TE OGH 1992/12/16 2Ob593/92(2Ob594/92,2Ob157-1579/92)

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Veröffentlicht am 16.12.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber, Dr.Kropfitsch, Dr.Zehetner und Dr.Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Alexander S*****, geboren am 18. Juli 1982, ***** infolge Revisionsrekurses des Vaters Ing.Franz S*****, vertreten durch Dr.Georg Schober, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 3. Juni 1992, GZ R 178-180, 201/92-275, womit über eine Reihe von Rekursen gegen Beschlüsse des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt im Pflegschaftsverfahren P 456/90 entschieden wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Dem (ordentlichen) Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Eltern des mj. Alexander S*****, deren Ehe geschieden ist, vereinbarten mit Vergleich vom 11.8.1987, daß die elterlichen Rechte und Pflichten der Mutter zustehen. Dem Vater wurde mit Gerichtsbeschluß ein Besuchsrecht eingeräumt.

Nachdem die Mutter Kontakte mit der "Vereinigungskirche (Gemeinschaft vom Heiligen Geist für die Vereinigung der Weltchristenheit)", auch "Munsekte" oder "Moonsekte" genannt, aufgenommen hatte, beantragte der Vater, die Elternrechte ihm zu übertragen. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus, das Kind gehe durch die Sektenzugehörigkeit der Mutter einer "persönlichkeitslosen Zukunft" entgegen, es bestehe die Gefahr, daß es mit der Mutter zu Missionszwecken ins Ausland gehe. Die Munsekte sei eine gefährliche Sekte, die erfolgreich bestrebt sei, die Willensfreiheit ihrer Mitglieder auszuschalten, um gefügige Werkzeuge zur Geldbeschaffung für den Gründer San Myung Mun zu erlangen. Der minderjährige Alexander sei dadurch, daß er im Einflußbereich der Sekte aufwachse, physisch und psychisch gefährdet. Er werde von speziellen "Erziehern" der Sekte im Sinne der Sektenziele "psychisch umgedreht". Die Sektenmitarbeiter versuchten, durch ständige Betreuung der ihnen überlassenen Kindern jede Initiative zum eigenen Denken und zur Selbstbeschäftigung zu verhindern; die Kinder seien einer permanenten Gehirnwäsche ausgesetzt. Es werde ihnen beigebracht, daß jede Sache und jede Person, die nicht zu Mun gehört, Teil der satanischen Welt sei. Es gebe daher keinen Grund, die Rechte dieser Außenstehenden zu respektieren oder ehrlich mit ihnen umzugehen. Sektenmitglieder seien daher angehalten, zu Außenstehenden nicht die Wahrheit zu sagen. Dies werde die "himmlische Täuschung" genannt. Nicht zu Munsekte gehörige Personen, also auch der Vater, würden als Teufel bezeichnet, wodurch das Vertrauensverhältnis zwischen Vater und Sohn zunehmend gestört werde. Die Mutter überlasse die Betreuung Alexanders den dafür vorgesehenen Sektenmitgliedern. Sie selbst befinde sich ständig auf mehrwöchigen Missionsreisen. Alexander weise bereits psychische Schäden auf. Er beantworte Fragen nur mit den immer gleichen eingedrillten Antworten und erbringe schlechte Schulleistungen, überdies sehe er schlecht und müde aus, da er täglich um fünf bis sechs Uhr aufstehen müsse, um zu Mister Mun zu beten. Interesse für normale Tätigkeiten vermöge er auf Grund der ständigen Betreuung durch die Sekte nicht aufzubringen. Es bestehe die Gefahr, daß er ins Ausland verbracht werde. Zu den Gepflogenheiten der Sekte gehöre es, daß deren Mitglieder mit von Mister Mun ausgesuchten, ihnen bis dahin unbekannten anderen Sektenmitgliedern zwangsverheiratet werden. Im Falle einer derartigen Zwangsverheiratung werde die Mutter ihren Wohnsitz verlegen und Alexander ins Ausland, vermutlich nach Korea, mitnehmen. Alexander müsse bereits koreanisch lernen. Die medizinische Betreuung im Rahmen der Sekte sei schlecht, Alexander leide an Neurodermitis und an wiederholtem Erbrechen. Auch nach einer schweren Sportverletzung sei eine ärztliche Behandlung Alexanders erst auf Drängen des Vaters erfolgt. Alexander sei auch dadurch gefährdet, daß er weder kranken- noch unfallversichert sei.

In der Folge brachte der Vater eine große Zahl von Eingaben mit verschiedenen Anträgen ein. Unter anderem beantragte er mehrmals, das Besuchsrecht auszudehnen sowie der Mutter den Reisepaß des Minderjährigen abzunehmen.

Wegen beleidigenden Inhaltes von Eingaben verhängte das Erstgericht wiederholt Ordnungsstrafen gegen den Vater.

Mit Beschluß vom 30.12.1991, ON 256 verhängte das Erstgericht eine neuerliche Ordnungsstrafe und zwar in der Höhe von S 20.000,--.

Mit Beschluß vom 14.3.1992, ON 266 entschied das Erstgericht über sämtliche noch offenen Anträge des Vaters. Hiebei wurden - soweit für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof noch von Bedeutung - die Anträge des Vaters, ihm die Obsorge zu übertragen, der Mutter den Reisepaß abzunehmen und das Besuchsrecht auszudehnen, abgewiesen.

Aus den vom Erstgericht auf den Seiten 8 - 19 seiner Entscheidung getroffenen Feststellungen ist folgendes hervorzuheben:

Die Mutter lebt seit 1989 mit Alexander (und mittlerweile auch mit ihrem zweiten Sohn Robert) im Haus Regenbogen in Seebenstein. Dieses Haus wird von fünf oder sechs Familien bewohnt, welche Mitglieder der Vereinigungskirche sind; insgesamt wohnen dort also rund zehn erwachsene Personen und ungefähr zwanzig Kinder. Jede Familie verfügt über einen eigenen Wohnraum, die Mutter hat in der Dependance für sich allein ein Zimmer mit zwei Schlafgelegenheiten, sehr einfach eingerichtet, aber sauber. In einem Nebenzimmer hat der minderjährige Alexander seine eigene Schlafstelle, gemeinsam mit drei anderen Kindern. Die Küche, die Kommunikationsräume und die sanitären Einrichtungen werden gemeinschaftlich benützt. Für die Kinder steht ein eigener Spielraum zur Verfügung. Der Wohnraum steht der Familie S*****/B***** unentgeltlich zur Verfügung, für das Essen zahlt die Mutter pro Kind monatlich S 1.500,--. Sie selbst wird unentgeltlich verpflegt, weil sie - neben ihrem mittlerweile offenbar erfolgreichen Bestreben, ihr polnisches Sportstudium in Österreich zu nostrifizieren - verschiedene Dienstleistungen für die Vereinigungskirche bzw. die "R***** Gesellschaft bürgerlichen Rechts" erbringt (Rezeptionsdienste, vorwiegend aber Außendienste in Form von Betreuung von Mitgliedern und Nahestehenden der Vereinigungskirche, soziale Hilfsleistungen an ältere Personen (im Rahmen der Aktion "Nachbarschaft mit Herz" mit teilweise missionarischem bzw. sympathiewerbendem Zweck), und von Dolmetscherdienst bei größeren Seminaren mit teilweise ausländischen Teilnehmern. Ein derartiges Seminar fand beispielsweise drei Wochen lang Ende Feber/Anfang März 1991 in Gaflenz in Oberösterreich statt. Während der Zeit solcher längerdauernder Abwesenheiten wird Alexander von - offenbar eigens dafür zuständigen - anderen Bewohnern des Hauses R***** betreut, überwiegend von Maria H***** oder von einem Betreuer namens Edi, teilweise auch von der Mutter seines (guten) Freundes Rubin. Wenn sie nicht bei derartigen Seminaren ist, kommt die Mutter wochentags regelmäßig in den Abendstunden nach Hause und trifft Alexander, wenn es nicht schon zu spät für Schulkinder ist, noch wach an. Das Wochenende (ab Freitag nachmittag) verbringt sie regelmäßig mit den Kindern, wenn sie nicht aus familiären Gründen nach Polen fahren muß. Abgesehen von dem bereits erwähnten dreiwöchigen Seminar in Gaflenz befand sich die Mutter im Jahr 1991 etwa im Juni zwei Wochen lang in Schweden und - während der Sommerferien, welche die Kinder in Polen bei ihren Großeltern bzw. bei einem Kinderworkshop im Haus R***** verbrachten - eine Woche in Belgien. Dazu kommen noch ca. zwei tage- oder wochenendweise Aufenthalte in Salzburg. Außer ihren - im polnischen Reisepaß vermerkten - Polenreisen können den Eintragungen ihres österreichischen Reisepasses folgende Auslandreisen entnommen werden: vor fünf oder sechs Jahren eine Reise nach Ungarn zu einer Hochzeit ihrer Freundin, eine Woche nach England am 19. August 1989 gemeinsam mit Alexander, um den 17. Juni 1988 herum in ein nicht feststellbares Land, möglicherweise Belgien, dazu kommen zwei Überschreitungen der tschechoslowakischen Grenze an einem 20.12., wobei anhand der unleserlichen Jahreszahl nur vermutet werden kann, daß es sich um 1990 handelt, eine weitere Überschreitung der tschechischen Grenze dürfte am 10.3.1991 erfolgt sein. Ein weiterer Datumstempel von einem 6.1. kann jahresmäßig aufgrund der unleserlichen Jahreszahl nicht zugeordnet werden.

Für ihre Tätigkeit für die Vereinigungskirche ist die Mutter vom Haus R***** (einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht) angestellt und bei der NÖ Gebietskrankenkasse sozialversichert.

Alexanders regelmäßiger Tagesablauf während der Schulzeit beginnt gegen 1/2 7 Uhr früh, nach einem etwa zehnminütigem gemeinsamen (freien) Morgengebet der Hausbewohner findet um 7 Uhr das Frühstück für alle statt, wobei die Kinder in Gruppen beisammensitzen. Beim Schulweg werden die Kinder von erwachsenen Personen erforderlichenfalls begleitet, etwa wenn sich die Kinder erst an den Schulweg gewöhnen müssen oder beispielsweise von Ing.Franz S***** Alexanders Entführung angedroht wurde.

Nach der Schule, dem Waschen, Umziehen und Mittagessen haben die Kinder im Haus R***** die Wahl, gleich die Schulaufgaben zu machen oder zunächst zwei Stunden zu spielen. Nach Beendigung der Aufgaben ist gleichfalls Spielzeit, welche die Kinder entweder frei gestalten können, allein oder in Gruppen, oder sich einem erwachsenen Betreuer anschließen können, wo Gruppenspiele oder Arbeiten verrichtet werden. Hier und auch bei den Hausaufgaben stehen vor allem Edi bzw. Maria H***** zur Verfügung. Den Kindern werden auch altersentsprechende kindergerechte Arbeiten im Rahmen des Hauses zugewiesen (etwa Aufräumen des Spielzimmers, Fütterung oder Betreuung von kleinen Haustieren), weiters eine bestimmte Zeit für konsequente und konzentrierte Tätigkeit. Bei Alexander handelt es sich hierbei um Gitarre üben.

Alexander besucht mittlerweile die 4. Klasse Volksschule in S*****, er wird als Durchschnittsschüler beschrieben und ist in der Klassengemeinschaft bestens integriert. Laut Schilderung der Klassenlehrerin ist der Bub in keiner Weise auffällig, sondern ein in jeder Hinsicht angepaßter, im Umgang mit seinen Klassenkameraden hilfsbereiter Schüler. Er gibt zu keinerlei Klagen Anlaß. In der Schule wurden Versorgungs- bzw. Betreuungsmängel weder in pflegerischer Hinsicht noch im Bereich einer häuslichen Förderung festgestellt. Ein krankheitsbedingtes Fernbleiben des Kindes vom Unterricht wurde mit einer entsprechenden schriftlichen Entschuldigung sowie einer ärztlichen Bestätigung belegt. Auch in der dritten Klasse hatte Alexander keine schulischen Schwierigkeiten.

Ihrem Selbstverständnis nach strebt die Vereinigungskirche (auf der Basis von Altem und Neuem Testament) eine Vereinigung aller - soweit dies nachvollzogen werden konnte - zumindest christlichen Religionen an, wobei die Mitgliedschaft zur bisher angestammten Religion durchaus aufrechterhalten bleiben kann. Dementsprechend besucht Alexander den katholischen Religionsunterricht in der Schule und betet zum lieben Gott. Die Vereinigungskirche kennt keine besonderen (zumindest vom europäischen Durchschnitt abweichenden) Ernährungsvorschriften, mit Ausnahme des Verbotes von Alkohol, Rauchen und außerehelicher Sexualität. Verboten ist grundsätzlich der Bereich, der nach der Lehre der Vereinigungskirche der "satanischen Welt" zuzuordnen ist, erlaubt, was der "göttlichen Welt" angehört. Der Kreis des hiezu Gehörigen ist allerdings weit genug gezogen, um jenen Dingen, die für eine gesunde Entwicklung von Kindern erforderlich sind, Raum zu geben: so etwa Spiel und Sport (worauf besonderer Wert gelegt wird), beispielsweise auch körperliche Selbstverteidigung, aber auch Gelderwerb ist zulässig; ihm wird auch ein hoher Stellenwert zuerkannt. Die Vereinigungskirche verschließt sich auch nicht vor sogenannten "weltlichen" Belangen, sondern öffnet sich nicht nur religiösen, sondern auch kulturellen, sportlichen, politischen oder wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Gebieten. Was die religiöse Seite anbelangt, so ist diese wenig ausgeprägt. Gottesdienste, besonders sakramentale Feiern, geistliche Übungen oder Besinnungszeiten sind in keiner Weise typisch. Von einigen Festen abgesehen, beschränkt man sich auf ein intensives Gebetsleben in der privaten Sphäre und in der Gruppe bzw. auf Meditation.

Hinsichtlich der Haltung der Mitglieder der Vereinigungskirche zu Kindern stehen nur Erfahrungen mit sogenannten gesegneten Kindern - welche aus der Ehe zwischen Mitgliedern stammen - zur Verfügung; hier kann die Haltung der Mitglieder als positiv bezeichnet werden; die Eltern bemühen sich sehr um ihre Kinder, nehmen sie voll an und lassen sie nicht verkommen. Aus dem persönlichen Eindruck des Gerichtes sowohl von der Mutter als auch des Kindes selbst und der gesamten Erhebungsergebnisse kann aber der Schluß gezogen werden, daß die Haltung dem Alexander gegenüber (der ja nicht aus einer gesegneten Verbindung stammt) ebenso freundlich, um sein Wohl bemüht, kindergerecht und als positiv zu bezeichnen ist.

Die Eheschließung erfolgt bei den Angehörigen der Vereinigungskirche nicht auf der Grundlage der - mehr oder minder freien - individuellen Partnerwahl; vielmehr werden die Ehepartner vom Oberhaupt ihrer Kirche bestimmt, wobei eine Verheiratung erst nach einer mehrjährigen Zugehörigkeit, entsprechenden Verdiensten für die Vereinigungskirche und wohl auch - von ihrem Standpunkt aus - entsprechender Reife erfolgt. Sehr viele der Paare sind national oder "gar rassisch" gemischt, wobei besonders verdienten Mitgliedern Wünsche hinsichtlich eines bestimmten Ehepartners zugestanden werden können. Nach der Verlobungsfeier haben die Partner - nach einer rund halbjährigen Trennung - Zeit, einander kennenzulernen, sie können den Partner grundsätzlich auch ablehnen. Danach führen sie vielfach auch in eigenen Wohnungen ein sozial völlig unauffälliges und bürgerliches Leben. Wie das gemeinsame Leben verläuft, würde der sogenannte "Nationalleader" entscheiden, wobei Rücksicht genommen wird auf Alter und Gesundheit der Ehegatten, auf allfällige Kinder und die weitere Aufgabe der Familie. Grundsätzlich wird darauf Wert gelegt, daß die Kinder eine begonnene Schulausbildung ungestört fortsetzen, sodaß es durchaus sein könnte, daß im Falle einer Verehelichung der Mutter ein ausländischer Ehemann zu ihr nach Österreich übersiedeln müßte.

In rechtlicher Hinsicht erachtete das Erstgericht die mehrfachen Anträge des Vaters auf Übertragung der Obsorge als unberechtigt. Eine Änderung der bestehenden Obsorgeregelung komme nur bei Vorliegen wichtiger Gründe in Betracht, die eine Änderung wegen Gefährdung des Kindeswohles dringend notwendig machten. Weitere Voraussetzung sei aber überdies, daß die Übertragung der Obsorge an den anderen Elternteil mit dem Wohl des Kindes vereinbar sei. Dies sei aber hier nicht der Fall. Die gegenwärtige Lebenssituation, vor allem aber die Persönlichkeitsstruktur und das Auftreten des Vaters im Pflegschaftsverfahren ließen beträchtliche Zweifel aufkommen, ob er der für Alexander erforderlichen Vorbildfunktion gerecht werden könne. Seine gesamte bisherige Verfahrensführung lasse darauf schließen, daß es sich bei ihm um eine völlig unbeherrschte, eigenen Vorstellungen und Einbildungen ausgelieferte Persönlichkeit handle, die unfähig sei, die konkreten Verhältnisse vernünftiger Reflexion zu unterziehen, und die nicht willens sei, Konflikte im sinnvollen Kompromiß zu lösen. Besonders bedenklich sei der Umstand, daß er seine Konflikte, sei es mit der Mutter, sei es mit Gerichten oder sonstigen Behörden, augenscheinlich in einer für das Kind wahrnehmbaren Weise austrage und so Alexander einer unnötigen Belastung aussetze. Auch seine sonstigen derzeitigen Lebensumstände ließen ihn nicht als geeignete obsorgeberechtigte Person erscheinen. Dazu komme, daß das Wohl Alexanders in seiner derzeitigen konkreten Situation nicht gefährdet sei. Er fühle sich wohl und finde im Haus R***** kindgerechte und ansprechende Freizeitgestaltungsmöglichkeiten vor. Auch in der Schule habe Alexander keine Probleme, er zeige keine Auffälligkeiten und wirke ausgeglichen. Durch die Betreuung auch durch andere Bewohner des Hauses R***** scheine er also auch allfällige länger dauernde Abwesenheiten seiner Mutter problemlos zu verarbeiten. Dem Einwand des Vaters, bei der Mun-Sekte handle es sich um eine Psychosekte, die mit Methoden der Gehirnwäsche arbeite, sei entgegenzuhalten, daß in der österreichischen Rechtsordnung die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit verfassungsrechtlich verankert sei. Eine unmittelbare Gefährdung des Kindeswohles durch die Zugehörigkeit zur Mun-Sekte sei zu verneinen. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, daß die Mutter möglicherweise "zwangsverheiratet" werden könnte.

Die vom Vater angestrengte Ausweitung des Besuchsrechtes komme derzeit nicht in Betracht. Alexander habe in letzter Zeit ein zunehmend gleichgültiges bzw. sogar ablehnendes Verhältnis zu seinem Vater entwickelt. Dies sei eine Folge der im Juni 1991 und nach dem Sommer 1991 eingetretenen Vorfälle, Auseinandersetzungen und negativen Äußerungen des Vaters, der noch dazu sein Besuchsrecht vielfach ohnedies nicht sinnvoll genützt habe. Vor einer Ausweitung des Besuchsrechtes werde es daher zunächst Sache des Vaters sein, sein wirkliches und aufrichtiges Interesse am Kind unter Beweis zu stellen.

Die beantragte Hinterlegung des Reisepasses des Minderjährigen komme nicht in Betracht, da sich im Verfahren keine Anhaltspunkte für eine mit dem Kindeswohl nicht zu vereinbarende Verbringung Alexanders ins Ausland ergeben hätten.

Die Ordnungsstrafe von S 20.000 (Beschluß vom 31.12.1991, ON 256) verhängte das Erstgericht wegen nachstehender Äußerungen:

"a) "... die Behörden und speziell die Richter genießen in Österreich die Narrenfreiheit; Beschwerden werden generell ans Salzamt weitergeleitet" in der Eingabe vom 18.9.1991 ON 239,

b) " durch Richter werden eindeutig und in verantwortungsloser Weise Gesetze verletzt und ignoriert" in der Eingabe vom 20.9.1991 ON 240,

c) seiner Meinung nach könnten "die Gesetze für Richter und Behörden genausogut auf zweiseitig benutzes Klosettpapier geschrieben sein" in der Eingabe vom 17.10.1991 ON 243,

d) "im Dienstvertrag von Dr.Spies wurde offenbar die Passage "Pflicht zur Wahrheitsfindung" ersatzlos gestrichen," in der Eingabe vom 16.11.1991 ON 247,

e) "dazu wäre erwähnenswert, daß dem Familienrichter - offenbar aufgrund der Kältewelle - auch die elementarsten Denkvorgänge abhanden gekommen sind" in der Eingabe vom 11.12.1991 ON 252 und

f) "es geht den Richter - grob ausgedrückt - einen nassen Staub an, wofür der Kindesvater den Reisepaß benötige" in der Eingabe vom 19.12.1991 ON 254.

Zur Begründung der Ordnungsstrafe verweist das Erstgericht auf § 85 GOG. Angesichts der Fülle der nunmehr zu bestrafenden Ausdrücke und wegen der Erfolglosigkeit vorangegangener Ordnungsstrafen müsse die Höchststrafe als einzig konsequent zu vertretendes Strafausmaß verhängt werden.

Das Rekursgericht entschied mit Beschluß vom 3.6.1992, ON 275 über Rekurse des Vaters und zwar - sofern für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof noch von Bedeutung - dahin, daß den Rechtsmitteln, soweit sie sich dagegen richten, daß über den Vater eine Ordnungsstrafe von S 20.000 verhängt und seine Anträge, das Besuchsrecht auszudehnen und der Mutter den Reisepaß des Minderjährigen abzunehmen, nicht Folge gegeben wurde. Der Revisionsrekurs wurde in diesen Punkten nicht für zulässig erklärt. Soweit sich der Rekurs gegen die Abweisung des Antrages auf Übertragung der Obsorge wendet, gab ihm das Rekursgericht Folge, hob den angefochtenen Beschluß in diesem Umfang auf und trug dem Erstgericht auf, über diesen Antrag nach Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden. Insoweit wurde der ordentliche Revisionsrekurs für zulässig erklärt.

Das Gericht zweiter Instanz führte aus, nach einhelliger Rechtsprechung komme eine Entziehung der Obsorge nur dann in Betracht, wenn der Obsorgeberechtigte seine elterlichen Pflichten objektiv nicht erfüllt oder subjektiv vernachlässigt oder das Wohl des Kindes gefährdet (EFSlg 56.777 u.v.a.). Selbst wenn man diese Voraussetzung bejahen wollte, setze aber die Übertragung der Obsorge an den Vater überdies voraus, daß im Falle einer Unterbringung bei ihm das Kindeswohl gewährleistet werde. Insofern sei dem erstgerichtlichen Beschluß vollinhaltlich zuzustimmen.

Im vorliegenden Fall erblicke der Vater eine Gefährdung des Kindeswohles primär in der Tatsache, daß sich Mutter und Kind im Einflußbereich der sogenannten "Mun-Sekte" befinden, sodaß sich die vom Erstrichter zu Recht aufgeworfene Frage der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Glaubens- und Gewissensfreiheit stelle. Auch insofern sei dem Erstrichter beizupflichten: Zwar habe die Obsorgeberechtigte das Recht, die Religionszugehörigkeit des minderjährigen Kindes zu bestimmen; die Berufung auf die Religions- und Gewissensfreiheit müsse jedoch dort ihre Grenze finden, wo die Ausübung einer Religion zu einer Gefährdung des Kindeswohles führt. Eine derartige Gefährdung hat das Erstgericht verneint, und zwar im Hinblick auf die derzeitige konkrete Situation des Minderjährigen, womit es offenkundig die Qualität seiner Unterbringung, seiner Betreuung und der Befriedigung seiner Lebensbedürftnisse gemeint habe. Diese Argumentation werde aber dem Vorbringen des Vaters nicht gerecht, der eine Gefährdung des Minderjährigen nicht nur im Hinblick auf die Qualität seiner Unterbringung und Betreuung sehe - auch diesbezüglich gebe es Einwände des Vaters (ärztliche Betreuung!) - sondern vor allem darin, daß der Minderjährige durch die Erziehung in der Sekte "psychisch umgedreht" und zu einem willenlosen Werkzeug gemacht werde. Diese Vorwürfe des Vaters seien bislang nicht in ausreichender Weise überprüft worden.

Informationen über die "Mun-Sekte" seien dem Akt zum einen aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr.Valentin, zum anderen aus der Broschüre "Vereinigungskirche, Entwicklung-Lehre-Praxis" der Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Seelsorgeämter (Herausgeber und Redaktion: Referat für Weltanschauungsfragen), aus vom Vater vorgelegten Auszügen aus einschlägigen Büchern (vor allem oder ausschließlich? aus dem Buch "Im Banne des Himmels - Erfahrungen von Mutter und Tochter über vier Jahre "Moon-Sekte" von Barbara und Betty Underwood) sowie aus einer von der Mutter vorgelegten Broschüre der "Vereinigungskirche" zu entnehmen.

Der zuletzt genannten Broschüre der "Vereinigungskirche" könne keine Aussagekraft zugebilligt werden, da es sich um eine reine Werbebroschüre handle, die dementsprechend gestaltet sei und in der die im Verfahren angesprochenen Probleme in ernsthafter Weise nicht einmal erwähnt würden.

Die wohl gravierendsten Vorwürfe gegen die "Mun-Sekte" fänden sich in den vom Vater vorgelegten Buchauszügen, deren Seriosität und Verläßlichkeit aber nicht überprüft worden sei, obzwar Inhalt und Schreibweise der vorgelegten Auszüge eine derartige Überprüfung erforderlich machen.

Weitgehende Glaubwürdigkeit könne hingegen schon jetzt der Broschüre "Vereinigungskirche, Entwicklung-Lehre-Praxis" zugebilligt werden, deren Inhalt den Eindruck einer sachbezogenen und um Objektivität bemühten Arbeitsweise vermittle. Ebenfalls keine Bedenken bestünden gegen die Richtigkeit des Gutachtens der Sachverständigen Dr.Valtentin, in dem aber wesentliche der vom Vater aufgeworfenen Vorwürfe nicht oder nicht in ausreichendem Maße behandelt würden.

Der Vater stütze seine Vorwürfe gegen die Mun-Sekte auf die von ihm vorgelegten Buchauszüge. Darin sei im Zusammenhang mit Sektenmitgliedern, und zwar unter Berufung auf Äußerungen von betroffenen Eltern, von "schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Persönlichkeitsstruktur" und von "großangelegter Täuschung und Methoden der Gehirnwäsche oder Bewußseinsveränderung" im Zusammenhang mit der Anwerbung, Bekehrung und dem Festhalten von Mitgliedern die Rede. Es würden Paralellen zwischen Methoden der Sekte und der Behandlung amerikanischer Kriegsgefangener durch Nordkorea in den frühen Fünfzigerjahren hergestellt ("Soziale und emotionale Isolation; ungenügend Nahrung und Schlaf; häufige Verlegung von einer Unterkunft zur anderen; ungewohnte Umgebung ...") und - unter Hinweis auf Prozeßbehauptungen von Anwälten - von Bekehrungsmethoden wie "Schlaf- und Nahrungsentzug, Isolierung, Überarbeitung, Zurückhaltung von Informationen, Autoritätsdruck" berichtet. Unter Hinweis auf Aussagen von Betroffenen werde von einem Tagesplan berichtet, der "keine Zeit zu persönlichem Nachdenken, keine Zeit für Schlaf oder Alleinsein, keine Privatspähre" lasse. Auch von der Anweisung, innerhalb von drei Jahren "jegliche Bindung an das eigene Denken, den eigenen Körper und Dinge persönlicher Art aufzugeben" und von einer "Empfehlung, leibliche Kinder anderswo versorgen zu lassen" sei unter Berufung auf die Berichte Betroffener die Rede. Die "Vereinigungskirche" strebe den unbedingten und augenblicklichen Gehorsam ihrer Mitglieder an, der "junge Sektenanhänger sehr oft zu blind vertrauenden schrecklichen Werkzeugen" mache. Zum vom Vater wiederholt ins Treffen geführten Begriff der "himmlischen Täuschung" werde ausgeführt, daß es für Sektenmitglieder - "da jede Sache und jede Person, die nicht zu Mun gehört, Teil der satanischen Welt ist" - keinen Grund gebe, "die Rechte dieser Außenstehenden zu respektieren oder ehrlich mit ihnen umzugehen". Die himmlische Täuschung reiche "von der Benutzung von Decknamen bei der Werbung neuer Mitglieder oder beim Geldsammeln bis zur Mißachtung von Einwanderungsgesetzen. Von der vom Vater behaupteten ungenügenden medizinischen Versorgung der Sektenmitglieder sei insofern die Rede, als - abermals unter Bezugnahme auf Betroffene - von viel zu kurzen und flüchtigen Behandlungen aufgetretener Krankheiten und Verletzungen die Rede sei. Auch für die vom Vater behauptete Entfremdung der Sektenmitglieder von ihren natürlichen Eltern fänden sich in den von ihm vorgelegten Buchauszügen mehrfache Hinweise, insbesondere dann, wenn davon die Rede sei, daß die natürlichen Eltern - da sie von Adam und Eva Sünde abstammen - "als unrein betrachtet" werden und daher durch die wahren Eltern "Referend Mun und seine Frau als die vollkommenen Menschen" - ersetzt werden müßten. In diesem Konzept des Austausches der natürlichen Eltern gegen die wahren Eltern liege die zentrale Bedrohung des Familienlebens. Auch die dominierende Bedeutung des Gelderwerbes für die Sekte und der von den Sektenmitgliedern in diesem Zusammenhang geforderte unbedingte Einsatz werde mehrfach betont.

Sollten all diese Vorwürfe auch in der täglichen Praxis der in Österreich tätigen "Vereinigungskirche" zutreffen, müßte wohl in der Erziehung des Minderjährigen durch die Sekte eine ernsthafte Gefährdung des Kindeswohles gesehen werden. Ob dies der Fall sei, stehe allerdings nicht fest, zumal eine Überprüfung der Seriosität und der Glaubwürdigkeit der vorgelegten Buchauszüge (insbesondere durch Befragen des beigezogenen Sachverständigen) bislang nicht erfolgt sei. Dazu komme, daß die vorgelegten Buchauszüge - soweit für das Rekursgericht beurteilbar - auf amerikanische Verhältnisse abstellten und daher selbst im Falle der Richtigkeit der darin beschriebenen Zustände nicht zwangsläufig auf österreichische Verhältnisse übertragen werden können. Entscheidend für dieses Verfahren könne aber nur jene Situation sein, die der Minderjährige in seiner täglichen Praxis vorfinde.

Verläßlichere Schlüsse lasse nach Ansicht des Rekursgerichtes die bereits erwähnte Broschüre "Vereinigungskirche, Entwicklung-Lehre-Praxis" zu. Dafür sei - abgesehen von der sichtlich um Seriosität und Objektivität bemühten Arbeitsweise - schon allein der Umstand maßgeblich, daß sie auf mitteleuropäische Verhältnisse abstelle. Durch diese Broschüre würden die eben erwähnten Vorwürfe zu einem erheblichen Teil nicht bestätigt, allerdings auch nicht widerlegt. Auch in dieser Broschüre sei von der auch von der Sachverständigen hervorgehobenen scharfen Trennung zwischen Gut und Böse, von der enormen wirtschaftlichen Macht der Sekte, von der in diesem Zusammenhang erfolgten Ausbeutung der Sektenmitglieder, bei denen es sich oft um "willige, unkritische und zu jedem Opfer bereite Werkzeuge" handle, von absoluter Autorität und einem Wahrheitsmonopol der Sektenführung und von Bekehrungsmechanismen die Rede, zu denen "die Trennung von vertrauten Personen und Tätigkeiten" sowie der Versuch gehöre, "den Neuankömmling durch Kontrollmechanismen von der Außenwelt abzuschirmen". Als besonders gefährlich gelte die leibliche Familie, dort würde nämlich Satan am ehesten zum Gegenschlag ansetzen. So müßten vor allem die Neuankömmlinge von negativen Einflüssen abgeschirmt werden. Die Folge sei peinlich genaue Beaufsichtigung, die so weit gehe, daß die Neuen unter Umständen sogar bis auf die Toilette begleitet werden. Kritik sei auf jeden Fall verpönt und gelte als satanisch und bekämpfenswert. Alles Personale müsse der Gruppe geopfert werden, zuletzt werde die Individualität vom "Gruppen-Wir" fast vollständig aufgesogen. Nähere Informationen zum Standard der medizinischen Betreuung innerhalb der Sekte fänden sich in der zitierten Broschüre nicht, lediglich der Hinweis, daß Kranke und Behinderte nicht missioniert, kranke Mitglieder zum Teil sogar aus der Gruppe ausgestoßen werden. Mehrfach betont werde der unbedingte Wille der Sekte zur Beschaffung von Geld und die Einstellung Muns, der Messias müsse der Reichste sein "wollt ihr die grünen Scheine glücklich machen? ...bevor nicht alles durch den Vater gegangen ist, kann es nicht glücklich sein"). Ausführlich beschrieben werde ferner das vom Kindesvater immer wieder ins Treffen geführte System der Massentrauungen, bei denen Sektenmitglieder mit ihnen von Mun ausgesuchten Partnern verheiratet werden. Zwar habe der einzelne das Recht, den gewählten Partner auch abzulehnen. Eine derartige Ablehnung einer Entscheidung des "Meisters" rücke aber in so große Nähe zu Unglauben, Widersetzlichkeit und auch zu subjektivem Versagen, daß sie faktisch nur als negative Entscheidung erlebt werden könne, die den einzelnen belaste. Auch für die Autoren der Broschüre stelle sich daher die Frage, ob die mit der Mitgliedschaft in der Sekte verbundene "große Einengung der Entscheidungsfreiheit, des geistigen Horizontes und der persönlichen Kontakte ... nicht (mitunter irreparabell!) die Reifung der Jugendlichen" gefährde.

Durch die Ausführungen der Sachverständigen Dr.Valentin würde die Schilderung der eben zitierten Publikationen nur teilweise bestätigt. Bei der ärztlichen Versorgung etwa gäbe es nach dem Wissenstand der Sachverständigen keine Probleme. Grundsätzlich brauche die Vereinigungskirche zum Aufbau des göttlichen Reiches gesunde Personen, sodaß man davon ausgehen könne, daß sie niemanden "verkommen" lasse. Es seien Fälle bekannt, in denen im Ausland erkrankte (nicht sozialversicherte) Mitglieder für die Dauer ihrer Behandlungsbedürftigkeit in die Obhut ihrer Eltern zurückgesendet wurden. Es sei aber nicht untypisch, daß bestimmte Krankheiten als Sühne oder Wiedergutmachung nicht behandelt werden, allerdings aufgrund eines (zumindest vermeintlich) freien Entschlusses der betreffenden Person. Im übrigen bestätige die Sachverständige den in der Sekte gelehrten strengen Dualismus zwischen der satanischen und der göttlichen Welt, der für ein Kind unter Umständen belastend sein könne. Auch im Sachverständigengutachten sei ferner von einem Alltagsleben des in der Sekte aufwachsenden Kindes die Rede, das wegen des geregelten Tagesablaufes für Rekreation und eigene Gedanken kein Platz lasse; Pausen, in denen die Kinder nicht ständig in der Gruppe betreut werden, sondern eigenen Gedanken nachgehen könnten, fehlten. Im übrigen sei dem Gutachten zwar zu entnehmen, daß Alexander zweifellos zum "Moonie" erzogen werde, damit zusammenhängende Umstände, die jedenfalls als Gefährdung des Kindeswohles angesehen werden müßten, würden im Sachverständigengutachten jedoch nicht berichtet.

Allerdings setze sich dieses Gutachten mit dem Kern der vom Vater gegen die Sekte erhobenen Vorwürfe und mit erheblichen Teilen der oben wiedergegebenen Schilderungen über deren Theorie und Praxis überhaupt nicht auseinander, sodaß dieser wesentliche Kern des väterlichen Vorbringens zwar nicht bestätigt, aber auch nicht widerlegt worden sei. Aus diesem Grund reiche daher der bisherige Akteninhalt noch nicht aus, um die auf dieses Sachverständigengutachten gestützte Auffassung des Erstrichters, eine Gefährdung des Kindeswohles sei derzeit zu verneinen, zu überprüfen.

Der Erstrichter, der ohnedies um eine breite Entscheidungsgrundlage bemüht gewesen sei, stütze sich mit seiner Auffassung, eine Gefährdung des Kindeswohles sei derzeit nicht gegeben, allerdings nicht nur auf das eingeholte Sachverständigengutachten, sondern auch auf den persönlichen Eindruck, den er sich in ausführlichen Gesprächen von Alexander verschafft habe und der durch diverse Jugendamts- und Schulberichte durchaus bestätigt werde. Danach seien bei Alexander derzeit keine Anhaltspunkte für die vom Vater vermutete "Persönlichkeitsveränderung" wahrnehmbar. Dies reiche aber ebenfalls zu einer abschließenden Beurteilung noch nicht aus. Zum einen sei in diesem Zusammenhang auf die Aussage der Mutter zu verweisen, wonach die Unterweisung der Kinder mit dem Gedankengut der "Vereinigungskirche" erst ab der zweiten Klasse einsetze. Zum anderen könne angenommen werden, daß aufgrund der von allen Informationsquellen bestätigten Tendenz der Sekte, sich nach außen hin Außenstehenden gegenüber als aufgeschlossen zu geben, allfällige bei Alexander schon vorhandene Prägungen schwer zu erkennen seien.

Dazu komme, daß im Beweisverfahren Umstände hervorgekommen seien, die es nicht ratsam erscheinen ließen, die vom Vater erhobenen Vorwürfe schon jetzt als widerlegt zu erachten. So falle etwa auf, daß selbst nach den Angaben der Mutter davon ausgegangen werden müsse, daß sie die Betreuung und Erziehung des Minderjährigen zu einem erheblichen Teil an die dafür bestimmten Sektenmitarbeiter abgetreten habe. Dies sei eine Folge ihrer häufigen Abwesenheit vom R*****haus, sei es nur unter tags, sei es wegen mehr oder weniger umfangreicher Reisen zu Missions- oder sonstigen Zwecken. Abgesehen davon, daß dadurch die großen Einflußmöglichkeiten der Sekte auf die Entwicklung des Kindes deutlich würden, stehe eine derartige Entwicklung mit der vom Vater behaupteten Tendenz der Sekte im Einklang, Kinder von ihren leiblichen Eltern möglichst zu trennen. Auch die völlige wirtschaftliche Abhängigkeit der Mutter von der "Vereinigungskirche" müsse in diesem Zusammenhang zu denken geben. So beziffere die Mutter ihr Einkommen mit S 4.500,-- monatlich, wovon sie für das Leben in der Gemeinschaft für sich und Alexander monatlich S 3.000,-- wieder an die Sekte bezahlen müsse. Auch die Möglichkeit einer Wiederverheiratung mit einem vom Oberhaupt der Gemeinschaft ausgewählten Ehepartner stelle die Mutter gar nicht in Abrede. Auch wenn sie diese Möglichkeit als ihrer eigenen Überzeugung entsprechend bejahe, stelle sich doch die Frage, ob darin nicht eine bedenkliche Beeinträchtigung der Willensfreiheit zutage trete, die es angezeigt scheinen lasse, näher zu überprüfen, ob und inwieweit Alexander in der Sekte überhaupt Möglichkeiten vorfinde, Willensfreiheit und die Fähigkeit zu selbstbestimmtem Handeln zu entwickeln.

Aus den angeführten Gründen erachte das Rekursgericht das Verfahren somit als ergänzungsbedürftig. Vor allem halte das Rekursgericht eine Ergänzung des Gutachtens der Sachverständigen für notwendig, die mit den oben wiedergegebenen konkreten Vorwürfen des Vaters zu konfrontieren und aufzufordern sein werde, zur Seriosität der vom Vater vorgelegten Buchauszüge Stellung zu nehmen und klar zu stellen, inwieweit die dort beschriebenen Schilderungen zutreffen und ob bzw. inwieweit sie auf österreichische Verhältnisse bzw. auf die Umgebung des Minderjährigen übertragbar seien. Auch die ergänzende Vernehmung von Mutter und Kind zu den konkret erhobenen Vorwürfen werde sich als notwendig erweisen, nicht zuletzt auch zur Behauptung des Vaters, nach einer schweren Verletzung Alexanders sei keine zweckdienliche Behandlung erfolgt. Überdies erachtet es das Rekursgericht als notwendig, auf der so gewonnenen Entscheidungsgrundlage - so wie auch von beteiligten Jugendämtern angeregt - einen psychologischen Sachverständigen beizuziehen, der Mutter und Kind zu untersuchen und klarzustellen haben werde, welche Auswirkungen das Leben in der "Vereinigungskirche" auf die psychische Situation der Mutter und des heranwachsenden Kindes gehabt habe bzw. noch haben könne. Erst dann werde mit ausreichender Sicherheit beurteilt werden können, ob die momentane Situation Alexanders im Sinne einer Beeinträchtigung des Kindeswohles gewertet werden muß oder nicht.

Eine Gefährung des Kindeswohles im Falle der Unterbringung bei der Mutter bedeute aber noch nicht zwangsläufig die Übergabe des Kindes an den Vater. Diese komme dann nicht in Betracht, wenn auch eine Unterbringung beim Vater mit dem Kindeswohl nicht vereinbar wäre.

Der angefochtene Beschluß gehe davon aus, daß eine Übergabe des Minderjährigen in die Obsorge des Vaters vor allem auf Grund seiner aus seinen Eingaben ersichtlichen Persönlichkeitsstruktur von vornherein undenkbar erscheine. Auch diesbezüglich reiche aber der bisherige Akteninhalt noch nicht aus:

Dem Erstgericht sei durchaus zuzustimmen, daß das Bild, das sich vom Vater aufgrund seines Auftretens im Verfahren, insbesondere aufgrund von Stil und Wortwahl seiner Eingaben ergebe, ein überaus negatives sei. Ginge man nur von dem so gewonnenen Bild aus, müßte man wohl aus den vom Erstgericht angestellten Überlegungen seine Fähigkeit, seinem Kind Vorbild und primäre Bezugsperson zu sein, verneinen. Allerdings könne nicht unberücksichtigt bleiben, daß das vorliegende Verfahren für den um sein Kind kämpfenden Vater eine Extremsituation darstelle, die von ihm um so intensiver empfunden werden müsse, je mehr er von der Richtigkeit der von ihm gegen die Mun-Sekte erhobenen Vorwürfe überzeugt sei. Nun könne diese Situation das vom Erstgericht anschaulich und durchaus zutreffend geschilderte Verhalten des Vaters nicht rechtfertigen, wohl aber zumindest insoweit erklärbar machen, daß nicht von vornherein mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden könne, daß der Vater - würde ihm das Kind zugesprochen und die ihn belastende Situation dadurch beendet werden - nicht doch in der Lage wäre, seine Persönlichkeit zu konsolidieren und seinen Sohn ohne Gefährdung des Kindeswohles zu erziehen und zu betreuen. Die vom Erstgericht aus dem im Verfahren vom Vater an den Tag gelegten Verhalten gezogenen Schlüsse stellten daher nur ein - wenn auch gewichtiges - Indiz für die Erziehungsunfähigkeit des Vaters dar, das aber für eine abschließende Beurteilung noch nicht ausreiche. Auch insoweit sei das Verfahren ergänzungsbedürftig. Es werde erforderlich sein, ein Gutachten eines psychologischen Sachverständigen einzuholen, der zur Erziehungsfähigkeit des Vaters unter Berücksichtigung der vom Erstgericht aufgezeigten Umstände Stellung zu nehmen haben werde.

In Stattgebung des Rekurses sei daher der Beschluß ON 266 - soweit darin der Antrag des Vaters auf Übertragung der Obsorge abgewiesen worden sei - aufzuheben und dem Erstgericht aufzutragen gewesen, das Verfahren im aufgezeigten Umfang zu ergänzen und sodann über diesen Antrag neuerlich zu entscheiden. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren herausstellen, daß die derzeitige Situation des Minderjährigen dessen Wohl gefährdet, daß aber der Vater erziehungsunfähig sei, werde das Erstgericht zwar den Antrag des Vaters abzuweisen, gleichzeitig aber von amtwegen geeignete pflegschaftsbehördliche Maßnahmen zu ergreifen haben.

Nicht berechtigt sei der Rekurs, soweit er sich gegen die Abweisung des Antrages auf unbedingte Hinterlegung des Reisepasses des Minderjährigen bei Gericht wende. Das Erstgericht habe zutreffend darauf verwiesen, daß eine derartige Abnahme des Reisepasses, die einen erheblichen Eingriff in die Rechtsposition der Mutter darstellen würde, nur bei konkreter und akuter Gefährdung des Kindes in Betracht käme. Daß die Verbringung des Minderjährigen ins Ausland unmittelbar bevorstehe, habe der Vater nicht unter Beweis gestellt. Seine im Laufe des Verfahrens wiederholt gestellten Prognosen, die Verbringung stehe unmittelbar bevor, hätten sich nicht bewahrheitet. Konkrete Anhaltspunkte für eine unmittelbar bevorstehende Verbringung des Kindes lägen nicht vor. Hingegen würde eine Abnahme des Reisepasses dem Minderjährigen die Aufenthalte bei seinem Großvater in Polen, an dem er sehr hänge, unmöglich machen. Für eine Untersagung dieser Auslandsaufenthalte, von denen der Minderjährige immer zurückgebracht worden sei und gegen die seitens des Gerichtes keinerlei Bedenken bestünden, bestehe aber kein Anlaß.

Ebenso nicht berechtigt sei der Rekurs, soweit er sich gegen die Abweisung des Antrages auf Ausdehnung des Besuchsrechtes wende.

Zu Recht verweise das Erstgericht in diesem Zusammenhang auf die in den letzten Monaten zwischen dem Minderjährigen und dem Vater eingetretene Entfremdung. Dem Vater sei in diesem Zusammenhang darin zuzustimmen, daß diese Entfremdung zu einem nicht unerheblichen Teil von der Mutter ausgelöst worden sei, die ganz offenbar bestrebt sei, den Minderjährigen gegen seinen Vater zu beeinflussen. Trotz seiner gegenteiligen Beteuerungen müsse sich aber auch der Vater den Vorwurf gefallen lassen, die vom Erstgericht aufgezeigte Entfremdung mitverursacht zu haben. In diesem Zusammenhang sei auf die vom Erstrichter hervorgehobene mehrfache unüberlegte Austragung von Konflikten in Gegenwart des Minderjährigen hinzuweisen. Soweit sich der Vater in diesem Zusammenhang gegen die erstgerichtliche Beweiswürdigung wende, ist ihm entgegenzuhalten, daß dem Erstgericht zu einer Reihe der hier zu beurteilenden Fragen verwertbare Aussagen nur der Kindesmutter zur Verfügung gestanden seien, da der Vater der Ladung des Erstrichters zu einer abschließenden Vernehmung am 31.1.1992 nicht Folge geleistet habe. Daß sich das Erstgericht daher in mancher Hinsicht nur auf die Aussagen der Mutter habe stützen können, habe er sich demgemäß selbst zuzuschreiben.

Von wem die Entfremdung zwischen Vater und Sohn auch immer zu vertreten sein möge jedenfalls sei sie derzeit vorhanden und stehe einer sofortigen Ausweitung des Besuchsrechtes entgegen.

Dem Vater sei allerdings zuzubilligen, daß das derzeit festgelegte Besuchsrecht keine Dauerlösung darstellen könne, weil es im Hinblick auf das Alter des Minderjährigen zur Erreichung der damit angestrebten Zwecke zu gering sei. Sollten daher die noch offenen Anträge der Mutter auf gänzliche Entziehung des Besuchsrechtes erfolglos bleiben, werde anzustreben sein, das Besuchsrecht so bald wie möglich auf einen größeren Zeitraum auszudehnen. Dazu müsse aber erst die derzeit zwischen Vater und Sohn bestehende Entfremdung behoben werden. Dazu sei es erforderlich, daß der Vater das ihm derzeit zustehende Besuchsrecht regelmäßig ausübe und sinnvoll gestalte. Daß eine derartige sinnvolle Gestaltung wegen der Entfernung zwischen dem Wohnort des Vaters und dem des Kindes nicht möglich wäre, sei unrichtig, da es keineswegs unbedingt erforderlich sei, die Besuchstage mit dem Minderjährigen am Wohnsitz des Vaters zu verbringen. In diesem Zusammenhang sei darauf zu verweisen, daß der Minderjährige im Laufe des Verfahrens mehrfach Wünsche geäußert hat, mit dem Vater Ausflüge etwa nach Schwarzau oder Pitten oder nach Herberstein zu unternehmen. Durch ein Eingehen auf derartige Wünsche wäre es dem Vater möglich, auch das ihm derzeit eingeräumte Besuchsrecht zweckentsprechend zu gestalten und auf diese Weise die für eine Besuchsrechtausdehnung erforderliche Beziehung zwischen ihm und seinem Sohn wieder aufzubauen. Ein derart sinnvoll genütztes Besuchsrecht des Vaters zuzulassen, werde der Mutter mit Nachdruck angeraten. Zum derzeitigen Zeitpunkt komme aber jedenfalls eine wie immer geartete Ausdehnung des Besuchsrechtes nicht in Betracht.

Auch die abermals weitwendige Polemiken enthaltende Einwände gegen die Verhängung der Ordnungsstrafe in der Höhe von S 20.000 seien nicht berechtigt.

Der Rekurswerber sei bereits in der Rekursentscheidung vom 25.4.1991 (ON 188) und in der Rekursentscheidung vom 18.11.1991 (ON 248) darauf hingewiesen worden, daß über eine Partei, die die dem Gericht schuldige Achtung durch beleidigende Ausfälle in Eingaben verletze, eine Ordnungsstrafe verhängt werden könne (§ 85 GOG, 86, 220 ZPO). § 86 ZPO und § 85 GOG dienten der Wahrung einer sachlichen, unpersönlichen Ausdrucksweise. Jeder Verfahrensbeteiligte habe bei Wahrnehmung seiner Interessen sein Vorbringen so einzurichten, daß er nicht gegen diese Bestimmung verstoße. Auch eine sachlich berechtigte Kritik sei so vorzutragen, daß sie nicht durch ihre beleidigende Form die dem Gericht schuldige Achtung verletze. Bei der Beurteilung, ob ein Schriftsatz beleidigende Ausfälle im Sinne des § 86 ZPO oder des § 85 GOG enthalte, sei grundsätzlich nicht auf die Absicht des Schriftenverfassers abzustellen, es müsse vielmehr stets ein objektiver Maßstab angelegt werden. Eine Verletzung der dem Gericht geschuldeten Achtung sei daher nicht nur dann mit einer Ordnungsstrafe zu belegen, wenn sie in der Absicht vorgebracht worden sei, das Gericht zu verunglimpfen, sondern auch dann, wenn sie einem Mangel an Überlegungen entsprungen sei.

Daß die vom Erstrichter im angefochtenen Beschluß wiedergegebenen Äußerungen des Rekurswerbers den Tatbestand des § 85 GOG erfüllen, könne nicht zweifelhaft sein. Von sachlicher Kritik könne in diesem Zusammenhang nicht im entferntesten die Rede sein. Es handle sich vielmehr um eine absolut indiskutable und völlig überflüssige beleidigende Ausdrucksweise, die zur Vertretung der Interessen des Rekurswerbers nichts beizutragen vermöge. Auf diese Ausdrucksweise mit den im Gesetz vorgesehenen Sanktionen zu reagieren, habe mit "mundtot machen" oder mit "unter den Teppich kehren" nicht das Geringste zu tun. Die Verhängung einer Ordnungsstrafe erweise sich daher als vollinhaltlich gerechtfertigt.

Was die Strafhöhe anlange, so sei dem Erstrichter beizupflichten, daß irgendwelche Milderungsgründe für den Rekurswerber nicht erkennbar seien. Die bereits verhängten Ordnungsstrafen von S 5.000,-- und S 10.000,-- hätten eine Mäßigung der beleidigenden Schreibweise des Rekurswerbers in keiner Weise bewirken können; im Gegenteil: Die nunmehr vom Erstrichter geahndeten Beleidigungen seien teilweise noch gravierender, als die den früheren Ordnungsstrafen zugrunde liegenden Ausfälle. Die Verhängung einer spürbar höheren Geldstrafe sei daher unvermeidlich. Da die Verdoppelung der mit ON 188 verhängten Ordnungsstrafe von S 5.000,-- auf S 10.000,-- keinerlei positive Wirkung gezeigt habe, habe das Rekursgericht keine Bedenken dagegen, daß das Erstgericht die zuletzt verhängte Strafe neuerlich verdoppelt und über den Rekurswerber die Höchststrafe von S 20.000,-- verhängt habe. Daß diese Strafe im Verhältnis zu seinem Einkommen hoch ist, sei dem Rekurswerber durchaus zuzubilligen. Die völlige Wirkungslosigkeit der bisher verhängten Ordnungsstrafen lasse aber keine andere Wahl.

Nach Zustellung des Beschlusses des Rekursgerichtes brachte der Vater innerhalb der Rekursfrist einen als "Antrag auf außerordentlichen Revisionsrekurs" bezeichneten Schriftsatz ein. Da der Vater mit Beschluß vom 16.4.1992 gemäß § 5 AußStrG angewiesen worden war, seine Eingaben in Hinkunft von einem Rechtsanwalt verfassen und unterfertigen zu lassen, wurde ihm eine Frist gesetzt, den Schriftsatz in diesem Sinne zu verbessern.

Innerhalb der Verbesserungsfrist brachte der dem Vater zur Verfahrenshilfe beigegebene Rechtsanwalt einen Revisionsrekurs ein. Diesem schloß er den vom Vater verfaßten "Antrag auf außerordentlichen Revisionsrekurs" an und führte aus, dieser stelle einen Bestandteil des Revisionsrekurses dar, das darin enthaltene Sach- und Rechtsvorbringen sowie die darin gestellten Anträge würden aufrecht erhalten.

Rechtliche Beurteilung

Auf den vom Vater selbst verfaßten Schriftsatz ist jedoch nicht Bedacht zu nehmen. Dem Vater wurde mit Beschluß aufgetragen, seine Eingaben in Hinkunft von einem Rechtsanwalt nicht nur unterfertigen sondern auch verfassen zu lassen. Diese Maßnahme im Sinne des § 5 AußStrG dient der Entlastung der Gerichte (EvBl 1973/283; 1 Ob 794/79; 5 Ob 620/83; 8 Ob 525/83; 2 Ob 574, 575, 1556-1558/92 ua). Dieser Zweck könnte aber nicht erreicht werden, wenn es zulässig wäre, daß der Rechtsanwalt einen von seinem Mandanten selbst verfaßten Schriftsatz vorlegt und auf diesen verweist.

Es ist daher nur auf die in der vom Rechtsanwalt verfaßten Rechtsmittelschrift enthaltenen Ausführungen einzugehen (die im übrigen ohnedies die wesentlichen Einwände, die der Vater in seinem Schriftsatz vorbringt - soweit diese sachlich sind - enthalten).

Das Rechtsmittel wendet sich als außerordentlicher Revisionsrekurs dagegen, daß dem Rekurs gegen die Verhängung der Ordnungsstrafe von S 20.000,-- sowie gegen die Abweisung der Anträge auf Ausdehnung des Besuchsrechtes und Hinterlegung des Reisepasses des Minderjährigen nicht Folge gegeben wurde.

Die Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG liegen jedoch nicht vor, weshalb der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen war, ohne daß dies einer weiteren Begründung bedurfte (§ 16 Abs 3 AußStrG und § 510 Abs 3 ZPO).

Mit (ordentlichem) Revisionsrekurs bekämpft der Vater den Beschluß des Rekursgerichtes hinsichtlich seines Antrages auf Übertragung der Obsorge für den Minderjährigen. Er beantragt, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die Obsorge der Mutter entzogen und dem Vater übertragen werde.

Der (ordentliche) Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Vater vertritt in seinem Revisionsrekurs die Ansicht, schon die bisherigen Feststellungen reichten aus, die Obsorge für den Minderjährigen Alexander ihm zu übertragen. Alexander sei einer gesundheitlichen Gefahr ausgesetzt, weil die Mutter nicht sozialversichert sei und in der Sekte keine ausreichende medizinische Betreuung erfolge. Alexander habe mehrmals nicht die erforderliche medizinische Betreuung erhalten, bestimmte Krankheiten würden als Sühne oder Wiedergutmachung nicht behandelt. Die psychische Entwicklung des Kindes sei nicht nur grob gefährdet sondern auch bereits beeinträchtigt. Diese Gefährdung bestehe insbesondere deshalb, weil die Erziehung in der Sekte darauf gerichtet sei, daß die Sektenmitglieder sich der absoluten Autorität und dem Wahrheitsmonopol der Sektenführer unterordnen, wobei die Sektenmitglieder zu willigen, unkritischen und zu jedem Opfer bereiten Werkzeug, insbesondere auch im Zusammenhang mit wirtschaftlicher Ausbeutung, gemacht werden sollten. Bei diesen "Bekehrungsmechanismen" würden die Mitglieder von den vertrauten Personen und Tätigkeiten getrennt, wobei die leibliche Familie als besonders gefährlich gelte. Dadurch, daß der minderjährige Alexander meist nicht von der Mutter, sondern von anderen Sektenmitgliedern beaufsichtigt werde, werde in dieser Weise bereits vorgegangen, der Minderjährige werde seinen Eltern entfremdet und der Sekte "untergeordnet". Die Folgen dieser Einengung der Entscheidungsfreiheit und der Interessen und des Unterbindens der persönlichen Kontakte zeigten sich auch bereits beim minderjährigen Alexander bei der Ausübung des Besuchsrechtes. Weiters sei für die Entwicklung des Minderjährigen der strengen Dualismus zwischen der göttlichen und der satanischen Welt belastend. Die großen Einflußmöglichkeiten und Einflußnahmen der Sekte stellten sich für die Entwicklung des Kindes negativ dar. Gegen eine Unterbringung des Kindes beim Vater, dessen Lebensverhältnisse geordnet seien, bestünden keine Bedenken.

Den Ausführungen ist folgendes zu erwidern:

Nach dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt ist die Mutter bei der NÖ Gebietskrankenkasse sozialversichert. Überdies hat der Minderjährige gemäß § 123 ASVG auch als Angehöriger seines sozialversicherten Vaters Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung.

Feststellungen darüber, daß der Minderjährige medizinisch unzureichend behandelt wurde und daß manche Krankheiten in der Sekte nicht behandelt werden, hat das Erstgericht nicht getroffen. Diese vom Vater behaupteten Umstände können daher nach dem bisher festgestellten Sachverhalt eine Übertragung der Obsorge nicht rechtfertigen. Darüber, ob die Behauptungen des Vaters über eine gesundheitliche Gefährdung wegen nichtausreichender medizinischer Betreuung richtig sind, hat das Rekursgericht ohnedies eine Verfahrensergänzung aufgetragen.

Darüber, ob die psychische Entwicklung des Kindes gefährdet und bereits beeinträchtigt ist, hat das Rekursgericht, insbesondere unter Hinweis auf die in der Literatur gegen die Munsekte erhobenen Vorwürfe, eine umfangreiche Verfahrensergänzung angeordnet. Erst nach deren Durchführung kann beurteilt werden, ob eine Gefahr bzw. Beeinträchtigung der psychischen Entwicklung besteht. Der bisher festgestellte Sachverhalt reicht nicht aus, dies beurteilen zu können.

Ob eine Übertragung der Obsorge an den Vater das Wohl des Kindes gefährden würde, kann aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen ebenfalls noch nicht beurteilt werden, auch diese Frage hat Gegenstand der Verfahrensergänzung zu sein.

Eine Abänderung der Entscheidung im Sinne des Revisionsrekursantrages dahin, daß dem Vater die Obsorge für das Kind übertragen wird, kommt daher nicht in Frage. Da im Verfahren Außerstreitsachen - soferne nicht Teilrechtskraft besteht - eine Schlechterstellung des Rechtsmittelwerbers zulässig ist (NZ 1982, 138), vor allem bei Bekämpfung einer aufhebenden Entscheidung (8 Ob 612/87), ist auch zu prüfen, ob eine Abweisung des Antrages des Vaters auf Übertragung der Obsorge an ihn, also eine Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes, gerechtfertigt wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Die verfassungsgesetzlich gewährleistete Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art 14 StGG) und das Recht des geschiedenen Elternteiles, dem die Obsorge zusteht, über die religiöse Erziehung zu bestimmen (§ 2 RelKEG) können eine Gefährdung des Kindeswohles nicht rechtferigen. Ein Elternteil, der seinem Kind nicht die notwendige medizinische Behandlung zukommen läßt oder der das Kind "zu einem willenlosen Werkzeug" macht, handelt ohne Zweifel gegen das Kindeswohl. Dies kann zu einer Änderung der Regelung über die Obsorge führen. Daran vermag es nichts zu ändern, wenn die Handlungsweise dieses Elternteiles den religiösen Ansichten einer Sekte, der er angehört, entspricht. Eine Änderung der Regelung über die Obsorge kann insbesondere dann angezeigt sein, wenn der Elternteil, dem die Obsorge zukommt, das Kind nicht selbst pflegt und erzieht, sondern dies einer Sekte überläßt, die nicht im Interesse des Kindes handelt, sondern eigene Interessen verfolgt und dadurch das Kind physisch oder psychisch gefährdet. Ob die Munsekte das Wohl des minderjährigen Alexander - so wie dies der Vater behauptet - tatsächlich gefährdet, kann noch nicht beurteilt werden. Mit Recht hat daher das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichtes aufgehoben und eine Verfahrensergänzung angeordnet.

Aus diesen Gründen war dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E30747

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0020OB00593.92.1216.000

Dokumentnummer

JJT_19921216_OGH0002_0020OB00593_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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