Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Zentralbetriebsrat der B***** Elektrizitätswirtschafts AG, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei B***** Elektrizitätswirtschafts AG, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert S 300.000 sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1. Juli 1992, GZ 32 Ra 96/91-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 31. Mai 1991, GZ 17 Cga 61/90-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 12.247,20 (darin S 2.041,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat die Frage, ob den Arbeitnehmern der beklagten Partei für Arbeitszeiten während der Ruferreichbarkeit bzw. allgemeinen Erreichbarkeit (Überstunden) ein 100 %iger Überstundenzuschlag gebührt, zutreffend bejaht. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).
Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:
Gemäß Art XVI Z 2 und 3 des Kollektivvertrags für Arbeiter der Elektrizitätsversorgungsunternehmungen (Kollektivvertrag für Arbeiter) gilt es als Überstundenleistung, wenn der Arbeitnehmer während der Ruferreichbarkeit bzw. der allgemeinen Erreichbarkeit zu einer tatsächlichen Arbeitsleistung herangezogen wird. Nach Art XVI Z 4 dieses Kollektivvertrags werden auch die erforderlichen Reisezeiten als Überstunden vergütet, wenn ein Arbeitnehmer aus der Ruferreichbarkeit oder der allgemeinen Erreichbarkeit zu einer tatsächlichen Arbeitsleistung herangezogen wird. Entsprechende Bestimmungen enthält auch der Kollektivvertrag für Angestellte der EVU (Kollektivvertrag für Angestellte) in § 25 Abs 2, 3 und 4 lit e. Hinsichtlich der Entlohnung der Überstunden zählt Art XVIII Z 6 des Kollektivvertrags für Arbeiter so wie § 5 des Kollektivvertrags für Angestellte jene Überstunden auf, die entweder mit einem 50 %igen Zuschlag oder mit einem 100 %igen Zuschlag abzugelten sind. Gemäß Art XVIII Z 6 lit d des Kollektivvertrags für Arbeiter (ebenso gemäß § 5 Abs 9 des Kollektivvertrags für Angestellte) ist für die Leistung von Überstunden durch Arbeitnehmer, die nach dem Verlassen des Betriebes zur Leistung von Überstunden "zurückberufen" werden, schlechthin ein 100 %iger Zuschlag vorgesehen. Eine Unterscheidung der zurückberufenen Arbeitnehmer in solche, die gerade Rufbereitschaft haben, und in solche, die ausnahmsweise während ihrer Freizeit in Anspruch genommen werden, ist diesen Bestimmungen nicht zu entnehmen. Warum ein in Rufbereitschaft befindlicher Arbeitnehmer nach dem Verlassen des Betriebes (vgl. § 34 Abs 1 ArbVG) begrifflich nicht zur Arbeitsleistung "zurückberufen" werden könne, wie die Revisionswerberin meint, ist unerfindlich.
Die Normadressaten einer kollektivvertraglichen Regelung, denen nur der Text des Kollektivvertrags zur Verfügung steht, müssen sich darauf verlassen können, daß die Absicht der (besonders branchenkundigen) Kollektivvertragsparteien in erkennbarer Weise im Vertragstext ihren Niederschlag gefunden hat (vgl. RZ 1990/89 mwH uva). Sie müssen sich an den klaren Wortlaut der Norm halten können und sind in ihrem Vertrauen darauf zu schützen, daß die Norm so gilt, wie sie von ihnen verstanden werden darf. Spekulationen in der Weise, daß mit dem Verlassen des Betriebes eigentlich das Verlassen der "Weisungssphäre" des Arbeitgebers gemeint sei oder daß Voraussetzung der Gewährung des 100 %igen Zuschlags ein "Einbruch des Arbeitgebers in den Freizeitbereich des Arbeitnehmers" sein müsse, verlassen den Boden der diesbezüglich eindeutigen Regelung. Auf den Gleichbehandlungsgrundsatz, der sich im übrigen nur an den Arbeitgeber richtet, kann sich die Revisionswerberin hinsichtlich der in Frage stehenden Arbeitnehmergruppe schon deshalb nicht berufen, da nicht eine allfällige Besserstellung, sondern nur eine Schlechterstellung unzulässig wäre (vgl. Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht**n I 239 ff). Ebenso können die in der Revision aufgeworfenen Bedenken im Hinblick auf das Sachlichkeitsgebot des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes nicht geteilt werden.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
Anmerkung
E33143European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:009OBA00247.92.1216.000Dokumentnummer
JJT_19921216_OGH0002_009OBA00247_9200000_000