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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des C in S, vertreten durch Dr. Wolfram Wutzel, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 12. Februar 2004, Zl. VwSen-520451/2/Kei/Da, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 7 Abs. 2 und § 24 Abs. 1 Z. 1 Führerscheingesetz (FSG) die Lenkberechtigung für die Klassen A und B für die Dauer von 24 Monaten ab der Zustellung des Mandatsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 21. Mai 2001 am 29. Mai 2001 unter Nichteinrechnung von Haftzeiten entzogen sowie für dieselbe Dauer gemäß § 30 Abs. 1 und § 32 FSG das Recht aberkannt, von seinem ungarischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 24 Abs. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4; darunter insbesondere die Verkehrszuverlässigkeit) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen. Gemäß § 25 Abs. 1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Besitzern einer ausländischen Lenkberechtigung kann gemäß § 30 Abs. 1 FSG das Recht, von ihrem Führerschein Gebrauch zu machen, aberkannt werden, wenn Gründe für eine Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 FSG gilt unter anderem als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie sich wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird. Auf Grund der in § 7 Abs. 3 FSG angeführten Fälle hat insbesondere als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 auch zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gemäß §§ 28 Abs. 2 bis 5 oder 31 Abs. 2 Suchtmittelgesetz - SMG begangen hat. Gemäß § 7 Abs. 4 FSG sind für die Wertung der beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
Anlass für die Setzung der bekämpften Entziehungsmaßnahme war, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 15. Oktober 2001 folgender Delikte - worauf er selbst zutreffend hinweist - für schuldig erkannt und bestraft worden war:
§ 28 Abs. 2 2., 3. und 4. Fall, Abs. 3 1. Fall und Abs. 4 Z. 3 SMG, teilweise in Versuchsform gemäß § 15 StGB, teilweise als Beteiligter gemäß § 12 3. Fall StGB, § 27 Abs. 1 1. und
2.
Fall SMG, § 277 Abs. 1 StGB, § 50 Abs. 1 Z. 3 WaffG, §§ 12
2.
Alternative, 302 Abs. 1 StGB, §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB. Er wurde deshalb vom Landesgericht Linz zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 Jahren verurteilt.
Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 8. Oktober 2002 wurde die über den Beschwerdeführer verhängte Freiheitsstrafe auf 4 Jahre herabgesetzt.
Die belangte Behörde ging in ihrer Entscheidung von folgendem
Sachverhalt aus:
Der Beschwerdeführer habe
-
zwischen August 2000 und März 2001 den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig Suchtgift, nämlich Ecstasy-Tabletten, LSD-Trips, Amphetamin, Cannabisharz, Kokain, Mescalin und Kristallin, dessen Menge das 25-fache der Grenzmenge übersteigt, eingeführt, ausgeführt und in Verkehr gesetzt, wobei es hinsichtlich 1.367 Stück Ecstasy-Tabletten und 110 g Speed beim Versuch geblieben sei,
-
den bestehenden Vorschriften zuwider zwischen Ende 1999 und Feber 2001 Suchtgift, nämlich Ecstasy-Tabletten, Amphetamin und Kokain, erworben und besessen,
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am 21. Dezember 2000 in Ungarn dadurch, dass er seiner Suchtgiftlieferantin S 50.000,-- zum Erwerb von Ecstasy-Tabletten übergeben habe, um diese nach Österreich zu schmuggeln und in Österreich in Verkehr zu setzen, mit einem anderen die gemeinsame Ausführung einer nach § 28 Abs. 2 2., 3. und 4. Fall und Abs. 3
1. Fall SMG strafbaren Handlung verabredet.
Die belangte Behörde ging im Hinblick auf diese Delikte davon aus, dass eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 12 FSG vorliege. Sie führte weiters aus, dass die Taten des Beschwerdeführers besonders verwerflich gewesen seien, es habe sich im gegenständlichen Zusammenhang um eine sehr große Menge an Suchtmitteln gehandelt und insbesondere sei auch die lange Dauer der Tathandlungen zu berücksichtigen. Das Wohlverhalten des Beschwerdeführers in der Haft und während des anhängigen Entziehungsverfahrens sei von geringem Gewicht. Es sei daher die Entziehung der Lenkberechtigung und die Aberkennung des Rechtes, vom ungarischen Führerschein Gebrauch zu machen, für die Dauer von 24 Monaten "insgesamt angemessen".
Soweit der Beschwerdeführer den Zusammenhang zwischen seinen - unbestrittenen - Tathandlungen und dem Lenken von Kraftfahrzeugen bestreitet, ist ihm im Grunde des § 7 Abs. 1 Z. 2 FSG zu entgegnen, dass es unerheblich ist, inwieweit die Delikte unter Verwendung eines Kraftfahrzeuges begangen wurden, und es daher auch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darstellt, wenn die belangte Behörde den vom Beschwerdeführer vermissten "Zusammenhang" nicht dargestellt hat (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 30. September 2002, Zl. 2002/11/0158, mwH).
Auf Grund der Begehung der oben angeführten gerichtlich strafbaren Handlungen liegt eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 FSG vor. Deren Wertung ergibt wegen der im Beschwerdefall vorliegenden Umstände (Wissen des Beschwerdeführers vom Beitrag zum Schmuggel großer Mengen von Suchtmitteln, darunter auch so genannter "harter Drogen", zwecks Inverkehrsetzens im Inland; Inkaufnehmen, dass die Gesundheit zahlreicher Menschen gefährdet wird; Begehung der Tathandlungen über einen längeren Zeitraum), dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des Mandatsbescheids der Erstbehörde am 29. Mai 2001 noch verkehrsunzuverlässig war. Der Verwaltungsgerichtshof kann die dem angefochtenen Bescheid implizit zugrunde gelegte Auffassung nicht als rechtswidrig erkennen, dass wegen der angeführten Umstände die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers auch noch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, somit ca. drei Jahre und zwei Monate nach der letzten Tathandlung, andauerte.
Allerdings ist zu betonen, dass von einer weiteren Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers ohne ergänzende Feststellungen allenfalls nur noch für einen kurzen Zeitraum gesprochen werden könnte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat es zwar auch im Geltungsbereich des FSG nicht für unzulässig erachtet, Entziehungszeiten unter Nichteinrechnung von Haftzeiten festzusetzen, dies aber nur dann, wenn es über das Wohlverhalten während der Haft hinaus noch eines weiteren Wohlverhaltens bedarf, um die Verkehrszuverlässigkeit zu erweisen. Haftzeiten sind aber in diesem Zusammenhang auch bei Delikten nach dem SMG keineswegs ohne Bedeutung, sondern in die Prognose über den Zeitpunkt des Wiedererlangens der Verkehrszuverlässigkeit einzubeziehen, insbesondere weil die Strafe (neben anderen Zwecken) auch spezialpräventiven Zwecken dient (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. April 2004, Zl. 2003/11/0189, mit weiteren Hinweisen).
Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hatte der Beschwerdeführer von der über ihn verhängten Freiheitsstrafe von vier Jahren bereits ca. drei Jahre verbüßt. Die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Entziehung der Lenkberechtigung für 24 Monate unter Nichteinrechnung von Haftzeiten implizit daher eine Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers für einen weiteren Zeitraum von mindestens 24 Monaten, somit insgesamt - gerechnet ab dem Ende des strafbaren Verhaltens im März 2001 - eine Verkehrsunzuverlässigkeit nach rund sechs Jahren. Diese dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Prognose ist wegen des gänzlichen Fehlens von Feststellungen zu konkreten Anhaltspunkten dafür, dass es über die bereits verbüßte Haftzeit hinaus noch eines längeren Zeitraumes des Wohlverhaltens (in der Haft und allenfalls noch nach derselben) bedürfte, ohne die von einer Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit nicht gesprochen werden könnte, für den Verwaltungsgerichtshof nach den bisherigen Darlegungen nicht nachvollziehbar.
Da der angefochtene Bescheid auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruht, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003
Wien, am 21. Februar 2006
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2004110129.X00Im RIS seit
04.04.2006Zuletzt aktualisiert am
19.10.2011