TE OGH 1992/12/15 10ObS267/92

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Veröffentlicht am 15.12.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Barbara Hopf (Arbeitgeber) und Dr.Roman Mörth (Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A***** K*****, vertreten durch Dr.Karl Haas und Dr.Georg Lugert, Rechtsanwälte in St.Pölten, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Ghegastraße 1, 1030 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Leistungen aus der Unfallversicherung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Juli 1992, GZ 31 Rs 81/92-8, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 4.März 1992, GZ 5 Cgs 253/91-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist hauptberuflich Metallarbeiterin. Ihr Ehegatte, der früher ebenfalls Metallarbeiter war, bezieht derzeit eine Invaliditätspension. Gemeinsam mit ihrem Ehegatten ist die Klägerin Eigentümerin eines landwirtschaftlichen Betriebes mit einem Eigengrund von 50 ar Weingarten. Darüberhinaus werden 18 ar an zugepachteter Fläche bewirtschaftet. Betriebsführerin ist die Klägerin. Die Klägerin und ihr Gatte bezogen und beziehen ihren Lebensunterhalt überwiegend aus ihrer unselbständigen Tätigkeit bzw. nunmehr aus der Tätigkeit der Klägerin als Arbeiterin und der Pension ihres Gatten. Die Weingartengrundstücke wurden und werden nur nebenbei bewirtschaftet. Die Tochter der Klägerin hat seit einigen Jahren ein in der Nähe des Wohnhauses der Klägerin gelegenes Haus gemietet, wo sie auch wohnt. Die Mahlzeiten nimmt sie aber nach wie vor bei ihren Eltern ein. In dem zum Wohnhaus der Tochter gehörenden Garten bauten die Klägerin und ihr Mann Gemüse an, das im Haushalt der Klägerin verbraucht wurde. Bei der Meldung der bewirtschafteten Fläche an die beklagte Partei wurde der Hausgarten nicht berücksichtigt. Am 5.4.1991 bearbeitete die Klägerin das Gartengrundstück mit einer Motorfräse. Dabei geriet sie mit den Beinen in die Fräse, wodurch sie Verletzungen an den Unterschenkeln erlitt.

Mit Bescheid vom 16.10.1991 lehnte die beklagte Sozialversicherungsanstalt der Bauern die Gewährung von Leistungen aus der Unfallversicherung für die Folgen dieses Unfalls ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei zu verpflichten, der Klägerin für die Folgen des Ereignisses vom 5.4.1991 Leistungen aus der Unfallversicherung im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Die Klägerin habe das von ihrer Tochter gemietete Grundstück im eigenen Namen im Rahmen ihres der Versicherungspflicht unterliegenden landwirtschaftlichen Betriebes benutzt und sei daher bei Verrichtung der dabei anfallenden Arbeiten unter Versicherungsschutz gestanden.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Die Arbeiten seien nicht auf einem Betriebsgrundstück, sondern in einem von der Tochter der Klägerin gemieteten Garten verrichtet worden, für den keine Beiträge zur Unfallversicherung entrichtet worden seien. Dieser Garten werde von der Klägerin nur für den Anbau von Gemüse für den eigenen Haushalt genutzt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es sich im wesentlichen dem Standpunkt der beklagten Partei anschloß. Die Arbeit im Garten der Tochter sei im Interesse des Haushaltes der Klägerin erfolgt. Da der Haushalt dem Betrieb der Klägerin nicht wesentlich diene, seien die Arbeiten nicht vom Schutz der Unfallversicherung umfaßt gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Voraussetzung für das Bestehen des Unfallversicherungsschutzes gemäß § 175 Abs. 3 Z 1 ASVG sei, daß sich der Unfall im Haushalt des Betriebsinhabers oder Dienstnehmers ereigne und der Haushalt dem Betrieb wesentlich diene. Beide Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Einerseits fehle bei der Arbeit im Hausgarten der Tochter das räumliche Naheverhältnis zum Haushalt und andererseits könne im Hinblick darauf, daß die Klägerin und ihr Ehegatte den wesentlichen Teil ihres Einkommens aus unselbständiger Arbeit bzw. Pension beziehen, nicht davon ausgegangen werden, daß der Haushalt dem Betrieb wesentlich diene.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung in klagestattgebendem Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

§ 148 BSVG bestimmt, daß hinsichtlich der Leistungen der Unfallversicherung die entsprechenden Bestimmungen des ASVG mit hier nicht wesentlichen Änderungen anzuwenden sind. Gemäß § 175 Abs. 1 ASVG sind Arbeitsunfälle Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung SSV-NF 1/29 ausgesprochen, daß in einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb alle Arbeiten, die dem Betrieb und daher der Urproduktion zuzuzählen sind, in den Kreis der versicherten Tätigkeiten einzubeziehen sind, und zwar unabhängig davon, ob die Gewinnung der Produkte für die Vermarktung oder für den eigenen Bedarf erfolgt. Gegenstand dieses Verfahrens war eine Verletzung eines Versicherten, die sich beim Entasten von Bäumen nach der Schlägerung in einem zum Betrieb gehörigen Wald ereigneten; ein Teil des Holzes war für die Vermarktung bestimmt, während das Holz, bei dessen Bearbeitung sich der Unfall ereignete, für den Gebrauch im Haushalt vorgesehen war. Die Forstwirtschaft bildete in diesem Fall einen Erwerbszweig der Nebenerwerbslandwirtschaft.

Im vorliegenden Fall steht fest, daß die Bearbeitung des Hausgartens der Tochter nur der Versorgung des eigenen Haushaltes diente. Auch Arbeiten bei der Urproduktion, die von einem Land(Forst)wirt verrichtet werden, sind aber nur dann vom Unfallversicherungsschutz umfaßt, wenn sie den Gegenstand des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes bilden, sohin in dem Bereich verrichtet werden, der dem Betrieb als Erwerbszweig zuzurechnen ist. Dies trifft bei einem Hausgarten, der nur zur häuslichen Versorgung bearbeitet wird, nicht zu. Die Situation ist hier nicht anders als bei Nichtlandwirten, die zur persönlichen Versorgung einen Hausgarten betreuen. Auch bei einem Landwirt ist diese Tätigkeit nicht Gegenstand des landwirtschaftlichen Betriebes, sondern Annex des Haushaltes. Die unfallbringende Tätigkeit der Klägerin stand daher nicht nach § 175 Abs. 1 ASVG unter Unfallversicherungsschutz. Die Frage, welche Auswirkungen es andernfalls hätte, daß die Klägerin die Bewirtschaftung des Hausgartens ihrer Tochter nicht gemeldet und für diese Fläche keine Beiträge entrichtet hat, ist daher nicht entscheidungswesentlich, so daß hierauf nicht eingegangen werden muß. Die Voraussetzungen der zitierten Gesetzesstelle sind schon deshalb nicht erfüllt, weil der Hausgarten nur der persönlichen Versorgung diente und nicht Gegenstand einer landwirtschaftlichen Erwerbsquelle war.

Gemäß § 175 Abs. 3 Z 1 ASVG gelten in einem land(forst)wirtchaftlichen Betrieb auch Unfälle bei der Arbeit im Haushalt des Betriebsinhabers oder der Dienstnehmer als Arbeitsunfälle, wenn der Haushalt dem Betrieb wesentlich dient. Der Unfallversicherungsschutz besteht bei solchen Unfällen sohin nur dann, wenn der Haushalt dem Betrieb wesentlich dient. Dies ist dann der Fall, wenn im Haushalt ein Teil der landwirtschaftlichen Produkte verbraucht wird und die Kosten des Haushaltes von den Erträgnissen der Landwirtschaft bestritten werden. Bei Kleinstbetrieben ist daher streng zu prüfen, ob die landwirtschaftliche Tätigkeit Grundlage des Haushaltes ist, oder ob nicht eine andere Beschäftigung, beispielsweise als Dienstnehmer die Grundlage ist (Schrammel, VersRdSch 1970, 140 ff [149]). Der Haushalt kann dem landwirtschaftlichen Betrieb nur wesentlich dienen, wenn dieser nicht so klein ist, daß der Haushalt dem Betrieb gleichwertig oder ihm sogar an Bedeutung überlegen ist. Dient die Haushaltung nicht wesentlich dem landwirtschaftlichen Unternehmen, wie dies zB bei Arbeitern, die ihren Lebensunterhalt hauptsächlich aus ihrem Arbeitsverdienst bestreiten und durch ihre kleine Landwirtschaft ihre Lebenshaltung nur in gewissem Umfang verbessern und verbilligen wollen, ohne daß die Haushaltung dadurch ein landwirtschaftliches Gepräge erhält, untersteht sie nicht dem Versicherungsschutz nach dieser Norm (Lauterbach, Unfallversicherung 56.ErgLfg 1117 zur entsprechenden Bestimmung des § 777 RVO).

Nach den Feststellungen betrieb die Klägerin eine Kleinstlandwirtschaft, in deren Rahmen nur (einschließlich der Pachtflächen) 68 ar Weingarten bewirtschaftet wurden. Der Lebensunterhalt der Familie wird und wurde immer im wesentlichen durch die Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit bestritten. Unter diesen Umständen kann unter Anlegung der oben dargestellten Kriterien nicht davon ausgegangen werden, daß der Haushalt dem landwirtschaftlichen Betrieb wesentlich diente. Die Voraussetzungen des § 175 Abs. 3 Z 1 ASVG sind daher schon aus diesem Grund nicht gegeben, so daß es sich erübrigt, auf die vom Berufungsgericht erörterte Frage einzugehen, ob der Versicherungsschutz nach dieser Bestimmung zur Voraussetzung hat, daß die für den Haushalt bestimmten Arbeiten auch in einem räumlichen Naheverhältnis zum Haushalt durchgeführt werden.

Der Revision mußte daher der Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen würden, wurden weder geltend gemacht noch ergeben sich Hinweise auf solche Gründe aus dem Akt.

Anmerkung

E32296

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:010OBS00267.92.1215.000

Dokumentnummer

JJT_19921215_OGH0002_010OBS00267_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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