Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosemarie B*****, vertreten durch Dr.Otmar Franiek, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Evelin R*****, vertreten durch Dr.Gerald Herzog und Dr.Manfred Angerer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen S 59.212,50 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 28.November 1992, GZ 4 a R 39/91-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 8.August 1991, GZ 27 Cg 273/90-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin den Betrag von S 32.000,-
samt 4 % Zinsen seit dem 24.August 1990 binnen vierzehn Tagen zu bezahlen.
Das Mehrbegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin den weiteren Betrag von S 27.212,50 samt 4 % Zinsen seit dem 24.August 1990 zu bezahlen, wird abgewiesen.
Die Prozeßkosten werden gegeneinander aufgehoben.
Die Beklagte hat die Hälfte der Pauschalgebühren in allen Instanzen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist seit dem 3.März 1966 mit Dr.Johann B***** verheiratet. Der Mann ist am 15.März 1987 aus der Ehewohnung im gemeinsamen Haus ausgezogen und hat am 24.September 1987 die Scheidungsklage erhoben. Das Verfahren über diese Klage und die Widerklage der Frau ist noch anhängig.
Der Mann lernte die Beklagte im Jänner 1990 kennen und unterhält mit ihr seit etwa März 1990 geschlechtliche Beziehungen. Die Klägerin wurde durch eine Freundin im Mai 1990 unterrichtet. Die Freundin kannte die Beklagte. Am nächsten Tag suchte der Mann der Klägerin mit der Beklagten wieder das Gasthaus auf und wurde verständigt, daß die Klägerin im Auto wartet. Da er die Klägerin beim Wohnhaus der Beklagten sah, nahm er an, daß ihr die Wohnung der Beklagten schon bekannt war und sie dort auf ihn und die Beklagte wartete. Er ging mit der Beklagten in deren Wohnung und blieb über Nacht.
Die Beklagte beauftragte ein Detektiv-Unternehmen am 5.Juni 1990 mit Ermittlungen und Beobachtungen über ein ehewidriges Verhalten ihres Ehegatten. Die Beobachtungen wurden am 6.Juni 1990 aufgenommen und an jedem der Folgetage bis zum 14.Juni 1990 fortgesetzt. Sie ergaben, daß die Beklagte mit dem Ehegatten der Klägerin gemeinsam die Freizeit verbringt und daß dieser ihre Wohnung in den Abendstunden betritt und sie erst am Morgen verläßt. Dabei ergaben die Beobachtungen am 6.Juni 1990 und am 7.Juni 1990 keine Anhaltspunkte für eine Beziehung der Beklagten mit dem Ehegatten der Klägerin, wohl aber die Observation am 8.Juni 1990 und am 9.Juni 1990 sowie die Kontrolle am 10.Juni 1990. Danach erbrachten die Ermittlungen keine neuen Erkenntnisse über die Beziehung.
Der Ehemann der Klägerin gab das Ergebnis des Detektivberichtes im Verfahren über eine Wiederaufnahmsklage vor dem Bezirksgericht Klagenfurt als richtig zu.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten den Ersatz der ihr mit S 59.212,50 in Rechnung gestellten Kosten des Detektiv-Unternehmens. Erst durch die Beobachtungen der Detektive habe sie Gewißheit über die Beziehung ihres Ehegatten zur Beklagten erlangt und nachzuweisen vermocht, daß die beiden die Nächte in der Wohnung der Beklagten verbringen. Ihr Ehegatte habe erst am 25.Juli 1990 im Prozeß um die Wiederaufnahme des Unterhaltsrechtsstreits zugegeben, mit der Beklagten seit etwa März 1990 geschlechtliche Beziehungen zu haben. Der Ehebruch sei für den endgültigen Ausgang des anhängigen Ehescheidungsprozesses von Bedeutung. Sie sei daher berechtigt gewesen, sich durch die Einschaltung des Detektiv-Unternehmens Klarheit und Beweise zu verschaffen. Die Beklagte habe am 21.August 1990 das Verlangen der Klägerin abgelehnt, ihr die Detektivkosten zu ersetzen.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Betrauung des Detektiv-Unternehmens sei überflüssig und schikanös gewesen, weil die Ehe der Klägerin schon Jahre vor der Aufnahme der Beziehung zu ihrem Mann unheilbar zerrüttet war und die neue Beziehung für die Klägerin schon im Mai 1990 offenkundig war.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Aus den Akten über das Scheidungsverfahren und den Unterhaltsprozeß ergebe sich, daß die Ehe der Klägerin seit mindestens 6.3.1989 unheilbar zerrüttet sei und die Klägerin es darauf abstelle, ihrem Ehemann zu schaden und seine wirtschaftliche und berufliche Existenz zu vernichten. Seine Beziehung zur Beklagten sei für die Klägerin schon vor der Auftragserteilung an das Detektiv-Unternehmen offenkundig gewesen. Bei Veranlassung der Überwachung habe es sich um eine überflüssige und schikanöse Rechtsausübung gehandelt.
Das Berufungsgericht bestätigte und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Das Interesse eines Ehegatten, Kenntnis über ein ehestörendes Verhalten des anderen zu erlangen, sei nicht in allen Fällen gleich schützenswert. Soweit die Ehegatten einander zu verstehen gaben, jedes Interesse daran verloren zu haben, wie der andere sein privates Leben gestaltet, wäre das Verlangen auf Offenlegung Rechtsmißbrauch und eine Haftung des beteiligten Partners für Detektivkosten abzulehnen. Bei dem im Unterhaltsprozeß festgestellten als Grundlage für die Unterhaltsverwirkung angenommenen partnerschaftswidrigen Verhalten der Klägerin sei das der unheilbaren Zerrüttung der Ehe nachfolgende ehewidrige Verhalten ihres Ehemannes nicht als ein ins Gewicht fallendes Verschulden anzurechnen. Bei der völlig abgesonderten Lebensgestaltung der Ehegatten könne, wenn sich die Klägerin ohnedies schon vorher bewußt war, daß ihr Ehemann eine Beziehung zu einer anderen Frau unterhält,
kein schützenswertes Informationsinteresse daran erblickt werden, den Namen der Beklagten auszukundschaften. Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Ersatz der schikanös durch überflüssige Nachforschungen verursachten Detektivkosten nicht zu.
Die außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig und teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Auslagen eines Ehegatten durch Überwachung des der Verletzung der
ehelichen Treue verdächtigten anderen Ehegattens können aus dem Titel
des Schadenersatzes sowohl von diesem als auch dem beteiligten
dritten Partner ersetzt verlangt werden, sofern die Aufklärung
geboten ist (Koziol, Haftpflichtrecht2 I 162 und II 19; Pichler in
Rummel, ABGB2 Rz 2b zu § 90; Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 23 zu §
1323; SZ 58/164 uva). Das Recht, sich durch Betrauung eines
Detektives Gewißheit zu verschaffen, findet eine Grenze dort, wo die
Überwachung offenkundig überflüssig (EvBl 1970/309), von
vorneherein aussichtslos und erkennbar unzweckmäßig ist (EvBl 1978/26
ua) oder aber Rechtsmißbrauch vorliegt, weil die Ehegatten durch
einvernehmliche Gestaltung oder Aufhebung ihrer ehelichen
Gemeinschaft bekundet haben, jedes Interesse daran verloren zu
haben, wie der andere sein Leben gestaltet (Reischauer aaO; SZ
58/164). Ein Ehegatte, der selbst durch fortgesetzte schwerste
Verfehlungen den Mangel jeder ehelichen Gesinnung zeigt, hat keinen
Anspruch, über das Verhalten des anderen Ehegatten aufgeklärt zu
werden, und kann auch nicht den Ersatz des für die Überwachung durch
Detektive entstandenen Aufwands ersetzt verlangen (SZ 56/164).
Die Vorinstanzen haben in rechtlicher Hinsicht gemeint, daß der Klägerin jegliche eheliche Gesinnung seit Jahren fehlt und sie das Ziel verfolgt, ihrem Ehemann zu schaden. Schikane iSd § 1295 Abs 2
ABGB liegt aber nur vor, wenn dem, der sein Recht ausübt, jedes
andere Interesse abgesprochen werden muß oder zumindest der Schädigungszweck so augenscheinlich im Vordergrund steht, daß andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten (EvBl 1990/52 = RdW 1990, 155; SZ 63/49; JBl 1991, 518 uva).
Nach den wesentlichen Feststellungen der Vorinstanzen hat der Ehemann die Klägerin am 15.März 1987 verlassen, worauf diese ihre Rechte durchzusetzen versuchte, dabei aber ein Verhalten zeigte, daß ihr der gerichtlich geltend gemachte Unterhalt verweigert wurde, weil sie gegen Grundsätze anständiger Begegnung verstoßen habe. Der Scheidungsprozeß ist aber noch anhängig.
Es ist nicht auszuschließen, daß in dem über die Klagen beider Ehegatten anhängigen Scheidungsprozeß auch der Tatsache Bedeutung zukommt, daß sich der Ehemann einer anderen Frau zugewendet hat und mit dieser geschlechtliche Beziehungen unterhält, mag auch zur Zeit ihrer Aufnahme die eheliche Gemeinschaft schon längere Zeit aufgehoben und die Ehe so tiefgreifend zerrüttet gewesen sein, daß nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden Beziehung der Ehegatten nicht zu erwarten war. Ob der Nachweis der ehewidrigen Beziehung letztlich für die Scheidung der Ehe und den Ausspruch des Verschuldens erheblich ist, kann ohne Vorgriff auf die Beurteilung im Ehescheidungsprozeß nicht beantwortet werden. Nach Zerrüttung der Ehe mögen weitere Eheverfehlungen keine entscheidende Rolle mehr spielen (EFSlg 63.446 uva; auch Eingehen einer Lebensgemeinschaft EFSlg 63.448), doch setzt die Nichtberücksichtigung weiterer Verfehlungen voraus, daß die Zerrüttung zum völligen Erlöschen der ehelichen Gesinnung geführt hat und eine Vertiefung der Zerrüttung unmöglich ist (3 Ob 503/90 = EFSlg 63.392). Die Pflicht zur ehelichen Treue besteht während der ganzen Dauer der Ehe und muß von den Ehegatten auch noch während des anhängigen Scheidungsverfahrens beachtet werden (EFSlg 57.109; EFSlg
60.188 ua).
Selbst wenn die Klägerin von der Aufnahme der Beziehung ihres Ehemannes zur Beklagten wußte und selbst in der Lage gewesen wäre, eigene Nachforschungen nach der Person der Beklagten und der Art der Beziehung anzustellen, ist ihr zuzubilligen, daß sie sich durch eine Detektivüberwachung Beweise verschaffen durfte. Daß der Ehemann der Klägerin die Beziehung nach Vorliegen des Berichtes des Detektiv-Unternehmens zugab, ändert daran nichts, weil damit die Unnötigkeit des Aufwandes nicht zu beweisen ist, erfolgte doch das Zugeständnis erst nach Ermittlung der Tatsachen (vgl Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 23 zu § 1323; SZ 35/26). Als die Klägerin den Auftrag zur Beobachtung gab, hatte sie ein Interesse an der Aufklärung des Sachverhaltes, war doch nicht ausgeschlossen, daß dieser im Scheidungsprozeß noch eine Rolle spielen könnte. Selbst wenn die Klägerin in der Ehekrise mit ihr vorwerfbaren Angriffen den Ehemann zu schädigen versuchte, kann doch nicht gesagt werden, sie habe kein Recht auf Feststellung ehebrecherischen Verhaltens gehabt und den Kostenaufwand allein in der Absicht verursacht, ihrem Ehegatten (oder der Beklagten) zu schaden. Eine solche Feststellung wurde auch nicht getroffen.
Die gebotene Rechtsgüterabwägung kann aber zu einer umfänglichen Beschränkung des Ersatzanspruches führen (Reischauer aaO; SZ 58/164).
Die Klägerin hätte den Beobachtungsauftrag darauf zu beschränken gehabt, zu ermitteln, ob und mit welcher Person ihr Ehemann ehewidrige Beziehungen unterhält. Daß die anfängliche Beobachtung überhaupt erfolglos war, schadet ihr nicht, doch hätte sie vertraglich bedingen müssen, daß die Beobachtungen abzubrechen sind,
wenn sich ergeben hatte, daß ihr Ehemann in der Wohnung der Beklagten nächtigt. Die Fortsetzung der Beobachtung über den 10.Juni 1990 (Sonntag) hinaus ließ keine weitergehenden Erkenntnisse erwarten und hat auch nicht mehr erbracht, als daß der Personenkraftwagen des Ehemannes der Klägerin nachts wie schon an den Vortagen vor dem Wohnhaus der Beklagten stand und daß der Mann am Abend das Haus betrat und am Morgen wieder verließ. Zur Abklärung ihres Verdachtes und Feststellung des Namens der Beklagten mußte auch eine Beobachtung von Donnerstag bis Sonntag reichen. Nur diese als notwendigen Aufwand anzuerkennenden Kosten des Detektiv-Unternehmens hat die Beklagte, die an der ehewidrigen Beziehung mitwirkte, der Klägerin zu ersetzen.
Aus der Aufstellung der verrechneten Einzelleistungen des Detektiv-Unternehmens errechnet sich für die in der Zeit vom 6.Juni 1990 bis 10.Juni 1990 vorgenommenen Beobachtungen ein Kostenaufwand von etwas mehr als der Hälfte des Gesamtrechnungsbetrages. Der Ersatzanspruch ist nach § 273 ZPO festzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 43 Abs 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch über die Verpflichtung zum Ersatz der Gerichtsgebühren auf § 43 Abs 1 Satz 3 ZPO und sinngemäßer Anwendung des § 70 Satz 2 ZPO.
Anmerkung
E30797European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0030OB00575.92.1216.000Dokumentnummer
JJT_19921216_OGH0002_0030OB00575_9200000_000