TE OGH 1992/12/16 13Os134/92

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Veröffentlicht am 16.12.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Dezember 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger, Dr.Massauer, Dr.Rzeszut und Dr.Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Munsel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andreas K***** wegen des Vergehens des Betruges nach dem § 146 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Strafverfügung des Strafbezirksgerichtes Wien vom 17. April 1992, GZ 4 U 441/92-3, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Kodek, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Andreas K***** wegen des § 146 StGB, AZ 4 U 441/92 des Strafbezirksgerichtes Wien, verletzt die Strafverfügung vom 17.April 1992, ON 3, das Gesetz in der Bestimmung des § 460 Abs. 1 StPO.

Diese Strafverfügung wird aufgehoben und es wird dem Strafbezirksgericht Wien aufgetragen, dem Gesetz gemäß vorzugehen.

Text

Gründe:

Aus dem Akt 4 U 441/92 des Strafbezirksgerichtes Wien ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der am 20.April 1966 geborene Laborant Andreas K***** wurde am 14. November 1991 um 0,05 Uhr von einer Funkstreife dabei beobachtet, wie er ein von Ludwig W***** gelenktes Taxi verließ und sich anscheinend ohne Bezahlung des Fuhrlohnes entfernen wollte. Gegenüber den Polizeibeamten gab der Taxilenker an, er habe den Fahrgast in Wien 7., Ecke Neubaugasse/Burggasse aufgenommen, wobei dieser als Fahrtziel einen Bankomaten am Getreidemarkt nannte. Als er verkehrsbedingt an der Kreuzung Mariahilfer Straße-Messepalast anhalten mußte, sei der Fahrgast ohne Bezahlung des S 48,-- betragenden Fuhrlohnes mit der Bemerkung "So, das wäre es", ausgestiegen, und habe sich entfernt. K*****, der dem Polizeibeamten gegenüber zunächst die Bezahlung von S 50,-- behauptet hatte, verweigerte sodann - obwohl im Besitz von Bargeld (S 10 dA) - die Bezahlung. Bei seiner späteren niederschriftlichen Einvernahme gab er an, er sei in das Taxi an der Kreuzung Schottenfeldgasse/Lerchenfelderstraße eingestiegen und habe gewußt, daß sich in der Lerchenfelderstraße Ecke Neubaugasse ein Bankomat befindet. Da er dem Taxilenker den Auftrag gegeben habe, ihn zum nächsten Bankomaten zu bringen, sei er verärgert gewesen, als er bemerkte, nun schon beim Messepalast zu sein. Seiner Meinung nach habe der Taxilenker seine leichte Alkoholisierung ausnützen wollen und einen unnötigen Umweg gemacht, weshalb er zur Bezahlung des Fuhrlohnes nicht bereit sei.

Das Strafbezirksgericht Wien erließ gegen Andreas K***** am 17.April 1992 eine Strafverfügung wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB, weil er am 14.November 1991 in Wien 7., Messepalast vor der Mariahilfer Straße mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, den Taxilenker Ludwig W***** durch die Vorgabe, ein zahlungsfähiger und -williger Fahrgast zu sein, mithin durch Täuschung über Tatsachen, zu einer Handlung, nämlich der Übernahme einer Fuhre von der Neubaugasse/Burggasse zum Getreidemarkt verleitete, die diesen in einem Betrag von S 48,-- am Vermögen schädigte (ON 3).

Die Strafverfügung erwuchs in Rechtskraft, die Geldstrafe wurde bereits bezahlt.

Rechtliche Beurteilung

Die Erlassung der genannten Strafverfügung durch das Strafbezirksgericht Wien steht - wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend geltend macht - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Nach der Bestimmung des § 460 Abs. 1 StPO kann der Richter die Strafe nämlich ohne vorausgehendes Verfahren unter anderem nur dann durch Strafverfügung festsetzen, wenn ein auf freiem Fuß befindlicher Beschuldigter von einer Behörde oder einem Sicherheitsorgan auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmungen oder eines Geständnisses angezeigt wird oder die durchgeführten Erhebungen zur Beurteilung aller für die Entscheidung maßgebenden Umstände ausreichen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Anzeige erfolgte weder auf Grund eigener Wahrnehmung der Sicherheitsorgane, die lediglich die Entfernung des Beschuldigten von dem von ihm benützten Taxi und die Verfolgung durch den Taxilenker beobachtet hatten, noch auf Grund eines abgelegten Geständnisses. Nach der Verantwortung des Beschuldigten war insbesondere die innere Tatseite des Betruges nicht gegeben: Er gab nämlich nicht zu, bei der Aufnahme des Taxis den Lenker über seine - ohnedies gegebene - Zahlungsfähigkeit oder über seinen Zahlungswillen getäuscht zu haben, vielmehr behauptete er zunächst die ohnedies erfolgte Bezahlung des Fuhrlohns und sodann (bei seiner niederschriftlichen Einvernahme), seine - nunmehr zugebene - Weigerung, den Fuhrlohn zu bezahlen, sei bloß die Reaktion auf das Fehlverhalten des Taxilenkers gewesen. Bei Zutreffen dieser Verantwortung könnte also wegen der Nichtbegleichung des Fuhrlohns von einer Strafbarkeit wegen Betruges keine Rede sein.

Zusätzliche Erhebungen hat das Bezirksgericht nicht angestellt, obwohl die Angaben der Beteiligten über den Ort der Aufnahme des Taxis und das Fahrtziel nicht übereinstimmen und demgemäß die Frage, ob wirklich ein Bankomat Ecke Lerchenfelderstraße/Neubaugasse nächstgelegen war, nicht zu beantworten ist. Die Angabe des Taxilenkers vor dem Funkstreifenbeamten, ihm sei als Fahrtziel der Getreidemarkt angegeben worden, wurde dem Beschuldigten nicht vorgehalten, so daß es an seiner Anhörung dazu gebricht.

Liegt somit ein Geständnis des Beschuldigten nicht vor (vgl Mayerhofer-Rieder StPO3 E 3-6 zu § 460) und wurden zusätzliche Erhebungen zur Überprüfung der Verantwortung des Beschuldigten nicht geführt, so durfte eine Strafverfügung nicht erlassen werden, zumal nach Lage des Falles die Beantwortung der Frage, ob die - hier gar nicht vorliegenden - Erhebungen zur Beurteilung aller für die Entscheidung maßgebenden Umstände ausreichen, der freien Beweiswürdigung des Bezirksgerichtes insofern entrückt und damit einer Anfechtung gemäß § 33 Abs. 2 StPO zugänglich ist, als der das ganze Strafverfahren beherrschende Grundsatz des beiderseitigen Gehörs in einer die Erforschung der materiellen Wahrheit berührenden Weise nicht gewahrt worden ist (vgl Mayerhofer-Rieder aaO E 9). Daß sich der Beschuldigte leugnend verantwortet hat, kann - anders als in dem der Entscheidung 13 Os 120,121/88 zugrundeliegenden Fall - dem Grundsatz des beiderseitigen Gehörs nicht genügen, weil die Verantwortung eine Stellungnahme zu den (nur in Berichtsform festgehaltenen) Angaben des Geschädigten in allen für die Beurteilung der gerade beim Betrug problematischen inneren Tatseite wesentlichen Punkten vermissen läßt. Entgegen dem Wortlaut der Strafverfügung lag überdies eine Täuschung über die Zahlungsfähigkeit jedenfalls nicht vor. Zur Beurteilung der Täuschung über den Zahlungswillen bei Aufnahme des Taxis wäre zumindst eine Stellungnahme des Beschuldigten zu den Angaben des Geschädigten unerläßlich gewesen. Der Strafverfügung fehlt daher eine ausreichende tragfähige Sachverhaltsgrundlage (vgl Mayerhofer-Rieder3 E 19 b und 19 c zu § 292 StPO).

Die demnach festgestellte Verletzung des § 460 Abs. 1 StPO kann sich zum Nachteil des Beschuldigten ausgewirkt haben.

Mithin war wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Anmerkung

E30412

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0130OS00134.9200005.1216.000

Dokumentnummer

JJT_19921216_OGH0002_0130OS00134_9200005_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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