspruchs auf Pensionsnachzahlungen bekämpft und damit eine Sozialrechtssache im Sinne des § 65 Abs 1 Z 1 ASGG zum Gegenstand hat.
Damit stellt sich auch das im Revisionsrekurs aufgeworfene Problem nicht, ob Verzugszinsen als Nebenforderungen grundsätzlich vor demselben Gericht geltend zu machen seien wie als Hauptforderungen und ob eine verschiedene Zuständigkeit für Haupt- und Nebenforderungen dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot zuwiderlaufe. Zu der vom Rechtsmittelwerber angeregten Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 65 Abs 1 ASVG durch einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof besteht kein Anlaß.
Die von der beklagten Partei erhobene Einrede der sachlichen Unzuständigkeit ist daher unbegründet. Die Klage hätte nicht wegen sachlicher Unzuständigkeit des angerufenen Arbeits- und Sozialgerichtes zurückgewiesen werden dürfen.
Die Entscheidung über die Rechtsmittelkosten des Zwischenstreites beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG iVm § 52 Abs 1 ZPO (§ 2 Abs 1 ASGG).
Anmerkung
E32307European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:010OBS00287.92.1215.000Dokumentnummer
JJT_19921215_OGH0002_010OBS00287_9200000_000